Der aktuelle Weltkonflikt: Barbarei gegen Fortschritt
Die Welt hat sich in den letzten fünfzig Jahren dramatisch verändert, so daß man von einer Zeitenwende sprechen muss. Die Weltbevölkerung hat sich in etwa verdoppelt. Und noch nie waren Produktions- und Lieferketten weltweit so eng miteinander verknüpft, daß aktuell selbst unscheinbar erscheinende Unterbrechungen sofort Unterversorgungen mit Gütern nach sich ziehen.
von Andrea Andromidas
Die wichtigste Veränderung aber ist die Verlagerung der industriellen Entwicklungsdynamik nach Asien. 1990 gehörten noch 80% der Kaufkraftparität zum „Westen“ und nur 20% zum Rest der Welt. Heute sind es im Westen 36% gegenüber 64%, wobei sich in Asien China besonders abhebt. Solch ein Auseinanderklaffen läßt Konflikte unausweichlich werden. Ihre tiefere Ursache ist, daß in Asien alles danach strebt, die Industrialisierung voranzubringen, während im Westen die industrielle Weiterentwicklung zum Feindbild geworden ist. Dies wirft die fundamentale Frage auf „Wie konnte es dazu kommen, und wer sind die Verantwortlichen?“
Nach der Ära von John F. Kennedys entstand im Westen das Programm einer nachindustriellen Gesellschaft. Dieser zuerst nur abstrakte Begriff ist in jüngster Zeit besonders in Europa und hier ganz besonders in Deutschland zum konkreten fanatischen Programm geworden. Zwar werden bei uns immer noch ständig die Schlagworte „Demokratie“, „Freiheit“ und „Menschenrechte“ im Munde geführt, aber wirkliche Freiheit, in Gestalt eines 250 Jahre erkämpften Fortschritts industrieller Entwicklung, soll zuerst zum Stillstand gebracht und schließlich in industriellen Rückschritt verwandelt werden. Der Begriff „industrieller Fortschritt“ wird als Irrweg deklariert, weil angeblich die Erde darunter zu sehr gelitten habe.
Wie sehr dieses transformative Programm ein radikaler Umsturz ist, kann man der Forderung im WBGU-Bericht [1] aus dem Jahr 2011 entnehmen, in dem es heißt:
„Das Wirtschaftsmodell der vergangenen 250 Jahre mit seinen Regelwerken, Forschungslandschaften, Ausbildungssystemen, gesellschaftlichen Leitbildern sowie Außen-, Sicherheits-, Entwicklungs-, Verkehrs-, Wirtschafts- und Innovationspolitiken war nahezu alternativlos auf die Nutzung fossiler Energieträger zugeschnitten. Dieses komplexe System muß nun grundlegend umgebaut und auf die Dekarbonisierung der Energiesysteme sowie radikale Energieeffizienzsteigerungen ausgerichtet werden.“
Bisweilen wird es dreister auch so formuliert:
„Schluß mit Beton, Plastik und Düngemitteln.“
Dieser Umsturz bedeutet in letzter Konsequenz, dass man industriellen Fortschritt mit seinen modernen Entwicklungen sogar weltweit beseitigen müsste, nicht nur im eigenen Hause! Die jüngsten offiziellen Aussagen über die notwendige Bekämpfung industrieller Entwicklung in Rußland oder in China und das hektische Verlangen nach immer neuen Wirtschafts-Sanktionen ist unübersehbarer Ausdruck dieser über Jahrzehnte gesteigerten Entwicklung. Der Hass auf Fortschritt ist – das kann nicht genug betonen werden – das fundamentale Gegenteil unserer eigenen kulturellen christlichen Tradition. Woher kommt aber dieser Haß? Welchem und wessen Geisteszustand haben sich die Verantwortlichen verschrieben?
Die Biosphäre W. Wernadskijs und Roosevelts Vereinte Nationen
Der Mensch ist das Ergebnis eines evolutionären Naturprozesses, der mindestens seit zwei Millionen Jahren andauert. Er hat die Fähigkeit zu wissenschaftlichem Denken hervorgebracht. Durch ihn ist eine Kraft von enormer Bedeutung entstanden, deren Geschwindigkeit im Laufe der Zeit stetig zunahm. Schon die Entdeckungen von Dampfmaschine und Elektrizität haben die Industrialisierung rund um den Planeten entscheidend vorangebracht. Die „Explosion“ des wissenschaftlichen Denkens im 20. Jahrhundert, besonders die Entdeckungen bezüglich des Atoms und seiner Zerfallserscheinungen sind noch heute weltweit eine wissenschaftliche Herausforderung. Auf der Ebene des wissenschaftlichen Denkens ist die Welt bereits zu einer Einheit geworden, unabhängig aller anderen Besonderheiten, denn der Mensch unterscheidet sich von aller weiteren lebenden Materie durch die ihm eigene Kreativität und Vernunft [2] – all dies ausführlich im Werk des Geobiochemikers Wladimir Wernadskij zu finden (hier) „Der Mensch in der Biosphäre, zur Naturgeschichte der Vernunft“.
