Woher kommt der Strom? Stromüberproduktion über die Mittagsspitze

29. Analysewoche 2024 von Rüdi Stobbe

Die zwei Tage des Wochenanfangs und die zwei Tage des Wochenendes waren von einer Stromüberproduktion über die Mittagsspitze gekennzeichnet. Entsprechend niedrig beziehungsweise negativ waren die Strompreise in diesen Zeiträumen. Ganz anders am Vorabend der betreffenden Tage. Den höchsten Preissprung gab es bereits am Montag. Von -0,1€/MWh um 15:00 Uhr stieg der Strompreis auf 220€/MWh um 20:00 Uhr. Das war exakt der Zeitpunkt, an dem Deutschland auch die größte Strommenge (12,2 GW) der Woche aus dem benachbarten Ausland importierte. Ein Blick auf den Import- und Preis-Chart gelegt die Unsinnigkeit der Aussage, dass Deutschland Strom immer dann importiere, wenn er besonders günstig sei. Das ist dummes Politiker- und Propagandageschwätz. Der Strom wird dann importiert, wenn er (gewollt) gebraucht wird. Die Nachfrage Deutschlands sowie der Zeitpunkt der Nachfrage bestimmen in erster Linie den Preis. In der Zeit von 17:00 bis 20:00 Uhr ist der Preissteigerungseffekt am größten. Direkt gefolgt von der Zeit zwischen 6:00 bis 8:00 Uhr.

Wie im Sommer nicht unüblich, kam es am Donnerstag und Freitag zu einer veritablen Windflaute. Bei Betrachtung der Auswirkung einer solchen Flaute außerhalb der Sonnenscheindauer tritt der ganze ökonomische und klimatechnische Widersinn der Energiewende zutage. Die Prognose des Agora-Zukunftsmeters (86% Ausbau regenerative Stromerzeugung) wirft insgesamt Residuallasten aus, die mit den geplanten Backupkraftwerken zeitweise auch nicht nur annähernd gedeckt werden können. Was nichts Anderes bedeutet, dass entweder die Stromversorgung massiv reduziert oder viel, viel mehr Geld (Milliarden über Milliarden) in die Hand genommen wird, um die Lücken beim faktischen Ausfall der Windstromerzeugung schließen zu können. Welche Variante wahrscheinlicher ist, überlasse ich dem Leser. 

Eine feine Ergänzung zu den oben dargestellten Sachverhalten bietet die Analyse von Peter Hager, die Sie nach den Tagesanalysen finden. 

Wochenüberblick

Montag, 15.7.2024 bis Sonntag, 21.7.2024Anteil Wind- und PV-Strom 51,3 Prozent. Anteil regenerativer Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 66,9 Prozent, davon Windstrom 18,7 Prozent, PV-Strom 32,6 Prozent, Strom Biomasse/Wasserkraft 15,5 Prozent.

Belege für Werte und Aussagen im Text oben, viele weitere Werte sowie Analyse- und Vergleichsmöglichkeiten bietet der Stromdateninfo-Wochenvergleich zur 29. Analysewoche ab 2016.

Factsheet KW 29/2024 – ChartProduktionHandelswocheImport/Export/Preise, CO2Agora-Chart 68 Prozent AusbaugradAgora-Chart 86 Prozent Ausbaugrad.

Rüdiger Stobbe zum Strommarkt: Spitzenpreis 2.000 €/MWh beim Day-Ahead Handel

  • Klima-History 2: Video-Schatz des ÖRR aus dem Jahr 2010 zum Klimawandel
  • Klima-History 1: Video-Schatz aus dem Jahr 2007 zum Klimawandel.
  • Interview mit Rüdiger Stobbe zum Thema Wasserstoff plus Zusatzinformationen
  • Weitere Interviews mit Rüdiger Stobbe zu Energiethemen
  • Viele weitere Zusatzinformationen
  • Beleg 2022, der Beleg 2023/24. Strom-Überschüsse werden bis auf wenige Stunden immer konventionell erzeugt. Aber es werden, insbesondere über die Mittagszeit für ein paar Stunden vor allem am Wochenende immer mehr!

Jahresüberblick 2024 bis zum 21. Juli 2024

bisherigen Jahr 2024Chart 1Chart 2ProduktionStromhandelImport/Export/Preise/CO2

Tagesanalysen

Was man wissen muss: Die Wind- und PV-Stromerzeugung wird in unseren Charts fast immer „oben“, oft auch über der Bedarfslinie angezeigt. Das suggeriert dem Betrachter, dass dieser Strom exportiert wird. Faktisch geht immer konventionell erzeugter Strom in den Export. Die Chartstruktur zum Beispiel mit dem bisherigen Jahresverlauf 2024 bildet den Sachverhalt korrekt ab. Die konventionelle Stromerzeugung folgt der regenerativen, sie ergänzt diese. Falls diese Ergänzung nicht ausreicht, um den Bedarf zu decken, wird der fehlende Strom, der die elektrische Energie transportiert, aus dem benachbarten Ausland importiert.

