Wes‘ Brot ich ess‘ des‘ Lied ich sing‘: Sprechen wir mal über sogenannte „Experten“

Uli Weber

Wir sind auf dem allerbesten Wege, unser industrielles Paradies in eine Tabu-Hölle zu verwandeln, wie uns das die alten Hawaiianer als Erfinder solcher Tabus bereits vor langer Zeit in ihrem traumhaften Südseeparadies vorgemacht hatten. Und heute machen sich bei uns große Scharen von „Rent-seeking-Experten“ zum Nutzen ihres eigenen Einkommens als engagierte Wegweiser in diese vorindustrielle EEG-Hölle um die Sache der grünen CO2-Religion verdient. Denn in unserer hoch technisierten und vernetzten Welt stellen diese sogenannte „Experten“ die Sendemasten für die öffentliche Verbreitung von Fachwissen an den interessierten Durchschnittsbürger dar. Gemeinhin wird der Begriff „Experte“ mit der Erwartung an Neutralität, korrekte fachliche Informationen und wirtschaftliche Unabhängigkeit verbunden. Auf Wikipedia finden wir dazu noch die Abgrenzung zwischen den unterschiedlichen Rechtsständen unterschiedlicher „Experten“ oder „Fachleute“, Zitat:

Die Bezeichnung „Experte“ ist rechtlich nicht geschützt. Der verwandte Begriff Sachverständiger ist dagegen ein Rechtsbegriff, mit dem „öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen“ gibt es eine gesetzlich geschützte Bezeichnung; eine vergleichbare öffentliche Anerkennung eines „Experten“ besteht nicht. Daher kann eine objektive Qualität der so bezeichneten oder selbst ernannten Experten aus der Bezeichnung nicht abgeleitet werden.“

Ein eher zufälliges Beispiel ist auf FOCUS-online der Artikel eines Energie-Experten Rosenow vom 20.11.2024 mit dem Titel „Ganz unbemerkt löst sich ein großes Problem der Energiewende“. Die Ausführungen in diesem Artikel bestehen aus einer unreflektierten Zusammenstellung längst bekannter energiepolitischer Träumereien, die dadurch keineswegs plausibler werden. Nachfolgend nähert sich der Autor aus Gründen des Copyrights den Kernaussagen von Herrn Rosenow über die verkürzten Überschriften der betreffenden Absätze:

In der Einleitung wird die steile Behauptung aufgestellt, „Batterien könnten der Katalysator sein, der die Energiewende beschleunigt und gleichzeitig ihre Kosten senkt“. Bei zwei gleichzeitig betriebenen Systemen zur Erzeugung von elektrischem Strom kann man von vorn herein aber nicht von irgendeiner „Kostensenkung“ sprechen, weil der Vergleich die gesicherte Stromversorgung aus konventionellen Quellen bis zum Jahre des Herrn (2000 – EEG – Trittin: 1 Kugel Eis) sein muss.

Unverzichtbare Batterien: Bereits die Behauptung, „Solar- und Windenergie sind mittlerweile die günstigsten Formen der Stromerzeugung nicht nur in Deutschland, sondern auch international“, lädt zum krampfhaften Kopfschütteln ein. Die volatile Natur von Wind und Sonne ist bereits seit Beginn ihrer Nutzung durch den Menschen bekannt; und die direkte Speicherung von Solarenergie ist nach Aussage einschlägiger Faktenchecker bisher nur den Schildbürgern gelungen. Der vorgebliche Beweis aus dem dort verlinkten Artikel für den ökonomischen Vorteil von Wind und Solar sieht dann folgendermaßen aus:

 

Abbildung 1: “The momentum of the solar energy transition“ von Nijsse et al. (2023)

