Kann Geldnot die Umwelt und das Klima retten?
von Edgar L. Gärtner
Der lange von einer gewissen Szene gepflegte Glaube, dass gesellschaftliche Armut der Umwelt (und auch der Seele) weniger schadet als das Leben im Wohlstand, widerspricht sicher dem gesunden Menschenverstand. Wir haben spätestens bei der „Wende“ von 1989/90 erfahren, dass die Umweltbelastungen in den wirtschaftlich abgeschlagenen Volkswirtschaften des sozialistischen Ostens viel größer waren als im wohlhabenden kapitalistischen Westen. Aber neuerdings gibt es immer öfters Situationen, in denen man sich freut, dass den (Noch-)Wohlfahrtsstaaten das Geld ausgeht. Immer mehr wird deutlich, dass vor allem die so genannte Klimapolitik ein Luxus ist, den sich selbst die wohlhabendsten Länder kaum noch leisten können.
Schrumpfkur der europäischen Wirtschaft
Die Kollegin Elke Bodderas hat am 20. Oktober 2025 in der „Neuen Zürcher Zeitung“ dargelegt, dass die von grünen NGOs und von vielen Bürokraten in den deutschen Bundesministerien und in der EU-Kommission geforderte oder mit viel Sympathie bedachte Schrumpfkur der europäischen Wirtschaft im Namen des „Klimaschutzes“ inzwischen unter dem Motto „Weniger ist mehr“ offenbar zum herrschenden Leitbild der Politik geworden ist. Bundeskanzler Friedrich Merz hat sich unter dem Druck seines sozialdemokratischen Koalitionspartners vermutlich längst dieser Bewegung angeschlossen und redet nur noch von Wachstum, um seine alten Freunde in der Wirtschaft bei der Stange zu halten. Denn so gut wie alle wirtschafts- und sozialpolitischen Entscheidungen der letzten beiden Bundesregierungen begünstigen, im Gegensatz zu anders lautenden Beteuerungen, die Rezession oder zumindest die wirtschaftliche Stagnation.
Besondere Unterstützung erfährt die Regierung dabei offenbar von der Bundesbank, deren Vizepräsidentin Sabine Mauderer, die zugleich dem „Network for Greening the Financial System (NGFS)“ vorsteht. Das NGFS begründet seine Tätigkeit u.a. mit der Behauptung des Potsdam Instituts für Klimafolgenforschung (PIK), der globale Klimakollaps infolge der Überschreitung von „Kipp-Punkten“ stehe unmittelbar bevor. Abgewendet werden könne er nur durch eine Senkung des CO2-Ausstoßes auf netto Null bis zum Jahre 2045. Die NZZ zitiert die US-Finanzexpertin Jessica Weinkle, die davon überzeugt ist, dass der seit einigen Jahren beobachtbare Einbruch der deutschen Wirtschaft auch auf den Einfluss des NGFS auf Bundesministerien zurückgeht.
Dazu gehört das regierungsamtliche Sponsoring von volkspädagogischen Veranstaltungen, die in der Bevölkerung Freude am Verzicht wecken sollen, wie etwa „konsumkritische Stadtrundgänge“. Darum fragt der Bund der Steuerzahler: „Warum fördert die Bundesregierung mit Steuergeld, das ja durch Wirtschaftswachstum zustande kommt, ausgerechnet Aktionen, die diese Wirtschaftsleistung kritisieren?“ Die Antwort läge auf der Hand. Die Ministerien bzw. deren Hinterfrauen vom NGFS bekommen, was sie wollen: eine spürbare Schrumpfung (im grünen Fachchinesisch „Degrowth“) der Wirtschaft infolge massiver Investitionen in angeblich erneuerbare Energiequellen und der willkürlichen Sprengung neuwertiger Kern- und Kohle-Kraftwerke. Gerechtfertigt wird die Degrowth-Ideologie auch durch die so genannte New Monetary Theorie, die die Illusion von der Möglichkeit grenzenloser Geldschöpfung aus dem Nichts verbreitet und dadurch die naheliegende Inflationsangst als unbegründet hinstellt.
Auch die Schrumpfung kostet viel Geld
Das Problem: Die Schrumpfung der Wirtschaft ist auf dem eingeschlagenen Weg nicht umsonst zu haben, sondern erfordert zusätzliche Investitionen in Milliarden-, wenn nicht in Billionenhöhe. Daraus erwächst die Hoffnung, dem von den Grünen aller Linksparteien (einschließlich CDU/CSU) mit viel Steuergeld vorangetriebene Solar- und Windkraftzauber könne das Geld ausgehen, d.h. an der Mauer fehlender Investitionsmittel enden. Am Ende werden wir wahrscheinlich bankrott sein, aber unsere Umwelt wäre gerettet.