Eine große Menge Strom wird im Sommer über Tag mit PV-Anlagen erzeugt. Das führt regelmäßig zu hohen Durchschnittswerten regenerativ erzeugten Stroms. Was allerdings irreführend ist, denn der erzeugte Strom ist ungleichmäßig verteilt.

Montag, 15.7.2024: Anteil Wind- und PV-Strom 52,3 Prozent. Anteil erneuerbare Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 67,4 Prozent, davon Windstrom 15,7 Prozent, PV-Strom 36,3 Prozent, Strom Biomasse/Wasserkraft 15,1 Prozent.

Der Montag begann mit dem größten Preissprung

Belege für Werte und Aussagen im Text oben, viele weitere Werte sowie Analyse- und Vergleichsmöglichkeiten bietet der Stromdateninfo-Tagesvergleich zum 15.7. ab 2016.

ChartProduktionHandelstagImport/Export/Preise/CO2 inklusive Importabhängigkeiten.

Dienstag, 16.7.2024: Anteil Wind- und PV-Strom 59,5 Prozent. Anteil erneuerbare Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 73,2 Prozent, davon Windstrom 35,1 Prozent, PV-Strom 24,3 Prozent, Strom Biomasse/Wasserkraft 13,7 Prozent.

Windstrom legte zu, PV-Strom nahm ab. Die Strompreisbildung.

Belege für Werte und Aussagen im Text oben, viele weitere Werte sowie Analyse- und Vergleichsmöglichkeiten bietet der Stromdateninfo-Tagesvergleich zum 16. Juli ab 2016.

ChartProduktionHandelstagImport/Export/Preise/CO2 inklusive Importabhängigkeiten

Mittwoch, 17.7.2024: Anteil Wind- und PV-Strom 55,6 Prozent. Anteil erneuerbare Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 69,9 Prozent, davon Windstrom 31,1 Prozent, PV-Strom 24,5 Prozent, Strom Biomasse/Wasserkraft 14,3 Prozent.

Heute keine Stromübererzeugung. Fast gänztägiger Stromimport. Die Strompreisbildung.

Belege für Werte und Aussagen im Text oben, viele weitere Werte sowie Analyse- und Vergleichsmöglichkeiten bietet der Stromdateninfo-Tagesvergleich zum 17. Juli 2016.

ChartProduktionHandelstagImport/Export/Preise/CO2 inkl. Importabhängigkeiten

Donnerstag, 18.7.2024: Anteil Wind- und PV-Strom 41,4 Prozent. Anteil erneuerbare Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 57,2 Prozent, davon Windstrom 5,1 Prozent, PV-Strom 36,3 Prozent, Strom Biomasse/Wasserkraft 15,8 Prozent.

Windflaute Tag 1 . Ganztägiger Stromimport. Die Strompreisbildung

Belege für Werte und Aussagen im Text oben, viele weitere Werte sowie Analyse- und Vergleichsmöglichkeiten bietet der Stromdateninfo-Tagesvergleich zum 18. Juli ab 2016.

ChartProduktion, HandelstagImport/Export/Preise/CO2 inkl. Importabhängigkeiten

Freitag, 19.7. 2024: Anteil Wind- und PV-Strom 42,2 Prozent. Anteil erneuerbare Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 58,0 Prozent, davon Windstrom 6,5  Prozent, PV-Strom 35,7 Prozent, Strom Biomasse/Wasserkraft 15,9 Prozent.

Windflaute Tag 2. Die Strompreisbildung

Belege für Werte und Aussagen im Text oben, viele weitere Werte sowie Analyse- und Vergleichsmöglichkeiten bietet der Stromdateninfo-Tagesvergleich zum 19. Juli ab 2016.

ChartProduktionHandelstagImport/Export/Preise/CO2 inkl. Importabhängigkeiten.

Samstag, 20.7. 2024: Anteil Wind- und PV-Strom 54,7 Prozent. Anteil erneuerbare Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 71,5 Prozent, davon Windstrom 16,8 Prozent, PV-Strom 37,9 Prozent, Strom Biomasse/Wasserkraft 16,8 Prozent.

Die regenerative Stromerzeugung deckt den geringen Samstagsbedarf. Die Strompreisbildung ist entsprechend. 

Belege für Werte und Aussagen im Text oben, viele weitere Werte sowie Analyse- und Vergleichsmöglichkeiten bietet der Stromdateninfo-Tagesvergleich zum 20. Juli ab 2016.

