Das Stromgesetz bedroht die Schweiz
Fred F. Mueller
Die Schweiz ist in ihren Grundfesten bedroht. Angeblich versuchen uneinsichtige Bürger und raffgierige Fossilkapitalisten, die geplante Rettung des Klimas durch das kommende Stromgesetz aus egoistischen Motiven zu verhindern. In Wirklichkeit wird versucht, uns auf einen ebenso teuren wie untauglichen Irrweg zu locken. Eine Replik auf einen angeblichen Faktencheck von Prof. Reto Knutti.
Eine herausragende Gestalt in dieser Auseinandersetzung ist Klimaforscher Professor Reto Knutti von der ETH Zürich. Zwar wird ihm vorgeworfen, er sei eher Aktivist als Wissenschaftler. Das bringt ihn jedoch nicht aus der Ruhe. Das ursprünglich kaum umstrittene neue Stromgesetz wurde durch spät wach gewordene Bürger angegriffen und muss jetzt vor das Volk gebracht werden. Um dem entgegenzutreten, hat er mit der Watson-Redaktion zusammengespannt, um die Argumente der Gegner mit einem sogenannten Faktencheck zu entkräften. Hier nur ein paar der darin vorgebrachten Ungereimtheiten.
Klima wichtiger als Natur?
So erklärt er, dass die Natur durch den massiven Ausbau der erneuerbaren Energien nicht etwa gefährdet, sondern eher geschützt werde. Hauptgefahr für unsere Natur sei der Klimawandel, und den würden wir durch Zupflastern der Natur mit Solarpaneelen und Windanlagen ja bekämpfen. Dass dabei wichtige Zugvogelrouten über Alpenpässe wie den Gotthard mit Vogelshreddern vollgestellt werden? Solche Petitessen muss man bei der Verfolgung des edlen Ziels «Planetenrettung» halt in Kauf nehmen, nicht wahr?
Hochalpine Solaranlagen wintersicher?
Auch preist Knutti die angeblichen Vorteile hochalpiner Solaranlagen an: «Gerade, weil im Flachland, wo sich die meisten Gebäude befinden, im Winter wenig Sonne scheint, braucht es auch Solaranlagen im hochalpinen Raum.» Das kann man getrost als Falschinformation bezeichnen, denn auch in den Hochlagen der Alpen scheint die Sonne im Winter nicht nur viel kürzer als im Sommer, sie steht zudem in einem wesentlich ungünstigeren Winkel. Egal ob im Flachland oder hoch in den Bergen: Solaranlagen liefern in den vier Wintermonaten von November bis Februar nur einen sehr geringen Bruchteil der Strommengen, die im Sommer verfügbar sind. Hinzu kommt, dass die Anlagen in den Hochlagen im Winter oft tief verschneit sind und dann kaum noch Strom liefern. So war der nur 2.107 m hohe Gotthardpass noch bis Mitte Mai dieses Jahres nicht befahrbar, weil der Schnee noch bis zu acht Meter hoch lag. Was ist von der Qualifikation eines Schweizer Klimaforschers zu halten, der diese grundlegenden Zusammenhänge von jahreszeitlich schwankenden Sonnenständen und Strahlungsdaten sowie Schneebedeckung im Hochalpenraum nicht zu kennen scheint?
Auf keinen Fall Kernenergie!
Knutti ist strikt gegen Kernenergie, obwohl diese bis heute ein entscheidender Stützpfeiler unserer Stromerzeugung ist. Seine Begründung: «Wir brauchen so schnell wie möglich mehr selbst produzierten Strom.» Der Bau eines AKWs dauere allerdings mindestens 20 Jahre. «Würden wir auf AKWs setzen, würde sich unsere Versorgungssicherheit mindestens für die nächsten 20 Jahre nicht verbessern.» Eine ebenso wohlfeile wie katastrophal falsche Stellungnahme: Weil die Schweizer Bevölkerung von massgeblichen politischen und sozialen Kräften in die Irre geführt wurde und bereits Zeitnot herrscht, soll man jetzt darauf verzichten, diese wichtige Alternative zu erhalten und auszubauen. Davon, dass z.B. in China der Bau eines Kernkraftwerks in fünf Jahren erledigt werden kann und viel weniger kostet als in Frankreich oder England, hat er anscheinend noch nichts gehört. Will aber dem Volk Ratschläge erteilen.