Zu den Ergebnissen der Wühlarbeit von NGOs und NGFS sowie der bürokratischen Vorgaben des selbstmörderischen „Green Deal“ der EU gehört höchstwahrscheinlich das seit 2018 um ein Viertel gesunkene Produktionsvolumen der deutschen Industrie aufgrund stetig sinkender Produktivität. Die Zahl der Firmeninsolvenzen explodiert. Das hat bis jetzt 1,3 Millionen Arbeitsplätze gekostet. Der von den Grünen gepredigte Konsumverzicht ist längst Realität – ablesbar nicht zuletzt am Umsatzeinbruch von Gastronomie und Feinkost-Läden – sofern diese nicht längst durch Shisha-Bars, Barber Shops oder Döner-Buden verdrängt wurden.
Die Hauptursache dafür ist sicher die Verteuerung der Energie bzw. der CO2-Zertifikate und die mit Milliardensubventionen geförderte Verdrängung preisgünstiger zuverlässiger durch teure zufällige Energiequellen sowie den Stopp der Importe von preisgünstigem Erdgas und Öl aus Russland. Hinzu kommt die kräftige Erhöhung der Steuerlast von Unternehmern und Leistungsträgern, um immer mehr unprofitable, aber politisch korrekte Unternehmen zu subventionieren und unproduktive illegale Einwanderer aus fremden Kulturen durchzufüttern.
Um dennoch an der Macht zu bleiben, hat die schwarz-rote Regierungskoalition unter Bundeskanzler Friedrich Merz und Finanzminister Lars Klingbeil am 18. März dieses Jahres noch mithilfe der Abgeordneten des alten Bundestages eine „Reform“ der seit 2009 in der Verfassung verankerten „Schuldenbremse“ beschlossen. Das machte den Weg frei für die Einrichtung eines gepumpten (!) „Sondervermögen“ in Höhe von 500 Milliarden Euro, das die Aufnahme neuer Staatsschulden in Höhe von insgesamt 850 Milliarden Euro bis 2029 ermöglichen soll. Diese sollen der Sanierung der heruntergekommenen Infrastruktur, der Verbesserung der Finanzausstattung der Kommunen und dem „Klimaschutz“ dienen. Davon ist nach über einem halben Jahr aber kaum etwas zu sehen, weil der geborgte Geldsegen vermutlich zu einem großen Teil verwendet wurde, um laufende Ausgaben zu bestreiten.
Vom deutschen zum französischen Modell
Im Jahre 2024 stand der Staatshaushalt der deutschen Bundesrepublik mit einer Schuldenquote von 62,5 Prozent des BIP immerhin im europäischen Vergleich noch relativ günstig da. Doch die schwarz-rote Regierung gibt sich nun offenbar Mühe, möglichst rasch dem seit vielen Jahren hochverschuldeten Nachbarland Frankreich nachzufolgen. In Frankreich hat es seit Mitte der 1970er Jahre keinen ausgeglichenen Staatshaushalt mehr gegeben. 2024 überschritt dort die Verschuldung schon 113,9 Prozent des BIP. Schon haben internationale Kredit-Rating-Agenturen damit begonnen, die Kreditwürdigkeit Frankreichs herunterzustufen und vor einem weiteren Abgleiten in den Schulden-Sumpf zu warnen. Dabei steht die sowohl von rechts wie on links als Preis für die Zurückhaltung eines Misstrauensvotums geforderte Rücknahme der von Präsident Emmanuel Macron durchgesetzten bescheidenen Rentenreform (Erhöhung des Renten-Eintrittsalters von 62 auf 64 Jahre) im Vordergrund. Das würde dem Bemühen des neuen Premierministers Sébastien Lecornu, die Staatsausgaben im Einklang mit den Forderungen der Finanzwelt spürbar zu senken, direkt zuwiderlaufen.
Lecornu hat versprochen, bei den Staatsausgabe 50 bis 60 Milliarden einzusparen, um das Haushaltsdefizit von derzeit 6 auf 5,4 Prozent zu drücken. Die EU-Kommission rechnet damit, dass die französischen Staatsschulden am Ende des nächsten Jahres 118 Prozent des BIP erreichen, wenn es nicht gelingt, das Ruder herumzureißen. Der neue Staatshaushalt muss bis Mitte Dezember verabschiedet sein. Wenn nicht, gilt der Haushalt dieses Jahres bis zur Durchführung von Neuwahlen provisorisch weiter. Im Augenblick sieht alles danach aus, dass das rechtsnationale RN diese Neuwahlen haushoch gewinnen würde. Also versucht das noch herrschende Polit-Kartell um Staatspräsident Emmanuel Macron, diese Neuwahlen mit mehr oder weniger legalen Methoden des Kaufs von Parlamentarier-Stimmen um beinahe jeden Preis zu verhindern. Das hat bislang dank der Wankelmütigkeit der seit den letzten Wahlen angeschlagenen Republikaner und Sozialisten einigermaßen funktioniert.
