Europa kann den Winter nicht überleben

Russland kann ein oder zwei Jahre überleben. Europa kann keinen Winter überleben. Die Erdgaskrise in Europa könnte nicht erst im Winter oder im Oktober beginnen, sondern schon im Juli oder August 2022.

von Stefan Frank

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90 / Die Grünen) hat am Wochenende die lange erwartete Energiewende verkündet: Deutschlands Kohlekraftwerke werden wieder Strom produzieren. In den letzten Tagen habe sich die Lage am Gasmarkt verschärft, erklärte der Minister:

„Noch können die ausfallenden Mengen ersetzt werden, noch läuft die Befüllung der Gasspeicher, wenn auch zu hohen Preisen. Die Versorgungssicherheit ist aktuell gewährleistet. Aber die Situation ist ernst. Wir stärken daher weiter die Vorsorge und ergreifen zusätzliche Maßnahmen für weniger Gasverbrauch. Das heißt: Der Gasverbrauch muss weiter sinken, dafür muss mehr Gas in die Speicher, sonst wird es im Winter wirklich eng.“

Um den Gasverbrauch zu senken, solle „weniger Gas zur Stromproduktion genutzt werden“. Sehr vernünftig. Dann werden also die Kernkraftwerke Emsland, Isar 2 und Neckarwestheim 2 länger laufen, um die Katastrophe abzuwenden? Vielleicht werden stillgelegte Reaktoren wieder in Betrieb genommen? Nein: „Stattdessen werden Kohlekraftwerke stärker zum Einsatz kommen müssen“. Der „Klimaschutz“ ist eben doch nicht so wichtig. Ein Déjà-vu-Erlebnis: Die gleiche Ankündigung hatte es schon vor fast vier Monaten gegeben. Spiegel online meldete am 28. Februar 2022:

„Inzwischen heißt es im [Bundeswirtschafts-] Ministerium auch, dass in den kommenden Monaten vor allem Kohlekraftwerke die Stromproduktion übernehmen sollen – und nicht Gaskraftwerke. Das Erdgas solle besser für das Auffüllen der Gasspeicher verwendet werden, die derzeit extrem niedrige Füllstände aufweisen.“

Offenbar musste die Idee im Wirtschaftsministerium wie ein Käse mehrere Monate reifen, ehe sie umgesetzt wurde.

Rekord bei der Erdgasverstromung

In der Zwischenzeit wurde tüchtig Erdgas verstromt, als gäbe es kein Morgen. Bruno Burger vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme, der die Website  Energy Charts betreibt, die der Öffentlichkeit interaktive Grafiken zu Stromproduktion und Börsenstrompreisen bietet, berichtete letzte Woche auf Twitter:

„Im Mai wurden mehr als 4 TWh Strom aus Erdgas erzeugt. Das ist ein neuer Rekord für einen Maimonat. Eigentlich sollte man bei der aktuellen Gasknappheit das Gegenteil erwarten.“

Eigentlich. Die deutschen Braunkohlekraftwerke, so Burger, „hätten im Mai mehr Strom liefern können, um teures Erdgas bei der Stromerzeugung einzusparen. Die Kraftwerksleistung in Betrieb war deutlich höher als die Erzeugung der Kraftwerke.“

Weiter schreibt er: „Im Mai 2020 haben Braunkohlekraftwerke auf die tageszeitlichen Schwankungen der Strompreise reagiert. Im Mai 2022 waren es die Gaskraftwerke.“

Mehr Kohlekraftwerke, sagt Robert Habeck, würden „für eine Übergangszeit“ benötigt. Übergang zu was? Und wie lange wird diese Übergangszeit dauern? Habeck suggeriert mit dem Begriff, dass es eine Sache von Monaten oder wenigen Jahren wäre, dass russisches Erdgas durch Gas, das in flüssiger Form (LNG) aus den USA und Katar kommt, ersetzt werden könne. Erstens aber wird LNG aufgrund des aufwendigen Prozesses (Verflüssigung, Transport per Schiff, Regasifizierung) immer teurer sein, als es das Pipelinegas früher war. Darum sollte es sich verbieten, es überhaupt zur Stromproduktion zu verwenden. Zweitens gibt es auf dem Weltmarkt gar keine derartig großen Kapazitäten, die auf Deutschland und die EU warten.

Wie prekär Europas Situation wirklich ist

Unter dem Titel: „Vor der kommenden Energiekrise gibt es kein Entkommen“ gab Anas Alhajji, Chefökonom des Beratungsunternehmens NGP Energy Capital Management, vor einigen Tagen ein sehr interessantes Interview im Podcast MacroVoices(ab Minute 15:20). Er machte deutlich, wie prekär Europas Situation wirklich ist. Die Konfrontation zwischen Europa und Russland, so Alhajji, sei so, wie wenn zwei Personen einander in die Finger bissen:

„Wer wird zuerst schreien? Derjenige, der zuerst schreit, verliert, obwohl beide vielleicht nur der Bruchteil einer Sekunde trennt. Beide werden also schreien, aber einer um den Bruchteil einer Sekunde vor dem anderen. Und Europa wird verlieren. Russland hat einen Haushaltsüberschuss. Russland hat einen Handelsüberschuss. Es hat massive Devisen- und Goldreserven. Russland kann ein oder zwei Jahre überleben. Europa kann keinen Winter überleben. Und das ist der Grund, warum es die Sanktionen hinauszögert – weil sie wissen, dass sie nicht überleben können.“

Er wies auf die allerjüngsten Kalamitäten hin: Am 9. Juni ereignete sich eine Explosion mit nachfolgendem Brand in einer Erdgasverflüssigungsanlage des amerikanischen Unternehmens Freeport, rund hundert Kilometer südlich von Houston. Das LNG-Terminal, auf das etwa 20 Prozent der amerikanischen LNG-Exporte entfallen, wird für viele Monate ausfallen.

Damit fallen LNG-Lieferungen weg, die niemand ersetzen kann. Einen Tag zuvor hatte Algerien – ein Verbündeter Putins – seinen Banken angeordnet, keine Geschäfte mehr mit spanischen Unternehmen zu machen und einen Stopp der Gaslieferungen angedroht. Auch das eine potenzielle Katastrophe für die EU.

