Bertha Benz, das Batterie-Auto und die Ladeinfrastruktur – Ökoplanwirtschaftliche Sackgasse
Technologieentwicklung findet immer am freien Markt statt. Deswegen brauchte das Deutsche Kaiserreich keine Reichsleitstelle für Tankstellen. Die E-Auto-Strategie ist das genaue Gegenteil: Das E-Mobil ist kein besseres Produkt, wird aber als Zukunftstechnologie festgelegt.
Von Frank Hennig
Bei Betrachtung heutiger Infrastrukturprojekte kann man sich nur darüber wundern, wie unsere Vorfahren in verhältnismäßig kurzer Zeit den Aufbau eines Industrielandes schaffen konnten. Innerhalb von Jahrzehnten entstanden ein Eisenbahnnetz, ein Telegraphen-, später Telefonnetz, ein Stromnetz, ein Leitungsnetz zur Wasser- und Gasversorgung, ein Straßennetz. Technologischer Fortschritt und privates Kapital brachten Fortschritt. Den will man heute mit staatsplanerischen Vorhaben erreichen.
Schon früher gab es starke Frauen. Sie wurden sichtbar durch Taten, weniger durch Quoten, Demos und „Zeichen setzen“. Bertha Benz war eine solche, auch wenn sie historisch gesehen im Schatten ihres Gatten Carl Benz bleibt. Als sich der Benz Patent-Motorwagen Nummer 3 nicht gut verkaufte, hatte sie die Courage, mit ihren 13 und 15 Jahre alten Söhnen im Jahr 1888 eine Fernfahrt mit einem solchen Gerät anzutreten. Sie wollte den Nachweis der Funktionsfähigkeit auch für lange Strecken erbringen. Ihr Mann wusste davon nichts.
Die drei bewältigten die 106 Kilometer lange Strecke von Mannheim nach Pforzheim mit dem wenig komfortablen Fahrwerk. Am Ende war die Reise ein Erfolg. Bertha registrierte mehrere technische Mängel, unter anderem an den Bremsen. Mit dem Vorschlag, Leder auf die Bremsbacken aufzubringen, gilt sie quasi als Erfinderin der Bremsbeläge.
Unterwegs ging, wie zu erwarten war, das Benzin aus. In Wiesloch kaufte Bertha in einer Apotheke ein Leichtbenzin namens Ligroin.
Die Apotheke, in deren Museum dieser Handel erwähnt wird, war 1858 gegründet worden. Sie musste Ende 2023 schließen, was sicher nicht am zu geringen Absatz von Ligroin lag. Vielleicht hätte die rechtzeitige Umwandlung in eine Tankstelle geholfen? Natürlich verträgt sich der Handel mit Medikamenten nicht mit der Kraftstoffversorgung für Automobile, aber mit der Motorisierung des Verkehrs eröffnete sich im ausgehenden 19. Jahrhundert eine Marktlücke. Mit zunehmender Zahl der Automobile gründeten sich spezialisierte Geschäfte, die Benzin, Petroleum, später Leichtöl (Diesel) für Automobile verkauften. Unternehmer hatten eine Marktlücke erkannt und handelten. Dabei gab es kein Henne-Ei-Problem, wie man es heute für die Ladeinfrastruktur der E-Mobilität zu erkennen glaubt.
Subventionierter „Hochlauf“
Der Energiemix auf der Straße wandelt sich. Batterieelektrische Fahrzeuge haben große technische Fortschritte gemacht. Ihr starker Zuwachs resultierte jedoch nicht aus einem umfassenden technischen, praktischen oder finanziellen Vorteil gegenüber den Verbrennern, sondern aus staatlichen Vorgaben und ihrer konkreten Ausgestaltung, der Subventionierung des Kaufpreises und der Steuerfreiheit. Da es keinen marktwirtschaftlich getriebenen „Hochlauf“ gibt und die Ladesäulen hohe Investitionskosten verursachen, die von steigenden Strompreisen begleitet werden, rechnen sich auch die meisten Stromtankstellen nicht. Dennoch werden sie in großer Zahl gebaut, meist mit Fördermitteln, manchmal aus PR-Gründen von den Versorgern. Wäre der Betrieb von Ladesäulen profitabel, würden sie marktgetrieben installiert und die Theorie vom Henne-Ei-Problem würde nicht strapaziert.
