Hochwasser, eine besondere Gefahr in Warmzeiten – damals und heute (Teil 1)

2024 in Süddeutschland, 2021 im Ahrtal, 2002 in Sachsen und Thüringen – Hochwasser haben verheerende Folgen. Wie gingen und gehen Behörden mit der Gefahr um? Was können Betroffene tun und wie können Sie sich vorbereiten? Die Diplomingenieure Klaus H. Richardt und Tim Sumpf blicken auf die historischen und aktuellen Gefahren durch steigendes Wasser – und wie Sie sich schützen können und müssen.

Von Klaus H. Richardt, Tim Sumpf

Dieser Artikel erschien im Original auf epochtimes.de als vierteilige Artikelserie unter dem Titel „Hochwasser, eine besondere Gefahr“. Zweitveröffentlichung mit freundlicher Genehmigung der Autoren.

Baden-Württemberg, Bayern, Rheinland-Pfalz und das Saarland sind im Jahr 2024 betroffen gewesen; Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen und Hessen waren es 2021 und Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen, Niedersachsen, Brandenburg und die Stadtstaaten Hamburg und Bremen waren 2002 betroffen. Egal ob Starkregen oder Schneeschmelze, Menschen in den betroffenen Regionen scheinen Hochwasser hilflos ausgeliefert, aber ist das wirklich so? Und richten die Wassermassen wirklich immer häufiger und immer größere Schäden an?

In dieser vierteiligen Artikelserie betrachtet Klaus H. Richardt, Kraftwerksingenieur, Strömungstechniker sowie Wasser- und Stahlwasserbauer im Ruhestand, die jüngsten Hochwasser im Detail und im geschichtlichen Kontext.

Lesen Sie im Folgenden, wie sich die Gefahr durch steigendes Wasser in den letzten Jahren – und Jahrhunderten – entwickelt hat. Der zweite und dritte Teil beschäftigen sich im Einzelnen mit den Ereignissen 2021 und 2024 sowie ihren historischen Rahmenbedingungen und der Einordnung der aktuellen Fluten. Im vierten Teil erfahren Sie, wie Sie sich selbst schützen können, sowie wann und wo das Gesetz Sie dazu sogar verpflichtet.

der Anfang 2024 fertiggestellte und im Juni bewährte Hochwasserdamm im Wolfental bei Biberach.
Foto: gemeinfrei, Drohnenstaffel DRK Biberach; mit freundlicher Genehmigung, Collage: ts/Epoch Times

Hochwasser, eine steigende Gefahr?

Ja, die Hochwasserereignisse der Neuzeit haben etwas mit dem permanenten Klimawandel zu tun. Mit einer neuen Warmzeit, wie seinerzeit der Mittelalterlichen Warmperiode, in der Hochwasserereignisse auftraten, die bis heute nicht erreicht wurden.

In diesem Zusammenhang veröffentlichte Prof. Joachim Sartor von der Hochschule Trier einen Fachbeitrag zu Hochwassern an der Mosel. Darin listet er die Pegelstände seit 1550 auf, erwähnt aber auch die Magdalenenflut vom Juli 1342. Zwei Grafiken zeigen zudem die Temperaturänderungen und die durchschnittliche Bodenerosion. Letzteres lässt auf Niederschläge schließen und zeigt eine auffällige Korrelation zu den Temperaturen.

Entwicklung der globalen Mitteltemperatur während der letzten rund 1.000 Jahre mit „Mittelalterlicher Warmperiode“ und „Kleiner Eiszeit“ sowie Bodenerosion seit dem Frühmittelalter in Deutschland (ohne Alpenraum).
Foto: ts/Epoch Times nach IPCC, Dotterweich; Bork: Jahrtausendflut 1342. AiD 4/07 in Sartor (2020); doi.org/10.3243/kwe2020.11.001

 

Die Stadt Würzburg schreibt von einem „zwei Tage anhaltenden außerordentlichen Wolkenbruch“, der zu Mitteleuropas größtem bekannten Hochwasser am Magdalenentag, 21. Juli 1342 führte. Weiter heißt es:

„Damals stand das Wasser des Mains in Würzburg bis nahe an den Dom. Aus der Rheinregion wird berichtet, dass im Mainzer Dom ‚das Wasser einem Mann bis zum Gürtel stand‘ und man in Köln mit Booten über die Stadtmauer fahren konnte.“

Ähnliches ist in den Chroniken von Regensburg und Passau bezüglich der Donau vermerkt sowie an Elbe, Mosel, Unstrut, Werra und Weser, außerdem aus Tschechien, Österreich und Italien. Die Forschungen zur Magdalenenflut sind sich einig: Das in ganz Europa spürbare Hochwasser mit über 60.000 Toten war einer stehenden Wetterlage im Juli 1342 mit hohen Temperaturen und hoher Luftfeuchtigkeit geschuldet, wie sie gehäuft in naturbedingten Warmzeiten auftreten.