Dem russischen Präsidenten Wladimir Putin bescheinigt Alhajji, anders als die Europäer einen Plan zu haben. Alhajji prognostiziert eine Erdgaskrise in Europa nicht erst im Winter oder im Oktober, sondern schon im Juli oder August 2022. Einige langfristige Lieferverträge endeten im nächsten Monat – dann werde Russland auch bei diesen Kunden auf Zahlung in Rubel pochen und könnte, wenn diese der Forderung nicht nachkämen, die Lieferung einstellen, wie schon gegenüber etlichen EU-Ländern wie Polen, Bulgarien, Finnland und den Niederlanden. „Ich glaube also, die Krise wird schon im Sommer kommen, gar nicht erst im Oktober.“

Hurrikansaison könnte Europas Pläne durchkreuzen

Weiteres Ungemach droht: Das gesamte LNG, das von den USA nach Europa exportiert wird, stammt aus dem Golf von Mexiko. Und die Hurrikansaison steht vor der Tür. Derzeit werden 14 bis 21 Tropenstürme „mit Namen“ vorhergesagt. Sechs bis zehn davon könnten laut der Vorhersage zu Hurrikanen werden (Windgeschwindigkeiten von 119 km/h und mehr). Drei bis sechs zu schweren Hurrikanen (178 km/h und mehr). „Wir wissen, dass selbst Hurrikane, die keine Zerstörung anrichten, Verzögerungen im Schiffsverkehr mit sich bringen“, so Alhajji:

„Europa könnte also in Schwierigkeiten kommen, obwohl die Erdgasspeicherstände gestiegen sind und derzeit ein komfortables Niveau erreicht haben. Das kann innerhalb von Tagen ausgelöscht werden, wenn keine zusätzlichen Lieferungen kommen.“

Die Suche nach weiteren LNG-Lieferanten ist nicht vielversprechend, zumal Europa auf dem LNG-Markt in Konkurrenz zu Asien steht. Katar, so Alhajji, habe „nichts zu liefern, allein deshalb, weil alles über Verträge verkauft ist“. Algerien habe nichts anzubieten, „und wenn es die Lieferungen nach Spanien einstellt, gibt es eine schwere Krise“. „Wo also wird das Gas herkommen?“, fragt er.

Die Vereinigten Staaten seien gegenwärtig nicht in der Lage, einen Ausfall der russischen Lieferungen zu kompensieren. Es werde eine große Lücke geben, Europa werde sich wieder an Russland wenden müssen – das den Europäern aber vielleicht gar kein Erdgas mehr verkaufen werde, ehe nicht alle Sanktionen aufgehoben sind. Den europäischen Regierungen werde nichts anderes übrig bleiben, als sich Moskau zu beugen. Anderenfalls, glaubt Alhajji, würden die Regierungen stürzen und neue gewählt werden. „Putin gewinnt in jedem Fall, egal, was die Presse sagt.“

Was die LNG-Exporte der USA betrifft, rechnet er damit, dass sie mittelfristig in Amerika auf Widerstand stoßen werden. Hintergrund: Um die Erdgaspreise in den USA niedrig zu halten, waren Ausfuhren bis 2014 verboten. Erst durch den Schiefergas-Boom (Fracking) hatten die Vereinigten Staaten so viel Erdgas übrig, dass Exporte nicht mehr auf politische Ablehnung stießen. Doch die LNG-Exporte haben zu einem starken Preisanstieg von Erdgas auf dem amerikanischen Inlandsmarkt geführt. Wie sehr der Export die Preise treibt, zeigte sich, als die Nachricht der Explosion in dem Freeport-LNG-Terminal die Erdgaspreise in den USA einbrechen ließ (während sie in Europa als Reaktion in die Höhe schossen), weil geringere Exporte eine höhere Menge für den amerikanischen Markt bedeuten. Alhajji glaubt:

„Wenn die Erdgaspreise in den USA auf 12 oder 14 Dollar [der bisherige Jahresrekord liegt bei 9,50 US-Dollar/mmBtu ; S.F.] steigen, wird es amerikanische Politiker geben, die, obwohl sie pro-Ukraine und für die Unterstützung der EU sind, sagen werden, die LNG-Verkäufe nach Europa müssen beschränkt werden.“

Bei Benzin und Diesel erwägt die US-Regierung tatsächlich schon jetzt Exportbeschränkungen. Von Moderator Erik Townsend gefragt, ob es für Europa einen Ausweg gebe, wenn es bereit sei, „Kompromisse bei den Klimazielen“ zu machen, antwortete Alhajji:

„Das ist der traurige Teil. Es gibt eine beschränkte Fähigkeit dazu. Einige Länder haben sogar noch Kraftwerke, die mit Öl betrieben werden können, andere haben noch Kernkraftwerke. Doch das Problem ist: Sie haben die meisten stillgelegt. Sie wieder in Betrieb zu nehmen, würde viel Zeit und massive Investitionen erfordern. Diese Option existiert also, aber in begrenztem Umfang.“

Die Europäer müssten „wirklich ihre Politik überdenken“. Anderenfalls werde es in Europa eine Krise geben. „Und Menschen werden sterben, entweder an der Hitze oder der Kälte.“

Der Bundeskanzler fragt in Kolumbien nach Kohle

In dieser Situation redet Habeck die Wichtigkeit der Kohlekraftwerke klein, indem er sagt, sie würden für eine „Übergangszeit“ betrieben werden. Wir wissen natürlich, warum er das tut. Er hält Kohlekraftwerke für Sünde und kann seinen Brüdern und Schwestern im Geiste nicht die Wahrheit zumuten: dass diese Sünde nun zur Normalität wird. Wer aber zwei und zwei zusammenzählen kann, weiß, dass es so sein muss: Deutschland konnte überhaupt nur dank des billigen russischen Erdgases auf Kernenergie und Kohle gleichzeitig verzichten (oder meinte, das zu können). Ohne das Erdgas muss man sich für eine der beiden anderen Optionen entscheiden, solange Außerirdische uns noch nicht die Batterietechnologie gebracht haben, mit der sich der von Windkraft- und Solaranlagen produzierte Strom speichern lässt, um Vorräte für Stunden, Tage, Wochen und Monate zu schaffen.

Es ist indessen ein schwerer strategischer Fehler der Regierung, öffentlich zu erklären, die Kohlekraftwerke würden nur für kurze Zeit, als „Notlösung“ eingeschaltet. Warum? Weil Menschen nötig sind, die sie betreiben und warten. Wenn man diesen sagt, dass ihre Arbeit nicht geschätzt und auch nur von kurzer Dauer ist, ehe man sie ab 2024 wieder als „Klimakiller“ diffamieren wird, haben sie dazu vielleicht gar keine Lust. Wir haben kürzlich über die Energiekrise in Australien berichtet. Dabei spielen auch marode Kohlekraftwerke eine Rolle, die nicht mehr ausreichend gewartet werden, weil sie ja angeblich nur auf Abruf in Betrieb sind. „Das Problem ist, dass, wenn Sie den Leuten, die Sie unterstützen, sagen, dass Sie ihre Dienste nicht mehr benötigen und nur noch fünf Jahre bleiben, sie anfangen werden, die Wartungsprogramme abzuwickeln, weil sie für zehn oder zwanzig Jahre geplant hatten“, sagte Paul Flynn, der Vorstandsvorsitzende von Australiens größtem Kohlekonzern Whitehaven Energy, letzte Woche auf  der Konferenz Australian Financial Review ESG Summit. „Sie sehen jetzt den Beweis dafür, dass die Unzuverlässigkeit [der Kraftwerke] zunimmt, aber das war durchaus zu erwarten.”

