Wie der Wackeldackel hilft, das Klima zu retten

Helmut Kuntz

Seitdem die Erde in Simulationen zu verbrennen droht, wird jede auch noch so kleine – oft leider auch besonders teure – Möglichkeit, genutzt – zumindest aufwendig erforscht -, um auch die letzten Reste an bösem, klimazerstörenden Kohlendioxyd einsparen zu helfen.
Die EU, stetig besorgt jedes auch in der weitesten Zukunft nur denkbare Problem von ihren Bürgern (mit deren Geld) vorbeugend fern zu halten, hilft solche Bemühungen zu finanzieren, sofern die Versprechungen ausreichend optimistisch formuliert sind …

Eine solche Bemühung sei anbei vorgestellt.

Warum nicht auch den Wind am Boden „ernten“?

Nicht rein zufällig werden Windturbinen immer höher gebaut. In 2018 betrugen die Nabenhöhen neu errichteter WEA zu 50 Prozent zwischen 131 und 149 Meter (Fraunhofer IWES).

Bild 1 Zusammenhang von Höhe über dem Erdboden und Windgeschwindigkeit [8]

Dieser Trend hinterlässt allerdings eine „Erntelücke“ der Energie von Wind in geringerer Höhe, was wegen der offensichtlichen Verschwendung GRÜNEN Klimakämpfern schon lange schlaflose Nächte bereitet. Und nachdem Energie immer knapper (gemacht) wird, war es nur eine Frage der Zeit, bis ein innovatives StartUp, diesmal nicht im GRÜN-innovativen Musterland Deutschland sondern in Spanien, auch dafür eine Lösung vorstellte.

Die Lösung ist bereits in Entwicklung

Wenn eine GRÜNE Innovation publiziert wurde, scheint in unseren Medien so etwas wie ein „Publizier-Reflex“ zu entstehen. Dabei geht es wenig bis gar nicht um den Inhalt, sondern dass die Leser erfahren, wie GRÜNE Technologie alle Probleme lösen kann, oder zumindest in einer Zukunft lösen wird.

(Nicht nur) der Focus begann über die Innovation zu berichten, flocht dazu zwar etwas leicht Kritisches ein, das jedoch sofort entkräftet werden konnte:
[9] FOCUS online, 07.11.2019: Drei Spanier wollen die Windkraft revolutionieren Nur noch Türme: Dieses innovative Windrad funktioniert ohne Rotorblätter … Kritik kommt aus Deutschland.
In Deutschland beäugen Windkraftbefürworter das Projekt kritisch. Auf Anfrage teilt der Bundesverband WindEnergie dazu mit: „Mit den weltweit etablierten Windkraftanlagen mit drei Rotorblättern verfügen wir über eine preiswerte, leistungsfähige und ausgereifte Technik.“ Die Anlagen in Spanien dagegen müssten sich erst noch bewähren, heißt es weiter, es sei nicht abzuschätzen „ob diese hinsichtlich von Effizienz und Kosten sinnvoll“ sei.
… Dabei haben in Spanien getestete Prototypen bereits bewiesen, dass das Konzept funktioniert. Zwar ist die Energieausbeute rund 30 Prozent geringer als bei einem vergleichbaren Windrad. Allerdings sind die Vortex-Säulen 40 Prozent günstiger in der Anschaffung und gut 80 Prozent in der Wartung …

Ein Jahr später folgte der Stern. Dort fehlte allerdings bereits jegliche kritische Beurteilung:
[1] Stern, 20.07.2020: Windenergie wird sanft – spanische Anlage kommt ohne rotierende Flügel aus
… Schwingen statt Drehen – so erzeugen die Bladeless-Windkraftanlagen Strom, ohne die Landschaft zu verschandeln. Mit ihnen können sich einzelne Häuser kostengünstig energetisch autark machen …
… Die Prototypen sehen aus wie eine längliche Designlampe. So wie ein konventionelles Windrad müssen sie am Boden verankert werden. Der Wind versetzt den Aufbau dann in Schwingungen. Das System sieht aus wie ein Pendel und ist noch nicht so effizient wie ein drehendes Rad. Vermutlich wird man damit leben müssen, eine geringere Ernte einzufahren. Dafür hat es andere Vorteile: Ohne Getriebe und andere mechanischen Teile wäre die Bladeless-Konstruktion billig in der Herstellung und verspricht eine längere Lebensdauer.
Denn tatsächlich arbeitet kein Generator im unteren Teil. Der Strom wird durch einen piezoelektrischen Effekt aus der oszillierenden Bewegung des Turms gewonnen. Die elektrische Spannung entsteht direkt durch die elastische Verformung des Materials. Das System kommt weitgehend ohne bewegliche Teile aus, dadurch gibt es kaum Wartungskosten. Die Lebensdauer wird allein von der Ermüdung des Materials bestimmt.

