Der „Club of Rome“ hat in einem halben Jahrhundert nichts dazugelernt

Das Elend des Malthusianismus

Von Edgar L. Gärtner

Die Vereinten Nationen (UN) haben für den 22. Und 23. September 2024 den UN-Zukunftsgipfel (Summit of the Future) angesetzt, auf dem fundamentale Änderungen der UN-Charta im Sinne einer „Global Governance“ zur Diskussion stehen. Allerdings ist dieser Gipfel bislang kaum Thema in den Massenmedien. Der Grund dafür liegt vermutlich in der Tagesordnung des Gipfels: Es geht um nicht weniger als um die (klima)politische Gleichschaltung der Politik und eine weitere Einschränkung der Souveränität der Nationalstaaten durch den Aufbau globaler technokratischer Management- Strukturen. Die Beseitigung der nationalstaatlichen Grundlage der Demokratie soll dann irgendwie demokratisch bemäntelt werden.

Um den UN-Gipfel vorzubereiten, hat der einschlägig bekannte „Club of Rome“ Ende Juli zusammen mit dem bislang kaum bekannten „Council fort he Human Future“ einen Runden Tisch veranstaltet, an dem Vertreter von 24 weiteren globalistisch ausgerichteten Organisationen wie zum Beispiel das „Global Goverance Forum“, die militante Organisation „Extinction Rebellion“ und das „Post Carbon Institute“ teilnahmen. Anfang August veröffentlichte der „Club of Rome“ zusammen mit dem „Council for the Human Future“ einen Bericht über den Runden Tisch. Dieser geht aus von der vagen Definition einer „Polykrise“ der Menschheit: „Die Menschheit ist mit zahlreichen globalen Katastrophenrisiken konfrontiert, die nun zusammenkommen. Diese stellen eine wachsende Sicherheitsbedrohung für alle Nationen und für jeden Menschen dar. (…) Diese „Polykrise“ ist ein zusammenhängendes Netz von Herausforderungen wie Klimawandel, Verlust der biologischen Vielfalt, globale Vergiftung, Ernährungsunsicherheit, Erschöpfung der Ressourcen, Rückzug aus der Demokratie, Verbreitung von Kernwaffen, Ausbreitung von Kriegen, unkontrollierter Einsatz von KI, Fehlinformationen, wirtschaftliche, soziale und geschlechtsspezifische Ungleichheit, zunehmende Ungerechtigkeit, Versagen der Gesundheitssysteme und geopolitische Instabilität. Dies bedeutet mehr Unsicherheit für alle.“

Es fällt auf, dass die Aufzählung der 17 angeblich globalen Krisen keiner Rangordnung unterliegt. Darauf kommt es den Verfassern offensichtlich auch gar nicht an. Denn es geht ihnen vor allem um die Rechtfertigung ihres scheinlogischen Dogmas „Global risks call for global solutions.“ Sie möchten die UN über die entsprechende Neufassung ihrer Charta in eine Weltregierung zu verwandeln, die zwingende Gesetze erlassen kann. Wichtiger als die allgemein gehaltenen Erklärungen des „Club of Rome“ erscheinen mir die im Protokoll dokumentierten Ausführungen einzelner Teilnehmer des Runden Tisches. Diese Beiträge zeichnen sich zum Teil angesichts der verworrenen Weltlage durch auffällige Naivität aus. Was die globale Finanzindustrie wie BlackRock nicht daran hindert, sie als Vorlage für Investitionsentscheidungen in Milliarden-, wenn nicht in Billionenhöhe zu verwenden. Das gilt zum Beispiel für den Beitrag des emeritierten Ökonomie-Professors Augusto Lopez-Claros, der den bislang obskuren Think Tank „Global Government Forum“ leitet. Lopez-Claros war zuvor als Chefökonom des World Economic Forum (WEF) bekannt geworden. Davor hat er, weniger sichtbar, in Spitzenpositionen bei der Weltbank und beim Internationalen Währungsfonds IMF gearbeitet.

Wörtlich fordert Lopez-Claros u.a.: „2. To create an Earth System Council, giving the UN system the capacity to pass binding legislation to protect our planetary environmental system and the common goods it provides, with necessary enforcement mechanisms.“ Dieser Erdsystem-Rat soll den formalen Anforderungen der Demokratie genügen, indem die UN-Vollversammlung durch ein Parlament ergänzt wird. Der Entwurf einer neuen UN-Charta soll im September in New York vorgestellt werden. Danach sollen die UN in Zukunft sich ähnlich wie die EU finanzieren. Gleichzeitig soll aber die Möglichkeit eines Veto im UN-Sicherheitsrat abgeschafft werden.