ChartProduktionHandelstagImport/Export/Preise/CO2 inkl. Importabhängigkeiten

: Anteil Wind- und PV-Strom 53,0 Prozent. Anteil erneuerbare Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 70,9 Prozent, davon Windstrom 18,2 Prozent, PV-Strom 34,8 Prozent, Strom Biomasse/Wasserkraft 17,9 Prozent.

Die regenerative Stromerzeugung kratzt an der Bedarfsdeckung. Die Strompreisbildung

Belege für Werte und Aussagen im Text oben, viele weitere Werte sowie Analyse- und Vergleichsmöglichkeiten bietet der Stromdateninfo-Tagesvergleich zum 21. Juli ab 2016.

Chart, ProduktionHandelstagImport/Export/Preise/CO2 inkl. Importabhängigkeiten

Peter Hager

Die Schattenseite des massiven PV-Ausbaus

Zum Halbjahr 2024 liegt mittlerweile die installierte Leistung aller 4,25 Millionen PV-Anlagen (vom kleinen Balkonkraftwerk bis zur Freiflächenanlage) bei über 90 GW.

So sieht der Bundesverband Solarwirtschaft den Photovoltaik-Ausbau bereits auf der Zielgeraden.

Doch mit dem verstärkten Zubau von „PV-Anlagen“ werden besonders bei Sonnenschein von März bis Oktober weitere Probleme dieser „Energiewende“ immer sichtbarer:

+ In Gegenden mit vielen PV-Anlagen kann das Verteilnetz den tageszeitlichen Hub der PV-Einspeisung – an sonnigen Tagen von 0 GW bis fast zur installierten Leistung in der Mittagszeit – nicht mehr bewältigen. Zudem hinkt der Verteilnetzausbau dem sehr hohen PV-Zubau immer mehr hinterher.

+ Dies führt zu immer häufigeren Abregelungen oder Abschaltungen von PV-Anlagen, insbesondere von PV-Freiflächenanlagen und PV-Anlagen auf Gewerbebetrieben (Beispiel eines Gewerbebetriebes dessen PV-Anlage vom Verteilnetzbetreiber bei Netzüberlast komplett abgeschaltet wird und auch keinen Eigenverbrauch des erzeugten PV-Stroms mehr ermöglicht:

+ Auch der starke Abfall der PV-Einspeisung nach Sonnenuntergang muss durch konventionelle Kraftwerke und zusätzliche Stromimporte teuer kompensiert werden

bis Ende Mai 2024 Großspeicher mit einer Kapazität von 1,6 GWh installiert). 

Dazu betrachten wir einmal den 6.6.2024 bei Agora-Energiewende

  • 16 Uhr: PV-Einspeisung: 31,8 GW, Strombedarf: 66,1 GW
  • 17 Uhr: PV-Einspeisung: 24,1 GW, Strombedarf: 63,0 GW

In einer Stunde beträgt der Rückgang bei der PV-Einspeisung 7,7 GW und der Rückgang beim Strombedarf liegt bei 2,9 GW, d.h. der Ausgleichsbedarf beträgt 4,8 GWh.

Mit allen bisher installierten Großbatterien könnte lediglich ein Drittel der Differenz von 4,8 GW ausgeglichen werden. Wenn diese dann leer sind, müssen konventionelle Kraftwerke einspringen oder unsere Nachbarn Strom nach Deutschland liefern.

Wie sieht es in der nächsten Stunde aus?

  • 18 Uhr: PV-Einspeisung: 14,9 GW, Strombedarf: 61,6 GW

Jetzt beträgt der Rückgang bei der PV-Einspeisung 9,2 GW und der Rückgang beim Strombedarf liegt bei 1,4 GW d.h. der Ausgleichsbedarf beträgt bereits 7,8 GW.

Um die Differenz von 7,8 GW auszugleichen benötigte man 31 Großbatterien, wie den im Bau befindlichen Netzbooster in Kupferzell (250 MW Leistung, 250 MWh Kapazität, 200 Millionen Euro Baukosten). Auch diese wären dann ab 18 Uhr leer.

Die Großbatterien sollten bis zum nächsten Tag ebenfalls alle wieder aufgeladen sein, auch wenn die Sonne mal nicht so scheint.

Die bisherigen Artikel der Kolumne Woher kommt der Strom? seit Beginn des Jahres 2019 mit jeweils einem kurzen Inhaltsstichwort finden Sie hier. Noch Fragen? Ergänzungen? Fehler entdeckt? Bitte Leserpost schreiben! Oder direkt an mich persönlich: stromwoher@mediagnose.de. Alle Berechnungen und Schätzungen durch Rüdiger Stobbe und Peter Hager nach bestem Wissen und Gewissen, aber ohne Gewähr.

Rüdiger Stobbe betreibt seit 2016 den Politikblog MEDIAGNOSE.