Hoffen auf die Zeitenwende
Edgar L. Gärtner
Es liegt etwas in der Luft. Ich halte es nicht für Zufall, dass der Erdrutsch-Sieg von Donald Trump in den USA in europäischen Regional- und Nationalwahlen von einem „Rechtsruck“ begleitet wird. Zuletzt lag im NATO-Land Rumänien der unabhängige und als stramm „rechts“ geltende Kandidat Călin Georgescu im ersten Wahlgang der rumänischen Präsidentschaftswahlen überraschend vorn. In Österreich siegte am gleichen Tag die konservativ-liberale FPÖ im Bundesland Steiermark. In Kanada bahnt sich die Ablösung des woken Ministerpräsidenten Justin Trudeau durch den konservativen „Populisten“ Pierre Poilievre an. Diese Entwicklungen und die Ergebnisse der Landtagswahlen in Ostdeutschland, aus denen die AfD als stärkste Partei hervorging, sowie der Erfolg des Rassemblement National (RN) Marine Le Pens in Frankreich zeigen, dass die Völker nach einer bezahlbaren Energiepolitik und nach internationalem Frieden strebt. Gleichzeitig wird sichtbar, dass die in den meisten westeuropäischen Ländern herrschende woke bzw. nihilistische „Elite“ alles tun wird, um mithilfe radikaler Einschränkung der Meinungsfreiheit ihre Macht zu verteidigen. Zumindest zeigen die beginnenden Kriegsvorbereitungen. Die Angst vor dem Frieden ist bei den Mächtigen zurzeit offenbar größer als die Hoffnung auf eine eventuelle „Friedensdividende“.
Ich gebe zu, dass ich Donald Trump bewundere, und zwar schon länger. Und es freut mich, dass ich mich (als römisch-katholischer Christ!) nun wieder ohne Vorbehalt als Amerikafreund outen kann. Einige halten mich dagegen für einen Putin-Versteher. In Wirklichkeit verfüge ich aber (leider!) über keinerlei Verbindung im heutigen Russland, lese aber gerne Analysen geistiger Führer der orthodoxen Kirche (z.B. die Nihilismus-Geschichte des Mönchs Eugene Seraphim Rose) , weil diese weitaus weniger stark vom woken Zeitgeist infiziert sind als viele Statements der römischen Kirche unter Papst Bergoglio (Franziskus). Davon abgesehen, geht es mir in erster Linie um die Re-Etablierung normaler Handels- und Kulturbeziehungen mit Russland, wie sie – von Ausnahmen abgesehen – selbst auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges zwischen den 50er und den 80er Jahren bestanden.
Donald Trump, der nicht gerade als Heiliger gilt, obwohl er keinen Alkohol trinkt, hat schon den Amtseid beim Antritt seiner ersten Legislatur im Januar 2016 mit der Hand auf einer alten Bibel geleistet. Damals wurde das allerdings als übliche Zeremonie wahrgenommen. Inzwischen wirbt Trump in eigenen Statements und in Zusammenarbeit mit dem bekannten Country-Musiker Lee Greenwood aktiv für die Lektüre der Heiligen Schrift in Form einer „God Bless the USA-Bible“. In der Tat sollte meines Erachtens die Bibel und insbesondere die Zehn Gebote der Genesis auch von weniger Frommen als Grundlage unserer westlichen Kultur anerkannt werden. Mehr als dieses Kulturchristentum kann man von den meisten Menschen ohnehin nicht erwarten, denn der Glaube gilt bei wirklich Gläubigen als besondere Gnade.
Allerdings ist unübersehbar, dass der Milliardär Elon Musk, der als reichster Unternehmer der Welt gilt und den Trump zum zentralen Architekten des Bürokratie-Abbaus mithilfe des geplanten „Department of Government Efficiency“ (kurz DOGE) ernannt hat, auch seine eigene Agenda verfolgt. Von der KI wird Musk (wohl nicht zufällig) für eine Verkörperung des Antichristen gehalten, obwohl oder weil er sich neuerdings eines christlichen Vokabulars bedient. Für Trump dient die Verbindung mit dem erfolgreichen Unternehmer Elon Musk wohl hauptsächlich dazu, Mut und Zuversicht hinsichtlich der technischen und sozialen Überwindung der Energiekrise und anderer menschengemachter Engpässe zu verbreiten. Es geht, kurz gesagt, um die Beendigung des vor allem von den Neocons verfochtenen moralischen Wohlfühl-Universalismus des Westens und die Wieder-Aufwertung des gesunden Menschenverstandes der arbeitenden Menschen. Deren Konsequenz wäre, die Selbstbehauptung des Westes weniger in militärischer Stärke, sondern in der Selbstbegrenzung zu suchen, rät der katholische Politikwissenschaftler Heinz Theisen.
