Der „grüne“ Weg von Hanoi zu Armut und Stromausfall

Vijay Jayaraj

Die Entscheidung Vietnams, ab dem 1. Juli 2026 mit Benzin betriebene Motorräder in der Innenstadt von Hanoi zu verbieten, ist ein Paradebeispiel dafür, wie Klimadogmen die Wirtschaft von Entwicklungsländern stören und potenziell verheerende Folgen haben können.

Die Richtlinie wird zunächst in den Innenstadtbezirken von Hanoi in Kraft treten, dann bis 2027 auf die Außenbezirke ausgeweitet und schließlich auch auf mit Benzin betriebene Autos ausgedehnt werden. Andere städtische Zentren wie Ho-Chi-Minh-Stadt [Saigon] und Da Nang prüfen ähnliche Verbote im Rahmen einer nationalen Initiative zur Förderung von Elektrofahrzeugen.

Sauberere Luft ist zwar ein lobenswertes Ziel, doch diese von globalen Klimabedenken getriebene Politik bedeutet eine schwere finanzielle Belastung für die vietnamesische Bevölkerung und birgt die Gefahr, das ohnehin schon überlastete Stromnetz zu destabilisieren. Vietnams Maßnahme wird als Triumph für die Umwelt dargestellt, könnte sich jedoch als rücksichtsloses Glücksspiel mit der Existenzgrundlage von Millionen Menschen und der innerstaatlichen Energiesicherheit erweisen.

Dieses südostasiatische Land ist nicht Europa, wo Zweiräder meist Freizeitfahrzeuge sind und gegenüber Autos eine untergeordnete Rolle spielen. In Vietnam decken Zweiräder 73 % des Transportbedarfs in Hanoi. Das Land hat mehr als 77 Millionen zugelassene Motorräder und eine der weltweit höchsten Besitzquoten. Vietnamesische Familien besitzen in der Regel mehrere Motorräder für den täglichen Pendelverkehr, den Schulweg, die Arbeit und die Freizeit.

Der Angriff der Regierung auf dieses unverzichtbare Verkehrsnetz offenbart eine erstaunliche Entfremdung von den Bedürfnissen der Bürger. Die Kosten für den Ersatz von Benzinmotorrädern durch elektrische Alternativen können sich die meisten Familien gar nicht leisten.

„Jeder möchte eine bessere Umwelt, aber warum wird uns diese Last ohne angemessene Vorbereitung auferlegt?“, äußerte eine Anwohnerin gegenüber France24 ihre Frustration. Ihre Familie müsste etwa 3000 Dollar aufwenden, um ihre vier Motorräder zu ersetzen. Dieser Betrag entspricht mehr als 40 % des Pro-Kopf-BIP (Bruttoinlandsprodukt) von Hanoi. Für Arbeiterhaushalte ist dies mehr als nur eine Unannehmlichkeit, es ist finanziell unmöglich.

Die Strominfrastruktur Vietnams hat Schwierigkeiten, den aktuellen Bedarf zu decken, sodass eine massive Elektrifizierung von Motorrädern zu katastrophalen Netzausfällen führen würde. Der Stromverbrauch des Landes wird bis 2030 voraussichtlich um 10 bis 12 % pro Jahr steigen – eine der höchsten Wachstumsraten in Asien. Mit jedem Prozent Wirtschaftswachstum steigt der Strombedarf um 1,5 %. Da Vietnam ein jährliches Wirtschaftswachstum von 7 % anstrebt, wird der Strombedarf weit über die derzeitige Kapazität hinaus steigen. Im Sommer 2023 kam es zu verheerenden Stromausfällen, als unzureichende Niederschläge die Stromerzeugung aus Wasserkraft reduzierten und Fabriken und Unternehmen zur Einstellung ihres Betriebs zwangen. Der wirtschaftliche Schaden belief sich auf 1,4 Milliarden US-Dollar, was 0,3 % des vietnamesischen BIP entspricht. Im Norden Vietnams kam es zu immer wieder auftretenden Stromausfällen und plötzlichen Unterbrechungen der Stromversorgung, wobei einige Unternehmen kaum oder gar nicht vorgewarnt worden waren.

Der Norden des Landes, wo das Motorradverbot gilt, ist besonders stark betroffen. Unternehmen wie Foxconn, Samsung und Canon haben dort große Betriebe gegründet, was zu einem beispiellosen Strombedarf geführt hat. Die Stromknappheit wurde so gravierend, dass die Behörden die Hersteller aufforderten, ihren Verbrauch in den Monaten mit Spitzenverbrauch freiwillig um 30 % zu senken.

Vietnam fordert bestehende industrielle Nutzer auf, ihren Verbrauch zu reduzieren, plant jedoch, Millionen von Elektromotorrädern an das Stromnetz anzuschließen. Dies ist ein Beispiel für eine völlig unrealistische zentrale Planung, welche die mathematische Realität zugunsten einer grünen Ideologie ignoriert. „Die Behörden werden nicht in der Lage sein, die große Zahl von Benzinmotorrädern daran zu hindern, in die Innenstadt zu fahren“, sagt die Büroangestellte Nguyen My Hoa und prognostiziert Schwierigkeiten bei der Durchsetzung. Diese Einschätzung berücksichtigt die grundlegenden Unterschiede zwischen dem vietnamesischen und dem europäischen städtischen Kontext. Im Gegensatz zu europäischen Städten, in denen Motorräder eine Frage des Lebensstils sind, ist das städtische Vietnam für sein wirtschaftliches Überleben auf den Zweiradverkehr angewiesen. Da Vietnam einen großen Teil seines Stroms in Kohle- und Erdgaskraftwerken erzeugt, wird jedes E-Bike indirekt mit fossilen Brennstoffen betrieben. Tatsächlich wird das Verbot zu einer Verlagerung der Verbrennung fossiler Brennstoffe von Verbrennungsmotoren zu Kraftwerken führen. Der sogenannte „Umweltnutzen“ ist, wenn überhaupt vorhanden, vernachlässigbar, während die Kosten immens sind.

Die Regierung bezeichnet ihre Förderung von Elektrofahrzeugen als „unerlässlich für die Verwirklichung der Ziele einer grünen Entwicklung und die Erfüllung internationaler Verpflichtungen“. Dies ist ein bürokratisches Eingeständnis, dass man internationalen Umweltdruck befriedigen will – auf Kosten der Bedürfnisse der vietnamesischen Bürger. Vietnams Verpflichtung zur CO₂-Neutralität bis 2050 treibt eine Politik voran, die wirtschaftliche Aspekte außer Acht lässt. Das Motorradverbot steht stellvertretend für alles, was an der aktuellen Klimapolitik falsch ist: Die ideologischen Prioritäten der reichen Nationen werden einer Bevölkerung aufgezwungen, die sich diese nicht leisten kann, unterstützt durch eine nicht vorhandene Infrastruktur und angetrieben durch schon jetzt versagende Energiesysteme.

Die vietnamesische Führung sollte wirtschaftliche Souveränität über ökologische Unterwerfung stellen, bevor dem Wohlstand ihres Landes und dem Wohlergehen ihrer Bevölkerung irreparabler Schaden zugefügt wird.

This commentary was first published at California Globe September 2.

Autor: Vijay Jayaraj is a Research Associate at the CO2 Coalition, Arlington, VA and writes frequently for the Cornwall Alliance. He holds a master’s degree in environmental sciences from the University of East Anglia, UK, and resides in India.

Link: https://cornwallalliance.org/hanois-green-path-to-poverty-and-blackouts/

Übersetzt von Christian Freuer für das EIKE