Der 100-Prozent-Klimazirkus gerät unter Druck

Heute beginnt die Weltklimakonferenz in Aserbaidschan. Donald Trump wird wohl erneut aus dem Pariser Klimaabkommen aussteigen. Dabei sollen sich doch mindestens 97 Prozent der Wissenschaftler in Sachen Klimakatastrophe einig sein? Aber stimmt das überhaupt? 

 

Von Gisela Müller-Plath.

„Ja, und die Erde ist eine Scheibe“, bekomme ich zu hören, wenn ich im Familien- oder Kollegenkreis zu sagen wage, es gebe vermutlich auch andere Ursachen für die Temperaturanstiege in den letzten Jahrzehnten als die menschlichen CO2-Emissionen. Ein ebenfalls skeptischer Freund forderte kürzlich vom NDR unter Berufung auf das Rundfunkgesetz eine ausgewogene Darstellung in einer Sendung über Klimawandel und bekam zur Antwort:

„Der menschengemachte Klimawandel ist eine wissenschaftlich gesicherte Erkenntnis und nicht nur eine These. Es handelt sich hier also nicht um eine strittige wissenschaftliche Frage. Die überwältigende Mehrheit der Klimaforscher, etwa 97-98 %, ist sich einig, dass die Emission von Treibhausgasen die Hauptursache für die aktuelle globale Erwärmung ist.“

Tatsächlich liest und hört man das so häufig in Presse, Hörfunk, Fernsehen und Internet, dass es fast niemandem mehr in den Sinn kommt, an dieser Aussage zu zweifeln. Es versteht sich von selbst, dass eine rein quantitative Übereinstimmung noch nichts über die qualitative Richtigkeit einer These aussagt. Wahrheit kann nicht durch demokratische Abstimmung ermittelt werden.

In der Wissenschaftsgeschichte gibt es mehrere berühmte Beispiele, bei denen eine Theorie zunächst breit abgelehnt wurde, sich später aber als richtig herausstellte (z.B. Galileo Galileis Planetenbahnen, Alfred Wegeners Kontinentalverschiebung u.a.). Aber in unserem Zeitalter der Pseudo-Erleuchtung ist der 97protzentige-Konsens von Forschern eine mächtige rhetorische Waffe, um politische Gegner zu marginalisieren.

Im folgenden werde ich die der Zahl von 97 Prozent zugrunde liegenden Studien von John Cook (2013) und James Powell (2016, 2019) besprechen. Sie weisen so eklatante methodische Fehler auf, dass die genannten hohen Prozentzahlen nicht einmal annähernd stimmen können. Dass methodisch so unzulängliche Studien es in begutachtetes Fachjournale schaffen (und von dort direkt in Presse und Politik), zeigt, wie niedrig die Hürden inzwischen sind, so lange „die Botschaft stimmt“.

 

 

Die Studien

Die vielzitierte Zahl von 97 Prozent Konsens unter Klimawissenschaftlern in Bezug auf die Hypothese des menschgemachten Klimawandels (AGW-Hypothese, „Anthropogenic Global Warming“) beruht auf einer 2013 erschienenen Studie von John Cook und Kollegen mit dem Titel „Quantifying the consensus on anthropogenic global warming in the scientific literature“, auf Deutsch: „Bezifferung des Konsenses über die vom Menschen verursachte globale Erwärmung in der wissenschaftlichen Literatur“.

Wie kam die Zahl von 97 Prozent zustande? Cook und sein Team hatten die Datenbank „ISI Web of Science“ durchsucht nach Forschungsartikeln, die zwischen 1991 und 2011 erschienen waren und die Suchworte global warming (globale Erwärmung) oder global climate change (globaler Klimawandel) in ihrer vorangestellten Zusammenfassung (Abstract) enthielten. Die Suche ergab 11.944 Forschungsartikel.

Hilfskräfte machten sich dann an die Arbeit, alle diese Zusammenfassungen in anonymisierter Form zu lesen und danach einzuteilen, ob die Autoren überhaupt eine Position in Bezug auf die AGW-Hypothese äußerten, und wenn ja, ob sie der AGW-Hypothese zustimmten oder sie ablehnten. Jede Zusammenfassung wurde unabhängig von zwei Hilfskräften beurteilt; bei unterschiedlichem Urteil entschied eine dritte. Ergebnis: In 7.930 Zusammenfassungen (66,4 Prozent) äußerten die Autoren überhaupt keine Position zur AGW-Hypothese, in 4014 Zusammenfassungen äußerten sie eine. Unter diesen 4014 waren 3896 Zusammenfassungen, in denen die Autoren eine zustimmende Position einnahmen, in 78 Fällen lehnten sie die AGW-Hypothese explizit ab, und in 40 Fällen äußerten sie Unentschlossenheit. Nun berechneten Cook und sein Team den Anteil der Wissenschaftler, der der AGW-Hypothese zustimmen, so: 3896 Zustimmungen geteilt durch 4014 geäußerte Positionen = 0,971 = 97,1 % Konsens unter Klimawissenschaftlern pro AGW-Hypothese.