Stattdessen sollen wir das Volksvermögen in unsichere Solar- und Windprojekte stecken. Und unsere Wälder zu Holz-Forsten machen, die möglichst schnell möglichst viel Brennstoff liefern sollen. Folgen für die Biodiversität? Folgen für den Erosionsschutz? Brauchen wir darüber nicht nachzudenken?
Was, wenn Wind- und Solarenergie nicht für die Energiewende ausreichen?
Auf diese besorgte Frage hat Prof. Knutti eine beruhigende Antwort: «Das kann tatsächlich sein. Wir können nicht in die Zukunft sehen». Es werde sich zeigen müssen, ob das Stromgesetz für ausreichend selbstproduzierte Energie sorgen könne. Doch: «Aus diesem Grund nichts zu tun, ist keine Option. Dann werden wir mit Sicherheit in einen Blackout laufen».
Knutti ist Professor für Klimaphysik und kein Fachmann für die Versorgung mit elektrischer Energie, gibt hier aber für dieses ihm fremde Gebiet Ratschläge. Obwohl er selbst zugibt, die Zukunft nicht vorhersehen zu können, sollen wir ihm bei der Sicherheit unserer Energieversorgung und damit unserer gesamten Zukunft vertrauen.
Energiezukunft 2050» sagen:
In dieser Studie wird erläutert, dass die Schweiz auch bei Ausschöpfung aller Möglichkeiten der «Erneuerbaren» (einschliesslich des Verfeuerns unserer Wälder) auf erhebliche Stromimporte angewiesen bleiben wird – falls die Kernenergie ausläuft, wie es derzeit politisch geplant ist.
Konkret heisst es dort: «Die Schweiz bleibt Stromimporteurin». «Im Winter muss weiterhin Strom aus den Nachbarländern importiert werden». Je nach Szenario müssten sieben oder sogar neun Terawattstunden Winterstrom importiert werden. Die projektierte Preisentwicklung in den Nachbarländern, aus denen wir den Strom importieren müssten, kann sich jeder, der gerne Alpträume hat, in dem genannten Bericht auf Seite 103 anschauen.
Umgerechnet geht es da um Grosshandels-Einkaufspreise von bis zu 30 Rp/kWh. Zum Vergleich: Unsere derzeit noch laufenden Kernkraftwerke produzieren für Preise um 6 Rp/kWh. Die Autoren des VSE scheinen manche Dinge bewusst erst weit hinten in der dicken Studie mit verklausulierten und zudem sehr klein geschriebenen Zahlen zeigen zu wollen: Vermutlich wollen sie keine Unruhe hervorrufen. Fazit: Der sicherlich nette, aber fachlich auf dem Gebiet der Stromerzeugung eher wenig kompetente Herr Prof. Knutti scheint unser Land mit seinem «Faktencheck» direkt auf eine Sprungschanze ins Bodenlose locken zu wollen.
Mantelerlass – Das «Bundesgesetz über eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien»
Schon der Titel verrät, dass die Politik hier dem Volk nicht die Wahrheit sagt. Es fehlt nämlich das kleine, aber für Herrn und Frau Schweizer sehr wichtige Wörtchen «bezahlbar». Dem schon von den «Winterreserve»-Preissprüngen geschockten Stimmbürger will man Reizworte wie «Kosten» wohl nicht zumuten. Dass die Lösung ohne Kernenergie, nur mit Sonne, Wind, Wasser und Holz schon rein mengenmässig ins Abseits führt, steht bereits in der VSE-Studie. Somit ist auch der Begriff «sichere» im Titel des Gesetzes im Prinzip – naja, sagen wir mal ein wenig neben der Wahrheit.