Der Krieg gegen die Kohle – samt der Weigerung zahlreicher Banken und Versicherungen, Unternehmen als Kunden zu akzeptieren, deren Geschäft die Kraftwerkskohle ist – hat zudem zu einer kartellähnlichen Situation geführt: Es gibt, verglichen mit früher, nur noch relativ wenige Kohleunternehmen, und kaum eines von ihnen denkt auch nur daran, seine Produktion substanziell zu erhöhen. Wenn die Konzerne nun Investitionen tätigen sollen, die sich erst im Lauf von vielen Jahren amortisieren werden, müsste man ihnen allen jetzt das politische Signal senden, dass die Kohle noch lange gebraucht werden wird und der Krieg gegen die Kohle beendet ist.

Die Bundesregierung setzt beim Kohlekauf stattdessen auf Telefondiplomatie. Wie zu lesen ist, hat Bundeskanzler Olaf Scholz den kolumbianischen Präsidenten Ivan Duque angerufen hat, um auf eine Expansion des Steinkohletagebaus El Cerréjon zu drängen. El Cerréjon, eine der größten Kohleminen der Welt, befindet sich im Alleinbesitz des Schweizer Unternehmens Glencore, seit Glencore letztes Jahr die Anteile der beiden Joint-Venture-Partner BHP und Anglo American für ein Butterbrot gekauft hat.

Ein deutscher Bundeskanzler telefoniert also mit dem Staats- und Regierungschef von Kolumbien und bittet um mehr Kohle. Wer denkt da nicht gleich an den Begriff „Bananenrepublik“? Was seine Berater Scholz vielleicht nicht gesagt haben: Präsident Duque ist nur noch bis zum 7. August im Amt. Am Sonntag wurde der frühere Linksterrorist Gustavo Petro zu seinem Nachfolger gewählt. Die schlechten Nachrichten – bzw. die guten für Putin – reißen wahrlich nicht ab.

Zumindest ihre jetzigen Entscheidungen und ihre Wortwahl hat die Bundesregierung hingegen in der Hand. Die notwendigen Investitionen in Kohleproduktion, Kraftwerke und Transportkapazitäten werden gehemmt oder verhindert, wenn alle glauben, dass sie sich nicht rentieren werden, weil Kohle ja angeblich keine Zukunft habe. Es gibt viele Faktoren, die die Bundesregierung nicht – oder heute nicht mehr – beeinflussen kann. Aber in Worten und Taten weiterhin gegen Kohle – und erst recht gegen die Kernenergie – vorzugehen, das ist ein Fehler, der Putin freut, uns aber teuer zu stehen kommen wird. Und dazu einer, der völlig vermeidbar wäre. Im Tennis gibt es dafür den Begriff unforced error.

Der Beitrag erschien zuerst bei ACHGUT hier

 

 




Nichtbeachtung des UHI ist töricht

Anthony Watts

Ein kürzlich erschienener Artikel unter der Überschrift [übersetzt] „Reality Check: Werden die heißesten Städte der Welt dank des Klimawandels unbewohnbar?“ von Dann Mitchell, einem Professor für Klimawissenschaften an der Universität Bristol, wird versucht, eine Rekord-Hitzespitze von 51 °C in der zentralpakistanischen Stadt Jacobabad dem Klimawandel zuzuschreiben, was schlichtweg Unsinn ist.

Er nennt diese 51˚C Zahl „gefährlich nahe an der Grenze der menschlichen Überlebensfähigkeit“. Sicherlich liegt diese Temperatur gefährlich nahe an der Grenze der menschlichen Toleranz. Mitchell fährt fort, über ein anderes wichtiges Temperaturmaß zu sprechen, die so genannte Feuchttemperatur“*, die auch Teil eines Angst schürenden Artikels von NBC News über Indien mit dem Titel „Deadly ‚wet-bulb temperatures‘ are being stoked by climate change and heat waves“ [etwa: Tödliche „Feuchttemperaturen“ werden durch den Klimawandel und Hitzewellen angeheizt] ist.

[*Feuchttemperatur: Wenn Feuchtigkeit verdunstet, wird Wärme verbraucht. Ein nasser Körper kühlt sich dabei ab. Dabei wird die Luft mit Feuchtigkeit angereichert, so dass der Taupunkt steigt. Die Feuchttemperatur liegt also zwischen Lufttemperatur und Taupunkt. Bei weiterer Verdunstung ist eine Abkühlung unter die Feuchttemperatur nicht möglich. Liegt diese über 37°C, kann sich menschliche Haut durch Verdunstung von Schweiß nicht weiter abkühlen, was zu einem Hitzestau im Körper führt. Der ist in der Tat lebensgefährlich. Man darf aber getrost davon ausgehen, dass die örtliche Bevölkerung in Gegenden, wo das vorkommt {in Indien vor Eintreffen des Sommermonsuns} daran gewöhnt ist.]

Mitchell schreibt:

Wir kennen die menschliche Toleranzgrenze ziemlich genau – sie liegt bei 35˚C Feuchttemperatur. An diesem Punkt kann der Mensch nicht länger als ein paar Stunden überleben, weil er keine Wärme mehr von seinem Körper an die Umgebung abgeben kann.

Dies ist im Wesentlichen ein Maßstab für das bekannte Sprichwort „Es ist nicht die Hitze, sondern die Feuchtigkeit“. Dem Menschen geht es weitaus schlechter, wenn hohe Temperatur und hohe Luftfeuchtigkeit zusammenkommen.

Mit dieser Aussage schießt Mitchell jedoch weit über das Ziel hinaus:

Aber wird der Klimawandel die Situation verschlimmern? Angesichts des Temperaturanstiegs erwarten wir in Zukunft mehr Überschreitungen der Überlebensschwelle von 35 °C, aber diese Fälle werden wahrscheinlich selten bleiben und jeweils nur für einige Stunden auftreten. Wir gehen davon aus, dass sie auf Standorte in den Tropen und Subtropen beschränkt sein werden, und selbst dann nur in bestimmten Jahren. Wir gehen davon aus, dass die Wahrscheinlichkeit dieser Ereignisse deutlich abnimmt, wenn wir die Klimaziele des Pariser Abkommens einhalten können, d. h. wenn wir den Anstieg der Temperaturen im globalen Durchschnitt auf deutlich unter 2 °C begrenzen.

Mitchell will angeblich ein Klimawissenschaftler sein, aber er hat in seiner Logik zwei bedeutende Fehler gemacht, wenn er den Klimawandel zum Ziel der Schuldzuweisung macht. Erstens ist das Klima ein Durchschnitt des Wetters über dreißig Jahre, ein Zeitraum, der von der World Meteorological Society (WMO) festgelegt wurde. Jedes kurzfristige Wetterereignis von einigen Stunden oder Tagen, sei es ein Hurrikan, ein Kälteeinbruch oder eine Hitzewelle, ist genau das: Wetter, nicht Klima.

Der andere Fehler, den Mitchell macht, ist ziemlich ungeheuerlich. Er spricht von Temperaturspitzen in der Großstadt Jacobabad, vergisst aber, einen der bekanntesten Temperatureffekte von Großstädten zu erwähnen: den Urban Heat Island-Effekt (UHI).

