von Giulio Meotti, Gatestone Institute

Westliche Klima-Aktivisten und NGOs, die die Abhängigkeit von russischem Gas stützen, sind dem Kreml lieb und teuer. Und werden in vielfältiger Weise unterstützt.

„Mit dem nahenden Winter befindet sich Europa in einer Energiekrise – und ist auf die Barmherzigkeit des russischen Machthabers Wladimir Putin angewiesen. Es ist eine selbstverschuldete Katastrophe, die sich seit Jahren anbahnt.“

So begann ein Leitartikel des Wall Street Journal vom 20. Oktober 2021, bevor Rußland seine Truppen an der ukrainischen Grenze aufstellte und kein Analyst oder Think Tank sich vorstellen konnte, dass das Undenkbare bevorstand. Der Leitartikel fuhr fort:

„Die europäischen Staats- und Regierungschefs haben sich in Energiefragen selbst behindert, um eine Klimaagenda zu verfolgen, die keine Auswirkungen auf das Klima haben wird, aber die Energiepreise in die Höhe treibt, Verbrauchern und Industrie schadet und jetzt die Tyrannen im Kreml stärkt.

Großbritannien und die EU haben sich verpflichtet, die Treibhausgasemissionen bis 2050 auf null zu reduzieren, Kohlekraftwerke zu schließen und Milliarden in Solar- und Windkraftprojekte zu stecken. Deutschland und mehrere andere europäische Länder haben Fracking weitgehend verboten. Dies hat die europäischen Staats- und Regierungschefs in das Äquivalent von Seefahrern des 16. Jahrhunderts verwandelt, die um günstige Winde und Wetterbedingungen beten, während die Energiepreise je nach Wolkenbedeckung und Windverhältnissen steigen und fallen.

Auch Deutschland hat sich selbst geschadet, als Bundeskanzlerin Angela Merkel in einer Überreaktion auf den Unfall in Fukuschima 2011 den Ausstieg aus der Kernenergie beschloß.“

Konstantin Kossatschow, ein einflussreicher russischer Abgeordneter, hatte zuvor gegenüber Bloomberg erklärt, dass „wir nicht zur Rettung reiten können, nur um Fehler zu kompensieren, die wir nicht begangen haben“. Diese schonungslose Ehrlichkeit stand in schmerzlichem Kontrast zu Europas Naivität.

Die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, traf sich kürzlich mit Aktivisten der von Greta Thunberg inspirierten „Fridays for Future“-Bewegung, obwohl diese Umweltschützer die Verantwortung für Europas energetischen Masochismus tragen, wie das Wall Street Journal es in einem anderen Leitartikel nannte.

Der Autor Michael Shellenberger, der ebenfalls die Klimapolitik Europas anprangert, wies kürzlich in einem Beitrag mit der Überschrift „The West‘s Green Delusions Empowered Putin“ (Der grüne Wahn des Westens stärkt Putin) darauf hin:

„Während der Westen in eine hypnotische Trance verfiel, in der es darum ging, seine Beziehung zur Natur zu heilen, die Klimaapokalypse abzuwenden und einen Teenager namens Greta zu verehren, machte Wladimir Putin seine Züge.“

Deutschlands Krieg gegen Frankreichs Kernkraft

Einer der Gründe für Deutschlands katastrophale Energieentscheidungen – russisches Gas und chinesische Solarpaneele anstelle von heimischer Kernenergie und fossiler Brennstoffproduktion – wurde von Fabien Bouglé in seinem Buch „Nucléaire, les vérités cachées“ („Kernenergie, die verborgenen Wahrheiten“) aufgedeckt. In einem Interview mit Le Figaro sagte er kürzlich:

„Meine Recherchen haben eindeutig ergeben, dass Deutschland einen Wirtschaftskrieg gegen die französische Kernenergie geführt hat. In Verbindung mit Anti-Atom- und Pro-Wind-Umwelt-NGOs kämpft unser Nachbar seit Jahren darum, unsere Atomindustrie auf unserem Boden, aber auch in Brüssel zu verunglimpfen. Ein Heer von deutschen Lobbyisten arbeitet mit der Europäischen Kommission zusammen, um zu verhindern, dass die französische Kernenergie in die Liste der Aktivitäten aufgenommen wird, die aufgrund ihres kohlenstoffarmen Charakters als ‚grün‘ gelten.“

