Geht der Energiewende das Metall aus?

Kupfer, Nickel, Zinn, Lithium: Den begrenzenden Faktor der metallenen Rohstoffe scheint bei dem grünen Jahrhundertprojekt kaum ein Politiker auf dem Schirm zu haben.

Von Walter Naggl.

Der Versuch, CO2-Ziele weltweit allein auf der Basis von Windkraft und Sonne zu erreichen, muss scheitern, weil die dafür erforderlichen Metalle bei weitem nicht verfügbar sind. Bereits jetzt ist eine noch nie dagewesene Verknappung der „grünen“ Metalle erkennbar.

„Avanti Dilettanti!“ verspotteten die Grünen in den 1980er Jahren ihre Gegner in den etablierten Parteien. „Avanti, voran!“ gehört heute zum Grundwortschatz grüner Politiker. Deutschland geht mit XY voran, heißt es immer dann, wenn eine Erklärung für das Ausscheren aus dem ansonsten sakrosankten gemeinsamen EU-Weg gesucht wird. Vorangehen suggeriert Fortschritt, und wer wollte sich dem Fortschritt entgegenstellen?

Deutschland geht nun voran beim gleichzeitigen Ausstieg aus Atomenergie und fossilen Brennstoffen und macht Tempo beim Umbau zur Elektrifizierung der Energieversorgung auf der Basis von Wind und Sonne. Die Vereinbarungen des Pariser Klimaabkommens – weltweiter Abbau der CO2-Emissionen um 45 Prozent bis 2030 und Nullemissionen bis 2050 – wird man damit nicht erreichen, so oder so.

Im hypothetischen Fall, dass der Rest der Welt dem deutschen Beispiel folgt, wäre ein Scheitern wegen der Metallintensität dieses Ansatzes vorprogrammiert. Energiegewinnung durch Wind und Sonne erfordert im Vergleich zu Öl und Kohle einen sehr viel höheren Einsatz von Metallen. Diese stehen bei weitem nicht im ausreichenden Maß zur Verfügung.

Tatsächlich ist es aber so, dass vor allem Asien mit rund 50 Prozent Anteil an den weltweiten CO2-Emissionen dem deutschen Beispiel nicht folgen will. China und Indien bauen Wind- und Sonnenenergie aus, aber eben auch Kohlekraftwerke. Die Sicherheit der Energieversorgung hat in China Vorrang vor den Klimazielen.

Welches Metall braucht man wofür?

Windkraft und Solarenergie sowie die Elektrifizierung des Verkehrs- und Transportwesens erfordern im Vergleich zu einer fossilen Wirtschaft einen sehr viel höheren Einsatz von Kupfer, Aluminium, Zinn, Nickel, Lithium, Kobalt und Graphit sowie seltene Erden. Kupfer geht in den Motor und die Batterie von Elektroautos ein. E-Autos enthalten im Schnitt rund 85 Kilogramm Kupfer – oder drei- bis viermal so viel wie Verbrenner. Kupfer wird für die Ladevorrichtung von E-Autos gebraucht, für die Infrastruktur von Windanlagen und für Windkraftanlagen selber. Windturbinen auf hoher See enthalten rund 50 Tonnen Kupfer. Ferner braucht man Nickel, Lithium und das Halbmetall Graphit für Batterien und ggf. Kobalt, um diese leistungsfähiger zu machen. Aluminium braucht man für die Fassungen von Solarpaneelen, Zinn für die Verlötung.

Die Internationale Energieagentur IEA erwartet für den Fall, dass alle Länder ihre bisherigen Zusagen zur Reduzierung von CO2 einhalten (Basisszenario), bis 2050 einen Anstieg des weltweiten Kupferverbrauchs um 14 Millionen Tonnen oder 60 Prozent. Der Bedarf von Metallen, die für den Umbau in eine grüne Wirtschaft wesentlich sind, soll sich in diesem Szenario insgesamt verdreifachen. Im Nullemissions-Szenario soll er auf das Sechsfache steigen. Die IEA erwartet im Nullemissions-Szenario ferner einen gegenüber heute hundertfachen Bedarf an Lithium und eine massive Steigerung der Nachfrage nach Nickel und Kobalt. (Vgl. World Energy Outlook 2021, WEO, Seite 271f).

