Wissen ist Macht oder Macht ist Wissen?
Edgar L. Gärtner
Irgendwo hat der nicht zuletzt in Amerika überaus einflussreiche französische postmoderne Soziologe Michel Foucault sinngemäß geschrieben: „Politische Macht ist Wissen“ und damit den wohl auf Francis Bacon zurückgehenden Wahlspruch der so genannten Aufklärung in provokativer Absicht schlicht umgedreht. Obwohl teilweise von der Lehre ihres Meisters abweichend, ist das das Credo aller, die sich als „woke“ zu profilieren versuchen, indem sie sich demonstrativ auf die Seite der Benachteiligten stellen und die Erfolgreichen moralisch verurteilen. So etwas wie überhistorische oder Klassen übergreifende Wahrheit wie zum Beispiel in der Arithmetik dient in deren Augen lediglich dazu, Herrschaftsansprüche zu verschleiern.
Der (linke) Bielefelder Wissenschaftssoziologe Peter Weingart äußerte in seinem 2002 erstmals erschienenen Buch „Die Stunde der Wahrheit“ die Vermutung, dass dem freien Streben nach Wahrheit spätestens mit dem Ende des Kalten Krieges die Stunde geschlagen hat. Die Freiheit der Wissenschaft wird nun, auf dem Hintergrund der Illusion vom „Ende der Geschichte“, nicht mehr als ideologische Münze, als Synonym des „freien Westens“, als Fanal im Kalten Krieg gegen den realen Sozialismus gebraucht. Genau genommen begann jedoch der Abschied des „Westens“ von der durch die Suche nach Wahrheit bestimmten Wissensordnung schon im August 1971 mit der Verkündung der Aufgabe der Golddeckung des US-Dollars durch den damaligen US-Präsidenten Richard Nixon. Gesellschafts-, Geld- und Wissensordnung entsprechen einander tendenziell, wie auch Weingart betont. In jüngster Zeit hat der ehemalige Bankberater Markus Krall, ausgehend von diesem Zusammenhang einen möglichen Neuanfang bzw. Wiederaufbau des durch die Grüne Ideologie und die Politik der „Ampel“ ruinierten Deutschland skizziert. Als Symbol für die planmäßige Ausschaltung des Wahrheitskriteriums im politischen Diskurs kann die Entscheidung der „Ampel“ über den „Atomausstieg“ dienen. Dieser gefährdet nun augenfällig die Sicherheit der deutschen Elektrizitätsversorgung in einem Moment, in dem die Versorgungssicherheit infolge der rasch wachsenden Anwendung Künstlicher Intelligenz (KI) wichtiger als je zuvor wird. Sachliche Einwände der fachlich zuständigen Bundesministerien hat der grüne Bundeskanzler Robert Habeck (was das Magazin „Cicero“ teuer freiklagen musste) aus ideologischen Gründen bewusst beiseitegeschoben.
Das am 12. April 2024 vom Deutschen Bundestag beschlossene »Selbstbestimmungsgesetz«, wonach jeder/jede einmal im Jahr sich zu einem beliebigen Geschlecht mit entsprechendem Vornamen zugehörig erklären und strafbewehrt verbieten kann, sie/ihn auf das ursprüngliche, d.h. genetisch festgelegte Geschlecht anzusprechen, bestätigt den Eindruck, dass Wahrheit in unserem politischen System mittelfristig keine Rolle mehr spielt. Worte beziehungsweise Begriffe wie Mann, Frau, Freiheit, Fortschritt oder Demokratie, Gewinn oder Verlust, Sieg oder Niederlage besagen im Prinzip nichts mehr. Es geht nur noch um die Frage, ob sich eine bestimmte Aussage den bestehenden Machtverhältnissen unterordnet oder nicht. Wer beteuert, dass zwei und zwei gleich vier ist, wird verdächtigt, ein Putin-Freund zu sein, weil dieser das Gleiche sagt. Von der Regierungsline abweichende Meinungen (laut „Ampel“-Speak eine „Delegitimierung des Staates“) sollen nach dem Willen der sozialdemokratischen Bundesinnenministerin Nancy Faeser auch ohne Gerichtsverhandlung bestraft werden können. Rechtliche Klärungen sind wegen der Weisungsgebundenheit der Staatsanwälte (der plötzliche Rücktritt der CumEx-Chefermittlerin Oberstaatsanwältin Anne Brorhilker lässt da einiges erahnen) höchstens in Ausnahmefällen zu erwarten. Deshalb verstehe ich immer besser die Reaktion meines durch Selbsttötung verschiedenen Freundes, des Umwelthistorikers Rolf-Peter Sieferle. Nur mein christlicher Glaube und die damit verbundene transzendente Hoffnung halten mich noch davon ab, es ihm nachzutun. (Ich habe seinerzeit mit den Wahlchancen des m. E. letzten vernünftigen französischen Präsidentschaftskandidaten François Fillon gegen den Pessimismus Rolf-Peter Sieferles argumentiert. Doch das „System“ hat mit einer üblen Rufmordkampagne dafür gesorgt, dass Fillon gegen den nihilistischen Kandidaten Emmanuel Macron verlor.)