Die University Corporation for Atmospheric Research (UCAR) definiert ihn wie folgt:

Eine urbane Wärmeinsel (UHI) ist ein Großstadtgebiet, das deutlich wärmer ist als seine Umgebung. Nach Angaben der EPA sind die Lufttemperaturen in vielen US-Städten bis zu 5,6°C (10°F) höher als in den umliegenden natürlichen Landgebieten. Dieser Temperaturunterschied ist in der Regel nachts größer als tagsüber, im Winter größer als im Sommer und tritt vor allem bei schwachem Wind auf. Die Hauptursachen sind Veränderungen der Landoberfläche durch die städtische Entwicklung und die durch die Energienutzung erzeugte Abwärme.

Es ist klar, dass Städte Hitzewellen verschärfen. Die menschlichen Symptome, die UCAR als Folge von UHI beschreibt, sind die gleichen, die Mitchell und NBC News dem Klimawandel zuschreiben wollen. Laut ZeeNews India ist Jacobabad für seine „brütende Hitze“ bekannt:

Jacobabad, eine Stadt in der pakistanischen Provinz Sindh, ist für ihre große Hitze bekannt, aber jüngste Forschungen haben ihr eine unwillkommene wissenschaftliche Auszeichnung verliehen. Die Temperatur in der Stadt beträgt etwa 52 Grad Celsius, was für den menschlichen Körper tödlich ist.

Offenbar ist es normal, dass es in Jacobabad heiß ist. Die Daten werden es uns sagen.

Schauen wir uns zunächst die Klimageschichte von Jacobabad an. Hier ist ein Diagramm (Abbildung 1) des NASA Goddard Institute for Space Studies (NASA GISS) mit den langfristigen Temperaturdaten für die Stadt:

Abbildung 1: NASA GISS Temperaturanalyse (v4) Stationsdaten: Jacobabad

Leider fehlen in dem Diagramm viele Daten, und es ist nicht aktuell bis 2022. Fehlende Daten sind ein Problem bei den Klimaaufzeichnungen vieler Länder der Dritten Welt.

Doch selbst mit unvollständigen Daten kann uns die Grafik drei Dinge sagen:

1. Zwischen etwa 1900 und 1990 ist die Temperaturaufzeichnung größtenteils flach und steigt nicht an. Nach 1990 ist ein anhaltender Temperaturanstieg zu verzeichnen.

2. Große Temperaturspitzen traten kurz nach 1940 und in der Nähe von 2012 auf, was beweist, dass natürliche Wetterereignisse die Temperatur in Jacobabad beträchtlich erhöhen können. Dies wiederum zeigt, dass es dort schon früher Hitzewellen gegeben hat.

3. Zwischen 1900 und heute liegt die jährliche Durchschnittstemperatur in Jacobabad irgendwo zwischen 27 und 28 °C.

Es ist klar, dass Jacobabad eine sehr warme Stadt ist, und es ist seit 1990 noch wärmer geworden. Aber was ist in Jacobabad seit 1990 passiert, das mit diesem anhaltenden Temperaturanstieg einhergeht? Die Antwort lautet: Ein dramatischer Bevölkerungszuwachs, wie in Abbildung 2 zu sehen ist:

Abbildung 2: Tabelle der Volkszählungswerte für Jacobabad Pakistan von 1972 bis heute. Quelle

Das Bevölkerungswachstum in Jacobabad verläuft parallel zum raschen Wachstum des gesamten Landes Pakistan, wie in Abbildung 3 zu sehen ist:

Abbildung 3: Bevölkerung von Pakistan seit 1800. Quelle

Das Bevölkerungswachstum in Pakistan (und in Jacobabad) hat sich in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts dramatisch beschleunigt und hält auch im 21. Jahrhundert an. Mit dem Bevölkerungswachstum geht die Entwicklung von Wohnraum und Städten einher, und damit auch ein erhöhter Energieverbrauch. Um auf die Ausführungen von UCAR zum Thema UHI zurückzukommen, ist dies von Bedeutung:

„Die Hauptursachen [für UHI] sind Veränderungen der Landoberfläche durch die städtische Entwicklung und die durch die Energienutzung erzeugte Abwärme“.

Die Temperaturdaten von NASA GISS und der Bevölkerungszuwachs in Jacobabad korrelieren in diesem Zeitraum. Es scheint klar zu sein, dass die Dichte von mehr als einer Million Menschen und die damit verbundene Infrastruktur eine dramatische Auswirkung auf die Temperatur in Jacobabad aufgrund der Zunahme des UHI in den letzten 30-40 Jahren hatte, was Mitchell und NBC News einfach ignoriert haben.

Auch die UCAR stellt dies fest:

Mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung lebt heute in städtischen Gebieten, und bis zum Jahr 2050 wird der Anteil der Stadtbewohner weltweit voraussichtlich 70 % erreichen, so dass das Problem der städtischen Hitzeinseln weiter zunehmen wird.

Und was ist mit der Behauptung, dass der Klimawandel zu Hitzewellen in städtischen Gebieten wie Jacobabad beiträgt? Mitchell zitiert die „Klimaziele des Pariser Abkommens, d. h. die Begrenzung des durchschnittlichen globalen Temperaturanstiegs auf deutlich unter 2 °C“, und da sich das globale Klimasystem seit 1850 bereits um etwa 1 bis 1,5 °C erwärmt hat (je nachdem, wen man fragt), ist es zweifelhaft, dass zusätzliche 0,5 bis 1 °C in von Natur aus heißen Städten wie Jacobabad einen Unterschied machen werden.

Anstatt dem Klimawandel die Schuld zu geben, sollte Mitchell lieber die von der US-Umweltschutzbehörde vorgeschlagenen Strategien zur Kühlung von Städten befolgen:

1) Erhöhung der Baum- und Pflanzendecke, 2) Anlegen von Gründächern, 3) Anlegen von kühlenden – hauptsächlich reflektierenden – Dächern, 4) Verwendung von kühlenden Belägen (entweder reflektierend oder durchlässig) und 5) Anwendung intelligenter Wachstumsmethoden.

Diese Liste ist praktisch und realisierbar, selbst für ein armes Land wie Pakistan.

Das ist der Realitätscheck, den Mitchell und NBC News annehmen müssen: die Städte durch Änderungen an der Infrastruktur kühler zu machen, anstatt zu versuchen, ein unkontrollierbares Klimasystem zu kontrollieren.

Autor: Anthony Watts is a senior fellow for environment and climate at The Heartland Institute. Watts has been in the weather business both in front of, and behind the camera as an on-air television meteorologist since 1978, and currently does daily radio forecasts. He has created weather graphics presentation systems for television, specialized weather instrumentation, as well as co-authored peer-reviewed papers on climate issues. He operates the most viewed website in the world on climate, the award-winning website wattsupwiththat.com.