Seit dem Machtantritt Emmanuel Macrons im Jahre 2017 sind die französischen Staatsschulen über eine Billion Euro angewachsen. Schon in diesem September musste Frankeich für seine Staatsschulden höhere Zinsen zahlen als Griechenland (3,47 gegenüber 3,37 Prozent). Dadurch wird die Höhe der für Kredite verlangten Zinsen auch in zivilen Bereichen beeinflusst. Insbesondere wachsen nun auch die Hürden für die Umsetzung der noch immer nicht endgültig verabschiedete „PPE 3“ (Programmation Plurianuelle de l’Énergie), die kräftige Investitionen in Solar- und Windstromanlagen vorsieht und die zuverlässige Kernenergie eher vernachlässigt.
Der inzwischen durch ein Misstrauens-Votum gestürzte zentristische Premierminister François Bayrou hätte die PPE 3 im April 2025 per Dekret in Kraft setzen können. Doch er zog es vor, den Plan als normale Gesetzesvorlage der mehrstufigen parlamentarischen Abstimmung in der Nationalversammlung und im Senat zu überlassen, weil er offenbar genug feines Gespür für die Unpopularität dieses Plans bewahrt hat. Dieser Prozess war bei der Amtsübergabe an die neue Regierung unter Premierminister Sébastien Lecornu noch nicht abgeschlossen. Als diese Zeilen geschrieben wurden, war auch der parlamentarische Streit um die Gestaltung des Staatshaushaltes für 2026 noch voll m Gange, so dass noch nicht absehbar ist, wie die politische Klasse auf die sich zuspitzende Finanzkrise reagieren wird. Das gilt auch für die Finanzierung der so genannten erneuerbaren Energien.
Die Sonne der „Erneuerbaren“ geht unter
Hintergrund ist der Streit um den im PPE 3 vorgesehenen Ausbau der Windkraft-Kapazität: Verfünfzigfachung der Offshore- und Verdoppelung der terrestrischen Kapazität in dem kommenden zehn Jahren. Es mehren sich nämlich auf internationaler Ebene die Zeichen für das herannahende Ende des Windkraft-Booms. Seit dem überwältigenden Wahlsieg Donald Trumps und dessen Widerstand gegen die Ausbreitung des parasitären Öko-Industrie-Komplexes ist die finanzielle Lage der Windkraft-Industrie kritisch geworden. Davon zeugt die Tatsache, dass die Auktion eines neuen Windparks in der Nordsee in diesem August erstmals ohne Angebot ausging.
Auch der Ingenieur Fabien Bouglé, der den Widerstand gegen Windkraftanlagen in Frankreich anführt, sieht das Ende des Windkraft-Booms nahen. Neben der Ernennung Trumps zum US-Präsidenten sieht er vor allem die Preisinflation für seltene Erden, die für den Bau von Windrädern unabdingbar sind, als Vorboten des Platzens der Windkraft-Blase. Er bezweifelt aber, dass die politische Klasse schon begriffen hat, was sich da anbahnt. Dass diese Zweifel berechtigt sind, zeigt die Ernennung von Monique Barbut, der ehemaligen UN-Funktionärin und Vorsitzenden des WWF France, zur neuen Ministerin für die „ökologische Wende“. Sie löst Angnès Pannier-Runacher ab, die zwar auch als Öko-Fundi gilt, aber immerhin gegenüber der Kernkraft relativ freundlich gestimmt blieb. Monique Barbut zeigte sich hingegen in etlichen Äußerungen als eingefleischte Kernkraft-Gegnerin, obwohl sie jetzt behauptet, auch gut mit Kernkraftwerken leben zu können.
Ich gehe nicht davon aus, dass die Regierung Lecornu lange hält. Die französischen Politiker werden die Orientierung an der ursprünglich in den USA aufgekommenen, aber in Deutschland zum Dogma erhobenen Idee einer grünen Wende von Wirtschaft und Gesellschaft aufgeben und sich wieder auf ihre nationalen Stärken besinnen müssen. Dazu gehört eben die zivile Nutzung der Kernenergie (nicht unbedingt in Form von Großkraftwerken). Gleichzeitig werden sie sich verabschieden müssen von der von Emmanuel Macron gepflegten Kriegsrhetorik. Das geeinigte und militärisch zur Weltmacht aufgerüstete Westeuropa, das Macron und seinen immer weniger werden Anhängern vorschwebt, wird es vermutlich nie geben.