Rekord-Sonnenschein-März 2022 in Deutschland mit kalten Nächten, oft warmen Tagen, sehr windschwach und niederschlagsarm
Flauer März ist des Windmüllers Schmerz – die meteorologischen Hintergründe der Märzwitterung 2022
Stefan Kämpfe
Cold Days, Hot Nights war der 1985er Welthit der Band Moti Special und hätte im März 2022 umgekehrt heißen müssen. Wer ausschlafen konnte, dem entgingen die eisigen, windstillen Märznächte. Für alle anderen galt in diesem ungewöhnlich sonnigen März: Morgens dicke Winterjacke und der Eiskratzer für die Windschutzscheibe, nachmittags dünne Jacke oder manchmal schon das T-Shirt und ein Eis am Stiel zum Feierabend. Beim Blick auf das Barometer fiel der fast ständig viel zu hohe Luftdruck auf. Wegen der andauernden Hochdruckwetterlagen blieb der Wind meist sehr schwach, was die deutsche Energiekrise weiter verschärfte.
Neuer Rekord der Sonnenscheindauer über Deutschland im März 2022, aber keine Rekord-Wärme
Sonnenscheinanbeter werden den Rekord-März 2022 gewiss in bester Erinnerung behalten. Der alte Rekordhalter der bis 1951 zurückreichenden Reihe des DWD-Flächenmittels, 1953 mit 194,2 Sonnenstunden, musste seinen Spitzenplatz räumen, denn obwohl noch nicht alle Daten vorliegen, sind mehr als 210 Sonnenstunden im Deutschen Flächenmittel schon registriert. Auch in Potsdam, wo die Sonnenscheindauer schon seit 1893 gemessen wird, schaffte es der 2022er März auf Platz eins. Doch sehr viel Sonne bedeutet im März, anders als von April bis September, nicht zwangsläufig viel Wärme. Denn astronomisch sind erst so etwa elfeinhalb Sonnenstunden möglich – mit freilich im Monatsverlauf stark steigender Zeit. Nicht nur die noch langen Nächte, auch der noch tiefe Sonnenstand, lassen bloß eine mäßige Erwärmung zu – es sei denn, eine sehr warme Luftmasse aus dem Süden und ein kräftiger Wind helfen der Erwärmung nach. Doch Beides fehlte in diesem Rekord-Sonnen-März 2022 meist, der mit etwa 5,3°C im DWD-Mittel bei weitem nicht zu den 20 wärmsten Märzen seit 1881 zählte. Es dominierten bei meist schwachem Luftdruckgradienten und hohem Luftdruck über Nordwest-, Mittel- und Osteuropa Subpolarluft (xP), gealterte Subpolarluft (xPs, cPs), manchmal auch mäßig warme Festlandsluft (cSp, xSp), welche sich bei der Flaute aber nicht immer bis zum Boden durch setzte. Und die Nächte zeigten, wie bedeutungslos das Spurengas CO2 für den Wärmehaushalt ist: Wolkenarmut und geringe Luftfeuchtigkeit hatten eine überdurchschnittliche Anzahl von Frostnächten zur Folge; an der im Verhalten recht gut dem Deutschland-Mittel entsprechenden DWD-Station Erfurt/Weimar wurden bis zum 26. März schon 21 Frosttage und damit überdurchschnittlich viele gezählt. Näheres zur Problematik der Kälte und Dürre im Frühling hier und hier. Man erkennt sehr schön, wie die länger und kräftiger scheinende Märzensonne vor allem die Tagesmaxima der Temperatur nach oben trieb, während die Minima oft frostig blieben.
Betrachtet man die Entwicklung der Sonnenscheindauer und der Märztemperaturen im Deutschland-Mittel, so zeigt sich folgendes Bild:
Endlos-Serie von Hochdruckgebieten: Die Flaute im März 2022 verschärfte die deutsche Energiekrise
Mit dem jähen Zusammenbruch der Westwind-Zirkulation (mögliche Ursachen: Zeitiger Zusammenbruch des winterlichen Polarwirbels über der Arktis, QBO-Ostwindphase) bestimmten ab Ende Februar fast durchweg Hochdruckwetterlagen mit zeitweise knochentrockener Festlandsluft das Wettergeschehen. Sehr schön zeigt sich das am Verlauf des Tagesmittels der Luftdruckwerte in Potsdam:
Es handelte sich dabei aber keinesfalls um ein und dasselbe Hochdruckgebiet, sondern um mehrere Neubildungen an ähnlicher Stelle; so etwas nennt man auch eine quasi-stationäre Hochdrucklage. Eine typische Situation war die vom 24. März:
Gestützt wurde dieses einmal über West-, mal über Mittel- oder Osteuropa liegende Hoch durch einen Langwellenkeil in der mittleren Troposphäre, welcher auf seiner Westflanke Warmluft in höheren Luftschichten weit nordwärts verfrachtete. Solche Lagen erweisen sich oft als sehr stabil.
