Die Entwicklung der Windgeschwindigkeit in Deutschland während des aktuellen Klimaoptimums seit 1988 – Schlussbetrachtungen
Die große Deutschland-Zusammenschau: Windgeschwindigkeitsabnahme im Nordosten, Zunahme im Südwesten
Stefan Kämpfe
Bislang wurde in einer siebenteiligen Serie über die Entwicklung der Windgeschwindigkeit in den deutschen Großlandschaften von der Küste bis zu den Alpen berichtet, anschließend erfolgte Selbiges für die Niederlande. Leider fehlen nach wie vor langfristige Winddaten für die meisten Nachbarländer Deutschlands. Abschließend sollen nun die Bundesländer und Deutschland insgesamt betrachtet werden.
Einführung
Nicht umsonst wurden in der siebenteiligen Deutschland-Serie zur Windgeschwindigkeit nicht die Bundesländer, sondern geografische Regionen betrachtet, denn viele Bundesländer sind orografisch sehr inhomogen. Hier soll trotzdem der Versuch unternommen werden, Vergleiche auf der Basis der Ländermittel zu wagen. Die Windgeschwindigkeitsmittel der Länder lassen sich, wenngleich mit beträchtlichem Zeitaufwand, hier ermitteln. Sie berücksichtigen leider weder Stationsfehler noch Verzerrungen, welche durch das Eröffnen oder Schließen von Stationen während des Betrachtungszeitraumes entstehen – deshalb sind sie nur unter Vorbehalt zu betrachten!
Windiger Norden – windschwacher Südosten
Betrachten wir zunächst die mittlere jährliche Windgeschwindigkeit 1988 bis 2023 nach Bundesländern. Sie bietet keine Überraschung. Einem windigen Norden steht ein windschwächerer Süden gegenüber – was Befürworter eines verstärkten Ausbaus der Windkraftnutzung in Süddeutschland nachdenklich stimmen sollte (Kubisches Gesetz). Am windschwächsten schneidet das fernab der Meere gelegene und von Gebirgen umrahmte Bayern ab.
Trendbetrachtung nach Bundesländern und nach Stationen
Was sich schon in den regionsbezogenen Betrachtungen andeutete, wird nun zur Gewissheit – die Windgeschwindigkeit schwächte sich im Nordosten Deutschlands merklich ab und nahm im Südwesten leicht bis merklich zu.
Für das nachweislich fehlerhafte Landesmittel Thüringen wurde zum Vergleich das Verhalten von sieben seit 1989 verfügbaren Stationen ermittelt. Wie vermutet, zeigte sich statt der leichten Zunahme des Landesmittels eine leichte Windabnahme. Auf eine Prüfung aller Bundesländer wurde aus Zeitgründen verzichtet.
Nun sollen noch ein paar Ländermittel grafisch verglichen werden. Wegen des Zeit- und Kapazitätsmangels wurden hierfür die mehr oder weniger fehlerhaften Landesmittel-Datensätze verwendet.
Sehr unterschiedliches Windverhalten in Deutschland – warum?
Um es vorweg zu nehmen: Die schlechte Datenqualität, der nur 36ig-jährige Betrachtungszeitraum, fehlende Vergleichsdaten aus den Nachbarländern Dänemark, Polen, Tschechien, Schweiz, Frankreich und Belgien sowie die Komplexität der möglichen Zusammenhänge lassen keine eindeutige, zweifelhafte Beweisführung zu. Wie notwendig hierfür längerfristige Messreihen gewesen wären, zeigt eine der ganz wenigen Stationen mit einer mehr als 60ig-jährigen Messreihe – der Brocken. Diese über eintausend Meter hohe Gipfelstation im Harz an der Landesgrenze Sachsen-Anhalt/Niedersachsen ist aber vermutlich erstens auch nicht ganz fehlerfrei, und zweitens für Deutschland nicht repräsentativ.
Naheliegend sind also Windgeschwindigkeitsbeeinflussungen durch AMO und NAO, welche zur Mitte des vorigen Jahrhunderts ein der heutigen Zeit grob ähnliches Verhalten zeigten (AMO-Warmphase und teilweise Dominanz negativer NAO-Werte mit gehäuften Meridionallagen). Und auch der ab Ende der 1990er Jahre sehr massive Windkraftausbau in Norddeutschland und Holland könnte eine Rolle gespielt haben. Weil in Holland viele Off-Shore-Anlagen errichtet wurden, nahm dort möglicherweise der Wind an Land stark ab (Leewirkung) – die weiter entfernten Bundesländer Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein waren davon weniger betroffen, aber weil in ihnen selbst sehr viele On-Shore-Anlagen errichtet wurden, entstand nun eine Leewirkung für die östlichen Bundesländer. Auch der in manchen Regionen (Holland, Nordostdeutschland) eingetretene Windsprung abwärts zur Jahrtausendwende deutet auf einen Einfluss der Windkraftnutzung hin. Als letzter ernsthaft Verdächtiger kommt die Häufigkeitsänderung bestimmter Großwetterlagen in Betracht. Unser aktuelles Klimaoptimum zeichnete sich (bislang) durch eine Häufung so genannter Meridionallagen aus, das sind alle Nord-, Ost- und Südlagen. Diese sind meist windschwächer als die Lagen mit westlichem Strömungsanteil, von denen sich nur die Südwestlagen in fast allen Monaten häuften, während West- und Nordwestlagen nur im Winter häufig blieben, in den übrigen Jahreszeiten aber merklich seltener auftraten. Doch gerade die West- und Nordwestlagen sind in Nord- und Nordostdeutschland die windigsten. Und seltener wurden auch die Zentralhochlagen, welche besonders in Süddeutschland sehr windschwach verlaufen, während hier die etwas häufigeren Ostwetterlagen meist mehr Wind bringen, als in Norddeutschland.
Zusammenfassung
Trotz erheblicher Datenmängel und Datenlücken konnte Folgendes gezeigt werden:
- Tendenziell nahm die Windgeschwindigkeit seit 1988 über Nordostdeutschland ab und über Südwestdeutschland zu.
- Trotz dieser Tendenzen bleibt Südostdeutschland merklich windschwächer, als der Norden.
- Langfristig unterliegt die Windgeschwindigkeit vermutlich Schwankungen, welche von NAO und AMO abhängig sind.
- Die Häufigkeitsverhältnisse bestimmter Großwetterlagen und die Windkraftnutzung beeinflussen mit hoher Wahrscheinlichkeit die Entwicklung der Windgeschwindigkeit. Unter anderem wegen der Lee-Wirkung der Windkraftanlagen nahm die Windgeschwindigkeit in bestimmten Regionen ab.
- Nicht nur von Minute zu Minute, Stunde zu Stunde oder Tag zu Tag schwankt die Windgeschwindigkeit enorm, sondern auch von Jahr zu Jahr. Wegen des Kubischen Gesetzes hat das massive Auswirkungen auf die per Windkraft erzeugbaren Strommengen. Es ist daher grob fahrlässig, die Windkraftnutzung zur tragenden Säule der Energieerzeugung auszubauen – zumal sie erhebliche klimatische Auswirkungen hat und sich wesentliche Klimaschutzziele damit nicht erreichen lassen.
Stefan Kämpfe, Diplom- Agraringenieur, unabhängiger Natur- und Klimaforscher