Der bekannte britische Umwelt-Aktivist Roger Hallam, Mitbegründer der terroristischen Blokade-Bewegungen „Extinction Rebellion“ und „Just Stop Oil“, der bei deutschen Massenmedien wegen der Relativierung des Holocaust in Ungnade gefallen ist und in diesem Jahr wegen der Blockade der britischen Autobahn M25 zusammen mit Genossen zu fünf Jahren Haft verurteilt wurde, erklärte in dem Round Table des „Club of Rome“ Reformen seien für ihn keine Option. Nur eine globale Revolution könne die Menschheit vor sich selbst retten. Friedliche Formen des Protests sollen den Staat zwingen, gewalttätig zu werden. Sein Ziel sei „a radical democratic takeover of the state“.

Das stellt sich Hallam so vor: „… a growing alliance of the willing needs to shut down ‚the economy‘ – that is, the death machine that is taking us to extinction – blocking roads and transport infrastructure, city centres and financial districts, week after week until arrests lead to violence by the state and imprisonment. Absolute nonviolent discipline will need to be maintained so that an internal open democratic culture can flourish, and we can appeal to the general population to join with us. The revolution will be led by women and the young and old, not by aggressive men, or it will turn into civil war and fascism.“

Als der „Club of Rome“ im Jahre 1972 durch die Computersimulations-Studie mit dem Titel „Die Grenzen des Wachstums“ von sich reden machte, galt er als durchaus seriöser Verein von Honoratioren. Dessen Vorsitzender, der italienische Industrielle Aurelio Peccei, bemühte sich persönlich um den Autor dieser Zeilen, indem er ihn zu einer Reihe von Ost-West-Symposien einlud. Doch spätestens mit der Veröffentlichung der Studie „The First Global Revolution“ im Jahre 1991 offenbarte der „Club“ die linksextremistische Agenda, die heute Roger Hallam vertritt. Die von Hallam mitbegründeten Bewegungen wurden, wie die britische Tageszeitung „The Telegraph“ herausfand, unter anderen vom Wahlkampfbudget Hillary Clintons und vom kalifornischen „Climate Emergency Fund (CEF)“ gesponsert, hinter dem Milliardäre stehen.

Etwas seriöser, wenn auch nicht ungefährlicher wirkt Julian Cribb, Mitgründer des „Council for the Human Future“, in seinem Beitrag, in dem er auf den von ihm vorgelegten Entwurf eines Erdsystem-Vertrags verweist. Er fordert darin nicht weniger als die Einrichtung einer globalen Wahrheits-Kommission, die Lügner der öffentlichen Scham ausliefert, eine an natürlichen Grenzen orientierte Weltsystem-Währung, eine weltweite Kreislaufwirtschaft und schließlich einen Plan zur (freiwilligen) Reduktion der Weltbevölkerung um nicht weniger als drei Viertel. Andernfalls werde die menschliche Zivilisation um die Mitte des 21. Jahrhunderts zusammenbrechen.

Gerade die erneute Warnung vor einer globalen Überbevölkerung und nachfolgender Hungersnot wirkt heute äußerst realitätsfern, ja geradezu weltfremd. Der englische Landgeistliche und Ökonom Thomas Robert Malthus (1766 – 1834) hat im Jahre 1798 in seinem „Essay on the Principle of Population“ folgende bis heute als Denkfigur immer wiederholte Argumentation entwickelt: „Taking the population of the world at any number, a thousand millions, for instance, the human species would increase in the ratio of — 1, 2, 4, 8, 16, 32, 64, 128, 256, 512, etc. and subsistence as — 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10, etc. In two centuries and a quarter, the population would be to the means of subsistence as 512 to 10: in three centuries as 4096 to 13, and in two thousand years the difference would be almost incalculable, though the produce in that time would have increased to an immense extent.“ Doch die vorausgesagte weltweite Explosion von Armut und Elend wegen mangelnder Zurückhaltung der Menschen bei der Nachkommensproduktion ist niemals eingetreten. Im Gegenteil: Inzwischen leben auf der Erde über 8 Milliarden Menschen. Gleichzeitig ist der Zahl der Armen weltweit deutlich gesunken, obwohl die Armut, oft Folge kriegerischer Auseinandersetzungen, noch nicht gänzlich verschwunden ist. Heute leidet etwa einer von zehn Menschen an Armut und Unterernährung, während es in den sechziger Jahren noch einer von vier waren. Zum andern warnen Ökonomen und Demografie-Experten inzwischen eher vor dem gegenteiligen Problem: einer zu starken Schrumpfung der Bevölkerung. Das schafft vor allem Probleme wie die Versorgung einer steigenden Zahl von Rentnern durch die sinkende Zahl von jungen Steuerzahlern.

Axel Bojanowski, Chefreporter Wissenschaft der Tageszeitung „Die WELT“, zitiert den US-Ökonomen Jesús Fernández-Villaverde von der University of Pennsylvania in Philadelphia, der eine durchschnittliche globale Geburtenrate von 2,18 Kindern je Frau ermittelt haben will. Diese Vermehrungsrate läge schon jetzt unter dem realistischen Erhaltungssatz von 2,21 Kindern je Frau. Die Weltbevölkerung habe also bereits zu schrumpfen begonnen. Auch wenn andere Bevölkerungs-Experten dem nicht in allen Punkten folgen, sollte klar sein, dass die vom US-Schmetterlingsforscher Paul Ehrlich im Jahre 1968 mit massiver Hilfe westlicher Massenmedien und Regierungen verbreitete Angst vor einer unkontrollierbaren „Bevölkerungsbombe“ unbegründet ist.

