von Hans Hofmann-Reinecke

Man erzählt uns, daß Gas und Erdöl über Jahrmillionen aus den organischen Überresten tierischen und pflanzlichen Lebens, aus Fossilien, entstanden sind. Diese These gilt als alternativlos, obwohl man „fossile Brennstoffe“ auch auf Planeten entdeckt hat, auf denen es nie Leben gab.

Schliemann mußte graben

Archäologen interessieren sich dafür, was Menschen vor Tausenden von Jahren so getrieben haben. Wenn man ihnen bei ihrer Arbeit zuschaut, dann sind sie meist damit beschäftigt zu graben, weil sie hoffen in der Tiefe historische Informationen zu finden. Warum liegt die Vergangenheit eigentlich so tief unter der Erde? Warum mußte Heinrich Schliemann drei Jahre lang schaufeln, bis er endlich die Stadt Troja (Ilion, auch Willusa) aus dem 13. Jh. v. Chr. fand?

Das kommt so: Auf der Oberfläche unserer Erde läßt sich laufend Sediment nieder. Das ist feiner Staub aus natürlichem Material, welches durch Erosion abgebaut und anschließend von Wind und Wetter transportiert wird. Wenn man Troja also erst in zehn Metern Tiefe entdeckt hat, dann hatten sich da Jahr für Jahr ein paar Millimeter Staub niedergelassen und in drei Jahrtausenden die Gemächer von Menelaos und der schönen Helena unter sich begraben.

Man entdeckte da unten hauptsächlich altes Gestein, vielleicht auch Eisen, aber wenig Überreste von Lebewesen. Das liegt daran, dass organisches Material von größeren oder kleineren Aasfressern, etwa Würmern oder Bakterien, entsorgt wird. Sie fressen Zellulose und andere Stoffe und verwandeln den dort gebundenen Kohlen- und Wasserstoff letztlich in CO2 und H2O, welche auf Nimmerwiedersehen in die Atmosphäre entwischen.

Die Biogenese von Erdöl und Gas

Das muß aber nicht so sein. Ein kleiner Prozentsatz der Überbleibsel von Pflanzen und Tieren landet in Gewässern, sinkt dort als organisches Sediment auf den Grund, vermischt sich mit anorganischem Staub und eventuell vorhandenem totem Plankton. Dieses Gemisch ist nun das gefundene Fressen für anaerobe Bakterien, also solche, die ihr Leben in einer Umgebung ohne jeglichen Sauerstoff verbringen. Sie verwandeln besagten Mix in einen unappetitlichem Schlamm, der da unten vor Sauerstoff geschützt ist, wo die organischen Stoffe also nicht oxidieren können.

So wie die Stadt Troja versinkt dieser Schlamm in der Erde, etwa 100 Meter in einer Million Jahre. Mit der Tiefe nehmen Druck und Temperatur zu, in 1.000 m hat man rund 50°C und 250 Bar. Wenn man dann lange genug wartet, sagen wir 60 Millionen Jahre, dann ist diese Masse noch weiter gesunken. Dort unten, in 2.000 bis 3.800 m Tiefe herrschen noch höherer Druck und eine Temperatur von rund 100°C. Unter diesen Bedingungen verwandelt sich der „Schlamm“ in Erdöl. Noch tiefer und noch heißer werden aus dem Erdöl dann Gase wie Äthan C2H6 und Methan CH4.

Mit diesen Informationen ausgerüstet gehen Exxon und Shell dann an die Arbeit und holen die kostbaren Stoffe an die Erdoberfläche, wo sie sich endlich in unseren Motoren und Gasherden mit dem ersehnten Sauerstoff verbinden dürfen und als CO2 und H2O in der Atmosphäre enden.

Auf zum Orion

Sind also Planeten ohne Vegetation frei von jeglichen Kohlenwasserstoffen? Keineswegs! Jupiter, Uranus, Saturn und dessen Mond Titan sind voll davon, und dort gibt es kein Leben; und kürzlich entdeckte man im Sternbild Orion, 1.300 Lichtjahre entfernt, Ölvorkommen, die angeblich alle irdischen Reserven in den Schatten stellen. (Werden unsere Regierenden also demnächst mit Dienstflugzeug und Maske dorthin reisen, um über Lieferungen zu verhandeln?)

Offensichtlich gab es auf anderen Planeten schon „von Anfang an“ Kohlenwasserstoffe – auf der Erde aber soll das nicht so gewesen sein. Warum?

Man geht davon aus, dass unser Planet in seiner Entstehungsgeschichte einmal eine rotglühende Kugel aus „flüssigem Gestein“ war. Falls in dem ursprünglichen Erdmaterial also Kohlenwasserstoffe gewesen wären, so wären die in der Hitze dissoziiert, d.h. in ihre Bestandteile Wasserstoff und Kohlenstoff zerlegt worden. Diese hätten sich später mit dem reichlich vorhandenen Sauerstoff zu H2O und CO2 verbunden. Es wären also keine Kohlenwasserstoffe von damals übrig geblieben. Alles, was wir heute auf der Erde an Kohlenwasserstoffen vorfinden ist Produkt des oben beschriebenen „biogenetischen“ Prozesses, der damit beginnt, dass sich die Pflanzen das CO2 aus der Luft einfangen.