So etwas ist typisch für Politiker, die selbst keine ausreichende Sachkenntnis haben. Man fürchtet sich davor, dem Volk reinen Wein einzuschenken und auf die Unverzichtbarkeit der Kernenergie hinzuweisen. Stattdessen wird das Problem mit extrem teuren und letztlich unsinnigen Pseudo-Lösungen wie Sonne, Wind etc. einfach in die Zukunft verschoben. Sollen sich doch andere die Finger an diesem heissen Eisen verbrennen. Denn eines ist klar: Solange das Netz noch funktioniert, werden die Grünen, die Sozialisten und die Mitte ihren Fehler nicht einräumen und stattdessen den angerichteten Unsinn mit Zähnen und Klauen verteidigen. Aus nationaler Sicht ist das genauso unsinnig wie wenn ein Autofahrer mit einem offenkundig stotternden Motor einfach weiterfährt und hofft, dass die Karre noch bis ins Ziel durchhalten wird. Hinterher zeigt sich dann oft, dass aus einer kleinen Reparatur ein Totalschaden geworden ist.
Wenn der Schweizer Karren erst einmal tief im Dreck steckt und wir mit dem Hut in der Hand die Nachbarn um Strom anbetteln müssen, werden wir den EU-Vögten wehrlos ausgeliefert sein. Dann wird man uns nicht nur finanziell erpressen. Auch die Selbständigkeit und Freiheit des Landes steht dann auf dem Spiel, insbesondere die in Brüssel verhasste direkte Demokratie. Wir haben ja schon beim «Klimaseniorinnen»-Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte gesehen, mit welchen Winkeladvokaten-Tricks man unser Land an den Pranger zu stellen versucht. Und ist der Ruf der Schweiz erst ruiniert, dann wird gnadenlos abkassiert.
Die Profiteure stehen in den Startlöchern
Wie fast stets im Leben ist auch bei der Energiewende des einen Leid des anderen Freud. Aus dessen Problemen lässt sich nämlich Kapital schlagen. Eines der grösseren Probleme der Vielzahl installierter Solar- und Windkraftanlagen ist die Komplexität der hierfür erforderlichen Infrastruktur. Das beginnt mit zahlreichen zusätzlichen Netzleitungen, die unsere Bergregionen wie ein Spinnennetz überziehen werden. Ein weiteres Problem ist die extrem wachsende Speicher- und Regeltechnik. In einem Stromnetz bisherigen Typs wurde das Chaos der unkoordiniert Strom abrufenden Verbraucher dadurch ausgeglichen, dass die Kraftwerke ganz nach Bedarf zu- und abgeregelt werden konnten. Bei Sonne und Wind ist es anders, die Anlagen liefern so, wie die Natur es gerade vorgibt. Für das Netz wirkt sich das so aus, dass es jetzt zusätzlich auch noch diese unvorhersehbaren Störungen abfangen muss. Da müssen Kraftwerke hoch- und heruntergeregelt werden, Leitungen umgeschaltet, die Strombörse bedienen und Speicher aufgeladen oder angezapft werden. Dies geht nur mit sehr viel zusätzlicher und zudem immens teurer Technik, an der viele Profiteure verdienen wollen. So wie anlässlich der Winterreserve, wo eine gute halbe Milliarde Franken für Turbinenkraftwerke ausgegeben wurde, die jetzt schon nicht mehr benötigt werden. Hätte das KKW Mühleberg noch funktioniert, wäre dieser Aufwand nicht erforderlich gewesen. Der Stromkunde wird nicht gefragt, er muss einfach zahlen, und das sehr heftig, mit Steigerungen von bis zu mehr als 50 % innerhalb nur eines Jahres.
An diesem von der Politik reichlich gedeckten Kostentisch sammeln sich natürlich die Interessenten, die hierfür geeignete Lösungen verkaufen wollen. Diese Kosten sind nach Ansicht von Knutti jedoch lediglich «der Preis, den die Schweiz für Versorgungssicherheit bezahlen muss.» Gleich darauf bezeichnet er jedoch die Warnung, dass die Bevölkerung unter steigenden Energiepreisen leiden müsse, als «steile These. Wir können nicht wissen, wie sich die Energiepreise entwickeln werden, und das Stromgesetz macht auch keinerlei Angaben dazu».
