Teil 1 – Infraschall – unhörbare Gefahr oder „unbelegte Behauptung“?

Pro und Contra Argumente – eine Info für Bürgerinitiativen gegen Windkraft

von Dieter Böhme

Vom Windkraftausbau betroffene Menschen argumentieren auch mit den Gefahren von Infraschall. Ihnen wird vorgeworfen, ihre Argumente seien längst widerlegt. Denn es gäbe Studien und Rechenfehler sowie Hinweise, dass ungute Erwartungen an eine Windkraftanlage die Psyche stimulieren und Symptome verursachen. Kombiniert wird dies gern mit dem medialen Framing von Windkraftgegnern bzgl. „rechtsextremer Agitation“. Die Literaturwissenschaftlerin Johanna Hemkentokrax, die (nach eigener Aussage) als freie Mitarbeiterin für den MDR tätig ist, lieferte ein besonders lesenswertes Beispiel. Und dies geht so.

Die Thüringer „Waldbürger-Initiative“: Zwischen Umweltengagement und rechtsextremer Agitation. https://www.mdr.de/nachrichten/thueringen/windkra7anlage-afd-rechtsextremismuswaldbuerger-ini=a=ve-100.html

Bildzitat: MDR vom 22.04.2024

 

Meine Erwiderung an den MDR findet sich hier. Ich wünsche gute Unterhaltung. Der MDR framt die Waldbürger https://www.thlemv.de/wp-content/uploads/2024/10/Der-MDR-framt-die-Waldbuerger.pdf

Der in meiner o.g. Antwort an den MDR enthaltene Teil „Die Physik von Schall und Infraschall“ kommt auch im hier vorliegenden Dokument auch vor und wird in u. g. in einer Überarbeitung inkl. Zusammenfassung der wichtigsten Punkte möglichst verständlich erklärt.

Zu den Behauptungen des MDR

Der MDR-Artikel behauptet, Gesundheitsschäden durch Infraschall seien unbelegt: Unbelegt: Windräder: Infraschall macht krank https://www.mdr.de/wissen/faktencheck/faktencheck-windrad-100.html

Zum Infraschall stellt der MDR fest (Zitat):

„Dieser hat ganz natürliche, aber auch menschengemachte Ursachen wie Windkraftanlagen. Manchmal berichten Anwohner*innen, dass sie in der Nähe von Windrädern unter Symptomen wie Kopfschmerzen, Übelkeit, Bluthochdruck und Schlafstörungen leiden. Jedoch konnten Untersuchungen bislang keinen Mechanismus finden, der einen Zusammenhang zwischen Infraschall und solchen Symptomen erklären könnte. Auch

Studien mit tieffrequentem Schall aus Lautsprechern konnten keine gesundheitlichen Effekte bei den Proband*innen nachweisen. Es gibt Hinweise, dass ungute Erwartungen an eine Windkraftanlage die Psyche stimulieren und so Symptome verursachen (Nocebo-Effekt)“.

Dies sei wie folgt zusammengefasst. Es gibt Hinweise, dass Anwohner über gesundheitlichen Beeinträchtigungen klagen. Und es gibt Hinweise, dass dies auf ungute Erwartungen dieser Personen zurückzuführen ist. Ersteres kann (lt. MDR) ignoriert werden, weil es auch natürliche Ursachen für Infraschall gibt. Deshalb gilt der Hinweis auf den Nocebo-Effekt als Beweis der Unschädlichkeit für Infraschall von Windrädern. Frage: Entspricht eine solche Interpretation dem Vorsorgeprinzip?

https://www.umweltbundesamt.de/vorsorgeprinzip

Das Vorsorgeprinzip (Artikel 2/2 GG) wird ausgehebelt, indem erklärt wird: a) es gäbe keine Studien, die eine Gefahr belegen.

b) es gäbe auch Infraschall aus anderen Quellen, wie Verkehrslärm usw. Dabei wird auf eine Studie der LUBW (Landesanstalt für Umwelt BadenWürttemberg)aus 2013-2015 verwiesen.

Tieffrequente Geräusche inkl. Infraschall von Windkraftanlagen und anderen Quellen https://pudi.lubw.de/detailseite/-/publication/71612

In dieser Studie wurden Schalldruckpegel bis ca. 75 dB im Bereich 1– 80 Hz gemessen und mit anderen Schallquellen verglichen. Daraus wurde geschlossen, dass (Zitat): „Auswirkungen durch Infraschall von Windkraftanlagen nach den vorliegenden Erkenntnissen nicht zu erwarten sind.“ Doch heißt, dem Stand der damaligen Erkenntnisse entsprechend, etwas nicht zu „erwarten“ denn auch, dass dies „auszuschließen“ ist? In der Praxis erfolgt de facto eine Beweislastumkehr. Windkraft-Firmen verweisen auf Studien, wonach „Auswirkungen durch Infraschall von Windkraftanlagen nicht zu erwarten sind.“ Woraus sich implizit die Forderung an die Betroffenen ableitet, zu beweisen, dass deren Gesundheit durch Windräder bedroht bzw. geschädigt werden kann. Damit wird das gesetzliche Vorsorgeprinzip nicht nur ignoriert, sondern auf den Kopf gestellt. Die Betroffenen werden weitgehend hilflos einer Front von Behörden, Ärzten, Medien und Ihrem Schicksal überlassen. Damit erhält die Windkraft eine weitere privilegierte Stellung. Im Gegensatz dazu erinnere man sich an das polit-mediale Getöse, wenn es um die bespiellos niedrigen Abgas-Grenzwerte von Stickoxyden (NOx) und CO2 geht, mit denen die Automobil-Industrie aus Deutschland vertrieben wird.