Quelle Nature Communication: https://doi.org/10.1038/s41467-023-41971-7

Naja, die Kernaussage spielt sich in der Zukunft ab und das kann man nun glauben oder auch nicht, denn offenbar geht es hier tatsächlich nur um die reine Erzeugung elektrischer Energie bei Tageslicht und nicht um eine kontinuierliche und zuverlässige Bereitstellung von jederzeit abrufbarer Leistung für die Aufrechterhaltung einer Industriegesellschaft über Tag und Nacht sowie alle Jahreszeiten. Also bleibt dem gegenüber für eine kontinuierliche Bereitstellung von Energie nur eine Verdoppelung der solaren Erzeugungsleistung zwecks gleichzeitiger Einspeisung in Batteriespeicher für die Nachtstunden, was aber die Kosten einer sicheren „erneuerbaren“ Energieversorgung schon einmal mehr als verdreifacht. Denn die kostenintensiven Akkuspeicher müssen ja den Erzeugungskosten der Erneuerbaren noch zugerechnet werden, wenn man sie mit den jederzeit verfügbaren konventionellen Stromerzeugern ökonomisch korrekt vergleichen will. Und um eine korrekte Aussage des FOCUS-„Energie-Experten“ zu zitieren, „Doch das ist nur die Spitze des Eisbergs“:

Denn anders als die Stromerzeugung in dem von Nijsse et al. (2023) betrachteten kostengünstigen Fall der direkten solaren Energieumwandlung, die möglicherweise durch elendig teure 12h-Akkuspeicher auf einen 24h-Betrieb auszudehnen wäre, sprechen wir hier in unseren geografischen Breiten von tagelangen winterlichen Dunkelflauten, in denen die Stromversorgung sichergestellt werden muss und die wochenlang anhalten können, wie wir das gerade im November erlebt hatten:

Abbildung 2: Dunkelflaute in Deutschland vom 4. bis 14. November 2024 (Quelle SMARD)

Wir können in der dargestellten Auflösung von einer Stunde eine fehlende Erzeugung von bis zu etwa 20 GWh (Gigawattstunden) erkennen. Nur am Morgen des 9. November stimmen Last und Erzeugung einmal ganz kurz überein; am Morgen des 14. November gibt es für kurze Zeit sogar Überproduktion. Im Mittel fehlen aber zu fast jeder Stunde 10-20 GWh, sodass wir bei der nachfolgenden groben Minimalabschätzung für den dargestellten Zeitraum mit einem ungedeckten Bedarf von durchschnittlich 10 GWh ausgehen können, um bei einer Abschätzung nach unten auf der sicheren Seite zu bleiben. Aber in allen zielführenden fachlichen Mengenbetrachtungen geht es üblicherweise nicht um die Normalsituation mit der höchsten Eintrittswahrscheinlichkeit, sondern im Gegenteil um die Absicherung der technischen Funktion gegenüber seltenen Extremereignissen. Und was das Ergebnis einer fehlgeleiteten ideologisch-ignoranten Fokussierung sogenannter „Experten“ auf sekundäre Zielsetzungen angeht, so können Sie hier ein besonders menschenverachtendes Beispiel nachlesen.

Anmerkung: Bei der nachfolgenden Abschätzung müssen Sie bedenken, dass Stromerzeugung und Last zu jedem Zeitpunkt genau gleich sein müssen, um einen Netzzusammenbruch (Blackout) zu vermeiden. Die folgende Abschätzung und ihr Ergebnis spiegeln also lediglich die minimal erforderliche Größenordnung der fehlenden Grundlasterzeugung wider. Für einen tatsächlichen 24h-Betrieb müsste sich eine solche Abschätzung daher an der maximal fehlenden Erzeugungsleistung von 20 GWh orientieren, was mindestens zu einer Verdoppelung der nachfolgend dargestellten Ergebnisse führen würde.