Im „World Energy Outlook“ (WEO), der weltweit so etwas wie die Bibel des Umbaus in eine grüne Welt darstellt, geht die IEA an dieser Stelle auch auf Probleme bei der Umsetzung ein, nämlich Erschöpfung der vorhandenen Lagerstätten, lange Vorlaufzeiten für neue Minen oder zunehmender Widerstand gegen den Abbau von Rohstoffen.

Wood Mackenzie, das weltweit führende Beratungsinstitut auf dem Rohstoffsektor, zieht eine drastische Schlussfolgerung: „Why base metals should be high on the agenda – The energy transition can’t happen without them, but meeting demand could be mission impossible.“ („Warum Basismetalle ganz oben auf der Agenda stehen sollten – Die Energiewende ist ohne sie nicht zu schaffen, aber die Deckung der Nachfrage könnte eine unmögliche Aufgabe sein.“). Die Investment-Bank Goldman Sachs kommt zur selben Einschätzung: „Goldman believes the copper market has just two years of primary production growth left.“ („Goldman geht davon aus, dass der Kupfermarkt nur noch zwei Jahre lang ein Wachstum der Primärproduktion verzeichnen kann.“)

Was sind die Hintergründe für die Bedenken der IEA und die negativen Schlussfolgerungen von Wood Mackenzie und Goldman Sachs? Im Mittel haben die großen Kupferminen der Welt ein stolzes Alter von knapp hundert Jahren erreicht. 1928 ist der Durchschnitt über alle Jahre der Entdeckung der 20 weltweit größten Kupferminen. Die größte amerikanische Kupfermine, Morenci, geht auf das Jahr 1870 zurück. Die mit einer Produktion von 1 Million Tonnen Kupfer pro Jahr größte Mine der Welt, La Escondida in Chile, wurde 1981 entdeckt und ist damit vergleichsweise jung. Da üblicherweise das Gestein mit dem höchsten Metallgehalt zuerst ausgebeutet wird, nimmt entsprechend dem Alter der Minen der Kupfergehalt des Gesteins immer weiter ab. Die US-Bank Goehring & Rozencwajg schätzt, dass derzeit im weltweiten Mittel Gestein bis zu einem Kupfergehalt von 0,25 Prozent abgebaut wird. Vor 15 Jahren war der sogenannte „cut-off grade“ noch bei 0,4 Prozent, während heute ein Gehalt von 0,4 Prozent als recht gut angesehen wird.

Bis zum „cut-off grade“ lohnt es sich, Kupfer abzubauen. Steigt der Kupferpreis, wie das aktuell der Fall ist, so lohnt es, Gestein mit einem noch niedrigeren Metallgehalt abzubauen, d.h. die Reserven der Minengesellschaften steigen automatisch auch an. Das klingt nach einem sich selbst regulierenden Prozess, hat aber einen Haken.

Die immense politische Bedeutung des Rohstoff-Abbaus für die Entwicklungsländer

Die nachlassende Ergiebigkeit im Kupferbergbau verstärkt den Widerstand gegen den Abbau. Ein Rückgang des „cut-off grade“ von 0,4 Prozent auf 0,25 Prozent scheint zunächst harmlos. Er bedeutet aber, dass für jede Tonne Kupfer nun 400 Tonnen Gestein abgebaut werden müssen, statt 250 Tonnen. Dabei kommen auch unerwünschte Giftstoffe wie Arsen oder Quecksilber ans Tageslicht und verunreinigen Gewässer und die Luft.

Der Widerstand gegen den Abbau metallischer Rohstoffe wächst weltweit und hat z.B. in Chile und Peru linksgerichtete Regierungen an die Macht gebracht, welche das bisherige liberale Wirtschaftsmodell infrage stellen. Investitionen in Minen erfordern jedoch Milliardenbeträge und Planungssicherheit über Jahrzehnte. Ist diese Sicherheit nicht gegeben, dann wird entsprechend weniger oder gar nicht investiert.

