Scheuklappen und Landeklappen – Annalena auf dem Weg nach Fidschi
von Hans Hofmann-Reinecke
Um es vorweg zu nehmen, hier soll keineswegs die Sinnhaftigkeit der Reisetätigkeit einer Außenministerin in Frage gestellt werden, denn sie fliegt ja nur zum Wohle des deutschen Volkes um die Welt. Dafür müssen Umwelt und Steuerzahler die eine oder andere Kröte schlucken. So etwa auf dem Flug Richtung Australien zu Beginn dieser Woche. Da wurden größere Mengen Treibstoffs in die Luft abgelassen. Mußte das denn sein?
Oben schnell und unten langsam
Wenn die Strömung der Luft um ein Flugzeug herum genügend Auftrieb erzeugt, um sein Gewicht zu tragen, dann fliegen wir. Dieser Auftrieb hängt hauptsächlich von Größe und Gestalt der Tragflächen ab, und er nimmt mit dem Quadrat der Geschwindigkeit zu. Dreifache Geschwindigkeit heißt also neunfacher Auftrieb – ceteris paribus.
Im Reiseflug soll ein Flieger schnell sein, etwa 870 km/h; am Boden, bei Start und Landung aber möglichst langsam – sagen wir ein Drittel davon, also 290 km/h. Der Auftrieb wäre bei dieser Geschwindigkeit aber nur noch 1/9 = 11% des Auftriebs im Reiseflug – und beides mal soll der ganze Flieger in der Luft bleiben?
Das funktioniert nur deshalb, weil die Luft am Boden etwa viermal so dicht ist wie oben, weil der Pilot die Nase des Fliegers bei Start und Landung nach oben nimmt, und weil Auftriebshilfen, vulgo „Landeklappen“, ausgefahren werden, die für zusätzlichen Auftrieb sorgen – aber auch für mehr Luftwiderstand.
Landeklappen auch zum Start
Besagte Auftriebshilfen sind auch beim Start nötig, denn auch da ist das Flugzeug ja noch langsam. Wenn es dann aber auf Strecke geht, dann sind die Dinger hinderlich, weil sie enorm bremsen. Deswegen fährt sie der Pilot nach dem Abheben schrittweise wieder ein, was für den Passagier durch ein gesundes Surren bemerkbar wird, und im Cockpit durch eine Anzeige.
Falls das Surren ausbleibt, dann haben wir Pech gehabt – keine Chance den Flug fortzusetzen, man würde das Ziel niemals erreichen, weil die Klappen zu sehr bremsen. Man kehrt also zum Ausgangsort zurück. Da aber – aus diversen Gründen – das maximal zulässige Abfluggewicht deutlich über dem maximalen Landegewicht liegt, ist die mit Sprit vollgepumpte Maschine jetzt zu schwer. Um das zu korrigieren wirft man nicht etwa Passagiere oder Gepäck ab, sondern Treibstoff.
Im Fall von Annalenas Flug waren das, nach Presseberichten, 80 Tonnen. Und das sogar zwei Mal, denn die Reparatur nach der ersten abgebrochenen Reise war erfolglos! Zweimal hintereinander dasselbe Spektakel, welches so manchem Flieger in seiner ganzen Karriere kein einziges Mal passiert.
Teurer Regen
Da wurden dann also aus ca. 2.000 m Höhe 2 x 80 Tonnen Kerosin abgeworfen, die in der Luft evaporierten, also nicht als Regen unten ankamen, die aber letztlich ihren Weg finden werden, um sich in CO2 und H2O zu verwandeln.
Der Preis pro Tonne für die Airline – in diesem Fall die Bundeswehr – beträgt ca. $600. In diesem Fall wurden also gerade mal
2 x 80 t x 600 $/t ≈ $100.000 ≈ €100.000
In die Luft gepustet. Dafür muß dann ein braver Arbeiter zehn Jahre lang seine Steuern abdrücken. So geht Gerechtigkeit.
Und noch etwas: Besagte 160 t Kerosin sind umgerechnet etwa 200.000 Liter. Ein sparsamer Dieselfahrer käme damit drei Millionen Kilometer weit, und 200 sparsame Dieselfahrer könnten damit ihren Jahresbedarf decken, bzw. sie müßten vom Auto aufs Lastenfahrrad umsteigen, um Annalenas Flugpannen klimamäßig zu kompensieren.
Das ist nicht schön. Aber man hat uns ja freundlicher Weise Scheuklappen verpaßt, damit wir all das Leid nicht sehen müssen.
Dieser Artikel erschien zuerst im Blog des Autors Think-Again. Sein Bestseller „Grün und Dumm“ ist bei Amazon erhältlich.