Merit Order – oder damit auch das Unsinnigste eine Chance bekommt
Wie setzt man ein untaugliches System durch? Oder anders gefragt: Wie sorgt man dafür, dass massenhaft Windräder gebaut werden, die normalerweise niemand aus freien Stücken in die Landschaft setzen würde. Den liefern die Dinger viel zu selten und vor allem im Binnenlandbereich zu wenig. Da müssen schon kräftige Fördergelder fließen, um zumindest den Bau schmackhaft zu machen.
von Holger Douglas
Etwas Hokuspokus gehört auch dazu, um hinter einem »Merit Order«-Gestrüpp zu verbergen, dass Windräder genauso viel Geld für ihren Strom erhalten wie etwa Gaskraftwerke.
Das Merit Order-Prinzip gibt es schon lange. Es fiel nur nicht auf, weil der Preisunterschied zwischen den verschiedenen Energieformen nicht so krass wie jetzt auftrat, da der Gaspreis dramatisch ansteigt. Deshalb wurde das System nicht öffentlich zu einem großen Thema und diente dazu, jene sogenannte „Energiewende“ am laufen zu halten.
Bei den Auktionen müssen die Stromanbieter ihre Preisofferten auf den Tisch legen. Diese Preise beziehen sich grundsätzlich auf die variablen Kosten einer Stromerzeugung. Nach dieser Milchmädchenrechnung kostet Wind nichts, deshalb wird Strom von Windrädern grundsätzlich bei Null angesetzt. Ihnen werden also die günstigsten Erzeugungskosten zugeschrieben, obwohl das Unsinn ist.
Dann wird in den Angeboten nachgeschaut, welches Kraftwerk den teuersten Strom anbietet. Allerdings kommen nur jene Kraftwerke in die Auswahl, deren Strom tatsächlich für den entsprechenden Zeitraum benötigt wird. Es ist also nicht grundsätzlich der teuerste Anbieter, dessen Preis für alle genommen wird, sondern nur jener, der in die Auswahl der Anbieter genommen wird, die benötigt werden, um den erwarteten Strombedarf zu abzudecken. Der Preis bezieht sich also auf den teuersten Anbieter, der noch zum Zuge kommt. Damit bekommt der Windstromanbieter auch den Preis des Gasstromanbieters.
Der für die Stromversorgung eines Landes äußerst missliche Effekt: Die teuren Kraftwerke haben damit wirtschaftlich kaum noch eine Chance und verschwinden. Darüber jubeln Energiewender, übersehen allerdings, dass dies nun einmal jene Spitzenlastkraftwerke sind, die schnell eingeworfen werden konnten, wenn die Stromnachfrage plötzlich anstieg. Das waren meist Gaskraftwerke; eine Gasturbine mit angeschlossenem Generator fährt innerhalb weniger Minuten hoch und liefert Strom – eine wichtige Voraussetzung, jederzeit Strom zur Verfügung zu haben.
Die sind vor allem bei Flauten und nachts notwendig, wenn die sogenannten »Erneuerbaren« wieder nichts liefern.
Das politische Ziel, von dem der Grüne träumt: Bis 2030 sollen die sogenannten Erneuerbaren verdoppelt werden. Mehr als doppelt so viele Photovoltaik-Anlagen und Windräder wie bisher sollen errichtet werden.
Nur: Die können kein Industrieland gleichmäßig mit Strom versorgen. Deshalb muss hinter jedem Windrad und hinter jeder Photovoltaik-Anlage ein konventionelles Kraftwerk stehen, das liefern kann, wenn kein Wind weht und die Sonne nicht scheint. Das können Kohle- und Kernkraftwerke; doch die sollen vom Netz abgeschaltet werden. Daher gelten Gaskraftwerke plötzlich als die »Guten«, weil sie etwas weniger CO2 ausscheiden als Kohlekraftwerke, aber immer noch mehr als Kernkraftwerke.
Dies bedeutet: 2030 müssen auch die Gaskraftwerke verdoppelt werden. Die müssen bei Flaute und nachts einspringen. Das ist ziemlich häufig. 1800 Stunden produzieren Windräder durchschnittlich Strom pro Jahr mit seinen 8760 Stunden. Gaskraftwerke müssen also die restlichen 6960 Stunden pro Jahr laufen, allein um die stillstehenden Windräder zu ersetzen. Damit steigt auch der Gasverbrauch dramatisch an. Der Gas-Peak wird ebenfalls 2030 erwartet. Zudem verknappt Habecks und der grünen Politik Weigerung, Kernkraftwerke weiterlaufen zu lassen, weiterhin die Energie.