In den darauffolgenden Jahren (2016 und 2019) erschienen zwei Studien von James Powell, in denen dieser den wissenschaftlichen Konsens zuerst mit „über 99,99  Prozent“ und dann mit 100 Prozent bezifferte. Zunächst kritisierte er (zu Recht), dass Cook den überwiegenden(!) Anteil von Studien, die gar keine Position zur AGW-Hypothese bezogen hatte, einfach aus der Berechnung des Konsens ausgeschlossen hatte. Dann machte Powell es sich einfacher (allerdings beileibe nicht besser, siehe unten): Er suchte zunächst über 24.000 Artikel von insgesamt über 60.000 Autoren, die 2013 bis 2014 erschienen waren, und dann über 11.000 Artikel, die 2019 erschienen waren, im „ISI Web of Science“ mit ähnlichen Suchwörtern wie Cook und sein Team. Dann suchte er unter den gefundenen Artikeln diejenigen, die in der Zusammenfassung die AGW-Hypothese aufführten zusammen mit dem Schlüsselwort „reject“(= zurückweisen, verwerfen). In seiner ersten Studie fand er 5 solche Artikel, in seiner zweiten keine einzige. Da 5/24.000 = 0,0002 = 0,02 Prozent sind, kam er zu der Bezifferung von „über 99,99 Prozent“ (2016) und dann 100 Prozent (2019). Er betitelte seine zweite Studie mit „Scientists Reach 100 % Consensus on Anthropogenic Global Warming“.

Aus drei Gründen lassen die Arbeiten den behaupteten Schluss von 97 bis 100  Prozent Einigkeit in der Klimaforschung jedoch nicht zu:

Kritik 1. Falsche Grundgesamtheit

Cook et al. (2013) hatten 11.944 Forschungsartikel geprüft und in 3.896 davon eine zustimmende Haltung zur AGW-Hypothese gefunden. Es ist unredlich, die 66,4 Prozent auszuschließen, die keine explizite Positionierung einnehmen, da man nicht weiß, wie diese darüber denken. Seine 97,1 Prozent sind also eine „Märchenzahl“. Teilt man 3.896 durch 11.944, kommt man nur auf 32,6 % Zustimmung.

Powell (2016) kritisiert dies zu Recht. Aber er macht es nicht besser, im Gegenteil: Da beide nur nach den Stichworten Global Warming und (Global) Climate Change gesucht haben, finden sowohl Cook als auch Powell (a) hauptsächlich Arbeiten, die gar nicht nach den Ursachen der Erderwärmung fragen, und (b) übersehen dabei viele, die danach fragen.

Zu (a) Die Suchworte Global Warming und Climate Change liefern, das zeigt z.B. die online gestellte Datenbank von Powell (2019), vor allem Arbeiten, die diese Begriffe als Anlass oder Marketing, nicht aber als eigentlichen Gegenstand der Forschung haben. Das heißt, sie untersuchen gar nicht die Ursachen der Erderwärmung, sondern ganz andere Fragen. Bereits die ersten beiden Artikel der Datenbank sind z.B. ingenieurwissenschaftliche Arbeiten in den Zeitschriften „Advanced Materials“ bzw. „Applied Materials“. (Beispielzitat: „CO2 photoconversion into hydrocarbon solar fuels by engineered semiconductors is considered as a feasible plan to address global energy requirements in times of global warming“, auf Deutsch:„Die Photokonvertierung von CO2 in Kohlenwasserstoff-Solarkraftstoffe durch technische Halbleiter wird als praktikabler Plan angesehen, um den globalen Energiebedarf in Zeiten der globalen Erwärmung zu decken.“). Wenn in einem solchen Artikel nicht das Wort „reject“ vorkommt, heißt das noch lange nicht, dass die Autoren der AGW-Hypothese zustimmen.

Zu (b) Eine in der Fachliteratur alternativ diskutierte Hypothese zu Ursachen von Klimawandel beziehungsweise Erderwärmung betrifft den Einfluss natürlicher solarer und ozeanischer Zyklen auf den Klimawandel mit Verstärkungsmechanismen, welche gegenwärtig weiter erforscht werden (z.B. Svensmark et al. 2017). Geben Sie zum Beispiel einmal „solar forcing“ auf Google Scholar ein, dann sehen Sie, wie lebhaft und kontrovers die Fachdiskussion nach wie vor ist!