Link: https://climaterealism.com/2022/06/checking-the-science-focus-reality-check-ignoring-uhi-is-foolish/

Übersetzt von Christian Freuer für das EIKE

 




Grönland wird seit 2010 kühler

Matthias Baritz, Josef Kowatsch

In der Klimaschau 115 wurde die Temperaturentwicklung in Grönland thematisiert. Hierbei zeigte die Arbeit Shinji Matsumura et al. 2021, dass die Temperaturen seit ca. 10 Jahren stagnieren, bzw. leicht sinken. Dies ist erst einmal verwunderlich und steht im krassen Widerspruch zu dem Klima-Alarmismus. Wie im Video erwähnt, wird diese Entwicklung in den Medien seit einem Jahrzehnt totgeschwiegen. Viel interessanter ist es ja, enorme Temperaturabweichungen in der Antarktis im März diesen Jahres als Horrormeldung zu verkaufen: 40 Grad wärmer als üblich um diese Jahreszeit. Dass es sich dabei nur um kurzeitiges Wetterphänomen handelte, wurde natürlich verschwiegen.

Screenshot Klimaschau 115 (Ausschnitt)

Betrachten wir nun obige Swiss Camp-Grafik. Die ersten 17 Jahre stiegen die Temperaturen auch noch, so dass SwissInfo 2007 eine erste Zwischenbilanz zog: „Die Eisdecke von Grönland schmilzt rapide und fließt ins Meer“. Wo allerdings die im Artikel behaupteten 5 Grad Erwärmung in diesem Zeitraum sein sollen, ist aus der obigen Grafik nicht zu erkennen. Und leider konnte auch eine 2.te Bilanz nicht mehr gezogen werden, denn das Swiss Camp existiert nicht mehr. „..Völlig zerstört und begraben unter einer meterhohen Schneedecke…“ schreibt das polarjournal.ch am 1.10.2021, ‘wurde mit dem Abbau des Camps begonnen‘. Vielleicht spricht es sich auch bei den Alarmisten einmal herum, dass es in Grönland zeitweise kräftig schneien könnte.

In Grönland handelt es sich offensichtlich um eine langfristige Entwicklung, die zu Erwärmungen und Abkühlungen führt. Zur Bestätigung o.a. Ergebnisse sollen nun weitere Stationen in Grönland herangezogen werden. Grönland ist deshalb wichtig, weil es sich um Festlandeis handelt und ein Abschmelzen bei einer Erwärmung würde zum Anstieg des Meeresspiegels führen. Wir betrachten deshalb den Temperaturverlauf bei weiteren Stationen, und zwar in den Gegenden um Nuuk (Godthaab) an der Westküste Grönlands, die Humboldt Station sowie Summit Camp im Hochland von Grönland, also mittendrin im Land. Unsere Daten sind von KNMI Climate Explorer WMO. Betrachtet wurden die Sommerwerte und teilweise die Jahreswerte.

Die Sommertemperaturen der Monate Juni, Juli, August liegen an der Westküste Grönlands deutlich im Plus. Anstieg bis 2010.

Eine Station in der geographischen Mitte Grönlands: Summit Camp

Bildquelle: mons.wikimedia.org/w/index.php?curid=49363023

Mitten im Land, auf 3000 m Höhe endete der Sommertemperaturanstieg fünf Jahre früher. Man beachte die Höhe der Sommertemperaturen: auch bei Rekord-Höchsttemperaturen von -12°C kann kein Inlandeis schmelzen.

Erg: Bei allen drei Grafiken ist der Anstieg der Sommer-Temperaturen bis in das Jahr 2009/2010 deutlich, aber in den letzten 10 Jahren ist der Trend fallend.

Betrachten wir nun die Jahrestemperaturen:

Der Jahrestemperaturverlauf ist natürlich noch um einiges kälter als die Jahreszeit Sommer. Aber auch die Jahrestemperaturen steigen mitten im Land seit 15 Jahren nicht mehr.

Fazit: Auch bei den Jahresdurchschnittstemperaturen ist die gleiche Tendenz zu erkennen: Bis ins Jahr 2009/2010 steigt die Temperatur, danach nicht mehr. Jede Grafik der 3 Stationen würde ab 2010 sogar eine fallende Trendlinie haben.

Fakt ist: Grönland kühlt seit ca. 10 Jahren leicht ab! Der Trend ist aber nicht signifikant.

Was ist nun die Ursache dieser Erwärmungsstagnation bzw. der leichten Abkühlung seit 2010? In der Arbeit von Matsumura wurde ja schon gezeigt, dass der zentralpazifische El Nino das arktische Klima beeinflusst. Sicherlich gibt es noch weitere erhebliche, aber auch weniger relevante Einflüsse. Wir wollten in diesem Artikel nur zeigen, dass seit über einem Jahrzehnt keine Eisschmelzgefahr von Grönland mehr ausgehen kann und damit auch kein Meeresspiegelanstieg. Was sind die Gründe dieser leichten Abkühlung bei den aufgezeigten Wetterstationen? Das zu ergründen wäre jetzt Aufgabe der Forschung, hier Klarheit hinein zu bringen. Aber das passt ja nicht in unsere Klimaerwärmung/erhitzung/katastrophe.

Und eine weitere Tatsache sollte der Leser aus unserem Artikel mitnehmen: Durch CO2 hat sich Grönland bis 2010 nicht erwärmt. Und natürlich danach auch nicht abgekühlt.

Matthias Baritz, Natur-Wissenschaftler,- Forscher und- Schützer

Josef Kowatsch, Naturbeobachter und Klimaforscher.

 




Was ist los in Dänemark?

Von Klaus Dieter Humpich

Was geschieht im schönen Dänemark, daß sich gleich zwei junge Unternehmen (Seaborg Technologies und Copenhagen Atomics) mit der Entwicklung von Kernreaktoren der Generation IV beschäftigen? War doch bisher für alle „Ökos“ Dänemark das Paradies für Windkraft und Bioenergie. Konnte man sich doch bisher einen schlanken ökologischen Fuß machen, da die Bevölkerung nicht einmal doppelt so groß ist wie die von Berlin und 76% der Arbeitnehmer in der Dienstleistung tätig sind und damit 79% des BIP erwirtschaften. Das bisschen Stahl für die Windmühlen, den Dünger für die intensive Landwirtschaft und die paar Autos konnte man sich bequem auf dem Weltmarkt zusammen kaufen. Die damit verbundenen Umweltbelastungen und der Energieverbrauch gehen halt auf das Konto der Erzeuger. Apropos Autos: Unsere grüne Verkehrssenatorin in Berlin bekommt immer leuchtende Augen, wenn sie von der „Fahrradstadt“ Kopenhagen schwärmt. Warum sollte man auch nicht in Kopenhagen Fahrrad fahren, ist doch annähernd so groß wie Bremen und genauso flach. Allerdings gibt es dort in der Innenstadt Hauptverkehrsachsen mit 3 Fahrspuren + 1 Busspur + 1 Fahrradspur. Nur die Fußgänger müssen sich etwas anpassen, da diese Magistralen nur mit zweimal grün zu überqueren sind. Schön sind auch die Nahverkehrszüge mit großen Fahrradabteilen. Trotzdem stehen die Pendler von und nach Kopenhagen (Großraum über 1,5 Millionen) täglich im Stau. Man kann eben nicht alles haben: Billige Wohnung und gut bezahlter Arbeitsplatz in Bullerbü geht nirgends auf der Welt.