Franklin Delano Roosevelt hatte mit der Gründung der Vereinten Nationen ein besonderes Ziel im Auge. Insbesondere aus seinen Erfahrungen im ersten Weltkrieg war ihm bewusst, daß eine bessere Zukunft nur dann möglich ist, wenn alle Formen kolonialer Unterwerfungen aus den Beziehungen der Staatengemeinschaft ausgeräumt sind. Bis zu seinem Tod setzte sich Roosevelt daher für eine Friedensordnung ein, die auch dem Rest der Welt das ermöglichen würde, was Amerikas Wirtschaft groß gemacht hatte: Die umfassende industrielle Entwicklung des ganzen Landes.
Bertrand Russells Gegenentwurf: eine diktatorische Weltregierung
1926 veröffentliche Bertrand Russell (1872-1970) ein Buch mit dem Titel Ikarus oder die Zukunft der Wissenschaft. Das Thema, das ihn umtrieb, war immer das gleiche – auch in seinen späteren Veröffentlichungen: Die Welt erlebe gegenwärtig eine Industrierevolution, die seiner Vorstellung eines für die Ewigkeit gemachten Britischen Empires als bedrohlicher Gegensatz erscheint. Unter dem Banner des Pazifismus behauptet B. Russel, wissenschaftlicher Fortschritt und Industrialisierung führten am Ende immer zum Krieg, weil Überbevölkerung und Ressourcenknappheit die Welt auf ewig entzweien würden. Die Vorstellung, dass wissenschaftliche Forschung und Industrialisierung dagegen aus der Welt eine Einheit machen kann, die zwangsläufig friedliche Zusammenarbeit erfordert, war für ihn als Angehörigen einer privilegierten Kaste undenkbar.
„In nicht allzu langer Zeit werden die technischen Bedingungen für die Durchorganisierung aller Länder der Welt als Produktions- und Konsumptionseinheiten verwirklicht sein“
schreibt B. Russel weiter. Die einzige Möglichkeit, dies zu verhindern, sei die Errichtung einer Weltregierung. Und schließlich schreibt er
„Dank der Narrheit der Menschen wird, glaube ich, eine Weltregierung nur durch Gewalt begründet werden; sie wird daher fürs erste grausam und despotisch anmuten. Aber ich glaube, sie ist notwendig für die Rettung einer mit Wissenschaft durchtränkten Zivilisation, und, wenn sie erst einmal Wirklichkeit geworden ist, werden auch die übrigen Voraussetzungen eines erträglichen Daseins sich aus ihr heraus entwickeln.“
Viele Gleichgesinnte von B. Russel waren geradezu besessen von der Notwendigkeit einer gewaltsamen undemokratischen Weltregierung. H.G. Wells, enger Vertrauter von Churchill, schrieb zwei Jahre später sogar ein Traktat über die Offene Verschwörung [3] mit einem ausführlichen Programm, wie diese Weltregierung zu erzwingen sei.
Russel ging freilich noch weiter. Am ersten Oktober 1946 veröffentlichte er im Bulletin of the Atomic Scientists einen Kommentar, in welchem er die Überlegung verbreitet, daß es mit dem weiteren Einsatz der Atombombe seitens der USA zur Errichtung einer Weltregierung kommen würde, was er persönlich mit Enthusiasmus begrüßen würde. Leider müsse man davon ausgehen, daß die USA dazu nicht bereit seien!
Zum Glück waren sie nach Hiroshima und Nagasaki dazu nicht mehr bereit. Mit der Präsidentschaft Dwight D. Eisenhowers (1953-1961) nahm schließlich ein US-Präsident die Geschäfte in die Hand, der ganz im Sinne von Franklin Roosevelt die neugeschaffene Institution der Vereinten Nationen als Plattform einer Gemeinschaft souveräner Staaten begriff. Am 8. Dezember 1953 hielt er vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen in New York seine berühmte Rede „Atome für den Frieden“. Er forderte darin die Weltgemeinschaft auf, die Technik der Kernspaltung für die friedliche Nutzung zur Energiegewinnung einzusetzen, um allen Menschen den Weg der Entwicklung zu ermöglichen.
B. Russels Erben: Verdummung und Propaganda, das Prinzip der Unterwerfung
Als John F. Kennedy ermordet wurde, waren bereits fünf Nationen, die USA, die Sowjetunion, Frankreich und England im Besitz von Atomwaffen. Zwar war die Errichtung einer Weltregierung glücklicherweise nicht in greifbarer Nähe gerückt, aber diese verbrecherische undemokratische Idee wurde dennoch niemals aufgegeben. Wenn überhaupt, konnte sie in der Tat nur durch eine Art „Offener Verschwörung“ verwirklicht werden, wie sie H.G. Wells schon 1928 angedeutet hatte.
