Hochwasser, eine besondere Gefahr – seit 1.000 Jahren dokumentiert (Teil 3)
Dieser Artikel erschien im Original auf epochtimes.de als vierteilige Artikelserie unter dem Titel „Hochwasser, eine besondere Gefahr“. Zweitveröffentlichung mit freundlicher Genehmigung der Autoren.
Von Klaus H. Richardt und Tim Sumpf
Baden-Württemberg, Bayern, Rheinland-Pfalz und das Saarland sind aktuell betroffen; Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen und Hessen waren es 2021 und Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen, Niedersachsen, Brandenburg und die Stadtstaaten Hamburg und Bremen waren 2002 betroffen. Egal, ob Starkregen oder Schneeschmelze, Menschen in den betroffenen Regionen scheinen Hochwasser hilflos ausgeliefert zu sein. Ist das aber wirklich so? Und richten die Wassermassen wirklich immer häufiger und immer größere Schäden an?
In dieser vierteiligen Artikelserie betrachtet Klaus H. Richardt, Kraftwerksingenieur, Strömungstechniker sowie Wasser- und Stahlwasserbauer im Ruhestand, die jüngsten Hochwasser im Detail und im geschichtlichen Kontext.
Der erste Teil zeigte, wie sich die Gefahr durch steigendes Wasser in den vergangenen Jahren – und Jahrhunderten – entwickelt hat. Der zweite Teil beschäftigte sich detailliert mit den Flutereignissen des Jahres 2021 sowie ihren historischen Rahmenbedingungen und ihrer Einordnung. Dieser dritte Teil betrachtet analog die Hochwasser 2024. Im vierten Teil erfahren Sie, wie Sie sich selbst schützen können, sowie wann und wo das Gesetz Sie dazu sogar verpflichtet.
Mosel, 2021 und 2024: Alles wie immer?
Hochwasser sind an der Mosel keine Überraschung. Ihre Anrainer sind im Regelfall gut darauf vorbereitet und die Historie der Fluten ist relativ gut erforscht. Seit 1817 werden in Cochem die Pegelstände amtlich gemessen und registriert, Kirchenbücher und Archive lassen darüber hinaus auf frühere Daten schließen.
Das höchste bekannte Hochwasser an der Mosel ereignete sich 1784 während der sogenannten Kleinen Eiszeit. Als mögliche Auslöser gelten Vulkanausbrüche auf Island. Im Allgemeinen war jener Winter sehr streng gewesen, mit sehr viel Eis und Schnee. Als ein Warmlufteinbruch im Februar dafür sorgte, dass Schneeschmelze und Starkregen zusammenkamen, kam es zu dieser historischen Flut mit einem Pegelstand von 12,18 Meter. Flutmarken zeigen zudem ein noch höheres Hochwasser aus dem Jahr 1781.
Beim „Jahrhunderthochwasser“ 1993 stieg das Wasser auf 10,34 Meter. Seit 1550 erreichte das Wasser insgesamt siebenmal einen Pegel über zehn Meter. Sowohl 2021 als auch 2024 weisen in den von der Bundesanstalt für Gewässerkunde und vom rheinland-pfälzischen Landesamt für Umwelt geführten Statistiken keine Extremwerte auf.
Rund 20 Kilometer flussaufwärts, in Zell, ist man ebenfalls auf Hochwasser vorbereitet, zumindest bis zu einer gewissen Höhe. Die mobilen Hochwasserschutzwände wurden sowohl am 21.04.21 als auch an Pfingsten 2024 überspült. In Anbetracht bestehender Schutzmaßnahmen und den wiederkehrenden Wassermassen stellt sich weniger die Frage, ob, sondern wann die Stadt weitere Maßnahmen ergreifen wird.
Wupper, 2021 und 2024: Aus den Erfahrungen gelernt
Die Wupper ist ein Mittelgebirgsfluss im Bergischen Land mit einer Länge von 115 km, einem Höhenunterschied von 407 Meter und einem mittleren Abfluss von 17 Kubikmeter pro Sekunde (m³/s). Durch ihre Lage im Gebirge mit vielen kleineren Zuflüssen kann es bei stehenden Wetterlagen und Starkregen sehr schnell zu Überschwemmungen kommen.