Überleben ist unter diesen Umständen nur um den Preis des (menschenunwürdigen) ständigen Lügens möglich, wobei man noch beachten muss, dass man nicht beliebig, sondern nur politisch-korrekt lügen darf. Schon für die Weiterleitung der Wahrheit entsprechenden Nachrichten per E-Mail kann man heute in Deutschland auch in der Privatwirtschaft leicht seinen Job verlieren. Belege für diese Behauptung liefert die offizielle CO2-Klima-Ideologie en masse. Fakten wie die Zunahme der Eismasse der Antarktis oder der häufigere Übergang von der Westwind-Drift zum meridionalen Windströmungsmuster in Europa, die dem offiziellen Narrativ augenfällig wiedersprechen, werden notfalls umdefiniert. Die Verbreitung der Lüge macht vernünftiges Entscheiden logischerweise völlig unmöglich. So werden immer mehr Techniken vorgeschrieben, deren Ergebnis dem erklärten Ziel der CO2-Einsparung und Ressourcenschonung fundamental wiedersprechen. So zum Beispiel die angeblich das Klima schonende Elektromobilität, die schätzungsweise um drei bis vier Größenordnungen ressourcenintensiver ist als der „thermische“ Transport.
Durch die Corona-„Plandemie“ in den Jahren 2020 bis 2023 soll nun offenbar die „Zeitenwende“ von der (oft schwierigen) Suche nach Wahrheit zur systematischen Lüge auf Dauer gestellt werden. Die Rede ist von der längerfristigen Einschränkung, wenn nicht Abschaffung bürgerlicher Grundrechte wie der Meinungs- und Bewegungsfreiheit, des Schutzes der Wohnung und der Privatsphäre usw., die mithilfe deterministischer Modelle der Virus-Ausbreitung als unausweichlich dargestellt wurden. Was der US-Präsidentschaftskandidat Robert Kennedy jr., im Hauptberuf Anwalt, über die Vorgeschichte und Hintergründe der Covid-„Pandemie“ („Wuhan-Verschwörung“) in der Biowaffenforschung zusammengetragen hat, bestärkt mich nicht nur in meiner Skepsis gegenüber den als Allheilmittel angepriesenen Impfungen, sondern auch in meinem Entschluss, keine Therapie mehr zu akzeptieren, die nach der Jahrtausendwende entwickelt wurde.
Dabei lässt sich eine bedenkliche Verschiebung der Macht weg vom klassischen Nationalstaat hin zu Public-Private-Partnerships (PPP) zwischen Staatsbürokratien und Milliardären bzw. zwischen diesen und teilweise staatlich finanzierten Nicht-Regierungs-Organisationen (NGO) beobachten. Bekannte Beispiele dafür sind die Weltgesundheitsorganisation (WHO), die überwiegend von privaten IT-Konzernen bzw. deren Stiftungen finanziert wird, oder das Weltwirtschaftsforum (WEF), das durch Mitgliedsbeiträge und Spenden der Mitglieds-Unternehmen unterhalten wird. Die nationalen Parteien-Kartelle gegen jegliche Alternativen zur schädlichen Regierungspolitik scheinen von dieser Machtverschiebung bislang nur teilwiese betroffen.
Es gibt keine Autorität mehr außer der Macht des Geldes und der nackten Gewalt. Aus welchem Grund sollte eine Regierung auch noch zurücktreten, wenn das Wahrheitskriterium gefallen ist? Auch beim Ukraine-Krieg, der uns neben dem Nahost-Konflikt an den Rand eines Dritten Weltkriegs geführt hat, spielen Fakten offenbar kaum noch eine Rolle. Nicht nur bei der wünschenswerten Aufklärung der Hintergründe der Sprengung der für Deutschland lebenswichtigen Nord Stream Pipelines zeigt die „Ampel“-Regierung keinerlei Aufklärungs-Eifer. Anders ist das bei den großen Versicherungsunternehmen Lloyds und Arch, die sich mit dem Hinweis auf Staatsterrorismus zu zahlen weigern. Was den Ukraine-Krieg angeht, wird man am Ende, wenn alles so weiterläuft wie bisher, nicht einmal mehr feststellen können, wer gewonnen und wer verloren hat.