Damit die Elektrifizierung des Straßenverkehrs aus Gründen des vermeintlichen „Klimaschutzes“ schnell gehen möge, gründete man eine „Nationale Leitstelle Ladeinfrastruktur“ mit mehr als 200 Beschäftigten – es gibt noch offene Stellen. Die „nationale Leitstelle“ bedeutet zentralistisches Handeln im Sinne einer zunehmenden Öko-Staatsplanwirtschaft. Technische Fortschritte können auch hier nicht vorausgesehen werden und so kommt es, dass entgegen medialer Klagen die Anzahl der Ladesäulen zu hoch statt zu niedrig ist. Wie kann das sein?
Zum einen ist dies die Folge der eingebrochenen Absatzzahlen der E-Fahrzeuge, zum anderen eines geänderten Ladeverhaltens. Die aktuellen Fahrzeugmodelle haben größere Reichweiten, werden dadurch seltener und dann meist an den Schnellladesäulen geladen. Die Ladestationen der ersten Generation werden zunehmend nicht genutzt. Zudem vermeiden viele Fahrer wegen stark gestiegener Strompreise die öffentlichen Säulen. Auf Langstrecken müssen die Fahrer zwangsläufig an die Ladesäulen verschiedener Anbieter und sich mit verschiedenen Preisen pro Kilowattstunde, verschiedenen Grundgebühren, eventuellen Gebühren für die Ladezeit und Blockiergebühren herumschlagen. Dazu kommen verschiedene Bezahlsysteme über App, Bezahlkarte oder Kreditkarte. Die Strompreise beginnen bei 49 Cent pro Kilowattstunde und reichen bis etwa zum Doppelten des Haushaltsstrompreises. Schon das ist ein Grund, zu Hause den Strom zu ziehen, vor allem, wenn eine PV-Anlage auf dem Dach liegt und ein Stromkanister im Keller steht.
Diese Entwicklung hat die „Nationale Leitstelle“ offenbar nicht vorhersehen können. man verfolgt nach wie vor den „Masterplan Ladeinfrastruktur II“ und hält an der Zielzahl von einer Million öffentlicher Ladepunkte bis 2030 fest. Offensichtlich werden sich diese Ladepunkte nicht rechnen, weshalb die Verluste als Kosten den Kommunen übergeholfen werden sollen. Vor dem Hintergrund des staatlichen Unfehlbarkeits-Anspruchs von Minister Habeck („Der Staat macht keine Fehler“) sieht die ökonomische Perspektive Deutschlands sehr trübe aus. Wirtschaftlichkeit spielt keine Rolle mehr. Die postulierte Unfehlbarkeit des Staates basiert auf dem Allwissensanspruch der regierenden Parteien und erinnert fatal an „Die Partei hat immer Recht“aus SED-Zeiten. Im Link die Originalversion mit Ernst Busch, als Hörerlebnis dringend zu empfehlen.
Keine Reichsleitstelle
Warum gab es nach 1888 keine „Reichsleitstelle Tankstellen“, keinen „Reichsbeauftragten“ zur Versorgung von Automobilen mit Benzin? Warum mussten Kaiser Wilhelm II. und Reichskanzler Fürst von Bismarck nicht eingreifen? Die Antwort ist, dass Technologieentwicklung immer am freien Markt stattfindet. Sie wird teilweise durch staatliche Förderungen begünstigt, teils auch reguliert. Entscheidend ist aber das Wolfsgesetz, dass nur den Unternehmen eine Zukunft gibt, die innovativ am Markt sind und Kundenwünsche am besten bedienen können. Sie verschwinden, wenn sie ihre Produkte nicht weiterentwickeln und/oder bessere zu günstigen Preisen anbieten können. Das E-Mobil ist in der Gesamtbetrachtung kein besseres Produkt.
