Wer gewinnt das Rennen um die Klimaneutralität und erntet den Wettbewerbsvorteil einer angebotsorientierten Energieversorgung?

von Uli Weber

Am 12. Oktober 2025 findet in Hamburg der Volksentscheid „Hamburger Zukunftsentscheid“ statt, mit dem das aktuelle Hamburger Klimagesetz verschärft und die sogenannte „Klimaneutralität“ von 2045 auf 2040 vorverlegt werden soll. Die Initiative „Hamburg Klimaneutral e.V.“ stellt ihre Ziele in der Informationsbroschüre zur Volksabstimmung wie folgt dar, Zitat mit Hervorhebungen:

Moin Hamburg, wir wollen, dass die schönste Stadt der Welt liebens- und lebenswert bleibt: bezahlbar und fit für die Zukunft. Die Klimakrise stellt auch Hamburg vor große Herausforderungen, die unsere Politik zeitnah und vernünftig lösen muss. Aber der Senat beschwichtigt mit einem Maßnahmen-Mix, der unkontrollierbar, ungeplant und unambitioniert ist. Er behandelt Klima und Soziales als Gegensätze. 377 andere Städte und Metropolen in Europa werden spätestens 2040 klimaneutral. Sogar die Handelskammer und der Hafen fordern dieses Ziel.

Und dann bringt es die betreffende Informationsbroschüre auf den Punkt (Abb. aus der Broschüre):

Schon heute ist nicht abzusehen, wie der durchschnittliche Altbestandsbesitzer die Kosten für die energetische Sanierung seines Hauses stemmen soll; um das zu erkennen, reicht ein Blick in das Habeck‘sche Heizungsgesetz. Und ein Vorziehen dieses unerreichbaren Ziels von 20 auf 15 Jahre ändert nichts an den Gesamtkosten, im Gegenteil. Denn bis 2040 müssen dann zusätzlich noch die Kosten für die fehlenden 5 Jahre aufgebracht werden, und das sind bei linearer Verteilung nun mal 25% der Gesamtkosten – ganz egal wieviel das am Ende wirklich sein wird. Trotzdem heißt es bei den Initiatoren, Zitat unter dem Datum 16.09.2025:

„Studie zeigt: Klimaneutralität bis 2040 ist machbar – wenn Politik und Senat handeln“

Lou Töllner, Pressesprecherin von Hamburg Klimaneutral e.V., wird dort mit der folgenden Aussage zitiert:

„Wer diese Studie missbraucht, um Klimaschutz gegen Soziales auszuspielen, betreibt schäbigen Populismus. Damit wird das Vertrauen in Politik und Wissenschaft vorsätzlich zerstört, während der Senat sich feige aus der Verantwortung für eine soziale und kluge Umsetzung stehlen will.“

Für das erforderliche Vertrauen in die Wissenschaft steht dort ein Hans Schäfers, Prof. für Intelligente Energiesysteme und Energieeffizienz an der HAW Hamburg, Zitat mit Hervorhebungen:

Die Studie zeigt, dass Klimaneutralität bis 2040 in Hamburg möglich ist – die Maßnahmen dazu sind bekannt. Die notwendigen Technologien sind vorhanden und wir sehen, dass Schlüsseltechnologien wie PV, Batteriespeicher oder Wärmepumpen in den Kosten stark sinken. Entscheidend ist jetzt die entschlossene Umsetzung in großem Maßstab. Gleichzeitig ist Hamburgs Senat gefordert, mit flankierenden Maßnahmen dafür zu sorgen, dass der Transformationsprozess von Beginn an sozial ausgewogen gestaltet wird, damit alle Menschen profitieren können. Die Studie betont aber auch die generellen Unsicherheiten, die auftreten, wenn man den Zeitraum von 20 bis 25 Jahren bis zum Erreichen der Klimaneutralität betrachtet. In dieser Frage wünsche ich uns mehr Mut und Entschlossenheit: In der Vergangenheit haben wir in unserer Gesellschaft immer wieder die Verbreitungsgeschwindigkeit von technischen Innovationen massiv unterschätzt. Oft zum Schaden unserer Wirtschaft. Diesen Fehler sollten wir beim Klimaschutz nicht machen. Wir können dabei nur verlieren.