In Dänemark ist aber ein weiteres dickes Ende abzusehen: Bereits heute wird schon oder erst – je nach Blickwinkel – die Hälfte der elektrischen Energie durch Windkraft erzeugt. Ein Netz mit so hohem fluktuierenden Anteil überhaupt am Laufen zu halten, geht nur mit der Wasserkraft in Norwegen, der Kernenergie in Schweden und der Kohle in Deutschland. Da aber alle „Ökos“ in Europa glauben, sie könnten ihre Stromlücken problemlos beim Nachbarn auffüllen, ist damit bald Schluß. Was bleibt, sind die hohen Stromkosten und wahrscheinliche Zwangsabschaltungen. Absehbar zeichnen sich die Grenzen des Wachstums der Windindustrie ab. Die immer größer werdenden Konflikte mit Umweltschützern und den belästigten Anwohnern haben die Schlangenölverkäufer bereits auf die Nord- und Ostsee hinausgetrieben. In einem in der Menschheitsgeschichte bisher nie da gewesenen Ausmaß und Tempo wird das Meer industrialisiert. Es ist halt wie mit den Schornsteinen der frühen Industrialisierung: Einige wenige waren ein willkommenes Fortschrittssymbol, aber ab einem gewissen Ausmaß zeichnete sich der Fluch der Luftverschmutzung ab. Einige wenige „Vogelschredder“ steckt die Natur locker weg, aber eine voll gepflasterte Nordsee wird zur ökologischen Katastrophe für Fauna und Flora. Wer gegenteiliges behauptet, ist ein Ignorant und hat nichts aus der Technikgeschichte gelernt.

Klein und smart passt gut zusammen

Es ist kein Zufall, daß sich gerade die dünner besiedelten Staaten für kleine und „moderne“ Reaktoren interessieren:

  • Ihre (lokalen) Netze sind meist zu klein, um konventionelle Reaktoren wirtschaftlich betreiben zu können.
  • Sie verfügen über keine Schwerindustrie, die die erforderlichen großen Bauteile (z. B. Reaktordruckbehälter) herstellen kann. Es sind deshalb besonders „drucklose“ Konzepte von Interesse.
  • Sie verfügen über zahlreiche kleine fossile Kraftwerke mit Kraft-Wärme-Kopplung (Fernwärme, Industriebetriebe) die ersetzt werden müssen.
  • Dänemark verfügt über eine beachtliche Flotte großer Containerschiffe (Maersk) für die neue Antriebskonzepte gefunden werden müssen (synthetische Brennstoffe und/oder nuklear).
  • Die skandinavischen Länder betreiben seit Jahrzehnten Leichtwasserreaktoren, die bereits eine Menge abgebrannter Brennelemente angehäuft haben – aber zu wenig für eine konventionelle Wiederaufbereitung. Die derzeitige Lösung, der dauerhaften unterirdischer Zwischenlagerung in Bergwerken, schreit förmlich nach neuen Ansätzen.

Geht man von diesen Rahmenbedingungen aus, ist es nicht verwunderlich, daß sich gleich zwei Unternehmen mit der Entwicklung von Reaktoren mit Salzschmelzen beschäftigen.

Salzschmelze-Reaktoren

Wenn man geeignete Salze auf einige hundert Grad erhitzt, werden sie flüssig wie Wasser. Andererseits sind sie dann noch weit entfernt zu verdampfen und damit Druck aufzubauen. Mit einfachen Worten: Man kann einen Reaktor bauen, der beachtliche Temperaturen (bis etwa 700°C) bereitstellt und trotzdem nahezu drucklos bleibt. Wenn man nun Salze aus Uran, Thorium, Plutonium und Minoren Aktinoiden (das sind die, die eine so langfristige Lagerung des Atommülls erforderlich machen) bildet und unter die Salzlösung mischt, erhält man einen Brennstoff, der gleichzeitig der Wärmeträger ist. Also anders als bei konventionellen Reaktoren, wo fester Brennstoff in Hüllrohre verpackt, mit Wasser, Natrium etc. zur Kühlung umgeben wird. Beide Konstruktionsweisen haben spezifische Vor- und Nachteile, die hier nicht näher diskutiert werden. – wie immer in der Technik, wo es grundsätzlich nur Optima gibt und nicht (nur) das Gute oder Schlechte. Selbst wenn man die Reaktortechnik auf Salzschmelzen einengt, ergeben sich noch dutzende verschiedene Konstruktionen. Es empfiehlt sich daher, vorab Gedanken zu machen, welche Anwendungen man anstrebt.

Die Gemeinsamkeiten der Dänen

Sowohl Seaborg, wie auch Copenhagen Atomics streben langfristig eine Serienproduktion an. Dafür müssen die Reaktoren so klein (Gewicht und Abmessungen) sein, daß sie sich komplett fertigen und transportieren lassen. Seaborg will sie auf Bargen in Werften installieren und anschließend betriebsbereit über den Wasserweg zum Verbraucher schleppen. Copenhagen Atomics geht noch einen Schritt weiter und will die komplette Anlage mit Pumpen, Wärmeübertragern und allem notwendigen Zubehör in einen handelsüblichen 40-Fuß-Container einbauen. Es geht also in die Richtung „Autofabrik“ und weit weg von der verfahrenstechnischen Großbaustelle heutiger Kernkraftwerke. Das kann die Kosten senken und vor allem ganz neue Märkte erschließen: Seit dem Krieg gegen die Ukraine wird auch hier breiten Schichten die Bedeutung von „Wärme“ und nicht nur elektrischer Energie für eine Industriegesellschaft bewußt. Es gibt einen riesigen Bedarf für Wärme mit „ein paar hundert Grad“ z. B. in der chemischen und verarbeitenden Industrie. Man stelle sich einmal vor, man könnte die tausende Kessel (< 100 MWth), die überwiegend aus teurem Erdgas und Heizöl nur Warmwasser und Dampf für die Produktion herstellen, durch „Nukleare Container“ ersetzen. Angeliefert und aufgestellt in wenigen Tagen, gemietet und betreut (die Reaktoren laufen voll automatisch) von Service Unternehmen, die für ein paar Cent die erforderliche Wärme bereitstellen. Welch verlockende Perspektive gegenüber dem irren Umweg aus „Grünem Wasserstoff“ Niedertemperaturwärme machen zu wollen.

Es gibt aber noch ein weiteres Anwendungsfeld, das sich Laien nicht so ohne weiteres erschließt, aber Reedern unter den Nägeln brennt: Seeschiffe geraten durch strengere Umweltschutzvorschriften und explodierende Treibstoffpreise immer mehr unter Druck. Langfristig bleibt nur der nukleare Antrieb als Ausweg, wenn man „fossil“ nicht mehr will. Egal ob bei großen Schiffen durch Reaktoren an Bord oder durch voll elektrischen Antrieb bei kleineren Schiffen mit „nuklearen Tankstellen“ auf dem Meer. Viele Reeder setzen auch auf Ammoniak als Treibstoff. Diesen Sektor hat auch Copenhagen Atomics in seinen Überlegungen.

