Südafrika ohne Strom – und ohne Zukunft?

von Hans Hofmann-Reinecke

In den südafrikanischen Kohlerevieren operieren mafiaähnliche Verbrechersyndikate, die Anlagen sabotieren, um dann lukrative Reparaturverträge einzustreichen. Mordkommandos sorgen dafür, daß Werksleiter die Sabotagen „ignorieren“, und sie ermorden konkurrierende Auftragnehmer, die ihrerseits Angebote für die Reparatur einreichen.

Mission Impossible

Andre de Ruyter, der ehemalige Chef des südafrikanischen Stromversorgers, ist aus dem Land geflohen, nachdem er das Ausmaß der Korruption in dem angeschlagenen staatlichen Unternehmen Eskom offengelegt hatte. Dort war er 2020 als Vorstandsvorsitzender eingesetzt worden und sollte für die Beendigung der landesweiten Stromausfälle sorgen. Die Situation hat sich allerdings seither nur verschlechtert; derzeit gibt es bis zu zehn Stunden „Loadshedding“ pro Tag.

Und das kam so:

Südafrikas Strom wird fast ausschließlich in Kohlekraftwerken produziert, viele davon sind uralt und mangelhaft gewartet. Zu de Ruyters Amtsantritt war fast die Hälfte außer Betrieb.

Er stand nun vor einer „mission impossible“. Er sollte einerseits die desolate Kraftwerksflotte hochpäppeln und gleichzeitig Eskoms Schulden in Höhe von 30 Milliarden US-Dollar abbauen. Für überfällige Wartungen mussten nun auch noch intakte Einheiten vom Netz genommen werden, und um zu sparen kürzte er die Ausgaben für Dieseltreibstoff, den die Open-Cycle-Turbinen zur Stützung des Netzes benötigten.

Das verschärfte die Situation und verärgerte hochrangige Politiker der Regierungspartei ANC. Denen würde man die Schuld für die Eskom-Misere in die Schuhe schieben und sie bei den nächstenWahlen 2024 dafür abstrafen.

Gefährliche Enthüllungen

De Ruyter stand nun in der Schusslinie und schließlich kündigte er seinen Job im Dezember 2022. Er nahm sich allerdings noch die Freiheit, in einem einstündigen Fernsehinterview der Öffentlichkeit Einblick in Eskoms Geschäftspraktiken zu geben, um sich selbst damit zu entlasten.

Hier seine wichtigsten Enthüllungen:

  • In den südafrikanischen Kohlerevieren operieren mafiaähnliche Verbrechersyndikate, die Anlagen sabotieren, um dann lukrative Reparaturverträge einzustreichen. Mordkommandos sorgen dafür, dass Werksleiter die Sabotagen „ignorieren“, und sie liquidieren konkurrierende Auftragnehmer, die ihrerseits Angebote für die Reparatur einreichen. „So ziemlich jede Woche gibt es ein Attentat“, sagt De Ruyter.

  • Ein hochrangiger Manager des Kraftwerks Tutuka (Mpumalanga) wurde des Diebstahls von Heizöl im Wert von 5 Millionen US-Dollar pro Monat beschuldigt und von der Polizei öffentlichkeitswirksam aus dem Werk abgeführt. Am nächsten Tag wurde er dann auf Anordnung eines hochrangigen Polizeibeamten als freier Mann aus dem Gefängnis entlassen.

Souvenir aus Glasgow

  • Auf der UN-Klimakonferenz Cop26 im Jahr 2021 in Glasgow wurde von den führenden Volkswirtschaften der Welt, einschließlich der USA, ein Darlehen in Höhe von 8,5 Milliarden US-Dollar an Südafrika vergeben, das für Projekte im Bereich erneuerbarer Energien bestimmt war. Ein hochrangigen südafrikanischer Regierungsbeamten setzte sich nun dafür ein, dass man in diesem Fall auf die sonst international üblichen Maßnahmen zur Verhinderung von Korruption (Anti Graft Control) verzichten sollte. De Ruyter erfuhr davon und wandte sich in der Angelegenheit an einen Minister der südafrikanischen Regierung. Der aber riet ihm, er solle „pragmatisch“ sein. Um das Allgemeinwohl zu sichern sollte man bestimmten Personen erlauben, auch einen Happen abzubeißen.

  • Harmlos nimmt sich dagegen dieser kleine Betrug aus. Für den Kauf von Knieschützern, die typischerweise 20 US-Dollar pro Paar kosten, zahlte Eskom mehr als 400 US-Dollar. Die Sache wurde aber zwischen Eskom-Managern und hochrangigen Beamten informell beigelegt. Ähnlichkeiten mit dem Kauf überteuerter Covid-Masken wären zufällig

Zum Abschied ein starker Kaffee

Im Dezember 2022 dann schlug das System zurück. De Ruyter nahm eine Tasse Kaffee zu sich, die seine Assistentin zubereitet und im Pausenraum für ihn hatte stehen lassen. Daraufhin brach er unter Atemnot und krampfartigen Anfällen zusammen. Der Notarzt stellte eine Zyanidvergiftung fest, die der Patient aber überlebte.

Die Polizei untersuchte diesen Mordversuch an einem der wichtigsten südafrikanischen Topmanager allerdings nur recht halbherzig. Inzwischen hat de Ruyter das Land verlassen, um sich und seine Familie in Sicherheit zu bringen.

Fazit

Der Verlust zuverlässiger Stromversorgung ist sowohl Symptom als auch Ursache für den Zusammenbruch einer Nation, und das ist eine fatale Rückkopplung. Als der African National Congress (ANC) im Jahre 1994 die Regierung des Landes übernahm und die Apartheid beendet war, da war die Infrastruktur in Ordnung. Das Charisma und die Selbstlosigkeit des ersten schwarzen Präsidenten Nelson Mandela ließen den Optimismus aufkommen, dass Südafrika einen besseren Weg einschlagen würde als die übrigen Länder Afrikas. Diese Hoffnung ist jetzt auf einem Tiefpunkt angekommen.

Es gibt aber wenig Grund anzunehmen, dass solch ein Verfall nur auf dem afrikanischen Kontinent stattfinden kann. Jede Nation, in der die Regierenden die eigenen Privilegien wichtiger nehmen als ihre Pflicht dem Volk zu dienen, in der nicht Kompetenz und Integrität, sondern Partei und Quote über Ministerämter entscheiden, ist auf einem fatalen Kurs.

Gerade die zuverlässige und wirtschaftliche Versorgung mit Elektrizität ist kein „nice to have“ sondern notwendige Voraussetzung, um Chaos und Armut zu entgehen. Gerade auf diesem Gebiet sind hochkarätige, kompetente Entscheidungsträger notwendig, die selbst über das notwendige Fachwissen verfügen, um bei kritischen Fragen nicht auf Berater angewiesen zu sein. Und überhaupt: nur erstklassige Entscheidungsträger haben erstklassige Berater, zweitklassige Entscheidungsträger haben drittklassige Berater.

(Informationen in diesem Artikel sind coalage.com entnommen)

Dieser Artikel erschien zuerst im Blog des Autors Think-Again. Sein Bestseller „Grün und Dumm“ ist bei Amazon erhältlich.