Schon 1852 und 1890 berichtete das Solinger Kreis-Intelligenzblatt von erheblichem Winterhochwasser an der Wupper, was die Wuppertaler Stadtteile Barmen und Elberfeld überflutete und sehr stark in Mitleidenschaft zog. Allerdings war damals das Tal der Wupper noch nicht so eng bebaut, weshalb sich das Hochwasser besser verteilen konnte. Heute sollen 16 Talsperren den Abfluss verzögern. Durch intelligente Talsperrenbewirtschaftung könnten Hochwasserereignisse im Winter bei Starkregen derart begrenzt werden, dass der Wupper in Wuppertal maximal 80 m³/s zugeführt wurden.
Dabei erreicht das Wasser die Stützen der Schwebebahn. Eine Gefahr der Überflutung einzelner bebauter Grundstücke oder Infrastruktureinrichtungen bestehe bei einem solchen Hochwasser in der Regel nicht, teilte eine Sprecherin des Wupperverbandes gegenüber Epoch Times mit. Mit anderen Worten, jene Wassermenge kann das Flussbett noch verkraften. – Zuflüsse unterhalb der Sperren bleiben davon unberührt.
Als sich im Juli 2021 Tief „Bernd“ ankündigte, war die Wuppertalsperre nach zwei relativ trockenen Jahren bereits gut gefüllt. Anders als im Winter konnte man die Talsperren damit nicht einfach volllaufen lassen. Entsprechend den Niederschlagsvoraussagen habe man bis zum 12.07.2021 an der Wuppertalsperre 15 m³/s abgelassen. Am Folgetag erhöhte man dies auf 35 m/s³ und am 14.07.2021 tagsüber weiter auf 55 m³/s. Am späten Abend nahm der Zufluss weiter zu, sodass man in der Spitze 189,6 m³/s ablassen musste, bei einem maximalen Zufluss von 245,86 m³/s.
Im Mai 2024 war man vorgewarnt. Es zeigte sich aber ein neues Phänomen. Bei Starkregen (50 Liter/m²) ist die Kanalisation nicht leistungsfähig genug, das Wasser abzuführen, weshalb Wasser in die Keller drang und später abgepumpt werden musste.
Saar und andere, 21.05.2024: Mehr Wasser als die Kanalisation verkraftet
Auch an der Saar haben die Behörden aus den Vorjahren gelernt. Da war das schlimme Saarhochwasser 1993, wie auch die Starkregenereignisse 2006, 2016 und 2018, die große Schäden anrichteten, worauf das Land die Hochwasservorsorge ausbaute, Rückhaltebecken anlegte, Bachläufe renaturierte und Hochwassergefahrenkarten für die Kommunen anfertigte. Zudem habe man Erkenntnisse aus der Ahrflut 2021 genutzt.
Das diesjährige Hochwasser entsprach laut Landesamt für Umwelt einem Ereignis, das alle 20 bis 50 Jahre stattfinde. Auf Regenmengen um die 100 Liter/m² in weniger als 24 Stunden sei die Infrastruktur jedoch nicht ausgerichtet. Schäden waren deshalb – auch 2024 – unvermeidlich. Die Schadenssumme belief sich auf mehrere Millionen Euro, besonders im privaten Bereich. Ähnliche Regenmengen und Schäden gab es 1993, 2006, 2016 und 2018.
Dasselbe Schadensbild zeigte sich vielfach vor allem an kleineren Wasserläufen in ganz Süddeutschland. Aufgrund der stehenden Wetterlage und den kreisenden Niederschlagsgebieten waren die Gewässer auf der Schwäbischen Alb, die der Donau, dem Neckar und dem Bodensee zuströmen, stark angeschwollen. Ihre Flussbetten und Ortsdurchquerungen waren und sind oft für solche Wassermassen nicht ausgelegt.
