Energie aus Wind und Sonne und der zweite H.s. der Thermodynamik

Kevin Kilty

In den letzten Tagen habe ich einiges an Lektüre in der wissenschaftlichen Literatur nachgeholt, die routinemäßig in meinem Postfach oder Posteingang auftaucht. Überraschend viel dreht sich in letzter Zeit um Energiespeicherung. Es scheint, dass das Speicherproblem fast überall erkannt, aber wie üblich nicht allgemein verstanden wird. Wenn ich einen Artikel voller Enthusiasmus über einen neuen Durchbruch lese, beschränkt sich die Beschreibung meist nur darauf, was für ein Durchbruch diese spezielle Idee sei. Auf Details, wie eine solche Anwendung sich in ein funktionierendes System einfügt, wird nicht eingegangen. Es nützt wenig, wenn eine neue Technologie neue Belastungen für das System mit sich bringt, in dem sie funktionieren muss – das ist ein Manko der sogenannten Erneuerbaren im Netz. Sie können einem Liefernetzwerk Energie hinzufügen, aber sie können nicht willkürlich angefordert werden und tragen nichts zur Spannungs-/Frequenzunterstützung bei. Die Last der Systemstabilität wird auf andere Teile des Systems abgelagert.

Zwei Achillesfersen

Immer wenn ich über ein neues oder verbessertes Schema zur Energiespeicherung lese, denke ich über zwei Dinge nach. Dies sind zwei allgegenwärtige Achillesfersen:

  • Welche Einschränkungen bringt der zweite Hauptsatz der Thermodynamik mit sich und
  • welche anderen Einschränkungen würde seine Nützlichkeit im Stromnetz mindern?

Ich konzentriere mich auf den zweiten Hauptsatz. Der erste Hauptsatz bezieht sich nur auf die Energieeinsparung selbst, und aus dieser [Absicht] heraus, kommen kaum Beschränkungen des Energieverbrauchs oder tatsächliche Beschränkungen menschlicher Aktivitäten.[1]

Einige Definitionen

Verluste bei der Umwandlung von Energie in Arbeit, die durch den zweiten Hauptsatz auferlegt werden, werden als Irreversibilitäten bezeichnet, oder ein noch ausgefallenerer Begriff ist „Zerstörung von Exergie“. Das bedeutet, dass ein Teil der Energie, die in einem System umgewandelt wird, nicht zu nützlicher Arbeit beiträgt. Sinnvolle Arbeit ist immer und überall das Ziel. Dinge, die zu diesem Problem beitragen, sind also:

  • dass Wärme nicht zu 100 % in Arbeit umgewandelt werden kann;
  • chemische Reaktionen können nicht vollständig ablaufen und führen zu einer gewissen Menge ungeordneter Materialien;
  • dass hohe Temperaturen zum Wärmefluss in den toten Zustand[2] oder, wie Willis Eschenbach es nennt, zu parasitären Verlusten beitragen;
  • hohe Drücke tragen zu einem Verlust der mechanischen Energie bei, die verwendet wurde, um überhaupt einen hohen Druck zu erzeugen. Diese Arbeit geht auch in den toten Zustand;
  • lange Umwandlungsketten mit Verlusten bei jedem Schritt;
  • schnelle Umwandlungsraten.

Zu den Systemproblemen gehören:

  • unzureichende Mengen kritischer Materialien;
  • unzureichendes verfügbares Gelände;
  • Ressourcen an den falschen Orten, erfordern einen Ferntransport;
  • Forderungen nach unmöglichen Anstiegsgeschwindigkeiten (Probleme mit Zeitkonstanten);
  • Gewichts- und Volumenbeschränkungen;
  • unmögliche Anforderungen an die Zeitspanne und enorme Anforderungen an die Masse pro gespeicherter Energieeinheit; und
  • Komplexität.[3] u.s. Tabelle zeigt allgemeine Beispiele.
Allgemeine physikalische Kategorie von Energiespeichern Beispiele Systeme oder Beschränkungen des zweiten Gesetzes.
Kinetische Energie (KE) Rotierende KE der Turbomaschine in einem Wärmekraftwerk Als mechanische Energie steht sie zu 100 % zur Verfügung, unterliegt aber unterschiedlich starker Reibung. Schwere Systembeschränkungen, insbesondere Dauer.
Mechanische potenzielle Energie (PE) Hochgepumptes Wasser Angehobene massive Blöcke. Als mechanische Energie steht sie zu 100 % zur Verfügung, hat aber Reibungsverluste. Viele Systembeschränkungen, hauptsächlich in Bezug auf Masse/Gelände.
Wärmeenergie Geschmolzene Salzreservoirs, heiße Steine, glühend heiße Metalle usw. Verfügbarkeitsbeschränkungen folgen direkt aus dem zweiten Hauptsatz. Überhöhte Materialanforderungen. Parasitäre Verluste.
Chemische Energie[4] Batterien, Wasserstoff oder Wasserstoffträger wie Ammoniak. Viele Einschränkungen des zweiten Hauptsatzes aus dem chemischen Gleichgewicht und der Produktion ungeordneter Produkte. Viele Systembeschränkungen, wie exotisches Material.

Aktuelle Beispiele

Lassen Sie uns ein paar Beispiele aus meinen letzten Vorlesungen näher besprechen. Wie man Flugzeuge antreibt, ist ein echtes Problem, das es für Befürworter erneuerbarer Energien zu lösen gilt, vor allem, weil sie gerne zu entfernten Orten mit Gleichgesinnten fliegen, ohne an schlechtes Gewissen [Heuchelei] überhaupt zu denken.

Die Dezemberausgabe 2020 von Physics Today enthielt einen Artikel über die Verwendung von Wasserstoff zum Antrieb von Flugzeugen.[4] Die Systemprobleme mit Wasserstoff als Brennstoff beginnen damit, den Wasserstoff überhaupt herzustellen, zu speichern, zu transportieren und so weiter. Aber auch unter der Annahme einer verfügbaren Wasserstoffversorgung, sind Flugzeuge damit auch gewichts- und volumenbeschränkt. Ein Leser dieses Physics Today-Artikels[5] schrieb, dass Flugzeuge, die Wasserstoff [-Tanks unter hohem Druck] verwenden, durch die Einschränkung der verfügbaren Energiemenge, auf Kurzstrecken reduziert werden. So kurz, dass wir zum  Stand des Lufttransports der 1930er Jahre zurückkehren würden.

Die Ausgabe von Physics Today vom September 2021 enthielt einen Artikel, der folgendermaßen begann:

„Experten sagen, dass Lithium-Ionen-Batterien für Energiespeicheranwendungen im Netzmaßstab von anderen Batterietechnologien und nichtchemischen Speichern überholt werden.“

Andere „Experten“ sagen etwas anderes. Eine seltsame Behauptung in diesem Artikel ist, dass Wasserstoff eine nicht-chemische Form der Speicherung ist. Da es keine Quellen für Wasserstoff gibt, ist die Chemie für seine Herstellung und Verwendung von zentraler Bedeutung.[6]

Noch aufschlussreicher ist die Darstellung des Künstlers eines Solarparks, der mit einem Schwerkraftspeicher gekoppelt ist [hochgezogene Gewichte],  wie es von Energy Vault(™) vorgeschlagen wird. Der Speicher ist ein winziges Gebäude mit vier Stockwerken, das eher für Verwaltungsbüros geeignet ist. Es würde nur wenige Augenblicke [kinetischer] Energie speichern. Für die Probleme der Materialien [und Infrastruktur] bei der Handhabung von großen Gewichten scheint es nur wenig Aufmerksamkeit  zu geben. Die Probleme bei der Durchführung von Gewichts-Massenspeicher habe ich hier vor einiger Zeit skizziert. Es gibt Einschränkungen bei der Anstiegsgeschwindigkeit um massive Blöcke zu einem Haufen gespeicherter Energie anheben oder Eisenbahnwaggons bergauf ziehen. Pumpwasserkraft ist eine bessere Methode zur Speicherung potenzieller Energie, aber in diesem Fall ist die Einschränkung des Systems der Mangel an verfügbarem Gelände und Probleme bei der Wassernutzung.[7]

Kürzlich kam das Inhaltsverzeichnis des Wissenschaftsmagazins in mein E-Mail-Postfach, das mir Zugang zu einer kurzen Zusammenfassung über thermische Energiespeicherung ermöglichte.[8] Thermische Energiespeichersysteme leiden allgegenwärtig unter den Beschränkungen des zweiten Hauptsatzes bei der Umwandlung von Wärme in Arbeit. Sie alle beinhalten, wertvolle Arbeit in Wärme umzuwandeln, die dann mit dem typischen Wirkungsgrad von 35-40 % eines konventionellen Wärmekraftwerks wieder in nützliche Arbeit umgewandelt wird. Es sind lange Konvertierungsketten beteiligt.