Kritik 2. Falsches Kriterium

Ich verfolge die fachwissenschaftliche Diskussion zu den Ursachen des Klimawandels seit Langem. Nach meiner Wahrnehmung besteht der aktuelle Dissens nicht so sehr darin, ob der Mensch irgendeinen Anteil an einer globalen Erwärmung habe, sondern vielmehr, wie groß dieser sei – und ob eine menschgemachte Erderwärmung (AGW) nur den CO2-Eintrag oder auch den urbanen Wärmeinseleffekt (UHI) umfasst. Heute wie früher schätzen zahlreiche Fachwissenschaftler den Anteil des Menschen an der Erderwärmung auf deutlich unter 50 πrozent. Das sind die so genannten Skeptiker.

Man wird ihre Arbeiten mit Cooks oder Powells Methoden aber nicht auffinden, da sie nicht plump „reject“ schreiben oder dies in der Zusammenfassung erkennen lassen. In den Erhebungszeitraum von Powell fällt beispielsweise die Arbeit von Laurenz, Lüdecke & Lüning (2019), die die Alternativhypothese von Ozean- und solaren Zyklen unterstützt, mit den groben Suchkriterien aber übersehen wird. (Allein durch dieses Beispiel sind Powells 100 Prozent schon falsifiziert). Es gibt sehr viel mehr Arbeiten dieser Art. Angesichts der politischen Lage (siehe Punkt 3) vermeiden es Autoren aber zunehmend, die Autorin eingeschlossen, explizit zu sagen, dass sie die strenge AGW-Hypothese des menschlichen CO2 als alleinige Ursache ablehnen, obwohl der Inhalt des Artikels dies zeigt: Zum Beispiel beziffern Lüdecke et al. (2021) und Müller-Plath et al. (2022, Ehemann der Autorin, Anm.) den Anteil natürlicher Klimazyklen an Niederschlagsschwankungen regional auf über 50 Prozent.

Kritik 3. Statistische Verzerrung durch einseitige Förderung und Publikationspolitik

Der Teil der Klimaforschung, der menschliche CO2-Emissionen als alleinigen Klimatreiber ansieht, wird weltweit finanziell stark gefördert, skeptische Forscher nicht. Das IPCC (Intergovernmental Panel of Climate Change) wurde überhaupt nur gegründet, um die Hypothese vom menschgemachten Ursprung des jüngsten Klimawandels wissenschaftlich zu belegen. Die in den IPCC-Berichten berücksichtigten Forschergruppen werden zwar nach wissenschaftlichen Kriterien ausgewählt, bedeutende skeptische Forscher bleiben aber unberücksichtigt. Dies verletzt wissenschaftliche Ergebnisoffenheit und unterscheidet IPCC-Forschung, die ergebnisorientiert arbeitet, von wirklich neutraler Forschung.

Aufgrund von Berichten skeptischer Klimawissenschaftler über gezielte Mittelkürzungen und Stellenstreichungen bis hin zum Verlust der eigenen Stelle ist anzunehmen, dass es auch im wissenschaftlichen Begutachtungs-System zu erheblichen Verzerrungen kommt: Skeptische Ansätze haben es heutzutage ungleich schwerer, in die Fachjournale zu gelangen. Das führt zu einer systematischen Unterrepräsentation in Datenbanken. Die Bezifferung einer Zustimmung der Klimaforscher zur AGW-Hypothese mit über 97 Prozent oder höher ist folglich mit Sicherheit falsch!

Wie viele und wie gut qualifizierte Skeptiker gibt es in der Klimaforschung?

In den Jahren 2013/14, in denen Powell (2016) den Konsens auf angeblich über 99,99 Prozent bezifferte (s.o.), wurden über 1350 Publikationen in internationalen begutachteten Fachjournalen gefunden, die der strengen AGW-Hypothese („der Klimawandel ist zu fast 100 Prozent menschgemacht“) beziehungsweise dem IPCC widersprechen. Sie wurden explizit in „Popular Technology.net„ aufgeführt. Die reale Zahl bis heute dürfte noch weit höher liegen; einige aktuelle Arbeiten sind oben bereits genannt. Allein deswegen sind die regelmäßigen medialen Äußerungen über einen Konsens und angeblich fehlende Gegenstimmen falsch. Im wissenschaftlichen Ansehen übertreffen die „Skeptiker“ die „Alarmisten“ bei weitem: Zu den Skeptikern gehören die Physik-Nobelpreisträger Ivar Giaever (1973), Robert Laughlin (1998) und John Francis Clauser (2022).