Salzschmelze, zwei Fliegen mit einer Klappe?

Wenn man auf der Basis von Thorium arbeitet, erschließt man sich einen neuen Brennstoff, der noch viel häufiger als Uran vorkommt und zur Zeit schlicht weg Abfall (z. B. bei der Gewinnung seltener Erden) ist. Thorium erzeugt im Gegensatz zum Uranzyklus heutiger Leichtwasserreaktoren praktisch keinen langlebigen Atommüll (Plutonium-Isotopen, Minore Aktinoide). Im Gegenteil, man kann mit ihnen den Reaktor starten und sie so gewinnbringend vernichten. Copenhagen Atomics bezeichnet ihren Reaktor deshalb auch als „Waste Burner“. Gestartet wird der Reaktor mit einem Gemisch aus Thoriumfluorid und Plutoniumfluorid. So wie sich das Plutonium aufbraucht, wird gleichzeitig aus dem Thorium spaltbares Uran-233 „erbrütet“. Wichtig dabei ist, daß man – anders als für Mischoxid-Brennelemente für Leichtwasserreaktoren – kein möglichst reines Plutonium benötigt, sondern es kann durchaus mit Spaltprodukten verunreinigt sein (Proliferation) und soll sogar alle Minoren Aktinoide mit umfassen. Man kommt so zu wesentlich einfacheren Aufbereitungsverfahren für den zwischengelagerten „Atommüll“. Angestrebt sind hier eher reine (kurzlebige) Spaltprodukte, die einfach endgelagert werden können – kleine Menge (< 5%) und kurze Zerfallszeiten, die schnell zu schwach strahlendem „Restmüll“ führen. Ist der Gleichgewichtszustand erreicht, wird nur noch Thorium verbraucht.

Arbeiten wie bei Rickover

Man kann es sich heute gar nicht mehr vorstellen: Das erste Atom-U-Boot überhaupt, die USS Nautilus, wurde in nur fünf Jahren „erfunden“ und gebaut – und das mit den Hilfsmitteln der frühen 1950er Jahre. Dies war nur durch einen ingenieurtechnisch streng pragmatischen Ansatz möglich. An diese Vorgehensweise fühlt man sich bei Copenhagen Atomics erinnert. Werkstoffprobleme (Korrosion in heißem Salz) werden durch Tests gelöst. Zu diesem Zweck hat man sich eigene Prüfstände entwickelt, in denen vollautomatisch verschiedene Salzmischungen und (handelsübliche) Werkstoffe unter Betriebsbedingungen untersucht werden. Nicht „kaufbare“ Komponenten, wie z. B. die Umwälzpumpen sind selbst entwickelt und getestet worden. Das Gleiche betrifft die gesamte Instrumentierung und die notwendige Regelung. Salzmischungen in der erforderlichen Reinheit sind zumindest nicht in den erforderlichen Mengen zu kaufen. Deshalb wurde eine eigene Salzproduktion aufgebaut. Man ist jetzt an dem Punkt angekommen, einen „nicht nuklearen“ Reaktor in Originalgröße in Betrieb zu nehmen und damit Dauertests durchzuführen zu können.

Die Philosophie dahinter ist, nicht Unmengen von Papier und Berechnungen zu produzieren, mit denen man zu einer Genehmigungsbehörde geht und jahrelange theoretische Diskussionen führt, bis endlich mal etwas gebaut wird. Sondern ein konkretes Objekt vorzuzeigen und damit in den Genehmigungsprozess einzusteigen – quasi den Spieß umzudrehen. Was augenscheinlich funktioniert, muß mit starken Argumenten sicherheitstechnisch entkräftet oder eben zugelassen werden. Heute ist es eher üblich, bei theoretischen Diskussionen für jedes gelöste Problem drei neue aufzuwerfen. So kommt es, daß bei allen SMR-Projekten dreistellige Millionenbeträge der Investoren verbrannt sind, bevor der erste Spatenstich erfolgt. Das ist auch nicht verwunderlich, wenn man Genehmigungsverfahren als Stundenlohnarbeiten durchführt.

Bauen, statt nur Papier zu produzieren, hat noch einen weiteren Vorteil. So ist es Copenhagen Atomics gelungen, Gerätschaften die sie für den eigenen Reaktor entwickelt haben, bereits an andere Unternehmen und Forschungseinrichtungen zu verkaufen. Dies generiert nicht nur Umsatz während der Entwicklungsphase, sondern ermöglich ganz natürlich die Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen und Forschungseinrichtungen. Darüberhinaus wird so sehr schnell aus einem Startup eine Marke.

Der schwierige Übergang in die nukleare Phase

An diesem Beispiel zeigt sich, in welch fatale Lage sich Europa selbst gebracht hat. Es mangelt nicht an klugen Köpfen, die sich für Kerntechnik begeistern. Immer mehr junge Leute gehen wieder den anspruchsvollen Weg eines Studiums der Kerntechnik. Das Bild von einer Jugend der „Freitagshüpfer“, die irgendwas aus den Weiten der „Genderwissenschaften“, dem „Klimaschutz“ oder sonstigen „Geschwätzwissenschaften“ studieren, um möglichst schnell eine Stellung im Staatsdienst zu ergattern, ist eine Erfindung der (meisten) Medien. Es wäre auch genug privates Kapital vorhanden, trotz aller Subventionen für „Grüne Technik“. Es klemmt heute an ganz anderen Dingen.

Ein Extrembeispiel ist Deutschland. Hier wäre ein Genehmigungsverfahren neuer Reaktoren gar nicht mehr möglich. Was ist, wenn Plan A, wir machen alles mit Wind, Sonne und Erdgas einfach nicht funktionirt? Wie lange glaubt man die Bevölkerung noch auf Kurs halten zu können, wenn die Energiepreise weiter steigen und Massenarbeitslosigkeit die Folge wird? Seit Minister Trittin hat man die deutschen Fachbehörden systematisch ruiniert, indem man frei werdende Stellen stets nach ideologischer Grundhaltung besetzt hat. Man hat sogar – im Gegensatz zu unseren Nachbarn – alles, was irgendwie nach Kerntechnik aussieht, an den Universitäten „auslaufen“ lassen. Was nicht sein darf, kann auch nicht sein.

Wie wird man in Dänemark reagieren, wenn im nächsten Schritt mit radioaktiven Stoffen gearbeitet werden müßte? Welche Behörden haben den Willen und die Fähigkeiten den Bau eines „Forschungsreaktors“ zu genehmigen und zu begleiten? Wahrscheinlich wird dieses Projekt, wie viele andere, Europa Richtung USA oder Asien verlassen müssen. Europa ist in Fragen von Wissenschaft und Technik zu einem mittelalterlichen Kirchenstaat verkommen. Erforscht oder gar gebaut werden darf nur noch, was das Wohlgefallen der „geistigen Obrigkeit“ findet.

