Die Zerstörung des deutschen Gasnetzes

Wenn uns vor zehn Jahren jemand gesagt hätte, dass bis 2045 das deutsche Gasnetz aus Klimaschutzgründen zurückgebaut werden müsste – wir hätten ihn doch für verrückt erklärt, oder?

von Fritz Vahrenholt

Patrick Graichen, Staatsekretär im Bundeswirtschaftsministerium von Robert Habeck (Grüne), hatte auf der Handelsblatt-Tagung „Stadtwerke 2022“ am 10. Mai 2022 in Berlin die Stadtwerke aufgefordert, mit den Planungen zum Rückbau zu beginnen. Graichen führte zur Begründung aus: „Natürlich ist im Jahr 2045 da kein Gas mehr in den Netzen“ und der Betrieb einzelner Heizungen mit klimaneutralem Wasserstoff als Erdgasersatz sei „Träumerei“, wie die „Welt“ berichtete. Bis 2025 sollte es in jeder Kommune eine Wärmeplanung geben, die klare Vorgaben macht, wie lange noch welches Gasnetz betrieben werde, sagte der Staatsekretär. Das wäre dann der dritte finale Anschlag auf die Sicherheit der Energieversorgung Deutschlands: nach dem Kernenergie- und dem Kohleausstieg folgt der Erdgasausstieg.

Deutschland verfügt mit seinen über 500.000 Kilometern an Gasverteilnetzen über eine hervorragend ausgebaute Infrastruktur, über die rd. 1,6 Millionen Industrie- und Gewerbekunden sowie mehr als 19 Millionen Haushalte mit Gas versorgt werden. Mehr als die Hälfte aller Haushalte erhalten heute ihre Wärme durch Gas – entweder direkt über Gasheizungen oder indirekt über Fern- und Nahwärmesysteme.

Herr Graichen rechtfertigt diesen Eingriff unter anderem mit der Situation nach dem Ukraine-Krieg. Doch die Planung verfolgt er schon länger. Wer Herrn Graichen in seiner damaligen Funktion als Direktor der Lobbygruppe AGORA-Energiewende vor der Wahl zugehört hat, konnte es schon damals im September 2021 lesen: „Bis 2030 ist der Kohleausstieg vollzogen, bis 2040 folgt der Gasausstieg“. Die Stadwerke sind entrüstet, hatten sie doch erwartet, dass sie ihre Gasnetze mit Wasserstoff oder synthetischem grünen Gas weiter betreiben könnten.

Michael Riechel, Präsident des Deutschen Fachverbandes Gas und Wasser, DVGW sagt: „Die jüngsten Aussagen von Staatssekretär Graichen aus dem Bundeswirtschaftsministerium sind an Dreistigkeit und Ignoranz nicht zu überbieten. Die Stadtwerke jetzt aufzufordern, den Rückbau der Gasnetze zu planen, ist grob fahrlässig. Herr Staatssekretär Graichen sollte besser seine ideologischen Scheuklappen ablegen“. Damit würde eine Infrastruktur, die mehrere hundert Milliarden Euro wert ist, entwertet, assistierte ihm Ingbert Liebing, Hauptgeschäftsführer des Verbandes kommunaler Unternehmen.

Das Oster-Paket des Dr. Robert Habeck

Die Bundesregierung hat dem Bundestag ein Gesetzespaket zur Änderung der Stromerzeugung in Deutschland (genannt Oster-Paket) zugeleitet. Zur Beschleunigung des Ausbaus der Erneuerbaren in allen Rechtsbereichen soll im Erneuerbare-Energie-Gesetz (EEG) der Grundsatz verankert werden, dass „die Nutzung erneuerbarer Energien im überragenden öffentlichen Interesse liegt und der öffentlichen Sicherheit dient“. In der Begründung des Gesetzesentwurfs heißt es weiter: „Im Jahr 2030 sollen mindestens 80 Prozent des verbrauchten Stroms aus erneuerbaren Energien stammen, und bereits im Jahr 2035 soll die Stromversorgung fast vollständig aus erneuerbaren Energien gedeckt werden“. Die Strommenge soll bis 2035 auf 750 Terawattstunden (TWh) ansteigen, um Elektromobilität und Wärmepumpen zusätzlich mit Strom zu versorgen. Bis 2030 sollen bereits 600 TWh aus erneuerbaren Energien, vor allem aus Solar und Wind, stammen. Wie realistisch ist das? Wie versorgungssicher ist das? Und wie teuer wird das?  Darüber schweigt das Gesetzespaket. Der heutige Stromverbrauchmix zeigt die Ausgangslage.(Quelle: BDEW Jahresbericht 2021, S. 33)

Im heutigen Strommix liefern Wind und Sonne etwa 29 Prozent des Stroms. Die immer wieder in die Debatte geworfenen 42 Prozent Erneuerbarer Strom erwecken einen falschen Eindruck, denn Biomasse, Wasserkraft und Mülllverbrennungsanlagen sind nicht wesentlich auszuweiten. Eine Steigerung um mehr als das Doppelte ist daher für Wind und Solar in 7 Jahren angesagt (das neue EEG gilt ab 2023).