Das Vorsorgeprinzip https://www.umweltbundesamt.de/vorsorgeprinzip

Die EU-Chemikalien-Richtlinie REACH verlangt allein vom Inverkehrbringer den Nachweis der Ungefährlichkeit. Dort gilt die Forderung (Zitat): „REACH beruht auf dem Grundsatz, dass Hersteller die Verantwortung übernehmen. Sie müssen sicherstellen, dass….https://www.umweltbundesamt.de/themen/chemikalien/reach-chemikalien-reach Dies beweist wie es geht, wenn die Politik es will und Medien dies unterstützen.

Die LUBW-Studie zum Infraschall

Zu Zeiten der LUBW-Studie (2013-2015) waren Windräder viel kleiner und die Drehzahl ihrer Rotoren folglich höher. Doch was hat das mit Infraschall zu tun, für den es auch natürliche Ursachen gibt, die man mit höheren Druckpegeln messen kann?

Die Messung und Beurteilung tieffrequenter Geräusche (< 100 Hz) sind in der Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA-Lärm) geregelt, resultierend aus der (etwa 30 Jahre alten) DIN 45680. Bewertet werden aber nur Geräusche von 8 Hz aufwärts. Tieffrequenter Infraschall < 8 Hz wird für die Baugenehmigung von Windrädern weder berechnet, noch gemessen noch in seiner Wirkung bewertet.

Es wird einfach postuliert, dieser sei ungefährlich, weil man ihn: a) nicht wahrnehmen (hören!) könne

  1. es auch natürlichen Infraschall gäbe
  2. welcher höhere Druckpegel verursachen könne, als Infraschall von Windrädern

Dies ist die Argumentations-Grundlage der gesetzlichen Regelungen und damit für Planer, Behörden und Medien. Während betroffene Menschen oft ein jahrelanges Martyrium erleben und vom Pendeln zwischen Ärzten, Behörden, Psychiatrischen Anstalten berichten und Suizid-Gedanken durchleben. Ihre Schilderungen hören sich an, wie Berichte aus den Folterkellern des Mittelalters. Wenn diese Menschen die Windparks vor ihren Fenstern sehen und Medienberichte vom „Nocebo-Effekt“ serviert bekommen, sind sie oft der Verzweiflung nahe. Für diese Menschen setzt sich ein, die „Deutsche Schutz-Gemeinschaft-Schall für Mensch und Tier e.V.“ https://www.dsgs-info.de/ueber-uns/

 

Hören und Wahrnehmen sind zwei verschiedene Dinge

Für akustischen Schall (ca. 20 Hz – 20 kHz) ist das menschliche Ohr der Empfänger. Doch Infraschall (etwa < 20 Hz) kann das menschliche Ohr nicht hören. Folgt man der Argumentation, „wenn man etwas nicht hören kann, kann es nicht gefährlich sein“, so müsste man auch Radioaktivität als ungefährlich betrachten, weil man sie mit keinem Sinnesorgan wahrnehmen kann. Eine solche Behauptung würde jedermann als absurd bezeichnen. Doch beim Infraschall wird „Wahrnehmung“ mit „Hören“ gleichgesetzt. Dabei ist der Begriff „Wahrnehmung“ nicht auf die bekannten menschlichen Sinnesorgane beschränkt und auch nicht auf die von Tieren. Denn Wahrnehmung bezeichnet jenen Aspekt des psychischen Geschehens und Erlebens, der sich auf die Kopplung des Organismus an funktional relevante Aspekte der physikalischen Umwelt bezieht. Hierzu gehören nicht nur die haptische, visuelle, auditive, ……Wahrnehmung.“ https://www.spektrum.de/lexikon/psychologie/wahrnehmung/16602

Die Frage ist also nicht, ob Infraschall (mit dem Ohr) gehört werden kann, sondern ob und wie er, mit welchen Organen oder Zellen auch immer, wahrgenommen werden kann. Wer Infraschall (im wörtlichen Sinne) „erleben“ möchte, sollte die Peterskirche mit der Sonnenorgel in Görlitz besuchen. Es ist beeindruckend, wie das Beben des Kirchengestühls auf den Körper übergeht und Besitz von den Gefühlen ergreift, was wohl mit der Orgel wohl beabsichtigt war. Ein WELT-Artikel aus 2003 zeigt die Komplexität und auch die bestehende Unkenntnis zum Infraschall. Der letzte Satz lautet „Nachdem man dort eine Zentrifuge mit ihrem 19-Hertz-Schall abgeschaltet hatte, verschwand auch die unerklärliche Horror-Stimmung.“ Unkenntnis ist in der Wissenschaft der Normalfall und sollte stets Anlass zur Forschung sein. Zumal, wenn dies die Gesundheit sehr vieler Menschen betrifft.