Könnte es auch anders gewesen sein?

Eine Alternative zur biogenetischen Entstehung von irdischem Gas und Erdöl ist der „abiogenetische“ Ursprung. Diese Hypothese wird seit Jahrhunderten immer wieder diskutiert und sie gewann insbesondere durch den Astrophysiker Thomas Gold (1920-2004) und sein Buch Die heiße und tiefe Biosphäre: Der Mythos der fossilen Brennstoffe (The Deep Hot Biosphere: The Myth Of Fossil Fuels) eine gewisse Aufmerksamkeit.

Hier die Hypothese:

Die Erde entstand durch „Akkretion“ von Meteoriten, d.h. durch deren Zusammenballung dank Schwerkraft. Diese Meteoriten enthielten unter anderem Kohlenwasserstoffe. Beim sukzessiven Wachstum der Erde entstanden nun Regionen, die zwar sehr heiß waren, in denen die Kohlenwasserstoffe aber wegen des enormen Drucks dennoch nicht dissoziierten. Diese Regionen liegen heute in einer Tiefe von 100 bis 300 km, also ein paar hundert Kilometer tiefer als die tiefsten Erdöl-Bohrungen.

Im Laufe der Jahrmilliarden sind diese Gase und Flüssigkeiten langsam nach oben gesickert und haben sich in geeigneten Erdformationen angesammelt, also dort, wo heute danach gebohrt wird.

Stimmt das?

Es gibt eine Liste von Argumenten, die jeweils für und gegen diese Hypothese sprechen. Zunächst ist das Vorhandensein von Kohlenwasserstoffen auf anderen Planeten ein starkes Argument dafür. Dann geben uns auf Erden die Vulkane interessante Hinweise. Deren Schlote reichen ja Hunderte von Kilometern hinunter, hinein in die Regionen des flüssigen Magma und in Tiefen, wo angeblich die erwähnten abiogenetischen Kohlenwasserstoffe lagern. Die müssten dann doch andauernd aus den Kratern strömen, auch beim ruhenden Vulkan.

Im Prinzip ja, aber die verbrennen natürlich sofort an der Luft, sodass wir nur H2O und CO2 nachweisen können. Bei einem Ausbruch des Vulkans würden allerdings solche Mengen an unverbrannten Gasen herausgeschleudert, dass sie erst über dem Krater in Flammen aufgingen, man hätte also „feuerspeiende Berge“.

Dieses Feuer wäre bei all dem Rauch und ausgeworfenen glühenden Magma allerdings schwer zu beobachten. Deutlich erkennbarer werden Flammen bei Eruptionen unter der Meeresoberfläche, so etwa beim Ausbruch eines der Krakatau-Vulkane in der Sundastraße, als das glühende Magma unter Wasser blieb, die brennbaren Gase an die Luft kamen, sodass über einem großen Bereich auf der Meeresoberfläche die Flammen tanzten.

Umstritten?

Dennoch, es gibt nicht genügend Hinweise, oder zumindest nicht genügend gründliche Studien zum dem Thema, um die abiogenetische These beweisen oder verwerfen zu können. Die Situation der fossilen Brennstoffe hat natürlich auch politischen Aspekt, und wie wir bei den Themen Klima und Corona sehen konnten, steht die Wissenschaft in solch einem Fall dann nur noch in Diensten der Mächtigen und nicht mehr in Diensten der Wahrheit.

Thomas Gold wird heute in einschlägigen Medien posthum vermutlich als „umstritten“ gebrandmarkt. Aber Vorsicht, das wäre nicht zum ersten Mal, dass man ihn irrtümlich so tituliert. Er, der Astrophysiker, stellte 1948 eine Hypothese zur Funktionsweise des menschlichen Innenohrs bei der Identifikation von Tonfrequenzen auf; er erfand den „cochlear amplifier“. Das wurde von der medizinischen Fachwelt damals mit Herablassung belächelt. 30 Jahre später stellte sich heraus, dass er recht hatte. Wird er mit  seiner Abiogenetik auch Recht behalten?

Dazu gibt es interessantes Feedback von recht kompetenter Seite (Quelle ist das oben erwähnte Buch):

„Mein Wissen und meine Erfahrung mit Erdgas, die ich beim Bohren und Betreiben vieler der tiefsten und druckreichsten Erdgasbohrungen der Welt gewonnen habe, verleihen Ihren Ideen mehr Glaubwürdigkeit als den konventionellen Theorien über den biologisch-thermogenen Ursprung von Erdgas. Ihre Theorie erklärt am besten, was wir bei Tiefbohrungen tatsächlich angetroffen haben.“

-Robert A. Hefner III, The GHK Companies, Oklahoma City, Oklahoma; Aus einem Brief an Thomas Gold

Golds Theorien sind immer originell, immer wichtig, und meistens richtig. Es ist meine Überzeugung, basierend auf fünfzig Jahren der Beobachtung von Gold als Freund und Kollege, dass The Deep Hot Biosphere alles von dem oben genannten ist: originell, wichtig, kontrovers und richtig.“

-Freeman Dyson (Mathematiker, Physiker, Templeton Prize Gewinner 2.000)

Dieser Artikel erschien zuerst im Blog des Autors Think-Again. Sein Bestseller „Grün und Dumm“ ist bei Amazon erhältlich.

 

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