Daher schraubt das Osterpaket folgerichtig die Windenergie an Land von einer heutigen Erzeugungskapazität von 56.130 MW auf 115.000 MW in 2030. Offshore-Windkraftanlagen sollen von heute 7.800 MW auf 40.000 MW in 2030 ansteigen. Aber auch eine Verdoppelung der Erzeugungskapazität wird nicht ausreichen, eine gesicherte Leistung auch in Flautenzeiten zu erbringen. Der einzige Weg von fluktuierender Erzeugung zu gesicherter Leistung ist (wenn man auf den einfachen Weg von Backup-Kraftwerken auf Gas- und Kohlebasis verzichten will) die Zwischenspeicherung in Wasserstoff. Das führt aber zu erheblichen Umwandlungsverlusten von 70–75 Prozent.

50 Prozent der erneuerbaren Energie gehen verloren

Dr. Ahlborn hat für ein 100 Prozent Wind/Solar-System berechnet, dass „das Stromnetz 36 Prozent der Energie unmittelbar aufnehmen kann. Der Betrag an überschüssiger Energie beträgt 64 Prozent. Dieser Anteil teilt sich auf in 52 Prozent der Energie, die dem Elekrolyseprozess zugeführt werden und 12 Prozent des Betrages, die abgeregelt werden. Denn nur für einige Stunden des Jahres werden sich die ungeheuerlich hohen Spitzen in der Erzeugung nicht wirtschaftlich in Elektrolysen unterbringen lassen. Bei der Rückverstromung des Wasserstoffs bleiben unter günstigen Bedingungen 30 Prozent übrig, d.h. von den 52 Prozent elektrischer Energie, die dem Speicherprozess zugeführt wird, bleiben nach der Rückverstromung weniger als 16 Prozent übrig.

Ahlborn weiter: „Diese Betrachtung verdeutlicht, dass durch das Zusammenspiel der zufälligen Einspeisung mit dem Speichersystem und dem Netz insgesamt rund 50 Prozent der ursprünglichen elektrischen Energie aus Solar- und Windkraftanlagen durch Abregelung und Wandlungsverluste verloren gehen. Dem gesamten System aus elektrischem Netz und Speicher muss also der doppelte Betrag an elektrischer Energie zugeführt werden.“ Wir brauchen also doppelt soviel Anlagen wie die Bundesregierung plant, um die Dunkelflauten mit Wasserstoffstrom zu überbrücken.

Auch die Photovoltaik soll stark ausgebaut werden. Dazu soll die Subvention aus dem Bundeshaushalt steigen. Neue Dachanlagen, die ihren Strom vollständig in das Netz einspeisen, erhalten eine erhöhte (!) Förderung von bis zu 13,8 Cent/kWh. Die Photovoltaik auf Ackerflächen (Agri-PV) wird erweitert, was die Pachtpreise für Ackerflächen in die Höhe treiben wird. Schon heute werden 2.000 Euro Pachtpreise pro Hektar Acker von PV-Investoren gezahlt. Photovoltaik soll nun sogar auf Wasserflächen (Floating-PV) und Moorböden (Moor-PV) ausgedehnt werden! Die Erzeugungskapazität soll von heute 55.000 MW auf 215.000 vervierfacht werden.

Nun könnte man darauf hinweisen, dass der heutige Börsen-Strompreis schon bei 12 bis 15 Cent/kWh liegt und wir uns daher an diese hohen Strompreise gewöhnen müssen. Doch in einem System fluktuierender Stromversorgung mit wasserstoffbasierter Flautenabsicherung ist der Strom zwei- bis dreimal so teuer. Zum einen verdoppeln die oben beschriebenen Energieverluste auf dem Wasserstoffpfad den Preis. Zum anderen sind ja Elektrolyseure, Zwischenspeicher und Wasserstoffkraftwerke nicht zum Nulltarif zu haben.

Natürlich können dezentrale Batteriespeicher für Hausdächer die Kosten für den Eigenverbraucher etwas senken. Aber es fehlt die Gesamtkostenbilanz . Schon jetzt ist klar: International ist das alles andere als wettbewerbsfähig. Auch dazu findet sich in der Gesetzesvorlage kein Satz.

Der Beitrag erschien zuerst bei ACHGUT hier

 

Nachwort der EIKE-Redaktion.

Zu den oben beschriebenen hanebüchenen Vorgaben mit ihren exorbitanten Steigerungsraten kommt, dass das Gesetzespaket vorsieht, bspw. die Nennleistung der Onshore Windkraft-Industrieanlagen bis 2030, um jährlich 10 GW zu erhöhen. Das wären ab sofort 2.000 WKA der 5 MW Klasse im Jahr, oder 5,5 pro Tag. Jeden Tag, Tag für Tag und ab sofort.

Und von gleicher Qualität sind die Ausbauziele in der Photo-Voltaik, nur noch irrer. Da soll es von rd. 65.000 MW installierter Leistung gar auf 215.000 MW gehen. Pro Tag müssten dann 60 MW hinzugebaut werden. Ein Panel liefert pro Quadratmeter ca. 220 Wpeak. 60 MW sind 60.000.000 Watt. Geteilt durch 220, wären das rund 273.000 Quadratmeter an Solarpanelen von je knapp 2 m2 Größe, die auf deutsche Flächen, d.h. Dächer, Wiesen, Moore, Flüsse oder Seen zu installieren wären. Ab sofort, jeden Tag, bis 2030 einschließlich. Völlig unmöglich!

Da ist es müßig zu fragen in welchem Land die Gesetzesmacher und die ihren Entwürfen zustimmenden Parlamentarier leben. Dieses Land ist es sicher nicht, aber auch im Wolkenkuckucksheim dürfte das nicht gelingen.