Das gleiche Phänomen mit ähnlichen, aber zum Glück weniger tödlichen Folgen traf Deutschland im Juli 2021 in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz (Ahrtal-Hochwasser), sowie dieses Jahr in oben genannten Bundesländern.

„Hundertjährige Hochwasser“ auch schon früher

Im Mittelalter hatten die Menschen die Lektion verstanden: Sie bauten ihre Häuser nicht mehr so nah an die Flüsse, nach Möglichkeit etwas erhöht, um weiteren Flutereignissen vorzubeugen. Heute dagegen baut man wegen der schönen Aussicht ebenerdig, am besten in Bereichen, die früher Sumpf- und Überflutungsgebieten vorbehalten waren. Vielleicht ist das auch der Annahme geschuldet, dass wenn einmal CO₂-Neutralität erreicht ist, es keine Unwetter mehr gäbe.

Das ist ein Trugschluss; selbst wenn „Netto Null“ diesen Effekt hätte und paradiesische Zustände erreicht würden, muss man die Menschen bis dahin weiter gegen die Unbill der Natur schützen.

Es gibt jedoch auch eine gute Nachricht: Die Intensität von Starkregenereignissen und damit einhergehenden Hochwassern hat sich in jüngerer Zeit eher verringert, denn erhöht. Das zeigt sich unter anderem in Abflussmengen und Pegelständen historischer Hochwasser des Mains in Würzburg.

 

Abflussmengen des Mains während vergangener Hochwasser und digitalisierte Flutmarken am Pegel Würzburg. Im Hintergrund eine künstlerische Darstellung des Mainhochwassers von 1784. Zum Vergrößern klicken.
Foto: ts/Epoch Times, mit Material von Rainer Lippert (Diagramm und Flutmarken, gemeinfrei), unbekannt (Hochwasser 1784, gemeinfrei), Lencer (Karte, CC BY-SA 2.5)

Sinkende Schäden, steigende Preise

Und es gibt eine zweite erfreuliche Entwicklung: Zwar zeigen Daten der US-amerikanischen Nationalen Behörde für Ozeane und Atmosphäre (NOAA), dass die absoluten Kosten für Unwetter- und Hochwasserereignisse steigen. Der Vergleich mit dem ebenfalls steigenden Bruttoinlandsprodukt zeigt aber, dass die Schäden in Bezug zur jeweiligen Wirtschaftsleistung tatsächlich sinken.

Die vermeintlichen Mehrkosten sind somit vor allem „auf eine Kombination aus erhöhter Exposition (mehr gefährdete Vermögenswerte) und Anfälligkeit (wie viel Schaden eine Gefahr von bestimmter Intensität – z. B. Windgeschwindigkeit oder Überschwemmungstiefe – an einem Ort verursacht) zurückzuführen“ [Anm. d. Aut.: Erklärungen im Original], so die NOAA.

Mit anderen Worten, die zahlenmäßige Steigerung der Schadenssumme ist unter anderem auf die Inflation zurückzuführen. Ein einfaches Beispiel verdeutlicht dies: Verlor eine Familie um 1950 ihr Auto in den Fluten, kostete sie die Neuanschaffung eines Pick-ups, dem „meistverkauften Auto der USA“, damals unter 1.500 Dollar. Knapp 75 Jahre später schlägt die Basisversion des Nachfolgers mit rund 20.000 US-Dollar zu Buche.

Rückblick und Ausblick

Hochwasser prägten die jüngere und jüngste Geschichte jedoch nicht nur negativ. Ein positives Beispiel ist die Sturmflut 1962 in Hamburg.

Helmut Schmidt und seine Mitarbeiter hatten im Krieg gelernt, blitzartig auf überraschende Situationen zu reagieren und nicht zu hoffen, es werde schon irgendwie gut gehen. Sie hatten das Land nach dem Krieg wieder aufgebaut und wollten das Erreichte nicht aus der Hand geben.

Ein wesentlicher Unterschied bestand damals in einer parteiübergreifenden Zusammenarbeit in Krisensituationen. Heute entsteht stattdessen vielfach der Eindruck, jeder versuche, aus den Fehlern des anderen parteipolitisches Kapital zu schlagen. Verantwortungsbewusstsein war damals noch kein Fremdwort, Verantwortung wurde vorgelebt. Heute scheint dies anders, wie die Hochwasserereignisse 2021 und 2024 zeigen.

Historische Flutmarken (v.l.n.r.) in Limburg an der Lahn (Pegel am Domfelsen), in Hannoversch Münden (Werra, am Packhof), in Frankfurt am Main (Eiserner Steg) und in Kaub (Rhein, historischer Pegel). Zum Vergrößern klicken.
Foto: ts/Epoch Times, mit Material von Oliver Abels (Limburg, CC BY-SA 3.0), Axel Hindemith (Münden, gemeinfrei), Melkom (Frankfurt, CC BY-SA 3.0), LoKiLeCh (Kaub, CC BY 3.0)

Lesen Sie im nächsten Teil, wie es 2021 zu einer Katastrophe kommen konnte. Was war im Ahrtal und anderswo passiert? Welche Probleme hat es gegeben?