Natürlich stehen im Gesetz keine Kosten, weil die Politik selbst keine Vorstellung hat, was sie da anrichtet. Eine klare Zeit- und Kostenkalkulation, wie sie jedes Unternehmen bei grösseren Projekten vorlegen muss, hat der Staat nämlich nicht. Es wird einfach die Kernkraft über Bord geworfen und den Rest lässt man auf sich zukommen. Das ist, als öffne der Kapitän die Flutventile seines Schiffs und fange danach erst mit dem Bau von Rettungsbooten an.
Für manche Unternehmen stellt diese Situation eine Goldgrube dar: Für Solarzellen und Batteriehersteller, für CO2-Einfänger und die Hersteller von Netzleit- und Regeltechnik blüht, wie man so schön sagt, der Weizen. Das führt zu erstaunlichen Zusammenhängen.
Interessantes Zusammenspiel von Knutti, Watson und Siemens
Der Watson-Artikel, in dem Prof. Knutti die Kritiker des Mantelerlasses einem vorgeblichen «Faktencheck» unterziehen durfte, wurde von einer ehemaligen PR-Dame verfasst. Diese absolvierte eine dreijährige Ausbildung in «Kommunikation» für die Förderung von Vertrieb und Kundenberatung bei der «Siemens Smart Infrastructure». Dieser Zweig des Siemens-Imperiums entwickelt und vertreibt alles mögliche, was benötigt wird, um Netze ab Mittelspannung abwärts zu managen sowie Gebäude vom Einfamilienhaus über die Fabrik und das Krankenhaus bis zum Flughafen fit zu machen für die Segnungen des «erneuerbar» erzeugten Stroms. Derart «gepolte » Journalisten neigen dazu, Menschen wie Prof. Knutti zu unterstützen, die als Verbreiter von Klimafurcht ihrem ehemaligen Umfeld weitere Kundschaft zutreiben.
Ähnliches lässt sich auch bei der FAZ beobachten, wo sich eine junge Dame beim Masterstudium Economics mit Strom- und Gasmärkten, Instrumenten der Dekarbonisierung und Pfaden hin zur Klimaneutralität beschäftigte. Seither prägt sie dort die Berichterstattung und «erklärt» den Lesern die Vorteile der Stilllegung der letzten deutschen Kernkraftwerke oder den Nutzen von Elektrolyseuren zur Herstellung von «grünem» Wasserstoff. Manchmal bekommt man fast den Eindruck, dass die Redaktionen gezielt solche Leute einstellen. Diese bereiten dann den von der Politik vorgegebenen Themen von vornherein propagandistisch den Weg. Die langfristigen Folgekosten dieser Propaganda trägt dann das Volk.
Mangelnde Sachkunde und zuviel Vertrauen in die Politik: Ein Unglück für die Schweiz
In diesem Zusammenhang erweist es sich als enormer Nachteil, dass auch in der Schweiz die Verbände kein ausreichend sachkundiges Fachpersonal haben, welches den Unsinn der Energiewende erkennen und dagegenhalten könnten. So gibt beim Hauseigentümerverband HEV ein renommierter Anwalt die Ja-Parole vor, der als Berater mit der Politik und der Industrie hervorragend vernetzt ist. Als Jurist ist er jedoch augenscheinlich damit überfordert, die in der politischen Planung versteckten technischen Fallstricke zu erkennen. Das Ergebnis ist eine Ja-Parole des Verbands für eine Energiepolitik, die nicht den Interessen der Hauseigentümer dient.
Aehnliches gilt für die kürzlich gefassten Ja-Parolen der Industrieverbände Swissmem und Swissmechanic. Sie müssten doch sehen, wie sich die grüne Zersetzung in Deutschland als ihrem wichtigsten Markt immer weiter ausbreitet. Dort machen immer mehr Industriefirmen dicht oder gehen ins Ausland. Die deutsche Automobilbranche ist schwer angeschlagen, der Maschinenbau ebenfalls und die Grosschemie investiert nicht mehr. Unsere Politik folgt mit dem Mantelerlass den gleichen Richtlinien, die auch Deutschland schaden. Für die Schweizer wird es höchste Zeit, aufzuwachen und den Mantelerlass abzulehnen.
Fred F. Mueller