Die Abwärtsspirale der Bevölkerung setzt schneller ein als viele denken. Das zeigt, so Axel Bojanowski, das Beispiel Deutschland: „Bei der aktuellen Geburtenrate hierzulande von knapp 1,3 bekommen 1000 Frauen und 1000 Männer 1300 Kinder, also 650 Jungs und 650 Mädchen (leicht vereinfacht, tatsächlich werden ein wenig mehr Mädchen geboren als Jungs). Blei gleichbleibender Geburtenrate würden sie 845 Nachkommen zeugen – was die dritte Generation nicht mal mehr halb so groß machte wie die aktuelle. Ginge es mit gleicher Rate weiter, schrumpfte die Bevölkerung in der fünften Generation auf ein Viertel, in der siebten auf ein Achtel, es blieben noch rund zehn Millionen Deutsche.“

Gerade die Volksrepublik China, deren Milliarden-Bevölkerung Jahrzehnte lang im Westen der Angstmache diente, wird schon bald mit den negativen Konsequenzen einer stark schrumpfenden Bevölkerung konfrontiert werden. Ich habe selbst auf einer EIKE-Tagung im Jahre 2012 in Berlin darauf hingewiesen, dass Ehrlichs „Bevölkerungsbombe“ und die Studie „Die Grenzen des Wachstums“ als direkte Begründung der diktatorischen Ein-Kind-Politik dienten und anschließend in einem von der „Neuen Zürcher Zeitung“ veröffentlichten Gastkommentar nicht nur darauf hingewiesen, dass der Malthusianismus erst die Armut schafft, die zu bekämpfen er vorgibt, sondern mittelfristig auch zum Scheitern des damals noch gelobten chinesischen „Wirtschaftswunders“ führen muss.

Eine der in den engen Kreisen der Demografie umlaufenden Erzählungen geht davon aus, dass der einflussreiche, für das Militär arbeitende chinesische Top-Wissenschaftler Song Jian während eines Aufenthaltes in den Niederlanden mit den Ideen Paul Ehrlichs in Kontakt kam. Nach China zurückgekehrt, machte er sich mit führenden Leuten der KPCh daran, die malthusianistischen Bevölkerungsprognosen auf der Grundlage einer ungebremsten Exponentialfunktion auf China anzuwenden. Die 1980 dem Politbüro der KPCh vorgelegten Berechnungen ergaben, dass China zu Beginn des 22. Jahrhunderts über vier Milliarden Einwohner zählen würde. Schon im Jahr davor deutete Deng Xiaoping, der damalige Generalsekretär der KPCh an, unter Hinweis auf die in China unter dem Namen eines chinesischen Wissenschaftlers erschienenen „Grenzen des Wachstums“ den Übergang zur Ein-Kind-Politik angedeutet. Offiziell beschlossen wurde die Ein-Kind-Politik im März 1980 von der Zentralregierung in Chengdou. 1982 wurde die Beschränkung auf ein Kind je Familie sogar in der Verfassung verankert. Aber schon im Jahre 1984 wurden erste Ausnahmen zugelassen – wenn zum Beispiel zuerst ein Mädchen auf die Welt kam. Andere Ausnahmen betrafen bestimmte Ethnien oder stark agrarisch geprägte Regionen.

Trotz unvorstellbarer diktatorischer Maßnahmen wie Zwangssterilisierungen und Zwangsabtreibungen oder das Verhungernlassen bereits geborener Mädchen hat die Ein-Kind-Politik nie durchgängig funktioniert. Immerhin verursachte sie aber einen unübersehbaren Knick in der demografischen Kurve. Nach dem Jahr 2000 wurden die Parteiführer dann nach und nach gewahr, dass die Schrumpfung der Geburtenrate das aufstrebende Land vor ernste ökonomische Probleme stellen würde. Im Jahre 2015 autorisierte die Regierung zwei Kinder je Familie, aber 2021 waren drei Kinder erlaubt und wenig später gab es überhaupt keine Restriktionen mehr.

Diese Wende kommt allerdings zu spät. Forscher der Akademie für Gesellschaftswissenschaften von Shanghai und der Universität von Victoria haben berechnet, dass die chinesische Bevölkerungszahl bis zum Ende des Jahrhunderts von 1,4 Milliarden auf 525 Millionen sinken wird. Das könnte bedeuten, dass die KPCh ihre Pläne in Sachen Aufbau einer neuen multipolaren Weltordnung unter chinesischer Führung substanziell korrigieren muss.