Im Herbst 2021 bot die COP26, die UN-Klimakonferenz, ein groteskes Schauspiel: eine Art ökologisches Versailles. Die Reichen, Mächtigen und Tugendhaften des Planeten versammelten sich in Glasgow, um den Bürgern der westlichen Länder zu erklären, wie sehr wir den Planeten mit unserer Lebensweise schädigen. Sie reisten in ihren Privatjets an, um sich über die Abgasplage der Luftfahrtindustrie zu beklagen. Der wissenschaftliche Chefberater der britischen Regierung, Patrick Vallance, sagte, jeder solle weniger Fleisch essen und weniger fliegen. Dann kam die Nachricht, dass 400 Privatjets zur UN-Klimakonferenz fliegen würden, die internationale Spitzenpolitiker und Führungskräfte aus der Wirtschaft mitbringen.

Der britische Prinz Charles sagte von einem seiner Paläste aus, die COP26 sei die „letzte Chance“ für den Planeten. Die britische Königsfamilie ist in den letzten fünf Jahren so viel geflogen, dass sie damit bis zum Mond und zurück hätte kommen können.

Deutschlands gigantische Kohlegruben

Während die Deutschen über das Klima schwadronierten, informierte uns die Washington Post über ihre Heuchelei:

„Deutschland stellt sich selbst als Klimavorreiter dar. Aber es reißt immer noch Dörfer für Kohleminen ab… Die gähnende schwarz-braune Narbe in der Erde, die Deutschlands Kohlebergwerk Garzweiler darstellt, hat bereits mehr als ein Dutzend Dörfer verschluckt. Jahrhundertealte Kirchen und Wohnhäuser wurden abgerissen und das Land, auf dem sie gebaut waren, weggerissen. Ackerland ist verschwunden, Friedhöfe wurden geleert.“

Allein die Grube Lützerath ist doppelt so groß wie Manhattan. Deshalb wurde Deutschland als das umweltschädlichste Land in Europa bezeichnet. Vor sechs Jahren, zur Zeit der COP21, warnte uns der ehemalige polnische Ministerpräsident Jerzy Buzek: „Lasst uns keine Heuchler sein: Die Deutschen bauen zusätzliche Kohlekraftwerke auf, um ihren Sektor der erneuerbaren Energien zu unterstützen“.

Im November 2021 schrieb Thomas Friedman in der New York Times:

„In einem kürzlich erschienenen Essay über den Wettbewerb der Großmächte und den Klimawandel erinnerte Rob Litwak, ein Experte für Rüstungskontrolle am Wilson Center, an eine Frage, die Präsident Ronald Reagan dem sowjetischen Führer Michail Gorbatschow stellte, nachdem sie während ihres Gipfels am Genfer See 1985 einen Spaziergang gemacht hatten.

Wie Gorbatschow es später ausdrückte: ‚Präsident Reagan sagte plötzlich zu mir: ‚Was würden Sie tun, wenn die Vereinigten Staaten plötzlich von jemandem aus dem Weltall angegriffen würden? Würden Sie uns helfen?‘‘…

Litwak geht es bei der Erzählung dieser Geschichte natürlich darum, dass wir heute mit einer ähnlichen, weltbedrohenden Bedrohung konfrontiert sind – nicht von Außerirdischen aus dem All, sondern von einer viel vertrauteren und einstmals scheinbar gutartigen Kraft: unserem Klima.“

So träumten die progressiven amerikanischen Experten bis Oktober von einer Allianz zwischen dem Westen, Rußland und China gegen die globale Erwärmung. Jetzt, da der Westen Russland, den größten Energielieferanten für Europa, isoliert hat, spricht niemand mehr davon.