Wer ein bisschen Ahnung von Elektrotechnik hat wird stutzig, dass ausgerechnet mittels „piezoelektrischem Effekt“ Energie ausgekoppelt werden soll. Das ist nach Kenntnis des Autors noch niemandem gelungen, weshalb alle elektrischen „Energielieferanten“ das energiereichere Magnetfeld nutzen (was bei dem Produkt inzwischen auch der Fall ist). Den Stern-Redakteur störte es damals allerdings nicht.
Anmerkung: Piezoelektrisch lassen sich sehr einfach höchste Spannungen – und damit beispielhaft Zündfunken – erzeugen. Diese haben jedoch wenig Energieinhalt (und wären zudem sehr aufwendig in brauchbare Spannungsebenen zu wandeln).

Ein (Schema-)Bild eines damit „errichteten“ Windparks (eher Windspargelfeld) findet sich im Stern-Artikel [1] (wegen dem Copyright nicht in den Artikel kopierbar). Anbei deshalb ein Prinzipbild eines Vortex-Wackel-Windturms von der Hersteller Homepage.

Bild 2 Prinzipbild Vortex Tacoma-Turbine [4]

Den Autor erinnert das irgendwie an die früher üblichen „Wackeldackel“ in Autos. Gut, diese haben sich dank der Elektroautos erübrigt, da bei diesen überflüssige Fahrtenergie mittels Rekuperation wiederverwendet wird und nicht mehr der reinen Belustigung dient. Irgendwie erinnert es allerdings auch an das Bild unseres Wirtschaftsministers beim Besuch in Katar, wo er ehrerbietig gebeugt um Energie bat. Mit der nötigen Menge Ironie könnte man es zu diesem fast als synonym und Menetekel betrachten.

Der Stern-Redakteur listet gehorsam auf, was der grandiose Erfinder und CEO erzählt:
[1]Stern … „Es ist nicht nur sehr billig herzustellen, ölfrei und wartungsarm, unsere Tests deuten darauf hin, dass jede Struktur länger als 15 oder 20 Jahre halten wird, was meiner Meinung nach ein nützlicher Beitrag im Kampf gegen den Klimawandel ist“, sagte Yanez auf einer Konferenz in Madrid im Dezember 2019. Er hofft, in den nächsten zwei bis drei Jahren eine Serienproduktion der Maschinen starten zu können …
… Ein einzelner 2,75 Meter hoher Turm soll etwa 230 Euro kosten und 100 Watt liefern. Die Leistung von 1000 Watt würde dann nur 2300 Euro kosten – die Anlage würde daher sehr günstigen Strom erzeugen.

Was FOCUS und STERN können, können andere auch und so berichtete wieder ein Jahr später die Frankfurter Rundschau ebenfalls über diese Innovation:
Frankfurter Rundschau 07.07.2021: Neuartige Anlage: Diese „Windräder“ kommen ganz ohne Rotorblätter aus
Im Artikel der FN steht allerdings weniger als beim Stern und vor allem nichts Neues. Ihr bleibt es aber überlassen, die Wertigkeit dieser Erfindung erkannt zu haben:
FN: Anmerkung der Redaktion
Dieser Artikel wurde ursprünglich am 03.05.2021 veröffentlicht. Da er für unsere Leserinnen und Leser noch immer Relevanz besitzt, haben wir ihn erneut auf Facebook gepostet.

