Fakten zum Gesetzentwurf „Neustart der Digitalisierung der Energiewende“
von Prof. Dr. Alwin Burgholte
Was soll das Gesetz bewirken?
Zitat: Die Daten zu Erzeugung, Verbrauch und Netzzustand sollen besser als bisher Netzbetrieb, Netzplanung und Strombelieferung unterstützen, auch auf Basis von dynamischen Stromtarifen….
Die Netzbetreiber werden zugleich stärker an der Kostentragung beteiligt. Denn sie profitieren in besonderer Weise vom Rollout der intelligenten Messsysteme: Im künftigen Energiesystem hängt die Systemstabilität maßgeblich von einer flächendeckenden Beobachtbarkeit und Steuerbarkeit der fluktuierenden Erzeuger und Verbraucher in den Verteilernetzen ab.….
Dynamische Stromtarife ermöglichen es Letztverbrauchern, ihren Strombezug in kostengünstigere Zeiten mit hoher Erzeugung erneuerbarer Energien zu verlagern….
Technische Fakten werden ignoriert, erforderliche Konsequenzen werden nicht gezogen.
Wind- und Solaranlagen speisen wetterabhängig stark schwankende Leistung ins Netz. Die Voraussetzung dafür ist ein frequenzstabiles Netz und das die Leistung über die verfügbaren Leitungen auch abführen kann. Die Netzstabilität können nur die konventionellen Kraftwerke garantieren. Dafür müssen sie eine Mindestleistung von ca. 25% bis 35% der erforderlichen Verbraucherleistung einspeisen. Begründung: Die gespeicherte Energie in den rotierenden mechanischen Massen der Generatoren und Turbinen stützen das Netz und sind in der Lage, bei Netzkurzschlüssen die erforderlichen Kurzschlussströme zur Auslösung der Sicherheitselemente (Sicherungen und Leistungsschalter) zu liefern. Wind- und Solaranlagen sind dagegen stromgeregelt, auch bei Kurzschlüssen liefern sie nur den eingestellten Nennstrom.
Sogenannte Dunkelflauten treten dann auf, wenn zu wenig Wind und Sonne verfügbar sind. Die Bundesnetzagentur stuft die Leistungsverfügbarkeit aus Windanlagen mit 1% und aus Solaranlagen mit 0% ein. Dunkelflauten treten regelmäßig, auch großflächig in Deutschland und europaweit auf. Derzeit können in diesen Zeiten nur konventionelle Kraftwerke und Importe die Stromversorgung sichern. Die erforderlichen großen Speicher im Gigawattstundenbereich (GWh) für Wind- und Solarleistung sind nicht verfügbar und auch für die nächsten zehn Jahre nicht absehbar. Es müssten dafür Elektrolyseure im Gigawattbereich gebaut werden, um aus Ökostrom Wasserstoff zu produzieren. Um daraus elektrische Leistung zu erzeugen, müssten dann noch über 50 neue Gaskraftwerke á 800 MW gebaut werden.
Um eine Vorstellung von den Größenordnungen zu erhalten, einige Beispiele: Februar 2023: An 14 Tagen lag die Einspeiseleistung von Wind- und Solaranlagen bei etwa 10% der installierten Leistung von 133,6 GW. Der Leistungsbedarf schwankte zwischen 80 GW und 42 GW.
Die mögliche Einspeiseleistung von Windanlagen hängt von der dritten Potenz der Windgeschwindigkeit ab. Bei Windstärke 3, ca. (3,4 -5,4) m/s, laufen die Anlagen an. Dabei liegt die Einspeiseleistung bei ca. 10% der Nennleistung. Ab Windstärke 5, das sind. (8 -10,7) m/s, werden ca. 21,1% bis 30% erreicht. Die Nennleistung wird ab Windstärke 6 erreicht, s. Leistungskennlinie Windanlage ENERCON E 126, 7,58 MW.
https://www.enercon.de/de/produkte/ep-8/e-126/
Die Windgeschwindigkeiten sind in Mitteleuropa unterschiedlich verteilt, wie der Windatlas zeigt:
https://www.forwind.de/de/presse/news/20190702neuer-windatlas-fur-europa-fertiggestellt/
Danach ist die Forderung unsinnig, in Süddeutschland, bei unter 6 m/s durchschnittlicher Windgeschwindigkeit, mehr Anlagen aufzubauen.
Gesicherte Stromversorgung bedeutet, dass zu jeder Zeit die erforderliche Leistung in kW zur Verfügung steht. Die Energieangaben in Kilowattstunden (kWh) sagen darüber nichts aus. Die Angabe, „der Windpark würde xy Haushalte mit Strom versorgen“, ist technisch falsch; denn wenn kein Wind weht, wird auch kein Haushalt versorgt.
März 2022:
Einspeiseleistung von Wind- und Solaranlagen an 13 Tagen kleiner 10 GW bei 122 GW installierter Leistung:
Der massive Ausbau der Wind- und Solaranlagen ändert an dem Zustand der Unterdeckung kaum etwas. Wenn kein Wind weht, dann helfen auch mehr Windanlagen nicht. Eine Hochrechnung der installierten Wind- und Solarleistung auf die geplanten 400 GW bis 2030 zeigt, dass damit das Problem der Unterdeckung nicht gelöst werden kann.(Quelle: https://www.vernunftkraft-odenwald.de/grafiken-von-rolf-schuster-zur-energiewende/)
Quelle: https://www.agora-energiewende.de/service/agorameter/chart/power_generation/01.03.2022/31.03.2022/today/
Damit wird der Vorgabe des §1 ENWG Abs. 1) „Zweck des Gesetzes ist eine möglichst sichere, preisgünstige, verbraucherfreundliche, effiziente, umweltverträgliche und treibhausgasneutrale leitungsgebundene Versorgung der Allgemeinheit mit Elektrizität, Gas und Wasserstoff, die zunehmend auf erneuerbaren Energien beruht“ widersprochen; denn Wind und Solarleistung sind weder sicher noch preisgünstig.