Die Verbreitungsgeschwindigkeit von technischen Innovationen in der Wirtschaft ist ganz allein von deren wirtschaftlichem Nutzen für den Hersteller oder den zahlenden Endverbraucher abhängig und kann dauerhaft nicht durch Subventionen erzwungen werden. Der „entschlossene[n] Umsetzung in großem Maßstab“ stehen allerdings auch ganz profane Erfahrungen aus der vorfossil-frühindustriellen Mechanisierung mit angebotsorientierter Energieverfügbarkeit entgegen, wie sie von Wilhelm Busch glaubhaft für die Nachwelt festgehalten worden waren:

Tatsächlich, „diesen Fehler sollten wir beim Klimaschutz nicht machen“, denn „wir können dabei nur verlieren“. Die industrielle Revolution mit einer Nutzung fossiler Energiequellen hat die bäuerliche Kultur der frühen Neuzeit durch eine Verdreifachung der kostengünstigen und jederzeit pro Kopf verfügbaren Energiemenge in unser heutiges industrielles Paradies geführt. Das Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) datiert aus dem Jahre 2000 und sollte durch Subventionen helfen, „erneuerbare“ Energie aus nicht fossilen Quellen zu vergleichbaren Gestehungskosten marktfähig zu machen. Zwischendurch hat dann schon mal die Marktwirtschaft knallhart zurückgeschlagen, denn in diesen 25 Jahren hat sich der Energiepreis etwa verdreifacht und damit einen wesentlichen Vorteil der industriellen Revolution zurückgedreht, von sogenannten Brown-Outs in der Industrie ganz zu schweigen. Die Berater der Politik, also „Wissenschaftler“ und „Experten“, sind sich jetzt einig, dass die Umstellung auf die sogenannten „Erneuerbaren“ einfach nur nicht schnell genug erfolgt ist, während in der energieintensiven Industrie gerade zehntausende von Arbeitsplätzen wegbrechen. Nach einem Vierteljahrhundert EEG und am Ende des normalsten Sommers seit Menschengedenken sieht die Marktfähigkeit der volatilen Stromerzeugung wie folgt aus:

Screenshot SMARD: Stromerzeugung und –verbrauch vom 3.-16. September 2025

Wer nun in der Grundschule nicht an den gleichnamigen Rechenarten gescheitet ist, könnte mit hinreichender Muße und ganz ohne fremde Hilfe schließlich zu der Erkenntnis kommen, dass mehr „Schlüsseltechnologien wie PV, Batteriespeicher oder Wärmepumpen“ auch nicht helfen werden, um die volatile EEG-Erzeugung und den bedarfsgesteuerten Industrieverbrauch jemals wieder wirtschaftlich konkurrenzfähig zusammenzubringen – ja, nicht einmal „ganz schnell viel mehr davon“ könnte das bewirken, wie „Wissenschaftler“ und „Experten“ das der Politik permanent einzureden versuchen. Auf der Internetseite der Initiative werden zum Stand 19.09.2025 folgende Unterstützer des Zukunftsentscheides hoch offiziell mit ihrem jeweiligen Logo aufgelistet:

Fridays for Future, NABU, ver.di, Mieterverein zu Hamburg, FC St. Pauli, Deutsches Schauspielhaus Hamburg, Caritas im Norden, Hamburger Kunsthalle, Kirchenkreis Hamburg-West/Südholstein, Carlsberg Deutschland GmbH, BUND Hamburg, Campact, Patagonia, Greenpeace Hamburg, Mieter helfen Mietern, Deutscher Ingenieurinnenbund e.V., Kampnagel, DAV Hamburg und Niederelbe, Ernst Deutsch Theater, AStA Uni Hamburg, ADFC Hamburg, GEW Hamburg, Deutsche Meeresstiftung, Green Legal Impact, Energienetz Hamburg, Tomorrow, Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft e.V., Goldeimer, Kampf der Künste, SKH, Landesfrauenrat Hamburg e.V., Türkische Gemeinde in Hamburg und Umgebung e.V., LichtBlick, Deutsche Umwelthilfe, Malizia, VCD Landesverband Nord, Leben mit Behinderungen Hamburg, Voelkel, Avocadostore, Entrepreneurs for Future, BOOM, Naturstrom Stiftung, followfood, Clubkombinat, Mehr Demokratie Hamburg, Minor Foundation for Major Challenges, Global Marshall Plan, AFS Interkulturelle Begegnungen e.V., Zukunftsrat Hamburg, farbenmeer, foodloose, Optivism, Churches for Future, GermanZero Hamburg, NAJU Hamburg, Greenpeace Jugend, Attac Hamburg, SEND Hamburg, Hamburger Energietisch, Gemeinwohl-Ökonomie, Klimaneustart Berlin, Parents for Future Hamburg, Goliathwatch, Bürgerbegehren Klimaschutz, Fair Trade Stadt Hamburg, Doughnut Coalition Hamburg, Lenzsiedlung, Ecopolis Kollektiv, BLUU Seafood, IMPCT, Tibetisches Zentrums e.V., Fab City Hamburg, Psychologists for Future Hamburg, FÖP, […] knallt am dollsten!, traceless, Rettet das Diekmoor, Schreberrebellen e.V., Students for Future Hamburg, Psychologists for Future Hamburg-Bergedorf, Weltnatur Bürgerinitiative 2022, Lokal Kraft