In Serbien haben Umweltverbände die Regierung gerade gezwungen die Konzession für den Abbau von Lithium in Jadar wieder zurückzunehmen. Die Umweltverbände streben nun ein Gesetz an, wonach der Lithiumabbau dort generell verboten werden soll. Jadar sollte einmal die größte Lithiummine Europas werden. Auch in den USA wollen die Behörden die Bevölkerung in den betroffenen Gebieten nicht gegen sich aufbringen. Anforderungen für den Abbau von Metallen werden verschärft, und Planungs- und Genehmigungsverfahren bleiben im Behördendschungel über Jahre hängen oder werden beerdigt.

Goldman Sachs gibt eine sehr genaue Prognose über das zu erwartende Angebot bei Kupfer ab. In diesem und im nächsten Jahr soll es noch steigen, und danach erwartet man keinen weiteren Anstieg mehr. Zufällig nehmen große Minen wie Quellaveco in Peru oder Kamoa-Kakula im Kongo nun Fahrt auf, danach ist nicht mehr viel zu erwarten. Das lässt sich deshalb relativ sicher sagen, weil große Minen eine lange Vorlaufzeit von der Entdeckung bis zur Evaluierung, Planung und Genehmigung bis zum ersten Spatenstich, Errichtung, Produktionsbeginn und schließlich voller Produktion haben. Kamoa-Kakula, z.B., wurde 2004 entdeckt und ging letztes Jahr mit 240.000 Tonnen in Produktion. Für dieses Jahr wird eine Verdopplung der Produktion erwartet und für 2028 die maximale Produktion von 800.000 Tonnen jährlich.

Nur erwähnt sei an dieser Stelle noch, dass die Weiterverarbeitung der metallischen Rohstoffe zum fertigen Industrieprodukt im Wesentlichen in China erfolgt, nämlich zu 35 Prozent bei Nickel, 40 Prozent bei Kupfer, 58 Prozent bei Lithium, 65 Prozent bei Kobalt und 87 Prozent bei seltenen Erden, welche für die Magnetisierung der Windturbinen benötigt werden. Die Welt ist bei der Elektrifizierung also abhängig von China.

Aluminium erfordert zu viel Strom

Als Fazit lässt sich feststellen, dass der versuchte Umbau in eine grüne Wirtschaft zu einem hohen Defizit beim Angebot von Kupfer gegenüber der zu erwartenden Nachfrage führen wird. Dies gilt mit gewissen Nuancen auch für die übrigen grünen Metalle. (Kupfer wurde hier exemplarisch behandelt, da es wegen seiner hohen Leitfähigkeit für elektrischen Strom im Mittelpunkt der Elektrifizierung steht.) Das britische Bergbauunternehmen Rio Tinto, z.B., schätzt, dass die Elektromobilität 60 Minen in der Größe von Jadar erfordert. Auch der Ersatz von Kupfer durch das weniger leitfähige Aluminium bietet im Übrigen keinen Ausweg, da Aluminium einen hohen Einsatz von elektrischem Strom bei seiner Herstellung erfordert, und der ist inzwischen sehr teuer. Aluminium, das auch als Elektrizität in fester Form bezeichnet wird, hat darüber hinaus eine kontraproduktive CO2-Bilanz.

Die Defizite bei den grünen Metallen lassen sich bereits jetzt beobachten. Die Preise für Kupfer, Aluminium, Lithium, Kobalt oder Nickel sind seit Ende 2021 an oder nahe ihren historischen Höchstständen. Der Preis für batteriefähiges Lithium-Karbonat hat sich allein seit Juli letzten Jahres verfünffacht. Die Kupfervorräte an den Metallbörsen der Welt sind so niedrig wie nie.