Dies war auch in Kastl in der Oberpfalz der Fall. Die Stadt erlebte zu Pfingsten ein Starkregenereignis mit bis zu 84 l/m², sodass die Kanäle das Wasser nicht mehr abführen konnten und überliefen. Der unter dem Marktplatz verlaufenden Abwasserkanals weist einen Querschnitt von etwa 40 mal 80 cm auf. Statt unter dem Marktplatz lief das Wasser darüber, riss mehrere Fahrzeuge mit sich, die das Wasser weiter anstauten.
Süddeutschland, 1.-4. Juni 2024: Erfolgreicher Hochwasserschutz, sofern vorhanden
Erst konzentrierte sich alles auf die Zuflüsse, danach führten die Flüsse Donau, Neckar und Rhein in ihren Oberläufen stark erhöhte Wasserstände. Wo in der Vergangenheit schon einmal größere Schäden aufgetreten waren, war man vorbereitet. Die Schäden blieben gering. An anderer Stelle fehlten Rückhaltebecken oder genügend hohe Dämme, wie mehrere Beispiele zeigen. (Die Aufzählung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit)
• Fils (Salach, Ebersbach, BW), 01.06.24: Trotz Jahrhunderthochwasser nur geringe Schäden
In Salach stieg der Pegel der Fils durch Starkregen innerhalb von 24 Stunden von 1,38 auf 4,6 m an. Dies entsprach knapp einem hundertjährigen Hochwasser (4,82 m). Fluss, Wehr und Auslauf waren dafür ausgelegt.
An den meisten Stellen trat das Wasser nicht über die Ufer. Eine Ausnahme bildete der Sulpach, ein Zufluss in Ebersbach an der Fils. Im Bereich einer Verrohrung überflutete dieser mehrere Straßenzüge und staute sich hinter einer Lärmschutzwand der Bundesstraße 10. Diese war für solche Lasten nicht ausgelegt und versagte. Die Fils selbst befindet sich jenseits der Straße. Für Ortskundige: Der Kameramann befindet sich auf dem Gentenriedweg, Blick Richtung Ortsteil Sulpach. Die Fils fließt hinter seinem Rücken.
• Kocher (Schwäbisch Hall, BW), 02.06.2024: Hochwasser, na und?
Hochwasser sind an der Kocher seit dem Mittelalter bekannt und die Stadt ist für solche Wassermengen ausgelegt. Auch 2024 gehörte sie zu den eher wenig überschwemmten Gebieten.
• Neckar (Heidelberg, BW), 03.06.2024: Geografisch geschützt
Die Wehranlage in Heidelberg wurde während des Hochwassers maximal geöffnet. Die höher gelegene Stadt ist weitgehend ungefährdet. Ausnahmen bilden kleinere Überflutungsflächen im direkten Uferbereich, die seit Jahren bekannt sind.
• Tannbach (Miedelsbach bei Schorndorf, BW), 04.06.2024: Überraschende Wassermassen
Hier stieg die Flut des normalerweise knietiefen Flüsschens Tannbach so schnell an, dass eine 1,5 m hohe Flutwalze durch den Ort floss und die Menschen überraschte. Allerdings sind die Überflutungsflächen bekannt, wie die Hochwassergefahrenkarte zeigt.
• Paar (Landkreis Pfaffenhofen, BY), 01.06.2024: Dammbruch flutet Ortschaften
Die Paar im Landkreis Pfaffenhofen trat über die Ufer. Ein Dammbruch flutete den Ort Baar-Ebenhausen und Manching. Die Schäden sind enorm.
• Zusam (Dinkelscherben, BY), 03.06.2024: Hochwasserschutz in der Schublade versenkt
Das Risiko von Überflutungen in Dinkelscherben ist im Einzelnen bekannt, ebenso die Überflutungsflächen. Laut Aussagen des Bürgermeisters seien zudem die Planungen für einen Hochwasserdamm zwei Kilometer vor dem Ort seit elf Jahren abgeschlossen und die Baugenehmigung erteilt. Weil der Erwerb der Grundstücke ins Stocken geraten ist, konnte der Bauträger jedoch bislang den Auftrag nicht erteilen. Mittlerweile haben sich die Baukosten von 3,5 auf 6,9 Millionen Euro quasi verdoppelt. Hinzu kommen jetzt enorme Flutschäden im Ort. Wer die Kosten dafür trägt, ist offen.