Der Beitrag erschien zuerst auf der Webseite des Autors hier

 




Durchbruch bei der Abschätzung von Kosten der Stromspeicherung in den USA

David Wojick

Regelmäßige Leser wissen, dass ich über die astronomischen Kosten der erforderlichen Energiespeicherung geschrieben habe, um Solar- und Windenergie (SAW) zuverlässig zu machen. Ich habe einige einfache technische Analysen veröffentlicht, die zeigen, dass kurzfristige Unterbrechungen, d. h. einige wolkige oder windarme Tage, eine enorme Menge an Speicherkapazität erfordern.

Jetzt haben wir eine wunderbare Analyse des langfristigen Speicherbedarfs, um Solar- und Windenergie zuverlässig zu machen. Wie erwartet sind die Zahlen enorm. Aber sie sind auch präzise.

Die Studie trägtz den Titel „The Cost of Net Zero Electrification of the U.S.A.“ von Ingenieur Ken Gregory.

Wie der Titel schon sagt, konzentriert sich Gregorys Studie auf die Netto-Null-Elektrifizierung, die hier nicht mein Thema ist. Sein erster Schritt besteht darin, zu analysieren, welche Speichermöglichkeiten erforderlich wären, um den heutigen Strombedarf einfach mit SAW anstelle von fossilen Brennstoffen zu decken. Diese einfache Analyse ist der große Durchbruch.

Der Maßstab ist ein Jahr, in dem SAW die amerikanische Stromerzeugung aus fossilen Brennstoffen in den unteren 48 Bundesstaaten ersetzt. Der Ansatz ist in seiner starken Einfachheit elegant. Er funktioniert folgendermaßen.

Fossile Brennstoffe liefern grob und bequem gerundet 3 Milliarden MWh pro Jahr. Gregory beginnt mit der stundenweisen SAW-Erzeugung für 2019 und 2020. Die stündliche Gesamterzeugung erfasst die kontinuierliche Intermittenz auf der stündlichen Skala. Auf dieser Skala gibt es viele Schwankungen in der Erzeugung. Sowohl der Wind als auch die Wolken am Tag kommen und gehen häufig.

Dies ist ein enormer Fortschritt gegenüber der typischen einjährigen Analyse, die jährliche Durchschnittswerte verwendet. Sie geht auch weit über die Art von Kurzzeitspeicherstudie hinaus, die ich und andere durchgeführt haben. Es stellt sich nämlich heraus, dass die saisonale Speicherung der Hauptfaktor ist.

Der wichtigste Schritt besteht darin, dass Gregory die stündlichen Erzeugungsprofile der beiden Beispieljahre so hochrechnet, dass so viel Strom erzeugt wird, wie in dem Jahr mit fossilen Brennstoffen erzeugt wurde. Er verwendet dazu einen einfachen Multiplikator. Jedes Jahr ist ein wenig anders, aber der Multiplikator liegt bei etwa neun. Das heißt, fossile Brennstoffe haben etwa neunmal so viel Strom erzeugt wie SAW, also erhöhen wir das SAW-Profil um diesen Wert, als ob es die Aufgabe erfüllen würde. Nicht-fossile Quellen wie Wasserkraft und Kernkraft bleiben konstant.

Anschließend vergleicht er die hochskalierte SAW-Erzeugung mit dem stündlichen Stromverbrauch (der technisch gesehen als Nachfrage bezeichnet wird, als ob wir Strom nachfragen könnten). Gregory analysiert die stündliche SAW-Erzeugung im Vergleich zum Verbrauch, um festzustellen, wie viel Speicher erforderlich ist, damit SAW funktioniert. Er zählt nicht die Speicher auf, die wieder aufgefüllt werden, sondern sucht nur nach der maximal erforderlichen Kapazität. (Diese beiden unterschiedlichen Dinge werden oft verwechselt, weil beide in MWh gemessen werden).

Es stellt sich heraus, dass die so genannte saisonale Speicherung riesig ist. Das liegt daran, dass Solar- und Windenergie (SAW) im Frühjahr und Sommer viel stärker genutzt werden, während der anhaltende Strombedarf im Herbst und Winter wegen der Raumheizung am höchsten ist. Hier geht es nicht um die so genannte Spitzennachfrage (oder den Spitzenbedarf), die in der Regel während kurzfristiger sommerlicher Hitzewellen auftritt. Es geht darum, dass Tag für Tag und Nacht für Nacht der Bedarf besteht, Gebäude im Winter warm zu halten.

Die beiden Beispieljahre sind leicht unterschiedlich, aber in runden Zahlen ausgedrückt, stellt Gregory fest, dass für diesen Fall enorme 250 Mio. MWh an Speicherleistung erforderlich sind.
Allerdings ist dies nur ein Achtel oder 12,5 % der gesamten von SAW benötigten Strommenge, also relativ gesehen nicht viel. Die Speicherkosten sind jedoch astronomisch, denn es handelt sich immer noch um eine riesige Menge an Strom. Siehe meinen Beitrag hier (in deutscher Übersetzung hier).

Beachten Sie, dass diese beiden Beispieljahre nicht den schlimmsten Fall darstellen, für den wir planen müssen. Bei SAW ist eine niedrige Erzeugung genauso gefährlich wie eine Nachfragespitze, wenn nicht noch gefährlicher. Viele frühere Jahre sollten analysiert werden, um einen niedrigen SAW-Planungsfall zu ermitteln. Auch verschiedene Kombinationen von Solar- und Windenergie sollten berücksichtigt werden. Dies alles muss zumindest auf regionaler Ebene geschehen, wahrscheinlicher ist es, dass dies auf der Basis der einzelnen Bundesstaaten oder Versorgungsunternehmen geschieht.

Dies ist genau die Art von Zuverlässigkeitsanalyse, die die Versorgungsunternehmen durchführen sollten, insbesondere vor der Abschaltung von Wärmekraftwerken wie Kohle, Gas und Kernkraft. NERC sollte eine Zuverlässigkeitsnorm einführen, die diese Art von Analyse vorschreibt, einschließlich einigermaßen wahrscheinlicher Szenarien mit niedrigen SAW. Die FERC sollte sie anweisen, eine solche Norm so schnell wie möglich zu erstellen und durchzusetzen.
Wir müssen die Zuverlässigkeit des amerikanischen Stromnetzes wiederherstellen, und zwar mit thermischer Energie, nicht mit Speicherung.

Autor: David Wojick, Ph.D. is an independent analyst working at the intersection of science, technology and policy. For origins see http://www.stemed.info/engineer_tackles_confusion.html For over 100 prior articles for CFACT see http://www.cfact.org/author/david-wojick-ph-d/. Available for confidential research and consulting

Link: https://www.cfact.org/2022/06/16/breakthrough-in-u-s-grid-storage-estimating/

Übersetzt von Christian Freuer für das EIKE