Ohne verfügbare Großspeicher kann eine Digitalisierung auch nicht helfen. Die 31 Pumpspeicherwerke in Deutschland könnten täglich für 4 bis 8 Stunden etwa 6,7 GW liefern, vorausgesetzt, dass sie auch täglich wieder aufgefüllt werden. Die Gesamtspeicherkapazität beträgt 37,4 GWh. Täglich werden in Deutschland ca. 1300 GWh benötigt. Batteriespeicher sind aufgrund ihrer geringen Speicherkapazität nur zur Überbrückung von Stunden geeignet.
Das Gesetz will die Energiezuteilung verlagern. Das entspricht einem Einstieg in die Energie-Planwirtschaft. Darüber hinaus ist ein Eingriff in die Erzeuger- und Verbraucherstruktur mit den schon installierten Smart Metern derzeit nicht möglich. Die alten Smart Meter müssten gegen die neuen ausgetauscht werden. Das verursacht erhebliche Kosten.
Die gesetzliche Zielvorgabe „Beschleunigte Einführung dynamischer Stromtarife, verpflichtend ab 2025 für sämtliche Lieferanten und Letztverbraucher“ hat folgende Konsequenzen:
- Für Verbraucher, die auf eine gesicherte konstante Stromversorgung angewiesen sind, ist keine Planungssicherheit für die Produktionskosten mehr möglich. Eine vermehrte Nutzung der günstigeren Strompreise ist für einen konstanten Produktionsprozess auch nicht möglich.
- Die Mehrheit der Kleinverbraucher, Haushalte werden den Strom wie bisher nach konkreten Bedarf beziehen. Wie sollte eine Überwachung der Stromtarife von ihnen erfolgen? Und kann z. B. der Betrieb einer Wasch- oder Geschirrspülmaschine um Tage verschoben werden?
Die Aussage „Das Gesetz ist erforderlich, um die für die Energiewende notwendige Digitalisierung des Energiesystems zu beschleunigen, zu entbürokratisieren und die Rechtssicherheit beim Smart-Meter-Rollout zu stärken“ bedeutet ausschließlich die politischen Interessen zur Umsetzung der Energiewende zu befriedigen und dieses in einer nicht zu realisierenden kurzen Übergangsfrist. Technische Fakten und Marktbedingungen werden nicht berücksichtigt. Das ist auch der Grund, dass viele Betriebe nicht mehr in Deutschland investieren sondern ins Ausland abwandern. Es ist doch bemerkenswert, dass kein europäisches Land unserer Energiepolitik folgt.
Im Kapitel „Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand“ wird der erforderliche jährliche Finanzbedarf von 3 454 671 € aufgeführt. Hinzu kommen noch die Mehrkosten für Installation und Betrieb der Smart Meter und weitere Kosten für Forschungsvorhaben, mit denen sich ja die außeruniversitären Institute gern finanzieren.
Weil der geplante massive Ausbau von Wind- und Solaranlagen weder das Problem der Unterdeckung löst, dafür aber neue Probleme mit der erzeugten Überschussleistung schafft, die z.T. verschenkt oder mit negativen Strompreisen entsorgt werden muss, ist die eingeplante Finanzierung nicht gerechtfertigt. Dringender müsste in den Aufbau von Elektrolyseuren und neuer Gaskraftwerke investiert werden. Auch wird Deutschland nicht auf den Einsatz der neuen Kernkraftwerke vierter Generation verzichten können. Diese Anlagen sind inhärent sicher und können die als Atommüll bezeichneten Reststoffe der Kernkraftwerke über hundert Jahre verbrennen. So investieren auch unsere europäischen Nachbarn.
Politische Verantwortung: Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klima hat am Parlament vorbei direkte erhebliche Einflussmöglichkeiten auf die Bundesnetzagentur, Netzbetreiber und Verbraucher. Benutzt werden dafür planwirtschaftliche Methoden, die bisher in keiner Volkswirtschaft funktioniert haben.
Fazit:
Mit dem Gesetz soll das alte Schlagwort „Spitzenglättung“ umgesetzt werden. Der massive Ausbau der regenerativen Erzeuger wird ohne verfügbare Elektrolyseure im GW-Leistungsbereich und den Bau neuer Gaskraftwerke (über 50 Anlagen á 800 MW) keine Verbesserung erbringen. Mangels verfügbarer Leistungserzeuger kann die Digitalisierung der Netze keine Lösung bieten. Durch den Mehrbedarf für die EMobilität und den vermehrten Einsatz von Wärmepumpen wird eine gesicherte Stromversorgung mehr gefährdet. Auch ein gesteigertes Importieren elektrischer Leistung von unseren europäischen Nachbarn kann keine Abhilfe leisten. Die erforderlichen Übertragungsleitungen stehen nicht zur Verfügung. Es wird heute schon eine Versorgungslücke für das Jahr 2025 prognostiziert. Das vorzeitige Abschalten der Kohlekraftwerke bis 2030 wird mit Sicherheit nicht ausführbar sein, wenn nicht die gesamte Stromversorgung zusammenbrechen soll.
Die Verantwortung tragen Sie als Abgeordnete, die entsprechend ihres geleisteten Eids „zum Wohle des deutschen Volkes“ entscheiden müssen. Diese Verantwortung wird Ihnen keiner abnehmen können.
Prof. (i. R.) Alwin Burgholte, Wilhelmshaven, E.-Mail: aburgholte@gmail.com
Die Anhörung kann hier in der Mediathek des Deutschen Bundestages abgerufen werden.