Die deutsche Industrie muss sich nach dem Wetter richten
Phasen mit zu viel oder zu wenig Strom bereiten der deutschen Wirtschaft immer grössere Probleme. Bereits mussten erste Betriebe ihre Produktion wegen der Flatterhaftigkeit von Wind und Sonne unterbrechen. Auch von einer Union-geführten Regierung ist kaum Besserung zu erwarten.
Von Peter Panther
Der vergangene 11. Dezember war kein guter Tag für Feralpi in Riesa, Sachsen. Das Unternehmen sah sich gezwungen, die Produktion in seinem Elektrostahlwerk komplett einzustellen. Der Grund waren die exorbitant hohen Strompreise, die an diesem Tag ein Allzeithoch von 936 Euro pro Megawattstunde erreichten – über 20 Mal mehr als normal. Ohne Betriebsstopp hätte die Firma grosse finanzielle Verluste erlitten.
Feralpi war nicht allein. An jenem Tag drosselte auch die Giesserei Siempelkamp in Krefeld, Nordrhein-Westfalen, die Produktion um 30 Prozent, kürzte eine Schicht und schickte die Angestellten nach Hause. Geschäftsführer Dirk Howe bezeichnete die Situation als «reinen Irrsinn». Ebenfalls nahm der Metallbetrieb Anke in Essen, ebenfalls Nordrhein-Westfalen, einige seiner Öfen vorübergehend ausser Betrieb. Die hohen Strompreise seien «volkswirtschaftlich eine Katastrophe, betriebswirtschaftlich auch», gab Geschäftsleiter Tobias Wesselow zu Protokoll. Auch die Stahlmanagerin Großmann, Miteigentümerin des Stahlkonzerns Georgsmarienhütte, schließt eine Verlagerung Ihres Betriebes nicht mehr aus, wenn die Energiekosten so hoch bleiben. Die Zeitung für kommunale Wirtschaft schreibt dazu:
Im Stahlkonzern Georgsmarienhütte ist Anne-Marie Großmann für die Unternehmensentwicklung zuständig. Für den Standort Deutschland sieht sie schwarz, wenn die Energiekosten nicht sinken.
Gemäss den Mainstream-Medien ist alles in bester Ordnung
Die Ursache für die Preishausse war eine ausgeprägte Dunkelflaute über weiten Teilen Europas. Wegen Nebel drang kaum Sonne auf die Millionen von deutschen Solaranlagen. Und der Wind wehte bei dieser sogenannten Inversionslage auch kaum. Die Produktion von erneuerbarem Strom fiel darum fast komplett aus. Deutschland hatte grosse Mühe, die Versorgung aufrechtzuerhalten: Das Land warf alle verbliebenen Kohlekraftwerke an und importierte zudem kräftig Elektrizität. Dennoch war der Strom so knapp, dass es zu den erwähnten Preishöchstständen an der Börse kam.
Damit ist Wirklichkeit geworden, wovor Kritiker der Energiewende längst gewarnt haben: Die deutsche Wirtschaft muss sich in ihrer Produktion am Wetter orientieren – wie im Mittelalter.
Verfolgt man allerdings die Berichterstattung in den Mainstream-Medien, ist angeblich alles in bester Ordnung. «Deutschlands Strom wird grüner», jubelte etwa die «Süddeutsche Zeitung» Anfang Januar. Es gehe voran mit dem Ausbau der Erneuerbaren. Denn 2024 sei die in Deutschland installierte Leistung der erneuerbaren Stromproduktion (Wind, Sonne, Wasser und Biomasse) um satte zwölf Prozent auf 190 Gigawatt gestiegen. Das entspricht der Leistung von 190 grossen Kernkraftwerken.
Robert Habeck: Die Industrie muss sich weitere Preisausschläge einstellen
Auch strich die «Süddeutsche» wie andere Zeitungen hervor, dass der Anteil der Erneuerbaren an der Stromerzeugung im vergangenen Jahr auf fast 60 Prozent geklettert sei. Das Problem dieser Zahl ist aber, dass es sich um einen Durchschnittswert handelt, der die flatterhafte Energieproduktion von Solar- und Windanlagen in keiner Weise spiegelt.