Dank EU-Fördergeldern gibt es inzwischen einen Prototyp

Diese Zeitungsmeldungen sind nun schon etwas älter. Inzwischen gibt es allerdings Neuigkeiten von diesem innovativen Produkt:
[2] EFAHRER.com, 23.02.2022: … Das Unternehmen arbeitet bereits seit Jahren an der Technologie. 2015 wollten die Spanier die Anlage noch in zwei unterschiedlichen Größen anbieten: Die kleinere, zwölf Meter hohe Variante sollte vier Kilowatt Leistung erzeugen können, eine größere Variante sogar ein Megawatt. Diese Werte sind allerdings noch Zukunftsmusik:
Mit Hilfe von Fördergeldern, unter anderem aus EU-Förderprogrammen, hat das Unternehmen eine Pilotanlage erbaut, die lediglich 2,75 Meter hoch ist …Ob die Anlage in ihrer endgültigen, mehrere Meter hohen Version es dann preislich oder hinsichtlich der Erzeugungskapazität mit ‚klassischen‘ Windkraftanlagen aufnehmen kann, bleibt fraglich. Allerdings ist die Lösung ja auch gerade für die Orte gedacht, an denen kein typisches Windrad errichtet werden könnte – beispielsweise entlang von Autobahnen, um aus dem Fahrtwind Strom zu erzeugen.

Und dieser Prototyp zeigt viele Vorteile

Der Hersteller berichtet über die Vorteile: [4] „Vortex Bladeless erwartet, auf dem aufstrebenden Kleinwindmarkt so wettbewerbsfähig zu sein wie andere Technologien“
Begründung: (dass die Anlage) besser auf häufige Situationen am Boden (Windgeschwindigkeiten zwischen 3 und 8 m / s) reagieren würde. Mit anderen Worten, horizontale und vertikale Achsenturbinen benötigen normalerweise höhere Windgeschwindigkeiten, um ihre Nennleistung zu erreichen, während Vortex für gängige Windgeschwindigkeitsbereiche normal reagieren könnte …

Und von diesem Prototyp gibt es nun auch Daten

Auf der Vortex-Homepage lassen sich solche einsehen:

Bild 3 Tabellierte Leistungswerte der 2,5 m hohen Turbine „Tacoma“ laut Hersteller [4] (Screenshot)

Ernüchternd liest man, dass von den im Stern-Artikel [1] angegebenen 100 W Leistung für den Typ „Vortex Bladeless“ (2,75m height) bei 3 m/s Windgeschwindigkeit noch gelieferte 3 W* übrig geblieben sind.

Ertragsrelevant ist die wirkliche Windgeschwindigkeit

Auf der Vortex-Homepage sind Windgeschwindigkeiten für Europa gezeigt:

Bild 4 Windgeschwindigkeiten Europa

Danach sei für Deutschland mit Windgeschwindigkeiten zwischen 4,5 … 6,5 m/s zu rechnen.

Nimmt man allerdings beispielhaft den Windatlas Bayern, zeigt sich das folgende Bild:

Bild 5 Mittlere Windgeschwindigkeiten Bayern in 10 m Höhe [5]

Erkennbar liegt die mittlere Windgeschwindigkeit außerhalb von Höhenkuppen irgendwo zwischen 2 bis maximal 3,5 m/s, allerdings auf 10 m Höhe über dem Erdboden.

Grob lässt sich das auf die Windgeschwindigkeit in ca. 2 m mittlerer Höhe der Vortex-Windanlage herunterrechnen:

Bild 6 Höhen-Reduktionsformel für Windgeschwindigkeit

Z0 wird mit 0,4 m Rauhigkeitslänge angesetzt:

Bild 7 Rauhigkeitsklasse und zugehörige Rauhigkeitslänge für die Höhen-Reduktionsformel

Womit sich die Windgeschwindigkeit auf ca. die Hälfte reduziert, was auf der realen Höhe der „Wackeldackel-Windanlage“ zumindest in Bayern im Mittel nur noch 1 … 1,7 m/s Windgeschwindigkeit bedeutet.

