Die Entwicklung der Windgeschwindigkeit in Teilen Deutschlands im aktuellen Klimaoptimum seit 1988 – Teil 2
Teil 2: Wozu brauchen wir den Wind?
Stefan Kämpfe
Bevor wir ab dem dritten Teil in die Auswertung der Ergebnisse zur Windstärke-Entwicklung einsteigen, soll erst einmal die überragende Bedeutung des Windes gewürdigt werden. Die Energiewende-Phrasen „Der Wind weht umsonst“ oder „Der Wind schickt uns keine Rechnung“ sind leider unzutreffend. Laut Naturschutzgesetzgebung sind vermeidbare Eingriffe in Natur und Landschaft zu unterlassen, dazu gehört auch die Atmosphäre. Unvermeidliche Eingriffe sind mittels Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen zu kompensieren – doch wie soll der massive Entzug von kinetischer Energie der Atmosphäre durch die Windenergienutzung ausgeglichen oder ersetzt werden? Um nicht falsch verstanden zu werden – eine maßvolle Windenergienutzung ist sicher möglich. Aber erstens wird Windkraft unsere Energieprobleme höchstens mindern und nicht lösen – und zweitens deuten sich schon jetzt wesentliche Klimaänderungen, verursacht durch ein Zuviel an Windkraftnutzung, an.
Ohne Wind kein Wetter und Klima!
Wir machen folgendes Gedankenexperiment: Die Erde habe zwar ihre normale Atmosphäre, aber die Luft sei völlig unbeweglich. Wie würde die Temperaturverteilung aussehen? Es wäre in den Tropen für das Leben zu heiß und in unseren Breiten viel kälter, als mit Wind.
Nicht nur großräumig, auch regional gleicht der Wind Temperaturunterschiede aus. Den Seewind und den Bergwind wollen wir uns merken, weil diese bei den Interpretationen der Ergebnisse zur Windgeschwindigkeitsentwicklung zu berücksichtigen sind. Nicht umsonst liegen viele Kurorte an den Küsten oder an den Gebirgsrändern, weil dort der kühlende Wind die heißen Sommer erträglicher macht, und es ist sicher keine gute Idee, diese wichtigen Regionalwinde mittels übermäßiger Windkraftnutzung zu sehr zu schwächen.
Quasi als Nebenprodukt dieser Studie wurde punktuell die Frage untersucht, ob sich die ausgleichende Wirkung des Windes auch in Deutschland nachweisen lässt. Windige Winter müssten tendenziell wärmer, windige Sommer eher kühler sein – vor allem abseits der Gebiete mit See- oder Bergwind. Zumindest im Nordostdeutschen Binnentiefland ist dieser Zusammenhang tatsächlich gut erkennbar.
Allerdings ist dieser gezeigte Zusammenhang bei weitem nicht überall so deutlich, wie in Brandenburg, aber doch meist erkennbar. Der Wind hält aber nicht bloß die Temperaturen erträglich, denn nur er kann das über Seegebieten verdunstende Wasser als Wasserdampf, Wolken und Niederschlag auf das Festland transportieren – ohne den Wind wäre alles Land so trocken, wie der Wüstenplanet Mars.
Der Wind als Diener der Pflanzen- und Tierwelt – ohne Wind kein Brot!
Zahllose Pflanzenarten und Gehölze sind Windbestäuber, dazu gehören auch einige unserer wichtigsten Kulturpflanzen, nämlich die Getreidearten und alle anderen Gräser (als Tierfutter wichtig). Der Wind überträgt auch alle Duft- und Lockstoffe (Pheromone), diese sind unter anderem für viele Insekten in der Paarungszeit essentiell. Viele Samen (Ahorne, Pappeln, Kiefern, Fichten, Birken…) sind flugfähig – der Wind sorgt für eine rasche Wiederbegrünung kahler Bodenflächen. Auch die meisten Pilzsporen werden vom Wind verbreitet. Oft sind auch Insekten- und Vogelarten bei ihren Wanderungen auf Windunterstützung angewiesen. Tiere mit hervorragendem Geruchssinn (Hunde, Wildschweine, Rehe, Hirsche…) werden per Wind vor Feinden gewarnt (Geruch) oder finden mit dem Wind ihre Beute oder Nahrung – sofern er richtig steht. Auch die auf den ersten Blick zerstörerischen Stürme bewirken viel Gutes: Sie fällen altersschwache, kranke Bäume, befreien die übrigen von kranken Ästen oder Totholz und rütteln ihre Wurzelteller durch, was den Boden lockert und die Sauerstoff-Versorgung der Wurzeln verbessert. Der Wind wirbelt aber auch den an Mineralstoffen reichen Sahara-Staub auf und „düngt“ damit den Atlantik und den Amazonas-Wald, der ohne diese Mineralien verkümmern würde. Er facht auch Brände an, die auf den ersten Blick zerstörerisch sind, aber neue Lebensräume schaffen und zur Waldverjüngung beitragen – manche Baumarten keimen nur nach Feuern. Kurzum – in der Natur erfüllt der Wind zahllose Funktionen.
Der Wind als Landschaftsgestalter
Der Wind im Dienste des Menschen: Das Kubische Gesetz als Spaßbremse
Spätestens in der Antike lernte der Mensch, den Wind zu nutzen (Segelschiffe, Mühlen, Ballone, Drachen, seit etwa 1920 auch Segelflugzeuge). Doch ein Problem blieb bis in unsere Tage bestehen – sein unstetes Verhalten. Pausiert er, können Segelschiffe nicht fahren, Mühlen nicht mahlen und Windkraftanlagen (WKA) keinen Strom liefern. Aber es kommt noch schlimmer – Windräder können selbst bei Wind nur in einem bestimmten Geschwindigkeitsbereich gleichbleibende Strommengen liefern. Ein Blick auf die Leistungskurve einer typischen Anlage verdeutlicht das:
Dem sehr windschwachen Jahr 2021 werden wir im Rahmen dieser Serie über die Entwicklung der Windgeschwindigkeit noch öfter begegnen – es zeigt die Grenzen der Windenergieerzeugung auf, denn trotz Zubau ging damals die erzeugte Windstrommenge erstmals stark zurück – ein Warnsignal.
Wie wir im dritten Teil sehen werden, mehren sich die Anzeichen für eine merkliche Abnahme der Windgeschwindigkeit in manchen Regionen Deutschlands. Es scheint, als sei der Wind doch keine unerschöpfliche Energiequelle – die Natur zeigt uns einmal mehr unsere Grenzen auf.
(wird fortgesetzt)
Stefan Kämpfe, Diplom- Agraringenieur, unabhängiger Natur- und Klimaforscher