Das Energie-Erdbeben vom November: Eine von Politik, Macht und Pragmatismus umgestaltete Welt
Cornwall Alliance und Vijay Jayaraj
Während sich die globale Energielandschaft im Schatten der seismischen politischen Entwicklungen vom November 2024 dreht, findet sich die Welt in einem komplexen Geflecht aus Geopolitik, Marktmanövern und Umweltdebatten wieder.
In den letzten Wochen haben wir die Rückkehr des Klimaskeptikers Donald Trump an die Weltspitze und die auffällige Abwesenheit wichtiger Führungspersönlichkeiten beim jährlichen COP29-Gipfel für „grüne“ Energie erlebt. Dies unterstreicht die sich abzeichnende Entwicklung in Afrika, Asien und Lateinamerika, die einen unmissverständlichen Aufstieg der Energiesicherheit und der nationalen Souveränität als nicht zu verleugnende Prioritäten signalisiert.
Der vermeintlich einheitliche, vom Westen angeführte Marsch in Richtung Dekarbonisierung ist einer komplexeren Realität gewichen, in welcher der steigende Verbrauch fossiler Brennstoffe durch wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Druck zur Schaffung von Wohlstand in den Entwicklungsländern angetrieben wird.
Die Zukunft des größten Ölproduzenten der Welt
Der Wahlsieg von Donald Trump hat viele Länder erneut dazu ermutigt, ihre aktuelle Klimapolitik zu überdenken. Zu seinen Plänen gehören die Ausweitung von Offshore-Bohrungen, die Wiederbelebung des Kohlebergbaus und der Abbau der unnötigen und teuren staatlichen Unterstützung für intermittierende Energiequellen.
Die Ernennung von Chris Wright zum Leiter des Energieministeriums (DOE) unterstreicht die Hinwendung seiner Regierung zu Kohlenwasserstoffen als zentralem Element der Energiesicherheit der USA. Tatsächlich ist dies das erste Mal, dass eine Person aus dem Energiesektor zum Leiter des DOE ernannt wurde, was die Richtung der US-Politik ab Januar noch deutlicher macht.
COP29: Eine Versammlung in der Isolation
Der jährliche Klimazirkus COP29 der Vereinten Nationen in Baku wurde durch die Tatsache viral bekannt, wer fehlte oder vorzeitig abreiste. Die Staats- und Regierungschefs von China, Indien und Russland – einige der größten Energieverbraucher der Welt – zogen es vor, anderen Plattformen den Vorzug zu geben, wie etwa der von den BRICS-Staaten angeführten Erklärung von Kasan, welche die Energiesicherheit über die Verringerung der Nutzung fossiler Brennstoffe stellt.
Während einige westliche Länder weiterhin religiös an einer auf Pseudowissenschaft basierenden Kohlenwasserstoff-Feindlichkeit festhalten, ist der Klima- Abtrünnigkeit der Entwicklungsländer mehr Gehör geschenkt worden. Länder wie Indien prangern die Heuchelei wohlhabenderer Nationen an, die eine „Dekarbonisierung“ fordern, ohne praktikable Alternativen zu Kohle, Öl und Erdgas anzubieten.
Der aserbaidschanische Präsident Ilham Alijew erklärte die fossilen Brennstoffe zu einem „Geschenk Gottes“, während er in seiner Hauptstadt die COP29 ausrichtete, auf der Solar- und Windenergie gewürdigt werden sollen. Diese Erklärung in Verbindung mit Aserbaidschans Plänen zur Ausweitung der Erdgasförderung verdeutlichte die Ironie, dass ein Erdölstaat Gastgeber eines Klimagipfels ist, der den Ausstieg aus fossilen Brennstoffen zum Ziel hat.
Der argentinische Präsident Javier Milei zog seine 80-köpfige Delegation von der COP29 nach weniger als einem Drittel der 11-tägigen Veranstaltung zurück.
Alles in allem schien die Veranstaltung auf ein klägliches Scheitern zuzusteuern, so dass man sich fragen muss, ob der letzte Nagel in den Sarg der Klimaindustrie auf der diesjährigen Veranstaltung ordnungsgemäß eingeschlagen werden würde. Auf der anderen Seite einigte sich ein Dutzend energiehungriger Länder auf dem BRICS-Gipfel in Kasan in Russland darauf, die zuverlässige Versorgung mit fossilen Brennstoffen sicherzustellen.
Fossile Treibstoffe in Asien, Afrika und Südamerika
Ja, China und Indien verbrauchen Kohle und werden in absehbarer Zeit nicht damit aufhören. Doch die in anderen Entwicklungsländern produzierte und verbrauchte Menge an fossilen Brennstoffen wird von den Medien nur selten wahrgenommen.
Japan beispielsweise hat alles daran gesetzt, neue Märkte für Erdgasimporte zu erschließen, und verfügt über die weltweit größten Speicher für ankommendes Gas. Auch Indonesien plant eine Steigerung des Kohleverbrauchs und der Kohleproduktion.
Zu den laufenden Explorationen in Surinam und Guyana gesellen sich nun weitere Öl- und Gasfunde in Ecuador. Der Schieferboom in der argentinischen Provinz Río Negro, die reiche Ölproduktion im kolumbianischen Llanos-Becken und der erwartete Nettogewinn von Petrobras in Brasilien von mehr als 5 Mrd. USD im dritten Quartal verkünden eine unaufhaltsame Dynamik für den südamerikanischen Öl- und Gassektor.
Afrika entwickelt sich zu einem Brennpunkt für die Erschließung neuer Öl- und Gasvorkommen. Das freimütige Eingeständnis des südafrikanischen Energieministers auf der African Energy Week, dass fossile Brennstoffe für die Energiesicherheit notwendig sind, reflektiert ein breiteres afrikanisches Narrativ. Neue Öl- und Gasfelder auf dem gesamten Kontinent – vom Oranje-Becken in Namibia bis zu den Tilenga- und Kingfisher-Feldern in Uganda – deuten darauf hin, dass der wirtschaftlichen Entwicklung Vorrang vor Klimabelangen eingeräumt wird.
Während die europäischen Länder ihre Klimaziele verdoppeln, setzen große Teile der Entwicklungsländer auf Wirtschaftswachstum durch fossile Brennstoffe. Diese Verschiebungen zeigen, dass die schon immer wackelige globale Abstimmung in Bezug auf den Klimaschutz ins Wanken gerät, und verdeutlichen die anhaltende Rolle der Kohlenwasserstoffe für die Energieversorgung der Welt.
Während sich der Staub legt, beginnen sich die Konturen einer neuen Energieordnung abzuzeichnen – einer Ordnung, die von Pragmatismus, regionalen Allianzen und dem unverblümten Eingeständnis der Hinfälligkeit des Weltuntergangskults geprägt ist.
This commentary was first published at Town Hall on November 30, 2024.
Vijay Jayaraj is a Science and Research Associate at the CO2 Coalition, Arlington, Virginia. He holds an M.S. in environmental sciences from the University of East Anglia and a postgraduate degree in energy management from Robert Gordon University, both in the U.K., and a bachelor’s in engineering from Anna University, India.
Übersetzt von Christian Freuer für das EIKE