Wieviel (besser: Wie wenig) Energie damit noch vom Wind „geerntet“ werden kann, zeigt die folgende Grafik:

Bild 8 Grafik der Daten von Bild 3, vom Autor grob um den Verlauf unter 6 m/s ergänzt

Die „hoffnungsvollen“ 3 W aus der Tabelle von Bild 3 reduzieren sich bei der wirklichen Windhöffigkeit in Bayern in 2 m Höhe auf erwartbare 0,3 … 0,65 W.

Die Realität

Um nun beispielsweise die 1.000 W wie in [1] versprochen zu erzeugen, würde man in Bayern 1535 … 3.333 solcher „Wackelstelen“ benötigen.
Eine solche Windsäule soll (netto ab Werk) nur 230 EU kosten. Für die Erzeugung von 1.000 W benötigt man im Mittel allerdings 2.400 Stelen. Das wären dann schon mal 560.000 EUR.
Nun liefern diese Stelen aber Gleichstrom im unteren Kleinspannungsbereich. Man muss also die elektrische Zusammenschaltung und Umwandlung in eine geeignete Spannungshöhe noch dazu addieren, eine Akkuspeicherung erscheint ebenfalls angebracht und mehr als ein „bisschen“ freie Fläche zum Aufstellen benötigt man auch noch.
Von den in [1] genannten, 2.300 EUR Investvolumen für 1.000 W Leistung scheint das System also doch etwas arg weit entfernt.

Es ist ahnbar, warum sich diese hoch innovative Entwicklung selbst nach so vielen Jahren und trotz fortwährendem Lob unserer (Pseudo-)Qualitätsmedien noch nicht durchgesetzt hat:
Vortex: „unser Projekt ist 7 Jahre alt und befindet sich noch in der Entwicklung“

Mit Auslaufen der Subventionen wird sie wohl in irgendeinem Archiv verschwinden und sicher bei „Androhung“ neuer Fördermittel – mindestens als Zeitungsartikel in einer unserer „Qualitätsmedien“ – wieder auferstehen.

Während unsere „Qualitätsmedien“ nicht eine Spur von „Qualität“ zeigten, gab es allerdings auch welche, die bereits zu Beginn etwas an den Versprechungen zweifelten:
[11] heise online, 08.06.2015: Rotorlose Windkraftanlagen: Schick, aber nutzlos?

Mal sehen, welcher nächsten Neue-Energien-Innovation es ähnlich geht. Wasserstoff wird es wohl nicht sein. In diese Technologie wurde – und wird – so viel Geld hineingepumpt, dass ein Scheitern zwar technisch, aber politisch nicht möglich ist. Wie sagte es unser Wirtschaftsminister: „Dann nehmen wir Geld auf. Am Ende ist es nur Geld“, soll heißen, „macht ja nichts, wenn so etwas Unnützes mal weg sein sollte“.

*Auf der Vortex-Homepage ist zur Tabelle (Bild 3) eindeutig die Ausführung „Vortex Tacoma turbines (2,75m height)“ genannt. An anderen Stellen sind andere Daten angegeben. Im Artikel werden die 3 W gelistet, weil diese Angabe gesichert eine Abgabeleistung dieser 2,75 m-Turbine und nicht irgendeine fiktive Nennleistungsangabe darstellt.

Quellen

[1] Stern, 20.07.2020: Windenergie wird sanft – spanische Anlage kommt ohne rotierende Flügel aus

[2] EFAHRER.com, 23.02.2022: Keine Rotor-Blätter: Spanien baut die Windkraftwerke der nächsten Generation

[3] DANISH WIND INDUSTRY ASSOCIATION: Handbuch der Windenergie Teil 1: Technische Parameter von Windenergie

[4] VORTEX Bladeless: Cost-effectiveness & feasibility analysis for Bladeless turbines

[5] Windatlas Bayern, Stand: September 2021

[6] VORTEX: How it works FIRST WIND TURBINE WITHOUT BLADES NOR GEARS

[9] FOCUS online, 07.11.2019: Drei Spanier wollen die Windkraft revolutionieren

[11] heise online, 08.06.2015: Rotorlose Windkraftanlagen: Schick, aber nutzlos?