Es ist ein Markenzeichen rotgrüner Wirtschaftspolitik, politische Festlegungen zu treffen, welches die Technologien der Zukunft sein sollen. Dabei kann man natürlich nur auf heutiges Wissen zurückgreifen und Technologieentwicklungen der Zukunft nicht voraussehen. So kommt es, dass einige Technologien von heute zum Königsweg für die Zukunft festgeschrieben werden sollen. Auch Kinder, Enkel und Urenkel sollen künftig damit zufrieden sein. So gelten für die Stromversorgung Wind und Solar, für die Heizung die Wärmepumpe und für die Mobilität das batterieelektrische Auto als Endstadium der vorgesehenen Technologieentwicklung.
Die Festlegungen stammen von ökoplanwirtschaftlich veranlagten Politikern, zum Teil ohne jeden Berufs- oder Studienabschluss, zumeist energiewirtschaftlich fachfremd, von Juristen, Philosophen, Beamten, Psychologen, Soziologen, Funktionären. Viele von ihnen würden ohne den Politikbetrieb kaum ein wirtschaftliches Bein auf die Erde bekommen. Sie maßen sich aber an, zum Beispiel mit dem Kohleverstromungsbeendigungsgesetz (KVBG) einen 17-Jahresplan mit Tag genau festgelegten Abschaltterminen für Braunkohlekraftwerke zu beschließen. Selbst die (fachlich gebildeten) Kommunisten der realsozialistischen staatlichen Plankommission der DDR wagten nicht, über Fünfjahrespläne hinauszugehen. Sie wussten im Gegensatz zu den Selbstüberschätzern von heute, dass die Vorhersagbarkeit künftiger Entwicklungen schwierig ist. Heute hofft man auf die Segnungen künstlicher Intelligenz, von der man wenig weiß, die man zuerst aber regulieren will. Wir haben keinen Mangel an künstlicher, sondern an natürlicher Intelligenz.
Zu der unsäglichen Arroganz heutiger Entscheider gesellt sich der typisch deutsche Bauchnabelblick, der eine Sicht über den Tellerrand verhindert. Schon die Tatsache, dass Deutschland das einzige nennenswerte (Noch-) Industrieland ist, dass die Kernenergie nicht nutzt, sogar aus ihr ausgestiegen ist, sollte zum tiefen Nachdenken anregen. Lieber hört man auf NGOs und interessengeleitete Institute und deren Chor „wir brauchen mehr Erneuerbare“. Der Unwille, Fakten aufzunehmen, verbunden mit einer zu vermutenden eklatanten Rechenschwäche verhindert die Einsicht, dass auch ein maximierter Ausbau der „Erneuerbaren“ auf jedem Quadratmeter unseres Landes zur Energieversorgung nicht taugt. Dass es unbezahlbar wäre, wird standhaft ignoriert, schließlich ist es kein eigener durch die Diätenerhöhungsautomatik abgesicherter Geldbetrag.
Risiko Mensch
„Der Mensch steht im Mittelpunkt“, lautete eine These im Realsozialismus. „Und damit immer im Weg“, ergänzte der Volksmund. Der Klimaweltrettung von deutschem Boden aus steht der Mensch mit seinen Kaufentscheidungen wieder im Weg. Dagegen sollte das Verbrennerverbot helfen, das absehbar aber fallen wird. Ob der bereits eingetretene Schaden für die deutsche Automobilindustrie reparabel sein wird, ist eine offene Frage. Im Zerstören sind die Deutschen gründlich. Die Jamaikaner sind grundlos glücklich, sagt man. Die Deutschen sind glücklos gründlich.
Heute gibt es eine „Bertha Benz Memorial Route“, auf der man ihre abenteuerliche Reise nachvollziehen kann. Es ist eine Reise in die Vergangenheit, als die Ideen von pfiffigen Erfindern und Konstrukteuren noch nicht verhindernden Verboten unterworfen waren. Dieser erfolgreiche Teil der Geschichte wird in künftigen durchregulierten Verhältnissen nicht wiederholbar sein. Und der mündige Bürger wird, solange er kann, staatlichen Vorgaben im Weg stehen.
Es braucht wieder findige und starke Männer und Frauen, vor allem tatkräftige Berthas, von Mikroaggressionen geplagte Quotilden werden uns nicht helfen.
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