Das Treffen in Glasgow im Januar ist in Vergessenheit geraten. Die Kohleeinfuhren in die Europäische Union sind bereits um mehr als 56 Prozent im Vergleich zu 2021 gestiegen, um einer Energiekrise zu begegnen. In Großbritannien hat die Coal Authority einem Bergwerk in Wales die Genehmigung erteilt, die Produktion in den nächsten zwei Jahrzehnten um 40 Millionen Tonnen zu erhöhen.

„Dunkle Gelder“ über die Bermudas

Deutschland, das von russischem Gas abhängig ist und in dem die Grünen mit den Sozialdemokraten an der Regierung sind, war so verzweifelt, dass es die Abschaltung seiner Kernkraftwerke stoppen mußte. Die Schließung der Reaktoren war von der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel nach dem Fukushima-Unfall beschlossen worden. Jetzt schreibt Hans-Werner Sinn, ein führender deutscher Wirtschaftswissenschaftler:

„Deutschland wird weder kurz- noch langfristig in der Lage sein, die russischen Gasimporte zu beenden, ohne ein wirtschaftliches Chaos auszulösen… Deutschlands Versprechen, auf Kohle und Kernenergie zu verzichten, also auf die Energieträger, die dem Land ein gewisses Maß an Autarkie und Unabhängigkeit verschafft hätten, hat das Land damit in große Gefahr gebracht.“

Wie sich herausstellte, hat Russland Berichten zufolge – oft durch „dunkle Gelder“ über die Bermudas – die nicht verlangen, dass die Geberländer genannt werden – „grüne“ Kampagnen gegen die Kernenergie gefördert, um die Abhängigkeit des Westens von Importen fossiler Brennstoffe aus Russland zu gewährleisten. Laut einem Artikel in „The Hill“:

„Im Jahr 2014 – demselben Jahr, in dem Russland die Krim annektierte – warnte der damalige Generalsekretär der Nordatlantikvertrags-Organisation (NATO), Anders Fogh Rasmussen, dass Rußland verdeckt daran arbeite, die europäische und US-amerikanische Produktion fossiler Brennstoffe zu untergraben…

Laut ‚The Guardian‘ behauptete Rasmussen… in einer Präsentation vor einem Think Tank in London: ‚Ich habe Verbündete getroffen, die berichten können, dass Russland als Teil seiner ausgeklügelten Informations- und Desinformationsoperationen aktiv mit so genannten Nichtregierungsorganisationen (NGOs) – Umweltorganisationen, die gegen Schiefergas arbeiten – zusammenarbeitet, um die Abhängigkeit Europas von importiertem russischen Gas aufrechtzuerhalten.‘“

Dominique Reynié, Professor für Politikwissenschaft am Institut d‘Etudes Politiques in Paris, stellte kürzlich in einem Interview mit „CNews“ fest:

„Wir haben festgestellt, dass Gazprom vor allem Umwelt-NGOs finanziert, die bestimmte europäische Länder mit Ministern ausgestattet haben – Belgien zum Beispiel –, die sich dann für einen Ausstieg aus der Kernenergie starkmachten.“

Gazprom als Umweltschützer in Mecklenburg-Vorpormmern

Die deutsche „Stiftung Klima- und Umweltschutz MV“, die Berichten zufolge mehr als 17 Millionen Euro von Gazprom erhalten hat, wurde ebenfalls beschuldigt, eine von Moskau finanzierte „Marionette“ zu sein, wie die Sunday Times enthüllte.

Die Stiftung wurde 2021 in Mecklenburg-Vorpommern von Manuela Schwesig gegründet, der sozialdemokratischen Ministerpräsidentin und Verbündeten des ehemaligen deutschen Bundeskanzlers Gerhard Schröder, der Vorsitzender der Unternehmen ist, denen die Pipelines Nord Stream und Nord Stream II gehören, die gebaut wurden, um Erdgas von Russland nach Deutschland zu transportieren. Schröder saß auch in den Aufsichtsräten russischer staatlich unterstützter Energieunternehmen.