Weil sich durch die nächtliche Ausstrahlung fast stets eine bodennahe, kräftige Temperaturinversion bildete, waren die Nacht- und Morgenstunden besonders windschwach. Für die so ambitionierte deutsche Energiewende, deren wichtigstes Standbein die Windstromerzeugung ist, hatten diese Flauten ernüchternde Konsequenzen. Auf die politischen, wirtschaftlichen und technischen Konsequenzen der deutschen Energiewende soll hier nicht eingegangen werden; aber wenn kein oder nur ein schwacher Wind weht, so sind die Windstromerträge dementsprechend gering; und der reichliche Sonnenschein für Solarstrom steht nur tagsüber zur Verfügung. Vielleicht sollte sich Robert Habeck, Bundesminister für Wirtschaft und Energie sowie neuerdings engagierter Gasableser der arabischen Scheichs, einmal die folgende Grafik genau ansehen:
Doch wer nun meint, das Heil liege im weiteren, massiven Ausbau der Solarenergie, dem sei folgende alte Bauernregel mit auf den Weg gegeben: „Märzensonne, nur kurze Wonne, Märzenschein lässt nicht viel gedeih’n“. Zumal alle „Erneuerbaren“ nicht oder nur unter unverhältnismäßig hohem Aufwand bei großen Verlusten gespeichert werden können.
Zurück zu den meteorologischen Besonderheiten – könnten sich windschwache Hochdruckwetterlagen im März häufen? Eine Möglichkeit zur Überprüfung bietet die so genannte Objektive Wetterlagenklassifikation des DWD, welche aber leider erst seit 1980 vollständig vorliegt; Näheres zu dieser Methode hier. Als generell windschwach erweisen sich alle Lagen mit unbestimmter Anströmrichtung (Kürzel XX); egal, ob sie völlig, teilweise oder gar nicht antizyklonal sind. Für die Frage, ob sich Hochdruckwetterlagen häufen, sind alle AA, AZ- und ZA-Lagen zu betrachten. Allerdings können auch andere Wetterlagen, in diesem März besonders die mit nordöstlicher und südöstlicher Anströmrichtung, sehr windschwach sein.
Die Ursachen dieser leichten Häufung, welche, besonders bei den XX-Lagen, auch in vielen anderen Monaten zu beobachten ist, können hier nicht näher erläutert werden. Neben der allgemeinen, leichten Erwärmung der letzten Jahrzehnte kommen hierfür auch die seit den 2000er Jahren stark nachlassende Sonnenaktivität und die Übernutzung der Windenergie in Betracht; Letztere entzieht der Atmosphäre kinetische Energie; Näheres dazu hier.
Hoher Luftdruck und Rekord-Sonnenscheindauer im März – liefert das Hinweise auf die mittel- und langfristige Folgewitterung?
Setzt man die Luftdruck-Werte des März in Relation zum Temperatur- und Niederschlagsverhalten der Folgemonate, so fehlen signifikante Zusammenhänge und damit für seriöse Prognosen verwertbare Fakten. Bei den Temperaturen zeigt sich eine schwach positive Korrelation des März-Luftdrucks zum April, Juni, September und vor allem dem Januar des folgenden Jahres; beim Niederschlag eine schwach negative Korrelation im April und September, eine schwach positive zum Juni und Juli. Der „alte“ Rekordhalter (1953) wies einen leicht zu warmen April, Mai, Juni und Oktober und einen sehr milden Dezember auf; markant zu nass war der Juni, etwas zu trocken April, Mai und August, markant zu trocken der gesamte Herbst. Aber nicht selten folgte einem sonnigen März auch ein unfreundlicher, kalter April (1990, 91, 97, 2017); auch für 2022 sieht es nach Spätwinter, zumindest anfangs in der ersten Aprildekade, aus; ob der gesamte April so ungemütlich wird, wie der von 2021, bleibt abzuwarten. Doch wie sieht es langfristig, also im Zeithorizont mehrerer Jahre und Jahrzehnte, aus? Hierzu schauen wir uns zunächst einmal die bis 1893 zurückreichende Reihe der Station Potsdam an.
Eine wenigstens bis 1919 reichende Sonnenschein-Datenreihe liefert das britische Metoffice als Flächenmittel für das United Kingdom (UK):
Möglicherweise deuten also die erhöhte Sonnenscheindauer und der hohe Luftdruck das baldige Ende der AMO-Warmphase an. Ein ähnliches, noch ausgeprägteres Verhalten zeigt sich beim April; eventuell gehören die häufig sehr warmen Frühjahre der späten 1980er bis 2010er Jahre schon bald der Vergangenheit an. Abschließend sei noch auf die Erhöhung der Sonnenscheindauer infolge der Luftreinhaltemaßnahmen seit den späten 1980er Jahren verwiesen; worauf in diesem Kurzbeitrag nicht näher eingegangen werden kann.
Stefan Kämpfe, unabhängiger Natur- und Klimaforscher