Dieser Artikel berichtete über eine Verbesserung von thermo-photovoltaischen (TPV) Geräten, die das breite Wärmespektrum der Strahlung einer heißen Materialmasse bei fast 2.700 K absorbieren, die durch erneuerbare Energie erhitzt wird und diese wieder in elektrische Energie umwandeln. Der hier angegebene, erreichbare Wirkungsgrad beträgt jedoch nur etwa 40 %, was dem gleichen Wirkungsgrad eines herkömmlichen Wärmekraftwerks entspricht, das jedoch bei weit niedrigeren Temperaturen betrieben wird. Hohe Temperaturen führen zu immer größeren parasitären Verlusten, daher hat die Speicherung von Energie als Hochtemperatur- Wärme nicht nur ein Problem mit dem zweiten Hauptsatz, sondern auch mit jedem System, das eine Langzeitspeicherung erfordert. Unvermeidbare parasitäre Verluste summieren sich zu einem enormen Gesamtenergieverlust, der durch Erzeugungsanlagen ausgeglichen werden muss. Sekundärspeicherbatterien haben dasselbe Problem.

Eines der schwerwiegendsten Systemprobleme, das es für erneuerbare Energien [aufgrund ihrer Flatterhaftigkeit]  zu lösen gilt, sind die verschiedenen Reaktionszeiten, die erforderlich sind, um ein zuverlässiges Netz in Betrieb zu halten. Da ist zunächst die sehr kurze Zeitskala von Bruchteilen einer Sekunde, die automatische Steuersysteme benötigen, um Frequenz und Spannung innerhalb vorgeschriebener Grenzen zu halten. Als nächstes gibt es eine tägliche Reaktionszeitskala, die benötigt wird, um die täglichen Lastschwankungen zu bewältigen. Darauf folgt eine unbekannte Menge an Speicher, um wetterbedingte Ausfälle zu bewältigen, die 10 Tage oder länger andauern können. Schließlich gibt es noch das Problem der saisonalen Einflüsse [Sommer – Winter], sowohl beim Bedarf als auch bei der Erzeugung, was sowohl eine große Überkapazität der Erzeugungsanlagen, als auch eine massive Langzeitspeicherung, oder etwas dazwischen erfordert.

Das gegenwärtige Stromnetz handhabt das Problem der sehr kurzen Reaktion [auf Frequenzeinbrüche bzw. Überschwingungen], indem es sich auf die Rotations-KE seiner Turbomaschinerie verlässt, die den Bedarf von mehreren Sekunden in sich drehender Masse speichert.[9] Alle anderen Zeitskalen werden durch die Nutzung gespeicherter fossiler Brennstoffe vor Ort bis zu einem Kapazitätsfaktor von 95 % der Anlage abgedeckt. Es ist nicht übermäßig komplex und wir haben fast ein Jahrhundert Erfahrung in der Systemtechnik, wodurch dieses System zu 99,9 % oder mehr zuverlässig ist.

Windräder haben nur sehr wenig Rotationsenergie und können das o.g. Stabilitätsproblem nur sehr kurze Zeit unterstützen, bei Solar geht das gar nicht. Eine Abhilfe besteht darin, „synchrone Kondensatoren“ in ein Netz für erneuerbare Energien einzufügen, um als Analogon zu den rotierenden Turbomaschinen thermischer Kraftwerke zu fungieren. Diese Lösungen sind parasitär und verbrauchen nur Energie im Austausch für kurzfristige Stabilität. Lösungen für längerfristige Systemprobleme beruhen auf kaskadierenden Elementen verschiedener Energiespeicher- und -umwandlungsschemata, die viel Masse, viel Bodenfläche, exotische Materialien, Übertragungseinrichtungen, graue Energie, überschüssige Erzeugungskapazität und so weiter erfordern. Solche Elemente sind nicht nur selbst unerprobt, wir haben auch keinerlei systemtechnische Erfahrung mit ihnen. Könnte man sie zum Laufen bringen? Wer weiß? Schauen Sie die Verweise unten an.