Entsprechende Weichenstellungen der frühen 70er Jahre orientierten sich ganz am Gedankengut des Bertrand Russell. Was die amerikanische Regierungsseite angeht, müssen in diesem Zusammenhang die Bukarester Bevölkerungskonferenz 1974 und das im gleichen Jahr verfaßte, damals geheime, strategische Memorandum NSSM 200 [4] erwähnt werden. Wesentlich bekannter ist dann die Gründung des Club of Rome, dessen Aussagen massenhaft Publikationen über Bevölkerungswachstum und angebliche Ressourcenknappheit nach sich zogen.
Längst war die nach außen hin kaum offen kommunizierte Entscheidung für die Maßnehmen gefallen, durch Auslagerung industrieller Billigproduktion nach Übersee zwar den daraus entstehenden Vorteil zu nutzen, aber gleichzeitig mit allen verfügbaren Mitteln sicher zu stellen, dass die zur Industrieentwicklung notwendige Schwelle in den (deshalb so genannten) „Schwellenländern“ Afrikas, Asiens und Lateinamerikas von diesen nicht überschritten werden konnte.
Der Aufstieg Chinas zu einer wirklichen Industrienation war daher aus der Sicht dieser westlichen „Weltregierung-Strategen“ im Sinne Russels der größte anzunehmende Unfall überhaupt und ist aus diesem Grunde auch der eigentliche Kern des gegenwärtigen Konflikts. China hat nämlich im Gegensatz zu anderen Ländern den Sprung von Billiglohnproduktion zu systematischer Industrieentwicklung geschafft und es auch noch verstanden, den wichtigsten Folgeschritt zu meistern, diesem Sprung Dauer zu verleihen.
Billigproduktion an sich verdient nämlich noch lange nicht den Begriff „Industrie“ oder gar „Fortschritt“. Erst wenn dafür gesorgt wird, daß wissenschaftliches Denken den Produktionsprozeß ständig bereichert, ist man in der Lage, die Wertschöpfung langfristig und permanent zu steigern. Dies erfordert notwendigerweise die Ausbildung weiter Teile der Bevölkerung und den Aufbau einer wirksamen Infrastruktur. Einmal entfesselt, schafft es dann ein Maß an Freiheit und Unabhängigkeit, das imperialen Interessen wie denen von B. Russel fundamental bedrohlich ist.
Nach dem britischen Rezept der „Offenen Verschwörung“ und unter Einsatz aufwendiger Propagandamittel hat dann die politische Klasse des Westens 50 Jahre lang versucht, mit einer Art Klima-Religion weitere Höhenflüge wie die von China nicht nur einzudämmen, sondern um jeden Preis bereits im Ansatz zu hintertreiben. Wir erleben gegenwärtig, dass in den höchsten Etagen zum Teil schon darüber spekuliert wird, erst die russische Wirtschaft zu schädigen oder gar zu zerstören und danach dann die chinesische [5], [6].
Die Natur des Menschen, die nach Wissenschaft, Fortschritt und mehr Wohlstand strebt, ist bis zum heutigen Tag Gegenstand einer maßlosen Wut unter denen, die es vorziehen, ganze Kontinente zu unterwerfen, anstatt dafür zu sorgen, daß Armut abgeschafft wird. Das Davos-Forum, das von Fridays for Future bis zur Bank von England alle fortschrittsfeindlichen Kräfte unter einem Dach vereint, hat es in dem Buch von Klaus Schwab über den Stakeholder-Kapitalismus mit unvergleichbarem Zynismus auf den Punkt gebracht, denn dort steht:
„Das zeigt uns das zentrale unauflösbare Problem. Die Fähigkeit, die den Menschen dazu verhilft, die Armut zu überwinden und ein besseres Leben zu führen, ist gleichzeitig dafür verantwortlich, daß der Planet für zukünftige Generationen zerstört wird. Die Ursachen für den Klimawandel sind nicht nur das Resultat einer selbstsüchtigen Generation von Industriellen und Babyboomers im Westen. Sie sind die Konsequenz des menschlichen Strebens nach einer besseren Zukunft“ [6].
Quellen:
[1] WBGU, Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen: Gesellschaftsvertrag für eine Große Transformation, 2011
[2] In Diskussion mit dem französischen Mathematiker Le Roy und dem Jesuiten Teilhard de Chardin.
[3] Herbert George Wells, Die offene Verschwörung, 1928
[4] https://nssm200.com/
[5] https://www.welt.de/wirtschaft/article205034846/Weltwirtschaftsforum-Die-groessten-Risiken-fuer-die-Zukunft-der-Welt.html
[6] Klaus Schwab, Stakeholder Capitalism, World Economic Forum 2021, Published by John Wiley& Sons, Inc., Hoboken, New Jersey S.154