Voraussetzung dafür wäre der von Donald Trump angerkündigte Austritt der USA aus dem Pariser Klima-Abkommen von 2015 und die damit verbundene Beendigung der Verteufelung so genannter fossiler Energiequellen. Das böte die Gelegenheit, rund um den Globus mit teuren woken Ideologien des Selbsthasses wie die totalitäre Fiktion der menschengemachten globalen Erwärmung, der Verarmung des Südens durch kolonialistische Ausbeutung oder des erfundenen Rechts auf die freie Geschlechtswahl non-binärer menschlicher Individuen per Sprechakt usw. Es geht dabei im Grunde gar nicht um den Kampf „Rechts“ gegen „Links“, zumal die beiden politischen Lager im Laufe der US-Geschichte ihr Vorzeichen gewechselt haben. (Die heute politisch dominierenden Republikaner galten einmal als „links“.) Ich frage mich ohnehin, ob es überhaupt eine genuin „rechte“ Kultur gibt, zumal sich die Kulturszene, nach der weitgehenden Entchristianisierung Westeuropas, heute fast zu 100 Prozent als „links“ definiert.
Es geht vielmehr nach dem belgischen Althistoriker David Engels längerfristig um die Auseinandersetzung zwischen faustischen und nicht-faustischen Kulturen. Ihren Namen erhielt die faustische Kultur nach dem seit dem späten Mittelalter in Europa verbreiteten Faust-Mythos, der Goethe zur Abfassung des bekannten Faust-Dramas anregte. David Engels verwendet für diese faustische Kultur auf der Basis eines vom Gnostizismus beeinfkussten Christentums, von der auch Amerika und Australien geprägt sind, den Begriff „Hesperalismus“, der die typisch europäische Sehnsucht nach dem Unbekannten, den Hesperiden, Avalon und Utopia kennzeichnet. Dieser Drang beinhaltet allerdings die Gefahr, das Augenmaß zu verlieren. „Stattdessen entsteht eine atomisierte Welt, die von Transzendenz, Tradition und Geschichte losgelöst wird, die im Nichts eines abstrakten und kalten Materialismus schwebt (…) Tatsächlich hat unser blinder Glaube an die Vernunft und an den Menschen als Maß aller Dinge ganz allmählich zum Relativismus, dann zum Nihilismus und schließlich zu den Absurditäten des Wokismus geführt“, sagt David Engels.
Der Realitätsverlust der woken Nihilisten, der hinter der „selbstmörderischen Energiewende“ und anderer Exzesse der Woke-Kultur steht, erwächst also mehr oder weniger direkt aus Verabsolutierungen der christlichen Ethik in Verbindung mit dem modernen Glauben an die (menschengemachte) Vernunft. Ich selbst sehe aktuell im Westen den Hauptkonflikt zwischen einem maßlosen und einem durch christliche Demut gemilderten Faustismus er im Faust-Drama am Ende siegt. Der von Wunschdenken genährte Machbarkeitswahn der Grünen und Woken kann m.E. nur durch die Wiedererweckung der Demut gemäßigt werden – eine Demut, die auch der liberale Wirtschaftsnobelpreisträger Friedrich August von Hayek forderte.
Donald Trump und seine Anhänger setzen gegen die Exzesse des Wokismus auf den gesunden Menschenverstand der kaufmännischen Logik. Dieser hat in den USA durchaus Chancen, sich gegen die verbreitete woke Unkultur durchzusetzen. Aber Trumps Team muss mit raffinierten Sabotageversuchen der noch immer einflussreichen Neocons rechnen. Noch größer werden wohl die Widerstände der westeuropäischen Elite sein. Es ist kaum vorstellbar, dass die neue EU-Kommission unter ihrer alten Chefin Ursula von der Leyen aus dem Wahlerfolg Donald Trumps etwas freiwillig lernt. Aber am Ende könnte die EU durch Trumps designierten Energieminister Chris Wright mit dem Slogan „Drill Baby Drill“ indirekt gezwungen werden, ihren Widerstand gegen die Nutzung der unter unseren Füßen reichlich verfügbaren Erdgasreserven aufzugeben. Gleichzeitig müssten „rechte“ Kritiker der EU-Kommission und der nationalen Regierungen, wie der bereits zitierte David Engels fordert, ihre eurasiatischen Träume aufgeben, um mit den unter Trump geläuterten US-Republikanern in Kontakt bleiben zu können.