Ein Energietechnik-Professor warnt vor Stromlücken in Deutschland
Kann eine Energieversorgung, die sich fast ausschliesslich auf Windräder und Solaranlagen abstützt, funktionieren? Markus Löffler, Professor an der Westfälischen Hochschule, hat nachgerechnet. Sein Fazit: Das wird nicht gut gehen.
Von Peter Panther
Schon vor fünf Jahren hat das amerikanische «Wall Street Journal» mit Blick auf Deutschland von der «dümmsten Energiepolitik der Welt» gesprochen. An diese Schlagzeile fühlt man sich erinnert, wenn man die neue Studie von Markus Löffler liest, der Professor für Energietechnik an der Westfälischen Hochschule ist.
Löffler hat zwei Eigenschaften, die ihn offenbar besonders auszeichnen: Er kann rechnen. Und er traut sich, die Wahrheit zu sagen. Diese Wahrheit ist unbequem: In Deutschland gehen bald die Lichter aus, wenn das Land in Sachen Energie wie bisher fortfährt.
Konkret sagt Markus Löffler: «Wenn wir den eingeschlagenen Kurs mit den vorhandenen Lücken bei den Kraftwerkskapazitäten fortsetzen, werden wir schon in wenigen Jahren immer wieder im Dunkeln sitzen.» So lässt er sich in der Pressemitteilung zu seiner Studie zitieren. In dieser Studie hat er nachgerechnet, ob Deutschland in der Lage ist, sogenannte Dunkelflauten zu überbrücken, wenn sich das Land punkto Energieversorgung bald einmal fast ganz auf Solar- und Windstrom abstützt.
Dunkelflauten sind Phasen, in denen weder die Sonne scheint noch der Wind weht – und entsprechend praktisch kein erneuerbarer Strom entsteht. Solche Dunkelflauten können gemäss den Berechnungen von Markus Löffler bis zu elf Tagen dauern. Während dieser Zeit muss Ersatzstrom bereitgestellt werden.
Energiespeicher reichen höchstens für 18 Stunden
Doch woher soll dieser kommen? Löffler rechnet vor, dass Energiespeicher das Problem höchstens kurzfristig lösen können: Konkret stehen Batterien und Pumpspeicherwerke für gerade mal sechs Stunden zur Verfügung. Begrenzt man die Leistung dieser Speicher und streckt so ihre Energieabgabe, liegen allenfalls 18 Stunden drin. Das ist immer noch weniger als ein Tag.
Dauern die Dunkelflauten länger, müssen steuerbare Ersatzkraftwerke einspringen. Es braucht also Atom-, Gas-, Kohle- oder Wasserstoff-Kraftwerke, die im Notfall zur Verfügung stehen. Wo sich diese Kraftwerke befinden, ist eigentlich egal – es kann auch im Ausland sein.
Die erforderlichen Backup-Kapazitäten sind allerdings schwindelerregend hoch: Markus Löffler kommt auf 150 Gigawatt. Das entspricht der Leistung von 100 bis 150 grossen Atomkraftwerken. Derzeit stehen in Deutschland aber nur 35 Gigawatt an Gaskraftwerken bereit, die Lücken decken können. Bis 2035 sollen zudem zehn Gigawatt an Wasserstoff-Kraftwerken dazukommen. Das ist viel zu wenig. Deswegen auf Importe zu hoffen, könnte sich aber als fatal erweisen. Denn auch die Nachbarländer setzen massgeblich auf Sonne und Wind und werden künftig meist zu den gleichen Zeiten Strommangel haben.
Der Bau von steuerbaren Kraftwerken müsste also mit hoher Priorität vorangetrieben werden. Doch solange diese Anlagen nur als eigentliche Lückenbüsser-Kraftwerke dienen sollen, wird kaum ein Privater entsprechende Investitionen tätigen. Laut den Berechnungen von Markus Löffler stünden die Ersatzkraftwerke nur gerade während 500 Stunden pro Jahr unter Volllast. Das heisst, sie sind zu 94 Prozent der Zeit ausser Betrieb. So ist kein Geschäft zu machen.
Preissteigerungen «ins Unermessliche»
Löffler kommt auf horrende 730 Euro pro Megawattstunde, die der Strom aus den Backup-Werken kosten könnte. Das ist ein Gestehungspreis, der rund zehnmal so hoch ist, was Strom in Deutschland sonst kostet. Der Energietechniker befürchtet darum Preissteigerungen «ins Unermessliche».
Das ernüchternde Fazit von Markus Löffler: Deutschland gefährde mit seiner Energiestrategie «seine wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit und den sozialen Frieden». Denn erneuerbare Energien «sind womöglich nicht das Allheilmittel für eine versorgungssichernde Energiewende». Oder anders gesagt: Die Energiewende, wie sie heute aufgegleist ist, kann als gescheitert betrachtet werden.
Damit nicht bald der Strom fehlt, müsse der weitere Ausbau der erneuerbaren Energie gebremst werden, schreibt Markus Löffler. Sprich: Keine Energieversorgung, die nur auf Sonne und Wind abstellt. Aber auch das bringt Probleme mit sich: Denn weniger Solaranlagen und Windräder bedeuten im Sommer auch weniger Überschussenergie, die zu Wasserstoff verwandelt werden kann. Will man trotzdem klimafreundlichen Strom produzieren, braucht es Wasserstoff aus dem Ausland – und ob dieser künftig in ausreichenden Mengen angeboten wird, steht in den Sternen.
Es ist also ziemlich vertrackt. Aussergewöhnlich bei Markus Löffler sind aber vor allem seine klaren Worte. Dass die Energiewende nicht so funktioniert, wie versprochen, ist allerdings schon längst klar. Gerade das Problem der Dunkelflauten – die eigentliche Achillesferse der erneuerbaren Energiewelt – wurde von Forschern schon früher adressiert.
Wacht das Land noch rechtzeitig auf?
Vor zwei Jahren zum Beispiel haben Staffan Qvist (London) und Oliver Ruhnau (Berlin) die deutschen Wetterdaten der 35 vorangegangenen Jahre herangezogen, um das Ausmass von Dunkelflauten abzuschätzen. Die beiden Spezialisten für Energiesysteme kamen im Rahmen einer Studie im Fachblatt «Environmental Research Letters» auf eine maximale Dauer dieser Dunkelflauten von sogar zwölf Wochen. Denn oft folgten dunkle, windarme Phasen dicht hintereinander, so dass dazwischen keine Zeit bleibt, um die vorhandenen Energiespeicher wieder vollständig zu füllen.
Um solche Dunkelflauten überbrücken zu können, müssen gemäss Qvist und Ruhnau Wasserstoffspeicher mit einem Fassungsvermögen von 55 Milliarden Kilowattstunden bereitstehen. Das sind mehr als zehn Prozent des gesamten Stromverbrauchs Deutschlands. Speicher dieser Grössenordnung zu bauen, ist aus heutiger Sicht aber völlig undenkbar. Die beiden Energiespezialisten kamen darum zum Schluss, dass es eine zuverlässige Stromversorgung ohne Backup-Kraftwerke nicht geben kann.
Man kann es nicht anders sagen: Deutschland steuert mit seiner Energiepolitik auf eine Wand zu. Diese Wand kommt immer näher – und doch setzen die Verantwortlichen weiterhin auf Utopien und Märchen. Wacht das Land noch rechtzeitig auf?