Michael Shellenberger: Deutsche Energiewende mit schuld am Ukraine-Krieg

von AR Göhring

Der amerikanische Umweltaktivist Michael Shellenberger, bekannt durch seine Ablehnung „erneuerbarer Energieanlagen“ in der kalifornischen Wüste, richtet in der Jungen Freiheit schwere Anschuldigungen an die deutsche Energiewendepolitik. Titel: Putins Werk und unser Beitrag

Zunächst erinnert Shellenberger an Eigenschaften Rußlands, die nicht ganz so bekannt sind: Die Wirtschaft im Reiche des Bären ist kleiner als die von Texas, und die Lebenserwartung liegt zehn Jahre unter der von Frankreich. Wie kann ein derartiger Zwerg einen Feldzug auf ein Flächenland wie die Ukraine starten?

Es liege am archaischen Willen des Nicht-Westlers Putin, und an der postmodernen Ängstlichkeit Westeuropas. Und:

Was bei dieser Erklärung jedoch fehlt, ist eine Erörterung der materiellen Realität und der grundlegenden wirtschaftlichen Zusammenhänge – zwei Dinge, die Putin weitaus besser zu verstehen scheint als seine Amtskollegen in der freien Welt, insbesondere in Europa.

Die Russen verbrauchen viel weniger Gas, als sie fördern, in Westeuropa ist es andersherum. Der Westen braucht Gazprom also, was, wir schon betonten, auch an der Geheimdiensttätigkeit Rußlands liegt, die westliche „Umwelt“-NGOs finanzieren.

Da liegt für Shellenberger der Hase im Pfeffer: Die grüne Ideologie Gesamtdeutschlands sorge seit 30 Jahren für eine Abhängigkeit vom russischen Gas (das schon seit Ende der 70er fließt). Insbesondere in den reichen DACH-Ländern wird kräftig Stimmung gegen fast alles gemacht, was Energie bringt – Kernkraft, Fracking, Kohle, Öl. Und die Wirtschaft solle auch Ökogründen auch noch schrumpfen – „Degrowth“.

Der US-Klimabeauftragte John Kerry warnte gerade davor, daß eine mediale Konzentration auf den Krieg in der Ukraine vom leidigen Klimathema ablenken würde. Das Gegenteil sei der Fall, meint Shellenberger :

Aber es war die Konzentration des Westens auf die Gesundung des Planeten durch erneuerbare Energien und die Abkehr von Erdgas und Atomkraft, die es Putin ermöglichte, die Energieversorgung Europas in den Würgegriff zu bekommen.

Zu Hause baute Putin langfristig ausgesprochen billige Kernkraftwerke, damit er noch weniger Gas verbrauchen muß, daß er für teuer Geld an Merkels Reich verkaufen konnte. Bei uns machte man sich hingegen nur Sorgen um Plastikstrohhalme und den „Kohlenstoff-Fußabdruck“ – das eine Thema hatte ein Neunjähriger in einer Schulaufgabe gestartet, das zweite die PR-Abteilung von BP.

Mit dem Ergebnis, daß der russische Anteil an Gaslieferungen für die EU kontinuierlich stieg – 2016 mit 30%, heute 47%. Selbst der Putinfreund Trump warnte in der UN vor der wachsenden Abhängigkeit Deutschlands – was der anwesende Heiko Maas und Kollegen mit Heiterkeit quittierten.

Shellenberger ist kein „Klimaleugner“ (zumindest offiziell), sondern unterstützt das Narrativ von klima-erhitzenden Atemgasen. Mit den großen Klima-Panikmachern des Westens geht er deswegen noch lange nichtkonform:

Sie bezeichnen den Klimawandel als nahe apokalyptische Bedrohung für das Überleben der Menschheit und rümpfen gleichzeitig die Nase über die Technologien, die am meisten und am schnellsten zur Bekämpfung des Klimawandels beitragen können: Atomkraft und Erdgas.

Die 30% Strom aus deutschen Kernkraftwerken des Jahres 2.000 seien nahezu CO2-frei gewesen, weswegen sich der Autor darüber wundert, daß man es nicht wie Frankreich mit seinen aktuell 70% Kernstrom macht. Er nennt die Gegenargumente zu den „Erneuerbaren“ und erwähnt einen selten genannenten Fakt: China läßt seine billigen Solarmodule, die gern nach Deutschland verkauft werden, in Sklavenarbeitslagern herstellen.

Die deutsche Politik habe mehr Angst vor Greta gehabt als vor Putin. Was nicht bedeutet, daß man nun tatsächlich effizient gegen den Kriegsherrn im Kremlin vorgehe: Die Abwicklung der Erdgasgeschäfte via Banken werde nicht behindert; auch werde der russische Gashahn am deutschen Ende nicht zugedreht. Daher fordert Shellenberger klar, die Abhängigkeit von Gas aus Dikaturen zu beenden:

Nationale Sicherheit, Wirtschaftswachstum und Nachhaltigkeit erfordern eine stärkere Abhängigkeit von Kernkraft und Erdgas und weniger von Sonnenkollektoren und Windturbinen, die Strom zu teuer machen.

Konkrete Maßnahmen wären:

– Biden sollte Scholz dazu bewegen, die noch betriebsfähigen deutschen Kernkraftwerke wieder hochzufahren oder kritisch zu lassen, u.a. Weltmeister Grohnde. Dadurch spart man elf Milliarden Kubikmeter Erdgas

– Die Nordamerikaner sollten ihre gewaltigen Erdgas- und Ölreserven in einer konzertierten Aktion erschließen, um sich selbst und ihre Verbündeten versorgen zu können. Dafür braucht es Flüssiggas-Hafenterminale, die Scholz zum Glück nun bauen wolle.

– Die USA müssten aufhören, ihre Kernkraftwerke zu schließen und neue errichten – und zwar die neueste Generation. Die Angst vor den Massen von Atommüll sei nur Panikmache und meist unwissenschaftlich, da die Lagerung technisch erprobt sei (und, wie der EIKE-Leser weiß, absehbar in neuen Kernkrafttypen verarbeitet werden kann, bis fast nichts mehr übrig bleibt).

Michael Shellenberger, geboren 1971, war jahrelang Ökoaktivist und 2008 „Umweltheld des Jahres“ des Time Magazine, bis er aus dem ideologischen Teil der grünen Bewegung ausstieg. Heute plädiert der Umweltjournalist in seinen Büchern und Artikeln für einen rationalen und wirklich effektiven Naturschutz, basierend u.a. auf friedlicher Nutzung der Kernkraft.

Soeben ist sein New York Times-Bestseller „Apokalypse, niemals! Warum uns der Klima-Alarmismus krank macht“ auf Deutsch erschienen.