• Regen (Regensburg, BY), 01.-04.06.2024: Mobile Schutzwände erfolgreich
Regensburg ist fluterprobt. Mit mobilen Schutzwänden trotzt man der Flut; die Schäden sind gering.
• Donau, Inn, Ilz (Passau, BY) 04.06.2024: 1.000 Jahre Hochwassererfahrung
Passau liegt an den Zusammenflüssen von Donau, Inn und Ilz. Der Normalpegel liegt bei knapp fünf Meter. Durch Regen in den Einzugsgebieten wurde am Hauptpegel der Stadt, welcher flussaufwärts der Mündungen von Inn in Ilz liegt, am 04.06.2024 eine Hochwassermarke von zehn Metern erreicht.
Dies überschreitet die höchste Meldestufe (IV) von 8,5 Metern deutlich, ist verglichen mit früheren Zeiten jedoch relativ niedrig. Wegen der langen Historie der schon in Kirchenbüchern erfassten Hochwasser war die Stadt gerüstet. Die Schäden waren eher gering.
Österreich, 08.06.2024: „Übles“ Hochwasser
Am 08. und 09.06.2024 gab es im Großraum Graz ebenfalls eine stehende Wetterlage, die insbesondere im Tal des 27,4 Kilometer langen Übelbaches Schäden anrichtete. In ihrem Einsatzbericht schrieb die Freiwillige Feuerwehr Friesach-Wörth: „Wir wurden am Samstag, den 08.06.2024 um 18:20 Uhr gemeinsam mit den Feuerwehren Übelbach und Deutschfeistritz zu einem Murenabgang auf die A9 alarmiert, mehrere Muren gingen nach enormen Regenfällen zwischen Übelbach und dem Schartnerkogeltunnel über die Autobahn.“
Dass dies „erst der Beginn des schlimmsten Unwetterereignisses der letzten Jahre“ war, sei den Kollegen zu diesem Zeitpunkt noch nicht bewusst gewesen. Hinzukamen später Einsätze wegen Überschwemmungen, Hangrutschen und umgestürzten Bäumen. Zudem wurden Straßen weggerissen und Häuser vermurt. „Die Region Übelbachtal wurde zum Katastrophengebiet erklärt.“
Der Name des Baches mit einem Höhenunterschied von der Quelle bis zur Mündung in die Mur von 1.368 Metern lässt vermuten, dass dies nicht das erste Mal war. Obwohl materielle Schäden auftraten, hielten die Fundamente der Häuser den Belastungen stand.
Schweiz, 21.06.2024: Touristenort durch Hochwasser abgeschnitten
Im Bergdorf Zermatt machten die relativ kleinen Flüsse Vispa und Triftbach Probleme, die auch hier bei stehender Wetterlage und nach langer Trockenheit extrem viel Wasser führten. Wie lokale Meiden berichten, ließen sich die Probleme mit einem – geplanten – Stausee, genannt ‚Gornerli‘, unterhalb des schwindenden Gornergletschers regeln. Dieser könne für stetige Wasserabgabe sowie Stromerzeugung für rund 45.000 Haushalte sorgen.
In der Touristenregion kam es zu Sachschäden. Durch Murenabgänge andernorts im Wallis kamen auch Personen zu Schaden, weil Gerölllawinen ihre Häuser zerstörten. Zeitweise war Zermatt von der Außenwelt abgeschnitten. Inzwischen wurde der vorsorglich eingestellte Bahnverkehr wieder aufgenommen. Mehrere Straßen müssen erst grundlegend repariert werden.
Lesen Sie im vierten und letzten Teil dieser Serie, was Sie selbst tun können, um sich vor Hochwasser zu schützen. Welche Maßnahmen können Sie gegebenenfalls mit einfachen Mittel und wenig Aufwand umsetzen? Welche sollten Sie in letzter Minute ergreifen? Und zu welchen Maßnahmen Sie der Gesetzgeber im Wasserhaushaltsgesetz in die Pflicht nimmt.