Verweise:

  1. Ich unterrichte seit zwanzig Jahren technische Thermodynamik. Ich finde, dass der erste Hauptsatz der Thermodynamik relativ einfach zu verstehen ist, auch wenn die Leute einige Schwierigkeiten haben, ihn anzuwenden. Der zweite Hauptsatz ist jedoch für Menschen, sogar für Chemiker, Physiker und Ingenieure, weitaus schwieriger zu verstehen. Ich lerne immer noch, Teile davon nach fünf Jahrzehnten Gebrauch anzuwenden. Es hat die vollständige Kontrolle über alle Prozesse der Energienutzung. Es steuert das Universum. Da die Umwandlung und Bereitstellung von Energie Geld kostet, kontrolliert der zweite Hauptsatz sogar die Ausgaben für Aktivitäten, die Menschen nicht als mit Thermodynamik in Verbindung stehend betrachten würden. Ich denke, es deckt sogar den nullten und dritten Hauptsatz der Thermodynamik ab. Während also das beste Lehrbuch der Thermodynamik, Zemanskys Heat and Thermodynamics, Reibung als Problem des dritten Hauptsatzes bezeichnet, denke ich, dass es richtiger zum zweiten Hauptsatz gehört.
  2. Der tote Zustand [des Universums] ist ein technisches Konzept. Es ist ein physischer Zustand, in dem, obwohl er voller scheinbarer Energie ist, keine vorhanden ist, die zum Arbeiten verwendet werden kann. Wir betrachten den toten Zustand normalerweise als eine Temperatur von 288 K, einen Druck von einer Atmosphäre, ein elektrisches Potential des Erdbodens, chemische Spezies im Gleichgewicht bei minimaler freier Gibbs-Energie und eine relative Feuchtigkeit von 100 % Sättigung.
  3. Als Besitzer zweier VW-Käfer kenne ich die Eigenschaften deutscher Ingenieure, komplizierte Konstruktionen zum Laufen zu bringen. Der Rest von uns strebt nach Einfachheit.
  4. David Kramer, Hydrogen-powered aircraft may be getting a lift, Physics Today, 73, 12, 27 (2020); doi: 10.1063/PT.3.4632
  5. Peter Rez, Wasserstoff als Flugkraftstoff, Physics Today, Readers Forum, September 2021, p. 11. Während Herr Rez über Wasserstoff nachdenkt, der in Brennstoffzellen verwendet wird, um ein Turbofan- oder Turboprop-Flugzeug zu betreiben, könnte Wasserstoff als Verbrennungskraftstoff verwendet werden. Dies würde jedoch die Beschränkungen des zweiten Hauptsatzes der Umwandlung von Wärme in Arbeit beinhalten, zusammen mit all den anderen Massen-, Volumen- und Komplexitätsbeschränkungen von Wasserstoff. Insbesondere Wasserstoff besitzt viel Energie pro Masseneinheit, aber eine Masseneinheit nimmt viel Volumen ein. Es macht wenig Sinn, diesen Weg zu gehen.
  6. David Kramer, bessere Möglichkeiten zur Energiespeicherung sind erforderlich, um Bidens kohlenstofffreies Netz zu erreichen, Physics Today, September 2021, S. 20. Bidens?
  7. Die besten Orte für Pumpspeicherkraftwerke werden nicht nur bereits genutzt, sondern rechtliche Auseinandersetzungen um Wasserbesitz und -nutzung schränken sie noch mehr ein.
  8. Robert F. Service, Thermische Batterien könnten Wind- und Sonnenenergie in einem erneuerbaren Netz effizient speichern, Science, Band 376, Ausgabe 6590, Online-Version 13. April 2022. doi: 10.1126/science.abq5215

https://wattsupwiththat.com/2022/04/18/systems-and-the-second-law/

Übersetzt durch Andreas Demmig