Hingegen gibt es keinen Befürworter der AGW-Hypothese, der einen Physik-Nobelpreis hätte. Ferner sind die weltberühmten Physiker Freeman Dyson, Edward Teller, Frederick Seitz, Robert Jastrow, William Nierenberg „Klimaskeptiker“ – ähnliche wissenschaftliche Reputationen sind von den an den IPCC-Berichten mitarbeitenden Forschern nicht bekannt. Eine ausführliche Zusammenstellung dazu findet sich ebenfalls in „Popular Technology.net“. Weiterhin können Hunderte promovierte Naturwissenschaftler und fachnahe Professoren benannt werden, die sich in Petitionen und Manifesten gegen die strenge AGW-Hypothese und das IPCC artikulierten. Hier die (unvollständige) Aufzählung:

• Heidelberger Manifest, 1992, (4000 Naturwissenschaftler, 72 Nobelpreisträger, überwiegend keine Klimaforscher) als Antwort auf den Klimagipfel von Rio de Janeiro.

• Leipziger Erklärung, 1995, überarbeitet 2005. 80 Forscher der Naturwissenschaft und 25 Meteorologen bekunden „Auf der Basis aller vorhandenen Messungen können wir eine politisch inspirierte Weltsicht nicht akzeptieren, die Klimakatastrophen vorhersagt und überstürzte Aktionen verlangt… In einer Welt, in der die Armut die größte soziale Verschmutzung darstellt, sollte jegliche Einschränkung an Energie, die das ökonomische Wachstum verhindert (in diesen Ländern), mit äußerstem Bedacht vorgenommen werden.“

• Oregon Petition Project, 2008, 31.000 Unterzeichner, davon 9000 promoviert, meist Ingenieure, aber auch zahlreiche Klimaforscher. Das Projekt wendet sich gegen die Behauptungen „Die Wissenschaft sei sich einig über die menschgemachte globale Erwärmung“.

• Anonyme Umfrage von D. Bray und H. von Storch, 2007,  unter ca. 1250 Klimawissenschaftlern. Die Frage „Ist der gegenwärtige Stand der Wissenschaft weit genug entwickelt, um eine vernünftige Einschätzung des Treibhausgaseffektes zu erlauben?“ beantworteten nur 69% mit Zustimmung. Die Frage „Können Klimamodelle die Klimabedingungen der Zukunft voraussagen‘‘ beantworteten 64% ablehnend!

• Umfrage von H. M. Kepplinger und S. Post, Forschungsmagazin der Universität Mainz, 2008. Die Mehrheit der Wissenschaftler war der Ansicht, dass die Voraussetzungen für eine Berechenbarkeit des Klimas gegenwärtig noch nicht gegeben sei.

• U.S. Senate Minority Report, 2008, 700 Naturwissenschaftler. Die Unterzeichner wehren sich gegen den vorgeblichen Konsens, dass der Mensch für die Erwärmung hauptsächlich verantwortlich gemacht werden kann. Der Report stellt fest, dass die 700 Wissenschaftler die Zahl der an der ‚‚Zusammenfassung für Politiker‘‘ des IPCC beteiligten 52 Wissenschaftler um das mehr als 13-fache übersteigt. Sie führten insbesondere Messungen an, welche die alarmistischen, von Modellen unterstützten Prophezeiungen widerlegen.

• Offener Brief an UN Generalsekretär Ban Ki-Moon, 2012, 125 Naturwissenschaftler widersprechen den von Ki-Moon unterstützten Behauptungen des Klima-Alarms über zunehmende Hurrikane, Dürren, Starkstürme, Überschwemmungen.

• Petition von R. Lindzen an Präsident Donald Trump, 2017, 300 Unterzeichner von Klimaforschern über Biologen, Statistiker, Ökonomen bis hin zu einem ehemaligen Direktor der NASA. In der Petition heißt es „Observations since the United Nations Framework Convention on Climate Change (UNFCCC) was written 25 years ago show that warming from increased atmospheric CO2 will be benign …“

• Petition von 90 italienischen Fachwissenschaftlern gegen Klimaalarm, 2019.

Offener Brief von Prof. Guus Berkhout (CLINTEL) an den UN-Generalsekretär António Guterres mit Bezug zur zurzeit jüngsten Petition von 1500 Unterzeichnern, davon 500 Klimawissenschaftlern, verfasst 2019.

Alle hier aufgeführten Petitionen und Umfragen wurden von den deutschen Mainstream-Medien, von seltenen Ausnahmen abgesehen, nicht zur Kenntnis genommen und im Internet, insbesondere Wikipedia, als unbedeutend oder verlogen diskreditiert.

Prof. Dr. Gisela Müller-Plath, geb. 1963, ist Diplom-Psychologin. Seit 2010 ist sie Universitätsprofessorin für Methodenlehre und Maritime Psychologie am Institut für Psychologie und Arbeitswissenschaft der TU Berlin. Ihre universitäre Lehre konzentriert sich überwiegend auf Statistik. Aktuell forscht und publiziert sie in Klimawissenschaft, Statistik und Mensch-Technik-Interaktion in der Schifffahrt. Frau Müller-Plath ist Mitglied der WerteUnion.

Der Beitrag erschien zuerst bei ACHGUT hier