Wir wollen jetzt also einmal die fehlende Stromerzeugung von durchschnittlich 10 GWh über eine Dunkelflaute von 10 Tagen in Form von Akkuspeichern absichern und erhalten:

10 Tage x 24 Stunden á 10 GWh ergibt 2.400 GWh oder 2,4 TWh

Für eine sichere Stromversorgung während einer 10-tägigen Dunkelflaute ist also im Minimum eine Arbeitskapazität von mindestens 2.400 GWh erforderlich, weil diese Speicher während dieser Dunkelflaute ja nicht erneut aufgeladen werden können. Unter der vereinfachenden Voraussetzung, dass Nenn- und Arbeitskapazität der Akkuspeicher gleich sind, orientieren wir uns bei den weiteren Berechnungen an den weltweit größten diese Akkuspeicher:

Tabelle: Akkuspeicheranlagen mit mindestens 100 MWh (Quelle: Wikipedia zum Stand 2024)

Wir sehen also sofort, dass wir unabhängig vom Energieinhalt der Speicher mit deren Peak-Leistung rechnen müssen. Wir sehen auch sofort, dass die fehlenden Energiemengen in einer Dunkelflaute wegen der begrenzenden Peak-Leistung der Speicher eigentlich gar nicht über ein Mittelungsergebnis berechnet werden können, aber machen wir‘s der Einfachheit halber trotzdem mal. Daher nehmen wir für diese Abschätzung pro Akku-Speicher eine Peak-Leistung von 1.000 MWh (=1 GWh) mit einem Energie-Inhalt von 3000 MWh (=3 GWh) an. So, und jetzt schauen wir mal, wie es weitergeht:

Der erste Akkuspeicher hält rechnerisch 3 Stunden, für einen 24h-Tag werden also 8 Stück benötigt und für zehn Tage dann 80 Stück. Aufgrund physikalischer Limitierungen, beispielsweise bringt ein halbvoller Akku seine nominale Peak-Leistung nicht mehr, wären wir in Realita dann schon mal eher bei der Anzahl von 200 bis 300 Akkuspeichern. Aber auch hier ist die Spitze der Fahnenstange noch nicht erreicht. Denn wenn man im dünnen Band unter der Novembergrafik in Abbildung 2 den Bereich links ab dem 21. Oktober anschaut, dann muss man feststellen, dass die imaginären Akkuspeicher schon „angeschlagen“ in die Dunkelflaute hinein gegangen wären, weil sie bereits bis zur Dunkelflaute mehr ausgegeben hatten, als sie einnehmen konnten. Auch diese fehlende Wiederaufladung der Speicher im Oktober müsste also zusätzlich noch durch weitere Akkuspeicher aufgefangen werden.

Kostenrechnung: Die Kosten pro Kilowattstunde Stromspeicher liegen nach aktuellen Industrieangeboten und dem australischen 2 GWh-Speicher in Collie bei etwa 500 Euro pro 1 kWh. Um also rein netto eine Dunkelflaute von 10 Tagen abzusichern, wären ohne deutschlandweite Leitungsverluste mindestens 200 Akkuspeicher zu insgesamt 100.000.000.000 Euro reine Investitionskosten ohne weitere Infrastruktur erforderlich; realistisch läuft es aber eher auf 500 solcher Speicher zu 250 Milliarden Euro hinaus, die wiederum eine Lebensdauer von 5-10 Jahren haben..

Eine Würdigung der Absätze Dezentralisierung, Elektrofahrzeuge als Speicher und thermischen Speicher schenke ich mir hier, weil diese bereits in einer Vielzahl von Artikeln hinreichend diskutiert und als undurchführbar erkannt wurden. Insbesondere E-Autos als Energiespeicher können eigentlich nur von Leuten propagiert werden die nicht wissen, dass unsere Industrie weder auf Energie noch auf Mitarbeiter verzichten kann. Was nützt es also der Industrie, wenn sie nachts EEG-Strom aus den Akkus der Mitarbeiterfahrzeuge bezieht, diese Mitarbeiter dann aber morgens nicht zur Arbeit erscheinen können?