Wenn wir die Wirtschaft nun einmal in drei Kreisläufe einteilen, primär, sekundär und tertiär, ergibt sich folgendes Bild:

Primär: Bedarfsorientierte marktwirtschaftliche Wertschöpfung durch Herstellung, Logistik und Vertrieb sowie Dienstleistungen schafft ein primäres Steueraufkommen sowie Einzahlungen in die Sozialsysteme.

Sekundär: Angebotsorientierte hoheitliche Aufgaben werden aus der primären Steuerlast sowie tätigkeitsbedingten Abgaben finanziert und schaffen damit ein sekundäres Steueraufkommen sowie zum Teil auch Einzahlungen in die Sozialsysteme.

Tertiär: Freihändig vergebene Zuwendungen aus den beiden ersten Kreisläufen stützen einen tertiären Kreislauf, dessen Schwerpunkt in der zielgerichteten Verfolgung konkreter gesellschaftspolitischer Interessen liegt und der von ehrenamtlicher Teilhabe getragen wird; Steueraufkommen und Sozialsysteme werden daher nur in geringem Umfang gestützt.

Nach grober Durchsicht stammt die Mehrzahl der Unterstützer des „Hamburger Zukunftsentscheids“ aus der dritten Kategorie, die als Organisationen selber weniger auf kostengünstige und jederzeit verfügbare Energie angewiesen sind. All diesen Unterstützern sei weiterhin eine stetige frische Brise für ausreichenden Vortrieb gewünscht, und dass sie immer eine Handbreit Wasser unter dem Kiel haben mögen, um nicht auf wirtschaftlich steinigen Grund zu laufen. Aber wie allen Seglern und Surfern, nicht nur in Hamburg, hinlänglich bekannt sein dürfte, gibt’s halt manchmal zu wenig und manchmal zu viel Wind – und beides kann zum echten EEG-Problem werden:

Mit El Hierro und Pellworm wollte man uns einstmals beweisen, dass „erneuerbare Insellösungen“ funktionieren – davon ist aber inzwischen überhaupt nichts mehr zu hören. Für die „klimaneutrale“ Zukunft bleibt deshalb nur zu hoffen, dass einstmals die Franzosen genügend „hoch gefährlichen“ Atomstrom und die Polen genügend „dreckigen“ Kohlestrom produzieren werden, um uns diesen Strom im Notfall bedarfsgerecht verkaufen zu können, wenn der Wind nicht weht und die Sonne nicht scheint – nachdem wir unsere abgeschriebenen und preisgünstigen Strom produzierenden Kernkraft- und Kohlekraftwerke ja bereits selbst EEG-zukunftsweisend verschrottet haben.(Anmerkung der Redaktion: Die Stilllegung von Ivanpah, der weltweit größten Solarthermieanlage in der kalifornischen Mojavewüste, wegen Misserfolg im umwelt (4000-5000 Vögel jährlich verbrannt) und wirtschaftlichen (kein Ertrag) Problemen sollte allen zu Denken geben)

PS: Vielleicht sollte mal irgendwer den net-zero-bewegten Jungens und Mädels erklären, dass die sogenannte Work-Life-Balance eine Errungenschaft unserer fossil befeuerten industriellen Kultur ist. In der vorindustriellen Landwirtschaft, wo mehr als 90% der Bevölkerung ihr Auskommen finden mussten, wurde nämlich so lange gearbeitet, wie es das angebotsorientierte Tageslicht hergab…