Geschieht dies nicht, hat man es mit knallharter Interessenpolitik zu tun. Im Spukhaus dröhnt der Infraschall https://www.welt.de/print-welt/article261460/Im-Spukhaus-droehnt-der-Infraschall.html

Zusammenfassung

    • Das Vorsorgeprinzip (Artikel 2/2 GG), wie es bei der EU-Chemikalien-Verordnung REACH verbindlich ist, wird in Bezug auf Infraschall ausgehebelt und bzgl. der Beweislast umgekehrt, indem erklärt wird:
      1. es gäbe keine Studien, die eine Gefahr belegen
      2. es gäbe auch Infraschall aus anderen Quellen, wie Verkehrslärm usw.
    • Stattdessen wird auf eine Studie der LUBW (Landesanstalt für Umwelt BadenWürttemberg) aus 2013-2015 verwiesen. Diese Messungen bezogen sich jedoch ausschließlich auf den Druckpegel (SPL). Gemessen wurde damals an kleineren Windrädern mit höheren Drehzahlen und damit in einem anderen Frequenzbereich.
    • Der Begriff „Wahrnehmung“ wird dabei ausschließlich auf das menschliche Ohr bezogen, obwohl bekannt ist, dass dieses den Infraschall (< 20 Hz) gar nicht „wahrnehmen“ kann. Mögliche andere Rezeptoren werden als „Sensor“ ignoriert.
    • Betroffene Menschen werden kaum ernst genommen und berichten von einem oft jahrelangen Martyrium und dem Pendeln zwischen Ärzten, Behörden und psychiatrischen Anstalten sowie von Suizid-Gedanken.
    • Es wird auf Infraschall aus natürlichen und anderen Quellen verwiesen, mit dem Hinweis, dort seien die Druckpegel höher. Dabei ist der wesentliche Unterschied z.B. zwischen Meeresrauschen und Infraschall von Windrädern nicht der Druckpegel, sondern die Periodizität. Bei offenem Fenster und lautem Meeresrauschen kann man ggf. gut schlafen, wohl aber kaum bei einem tropfenden Wasserhahn. Diese Analogie kennt wohl jeder.
    • In der Hörakustik ist der Wohlklang eines Musikinstrumentes nicht vergleichbar mit dem Quietschen einer Tür. Denn diese sind auf unterschiedliche Frequenzmuster zurückzuführen. Bezüglich Infraschall wird das Klangbild, bestehend aus der Grundfrequenz und den Oberwellen ignoriert. Oberwellen entstehen bei nicht sinusförmigen Druckwellen, wie sie bei jedem Durchgang eines Rotorblattes am Mast entstehen: Wumm-Wumm-Wumm.
    • In der Hörakustik ist unbestritten, dass sich tiefe Frequenzen (Bässe) viel weiträumiger ausbreiten und Wände leichter durchdringen als hohe Töne. In Bezug auf periodischen Infraschall mit noch niedrigeren Frequenzen wird dies ignoriert.
    • Die Frequenz des Infraschalls heutiger großer Windräder bewegt sich, inkl. der Oberwellen, in einem für den Menschen sensiblen Bereich des Herzschlages. Das in der Physik bekannte Phänomen der Eigenfrequenz und Resonanz zweier Schwingungen, welches durch Kopplung zu einer „Resonanzkatastrophe“ führen kann, wird ignoriert.
    • Den Windkraft-Gegnern wird ein Rechenfehler der BGR (Bundesanstalt fur ̈ Geowissenschaften und Rohstoffe) vorgehalten, den diese in Bezug auf ihre Messtationen für Kernwaffentests gemacht hat. Wobei der Fehler keine Auswirkung auf den Mindestabstand der Messtationen zu Windrädern hatte. Außerdem wird gern behauptet, die Messtechnik für Infraschall sei einfach und für kleines Geld im Internet bestellbar. Dies ist jedoch angesichts der Komplexität geeigneter Messtechnik nicht der Fall.
    • Die technischen Vorschriften für „tieffrequente Geräusche“, sind die über 30 Jahre alte DIN 45680 und die TA-Lärm. Diese beziehen sich allein auf den Schalldruckpegel (SPL). Der Entwurf der überarbeiteten DIN 45680 kann beim Beuth-Verlag käuflich erworben werden. DIN 45680:2020-06 – Entwurf Messung und Beurteilung tieffrequenter Geräuschimmissionen https://www.dinmedia.de/de/norm-entwurf/din-45680/321484067 Eine Überarbeitung der TA-Lärm ist aktuell nicht vorgesehen.
    • Der dringend notwendigen medizinische Forschung zur Wirkung von Infraschall auf das Gewebe von Menschen, Tieren und auch Pflanzen wird von Seiten der Politik, der Behörden und Medien wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Daher mangelt es an entsprechenden finanziellen Zuwendungen.