Bundes-Luftschlösser gegen Landes-Realität: Wirtschaftsminister aus Magedeburg gegen Berliner Kohlepläne
von AR Göhring
Die von dem Grünen Klaus Müller geleitete Bundesnetzagentur gab vor kurzem einen Bericht zur Strom-Versorgungssicherheit Deutschlands heraus, nach dem bis 2031 genügend Energie im Netz vorhanden sei. Deshalb könne man schon bis 2030 statt 2038 aus der Kohleverstromung aussteigen, sagte nun Müllers Chef Robert Habeck. Kollege Sven Schulze von der CDU, Wirtschaftsminister aus Sachsen-Anhalt, sieht das völlig anders.
Das „Monitoring“ zur Versorgungssicherheit der Bundesnetzagentur behauptet, daß trotz aller bekannten Gefahren und Probleme alles im Lot sei:
Die sichere Versorgung mit Elektrizität ist im Zeitraum 2025 bis 2031
gewährleistet – trotz des steigenden Stromverbrauchs durch Wärmepumpen, E-Mobile oder Elektrolyseure, auch mit einem vollständigen Kohleausstieg bis 2030. Damit kann das auch im europäischen Vergleich sehr hohe Versorgungssicherheitsniveau in Deutschland aufrechterhalten bleiben.
2025 sind nach Plan sämtliche Kernkraftwerke abgeschaltet – außer den mit sündthaft teurem Gas versorgten Kraftwerken gibt es dann nichts mehr, wenn auch noch die meist modernen deutschen Kohlemeiler abgebaut (und teils nach China verschifft) sind; und nicht in Windeseile effiziente und billige Speicher erfunden werden. Können die nicht rechnen?
Nein, können sie nicht, denn:
Die Energiemengen aus Kohle müssen teilweise anderweitig kompensiert werden, um das Versorgungssicherheitsniveau aufrecht zu erhalten. In den Berechnungen geschieht dies über den Zubau von emissionsärmeren Stromproduktionskapazitäten wie z. B. erdgasbefeuerten (und H2-fähigen) Kraftwerken oder auf Basis von erneuerbaren Energien.
Darüber hinaus trägt die verbrauchsseitige Flexibilität erheblich dazu bei, wegfallende Kohlekapazitäten zu kompensieren, indem Spitzen bei der Residuallast verschoben bzw. reduziert werden.
Wasserstoff, egal aus welcher Quelle, benötigt eine zweite, neue Infrastruktur, die schon für sich genommen gewaltige Investitionen erforderte. Außerdem betragen die Verluste etwa 75%. Mit „verbrauchsseitiger Flexibilität“ ist gemeint, daß deutsche Verbraucher gefälligst nur dann Strom verbrauchen sollen, wenn er da ist. Sie wissen schon – Habecks „die Waschmaschine anmachen, wenn der Wind weht, und dann die Wäsche im Wind trocknen“.
Man wundert sich – ist Habeck nicht nach über einem Jahr im Amt häufig genug mit der Wirklichkeit zusammengestoßen? Es könnte sein, daß eilfertige Karrieristen im aufgeblähten Ministerium mit seiner Agentur-Peripherie dem Chef gerne erzählen, was er hören will. Solche Phänomene kennt man in Deutschland aus Kriegszeiten – sie bereiten weltfremde Entscheidungen und den Glauben an „Wunderwaffen“ der Bosse vor.
Im weniger aufgeblähten Magdeburger Regierungsapparat kommt die Realität hingegen noch beim Chef von der CDU an. Sven Schulze zum MDR:
„Gerade Ostdeutschland leidet ganz speziell in der Industrie, extrem stark darunter, daß wir kein Öl und kein Gas mehr aus Rußland beziehen dürfen. Wenn man jetzt den Kohleausstieg, der ja gesellschaftlicher Konsens ist und auf 2038 festgelegt war, vorziehen möchte, dann überfordert man auch die Gesamtsituation hier und deshalb sollte man diese Vorschläge ganz schnell wieder in die Schublade stecken.“
Minister Schule und seine Kabinettskollegen waren wohl auch verstimmt, da Habeck seinen Vorstoß nicht mit den Ländern abgeklärt habe. Schön für einen Landes-Wirtschaftsminister, wenn er die weltfremden Pläne der Bundesregierung aus der Presse erfahren muß…
O-Ton Schulze dazu:
„Mich verwundert das Vorgehen schon sehr, ich hätte erwartet, daß man so etwas vorher auch in den Ministerien diskutieren kann. Unkoordiniertes Vorgehen hilft am Ende niemandem – weder der Industrie noch der Wirtschaft und vor allem auch nicht den Bürgern hier in Ostdeutschland“
Man fragt sich, ob Dr. phil. Habeck und seine Mannen/Frauen einfach nur inkompetent sind, oder zusätzlich auch noch hochmütig. Vermutlich beides – denn wer kompetent ist, weiß, wie alltägliche Politik außerhalb eines grün-rosaroten Medienkomplexes funktioniert. L‘ État, c’est moi funktioniert in einer komplexen Industriegesellschaft nicht – man muß sich mit Verantwortungsträgern und den Technikern absprechen – eine bessere Welt läßt sich nicht wie im (Ir-)Realsozialismus einfach beschließen. Genau diese Denkweise legt Habeck aber an den Tag, wenn er aufgrund eines äußerst zweifelhaften Berichtes im Stile einer Angela Merkel urplötzlich den Kurs ändert.