Skalierung der Batteriekosten sowie die Förderung der erforderlichen Grundstoffe: In diesem Absatz erhebt man feucht- grüne EEG-Träume zur Realität. Insbesondere die getanzte Kostensenkung für Batterien durch Investitionen erhält im Angesicht der Northvolt-Pleite eine kabarettistische Dimension. Auch auf die sophistische Relativierung der Batteriekosten durch den Hinweis auf die damit erzielte Netzstabilität und damit auf eine Senkung der Gesamtkosten des Energiesystems muss man wohl nicht näher eingehen, denn um die Kosten unseres Energiesystems bei Einführung des „Eine-Eiskugel-Gesetzes“ (EEG 2000) kann es sich dabei ja wohl im Traum nicht handeln. Schließlich werden auch noch den Umweltschäden durch den Abbau von Lithium, Kobalt und Nickel moderne Recyclingtechnologien gegenübergestellt. Eine solche Gegenüberstellung sollte man angesichts eines konkret geplanten „Emerging Markets“ dann schon als geistige Diarrhoe bezeichnen.

Die weltweite Energiewende: An Zynismus kaum noch zu überbieten ist der Hinweis, insbesondere in Afrika und Südostasien könne man mit Hilfe dezentraler Batterielösungen und erneuerbarer Energien für Millionen von Menschen den Zugang zu Strom verbessern. Und auch der Hinweis auf europäische Batterie-Gigafabriken hält einer realen Betrachtung (S. Northvolt) nicht stand.

Die Rolle von Batterien in der Zukunft soll vorgeblich Teil eines sich wandelnden Energiesystems sein, in dem auch Wasserstoff und Pumpspeicher ihren Platz haben. Das ist sehr schön, aber Wasserstoff ist nun mal höchst reaktiv und benötigt für Herstellung und Transport etwa das 3-fache der später dadurch nutzbaren Energiemenge, und topografisch passende Flächen für zusätzliche Pumpspeicherwerke der erforderlichen Größenordnung gibt es in unserem Land nicht mehr.

Auf seiner Internetpräsens stellt sich Dr. Jan Rosenow folgendermaßen vor, Zitat:

Dr. Jan Rosenow ist Vice President und Europäischer Direktor des Regulatory Assistance Project (RAP), einem weltweit führenden Think Tank, der sich auf die Dekarbonisierung von Energiesystemen spezialisiert. RAP arbeitet eng mit der EU-Kommission, Ministerien, Regulierungsbehörden und NGOs, um nachhaltige Energielösungen voranzutreiben. Dr. Rosenow berät wichtige Institutionen wie die Europäische Kommission, das Europäische Parlament und die Internationale Energieagentur. Er wurde als einer der 100 entscheidenden Köpfe der internationalen Klima-Szene gekürt und als einer der Top 25 Energie-Influencer weltweit anerkannt.“

Der Herr Dr. Rosenow ist auf seiner Homepage also ganz ehrlich und stellt sich korrekt als Dekarbonisierungslobbyist dar. Damit wäre für den wahrheitssuchenden Durchschnittsbürger auch sofort dessen konkreter Blickwinkel auf die Stromerzeugung ersichtlich. Erst die fehlleitende FOCUS-Bezeichnung „Energie-Experte“ gibt dem parteiischen Text dann einen Spin hin zu einer False-Flag-Information dieses Meinungsmediums selbst. Denn die mediale Darstellung des „Verkäufers“ eines zielgerichteten Szenarios zur Dekarbonisierung unserer Energieerzeugung als „Energie-Experte“ wertet dessen Vortrag in der fachlichen Breite auf und vermittelt diesen Aussagen gleichzeitig einen Anschein von überparteilicher Objektivität.

Das Fazit für den fachfremden Durchschnittsbürger, der fremde Expertise benötigt, um sich die fachlichen Grundlagen für eine qualifizierte Entscheidungsfindung zu erarbeiten, kann also nur lauten: Wenn man einen Sumpf trocken legen will, sollte man nicht die Frösche um Rat fragen – und das gilt natürlich auch für deren Medien – übrigens ebenso wie die Überschrift dieses Artikels.