Warum fällt der Effekt gerade jetzt den Energiewendern auf die Füße?
Grundübel ist jene Verknappung der Energie. Die wird damit zur Mangelware, also teuer, das drückt den Preis nach oben.
Zudem wehte der Wind in den vergangenen Jahren deutlich schwächer; die 30.000 Windräder lieferten in den windarmen Jahren eher dürftige Stromerträge.
Zudem haben es die Energiewender geschafft, Deutschland mit seinem gut funktionierenden und leistungsfähigen Kraftwerkspark von einem Stromüberschussland in ein Energiearmenhaus zu verwandeln, das international um Energie betteln muss. Baden-Württemberg zum Beispiel exportierte früher erhebliche Mengen an Strom nach Frankreich. Seitdem der grüne Ministerpräsident Kretschmann das Kernkraftwerk Philipsburg abschaltete, die Kühltürme in die Luft sprengen ließ und damit Milliardenwerte vernichtete, muss das Land Strom importieren. Allerdings herrscht auch in Europa derzeit ein Mangel an Strom.
Kritisch wird die Lage, seitdem Russlands Präsident Putin Energie als Waffe einsetzt und den westlichen Energiewendern zeigt, was eine Harke ist. Der fackelt sein Erdgas lieber ab, als es in die Pipelines zu pumpen. Das sorgt für eine dramatische Knappheit, damit für hohe Preise beim Erdgas und erschüttert westliche Industrienationen bis ins Mark.
Zusätzlich erhöhten rot-schwarz-grüne Politiker die Preise für den Brennstoff für Kohlekraftwerke drastisch. Denn als jene hässlichen Schlagzeilen auftauchten, Deutschland habe seine sogenannten »Klimaziele« nicht erreicht, Frankreich mit seinen Kernkraftwerken und dem Null-CO2-Ausstoss dagegen sehr wohl, machte die rot-schwarze Koalition die Kohle drastisch teurer.
Ab 2016 reformierten die damaligen Minister Gabriel, Altmaier und Staatssekretär Baake das ETS-Zertifikate-System. Ihre fatale Lösung: Sie verknappten die ETS-Zertifikate. Damit begann ein weiteres gigantisches Vernichtungsprogramm der Energieerzeugung. Diese Zertifikate – oder besser Steuern auf einen Bestandteil der Luft – wurden also deutlich teurer gemacht.
Ergebnis: Kurz vor Ukraine-Krieg kostete eine Tonne CO2 etwa 100 Euro, vor dem energiepolitischen Wahnsinns-Trip weniger als fünf Euro.
So würgten Merkel, Gabriel & Co die Kohlekraftwerke ab. Denn die konnten ihren Strom nur noch sehr teuer produzieren. Kein Wunder, dass die Betreiber ihre Kraftwerke stillegen wollten.
Beispiel Moorburg: Das sehr moderne, fünf Jahre alte Kraftwerk rechnete sich nicht mehr und hat als eines der ersten Kohlekraftwerke die Stillegung beantragt.
Gleichzeitig wurde Gas bereits vor dem Ukraine-Krieg deutlich teurer. Ursache: Weltweit steigt der Bedarf an Erdgas – unter anderem übrigens deswegen, weil deutsche Energiewender mit viel Geld zum Beispiel Ägypten überredeten, keine neuen Kohlekraftwerke mehr zu bauen. Siemens hat dafür vom deutschen Steuerzahler bezahlte Gasturbinen hingestellt.
»Wie sich die Produktion und auch die Preise von konventionellem Erdgas, LNG und Schiefergas zukünftig entwickeln werden, bleibt abzuwarten, da neben technologischen Innovationen in der Förderung und dem Transport vor allem auch geopolitische Faktoren maßgeblich sind. Ebenso sind etwaige Rückkopplungseffekte auf die Erdölpreise nur eingeschränkt prognostizierbar«, schrieb bereits die Monopolkommission in einem Sondergutachten „Energiewende“ 2013. Ihr erschien schon damals die Wettbewerbsentwicklung vor allem Bereichen, die im Zuge der Energiewende und der massiven Förderung der erneuerbaren Energien geschaffen und ausgebaut wurden, als problematisch. Unter diesen Bedingungen die Energieversorgung von einer früheren Vielfalt einseitig abhängig zu machen mit Folgen, die jetzt dramatisch zutage treten, zeugt mindestens von grenzenlosem Unverantwortlichkeit.
Merit Order – oder damit auch das Unsinnigste noch eine Chance hat.
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