Darüber hinaus ergab eine Untersuchung von „Unherd“, dass China ebenfalls westliche Umweltschützer finanziert:

„Ein paar Blocks vom Platz des Himmlischen Friedens entfernt, inmitten der höhlenartigen Pracht des Pekinger Hotelkongresszentrums, versammelte sich im September eine Reihe hochrangiger Funktionäre der Kommunistischen Partei, um eine klare Botschaft zu verkünden: ‚Durch die Konzentration auf die Reduzierung der Kohlenstoffemissionen … wird China eine grüne Entwicklung fördern und seine Ökologie kontinuierlich verbessern‘. Die Jahreshauptversammlung des China Council for International Co-operation on Environment and Development (CCICED) war in vollem Gange…

Während der Saal vor optimistischer Öko-Rhetorik nur so strotzte, konnte man fast vergessen, dass China der weltweit größte Verursacher von Treibhausgasen ist – und dass allein die im Bau befindlichen neuen Kohlekraftwerke eine größere Kapazität haben als die gesamte britische Stromerzeugungsmaschinerie….

Laut dem offiziellen Konferenzbericht lobten die ‚Mitglieder des ausländischen Komitees und die Partner Chinas ökologischen Zivilisationsaufbau und seine neuen und größeren Beiträge zur Förderung des Aufbaus einer sauberen und schönen Welt‘.“

Prinz Charles und John Kerry

Anwesend waren Professor Lord Nicholas Stern, Präsident des „Grantham Center on Climate Change“ an der London School of Economics, ehemaliger Chefökonom der Weltbank und Berater britischer Regierungen in Umweltfragen, Kate Hampton, Geschäftsführerin der „Children‘s Investment Fund Foundation“ (CIFF), die Berichten zufolge von dem Milliardär Christopher Hohn, einem führenden Umweltphilanthropen, finanziert wird, und der World Wide Fund for Nature-UK (WWF), dessen Präsident Prinz Charles ist.

Worüber machte sich US-Außenminister John Kerry, der „Klimazar“ der USA, Sorgen, als Europa vor seinem eigenen Energieselbstmord stand und kurz bevor Putin begann, die Ukraine zu vernichten? Über die „massiven Emissionsauswirkungen“ des Krieges und darüber, dass er vom Kampf gegen den Klimawandel ablenkt. „Ich hoffe, dass Präsident Putin uns helfen wird, auf dem richtigen Weg zu bleiben, was wir für das Klima tun müssen“, sagte er der BBC.

Hier ist ein weiterer Betrug: Deutschland und Frankreich verfügen nicht nur über genügend Erdgasreserven, um das russische Gas für mehr als 20 Jahre zu ersetzen (der Bundesverband Erdgas nennt hier bis zu 2,3 Billionen Kubikmeter technisch erschließbares Erdgas aus Schiefergesteinen), sondern die Förderung wurde „aus Umweltgründen“ verboten.

Der Journalist Michael Shellenberger stellte fest:

„Russland hat eine Wirtschaft, die halb so groß ist wie die deutsche, eingesetzt, um die Ära nach dem Kalten Krieg zu beenden und die NATO zu besiegen. Es tat dies mit Aggression, Erdgas und Atomwaffen. Amerika muss massiv mehr Atomkraft, Erdgas und Öl produzieren, oder die freiheitlich-demokratische westliche Zivilisation ist tot.“

So Ulf Poschardt in „Die Welt“:

„Wladimir Putin kann nur tun, was er will, weil er die Schwächen des Westens durchschaut hat: Europa und vor allem die Deutschen sind dekadent geworden, sie bevormunden ihre Leistungsträger und unterwerfen sich einem naiv verblendeten Zeitgeist… Putin schaut auf Deutschland und sieht es als eine Bundesrepublik der Clowns. Und er hat keine Angst vor Clowns.“

Jetzt versucht Europa, seine Abhängigkeit vom russischen Gas zu verringern. Aber was kommt als nächstes?

Giulio Meotti, Kulturredakteur bei „Il Foglio“, ist ein italienischer Journalist und Autor. Sein Artikel erschien zuerst bei Gatestone und der Achse des Guten. Mit freundlicher Genehmigung des Autors.

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