Der Preisanstieg bei den grünen Metallen wirkt sich nun auch bei den Endprodukten der Elektrifizierung aus. Batterien, die infolge des technischen Fortschritts und der Massenproduktion Jahr für Jahr billiger und damit konkurrenzfähiger wurden, werden wieder teurer. In China stehen infolgedessen zweistellige Preissteigerungen für E-Autos bevor. Würde nun die ganze Welt versuchen die Ziele der CO2-Reduzierung um 45 Prozent bis 2030 und 100 Prozent bis 2050 zu erreichen, so käme es nicht nur zu exorbitanten Preissteigerungen und Rationierung bei den grünen Metallen, sondern eben auch bei Photovoltaik, Windturbinen und E-Autos. Die Welt kann und wird diesen Weg nicht gehen. Das wird sofort klar, wenn man die Ausgangslage berücksichtigt:

Großzügig gerechnet, machten im Jahr 2020 die Windkraft drei Prozent und Photovoltaik ein Prozent an der weltweiten Primärenergieerzeugung aus. Die deutsche Politik kann es noch länger versuchen, auf Wind und Sonne zu setzen – zu einem hohen Preis, nämlich der Verarmung breiter Schichten. Da der Beitrag Deutschlands zur weltweiten CO2-Emission weniger als 2 Prozent ist, spielt es für den weltweiten Pfad der Emissionen nur eine minimale Rolle, was hier passiert. Auf Asien mit seinem Beitrag von rund 50 Prozent kommt es an. Dort wird man weder eine exorbitante Verteuerung der Energie in Kauf nehmen noch eine Beeinträchtigung der Versorgungssicherheit, so sie überhaupt schon erreicht ist. Stromausfall will man dort nicht, das hat man schon gehabt. Präsident Xi hat erst jüngst noch einmal klargestellt, dass sichere Energieversorgung Vorrang vor dem Ziel der Verringerung des CO2-Ausstoßes hat.

China fördert 40-mal so viel Kohle wie Deutschland

Als sich im Herbst letzten Jahres die weltweite Energieverknappung abzeichnete, gab Xi Anweisung, die Kohleproduktion im Land auf das maximal Mögliche zu steigern und weltweit zu jedem Preis Kohle, Erdgas und Öl zu kaufen. Die chinesische Kohleproduktion stieg demzufolge in den ersten beiden Monaten dieses Jahres um 10 Prozent und wird damit mehr als 4 Milliarden Tonnen jährlich erreichen.

Deutschland zum Vergleich: 100 Millionen Tonnen. Allein der Produktionszuwachs in China in diesem Jahr ist also das Vierfache der gesamten deutschen Kohleerzeugung!

Indien ist wie China ganz wesentlich auf Kohle als Energieträger angewiesen. Kohle macht 70 Prozent der Stromproduktion aus. Als die Kohlevorräte der großen Stromerzeuger im September letzten Jahres auf den Bedarf weniger Tage schrumpften, war somit die Versorgungssicherheit des Landes aufs Höchste gefährdet. Das hat zu einem drastischen Schritt geführt: Indien plant die Kohleproduktion von 690 Millionen Tonnen, die im Fiskaljahr 2020/21 erreicht wurden, bis zum Fiskaljahr 2023/24 auf 1,2 Mrd. Tonnen bzw. um 75 Prozent zu steigern. Damit will man Importe in Höhe von 200 Millionen Tonnen ersetzen sowie die Sicherheit der Energieversorgung gewährleisten.

Asien ist also nicht bereit, seine Versorgungssicherheit zugunsten von CO2-Zielen zu gefährden. Den überstürzten Ausstieg aus der Kernenergie in Deutschland sieht man als mitverantwortlich für die weltweite Energieverknappung Ende letzten Jahres. Was leuchtendes Vorbild sein sollte, wurde zum abschreckenden Beispiel.

(Diese Ausführungen sind keine Kaufempfehlung für die angesprochenen Metalle. Preise können wegen Konjunktureinbrüchen, Platzen der Immobilienblase in China oder aus anderen unvorhersehbaren Gründen fallen.)

 

Dr. Walter Naggl hat an der Universität München zum Thema ifo-Umfragen promoviert und auf dem Gebiet der Wechselkurse habilitiert. Nach zehnjähriger Tätigkeit bei einer Bank war er 20 Jahre selbstständig auf dem Gebiet der Vermögensanlage für Versicherungen tätig.

Der Beitrag erschien zuerst bei ACHGUT hier