Die erwähnte Dunkelflaute war auch nicht die erste und letzte in diesem Winter. Bereits im November und auch wieder Anfang Januar gab es Situationen, in denen die Ökostrom-Produktion fast ganz ausfiel. Wie Noch-Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) betonte, muss sich die Industrie auf weitere Preisausschläge einstellen, ein Ende sei nicht in Sicht. Solche «extrem hohen Preise» in bestimmten Phasen seien eben unvermeidbar. Im Gegenzug gibt es gemäss Habeck 50 Wochen, «in denen die Strompreise günstig sind». War sich der grüne Politiker bewusst, wie zynisch diese Bemerkung wirkte?
In der Tat gibt es auch Phasen, in denen die Strompreise sehr günstig sind, zeitweise Null Euro erreichen, oder sogar ins Negative fallen – nämlich dann, wenn die Sonne voll scheint, der Wind kräftig weht, und die Leistungskapazitäten der Erneuerbaren auf Hochtouren produzieren. Diese Phasen hat der Energieexperte Fritz Vahrenholt als «Hellbrisen» bezeichnet – die aber «noch schlimmer» als die Dunkelflauten seien. Denn sie bedrohten die Industrieproduktion mindestens so stark.
Das «pv magazine» hat ein Schreckensszenario entworfen
Konkret wird in diesen Hellbrisen so viel Strom ins Netz eingespeist, dass diesem der Infarkt droht. Was passieren könnte, war pikanterweise in der Photovoltaik-Zeitschrift «pv magazine» zu lesen. Dort hat man «in die Glaskugel» geschaut und ein Schreckensszenario entworfen.
Konkret: «An Ostersonntag 2025 sinkt die Stromnachfrage während der Mittagsstunden auf etwa 40 Gigawatt, während Solaranlagen auf Dächern allein bis zu 34,2 Gigawatt produzieren. Zusammen mit acht Gigawatt konventioneller Must-Run-Kapazität und weiteren 11,7 Gigawatt aus netzgekoppelten erneuerbaren Energien, die nicht abgeregelt werden, ergibt sich ein Gesamtangebot von 53,9 Gigawatt.»
Das sei viel zu viel Strom im Netz. Trotz Notmassnahmen wie Stromexport oder dem nutzlosen Heizen von Eisenbahn-Weichen würden mehrere Gigawatt überschüssige Leistung verbleiben. «Dies könnte zu gravierenden Netzproblemen führen, darunter ein Anstieg der Netzfrequenz, Abschaltungen von Photovoltaik-Wechselrichtern, Schäden an Maschinen und potenzielle Brownouts (…).» Brownout bedeutet, dass ganze Sektoren des Netzes stillgelegt werden müssen, um einen Kollaps des Stromsystems zu verhindern.
CDU/CSU: «Die Klimaneutralität bis 2045 haben wir fest im Blick»
Das heisst: Auch in Phasen mit zu viel Ökostrom muss die deutsche Industrie mit Betriebsausfällen rechnen. Es gilt nun also, zu den Wettergöttern zu beten und darauf zu hoffen, dass die Netzwerkbetreiber aus Sorge um die Netzstabilität nicht gezwungen sind, die Versorgung zu kappen.
Besserung ist nicht in Sicht. Im Gegenteil: Die Erneuerbaren sollen weiter ausgebaut werden. Damit akzentuieren sich die Stromspitzen bei günstigem Wetter weiter. Während Dunkelflauten fehlt die Elektrizität trotzdem.
Wenn nicht alles täuscht, wird die CDU/CSU die Bundestagswahlen im Februar gewinnen und die nächste Regierung anführen. Doch auch von der Union ist nicht zu erwarten, dass sie die unsinnige Energiepolitik Deutschlands stoppt. In ihrem Wahlprogramm gibt sie ein Bekenntnis zu Wind und Sonne ab: «Die Klimaneutralität bis 2045 haben wir fest im Blick», heisst es hier.
Dazu kommt: Weil CDU und CSU wegen der Brandmauer gegen rechts gezwungen sein werden, mit der SPD oder den Grünen zu koalieren, wird der Fatalismus in der Energiepolitik ziemlich sicher weitergehen. Denn diese linken Parteien schwören auf Wind und Sonne und werden sich gegen jeden Kurswechsel stemmen.
Zu befürchten ist darum, dass die Deindustrialisierung des Landes, die bereits eingesetzt hat, weitergeht – auch wegen den erwähnten Versorgungsproblemen während der Dunkelflauten und Hellbrisen. Schlechte Aussichten für Deutschland!