Während Klimaminister Habeck die Welt bereist auf der Suche nach fossilem Ersatz für russisches Erdgas, geht der deutsche Krieg gegen die Kohle weiter. Sogenannte NGOs denken nicht an „Denken ohne Denkverbote“ über die Energieversorgung angesichts eines Krieges in Europa. Deutsch und grün zu sein heißt, Dinge um ihrer selbst willen zu tun

von Frank Hennig

Das Verwaltungsgericht in Cottbus hat entschieden, dass der Tagebau Jänschwalde ab dem 15. Mai stillgesetzt werden muss. Wieder einmal hat eine dubiose NGO vor einem deutschen Gericht einen Sieg errungen. Es ist ein Pyrrhussieg, der allen schadet.

Der berühmt bis berüchtigte Abmahnverein Deutsche Umwelthilfe e.V. (DUH) freut sich. Es sei gelungen, zu einem „rechtsstaatlichen Verfahren“ zurückzukehren. Die LEAG (Lausitzer Energie Aktien Gesellschaft) weist auf die gravierenden Folgen hin. Was war passiert?

Der Tagebau Jänschwalde nordöstlich von Cottbus wurde 1974 aufgeschlossen und lieferte seit 1976 Kohle, ab 1981 fast ausschließlich für das gleichnamige Kraftwerk. Ging man zu DDR-Zeiten von einer Betriebszeit bis zur Auskohlung 2016 aus, sorgten die Kraftwerksertüchtigungen nach der Wende für höhere Wirkungsgrade und geringeren Kohleverbrauch, sodass die verbrauchte Kohlemenge sank. Seit Ende 2018 und 2019 stehen zudem zwei Kraftwerksblöcke in der sogenannten Sicherheitsbereitschaft, was den Kohlebedarf nochmals senkte.

Der Tagebaubetrieb folgt einem umfangreichen Genehmigungswerk. Bestandteil des sogenannten Hauptbetriebsplans ist die wasserrechtliche Genehmigung, in der die Grundwasserabsenkung zur Kohleförderung geregelt ist. Diese ist nötig, um trockenen Fußes das Flöz in der Tiefe abbauen zu können. Unter Wasser oder im Schlamm geht das nicht. Der Hauptbetriebsplan stammt aus dem Jahr 1996, wurde 2017 überarbeitet und der Betrieb bis Ende 2023 bei geringerer Leistung genehmigt. Dabei versäumte es die zuständige Behörde, das Landesamt für Bergbau, Geologie und Rohstoffe (LBGR), die wasserrechtliche Genehmigung anzupassen. Das hatte zur Folge, dass die Menge des tatsächlich gehobenen Grubenwassers die genehmigte Menge aus 1996 überschritt.

Dies nahm die DUH dankbar als Klagegrund auf. Obwohl nur 22 Monate bis zur endgültigen Stillsetzung des Tagebaus verbleiben, nutzt man den Formfehler in den Genehmigungsanlagen gern zur Klage und stellt sich nun mithilfe formaler Paragraphenreiterei eine weitere Trophäe in die Vitrine. Das Verwaltungsgericht in Cottbus entschied, dass der Tagebau ab dem 15. Mai stillgesetzt werden muss. Was dann folgt, ist offen, aber die endgültige Stilllegung ist wahrscheinlich und führt zu negativen praktischen Auswirkungen für Natur, Unternehmen, Mitarbeiter, Anwohner, Energieversorgung und Staatskasse.

Das abrupte Ende der Förderung würde die Kosten der Renaturierung in die Höhe treiben, denn im Gegensatz zum planmäßigen Auslaufen der Förderung wurde keine sogenannte Abschlussfigur geschaffen, auf der die Gestaltung der Folgelandschaft aufbaut. Die Planungen für diese liegen seit Jahren vor und sind genehmigt. Ein Drei-Seen-Konzept mit einem Mix aus landwirtschaftlichen Nutzflächen, Offenland und Wald wäre ab 2024 umgesetzt worden, dafür wurden Rückstellungen gebildet, und es wären Gelder aus dem laufenden Betrieb der LEAG geflossen.

Nun bleibt ein fast drei Kilometer langer riesiger Graben zurück, der eine völlige Neuplanung der Renaturierung erfordert. Diese kann bis zu fünf Jahre in Anspruch nehmen, der Zeitbedarf zur Genehmigung durch die Behörde lässt sich nicht prognostizieren. Über die gesamte Zeit muss weiter das Grundwasser abgesenkt werden. Wenn also gerichtlich festgestellt wurde, dass bisher zu viel Grundwasser abgesenkt wurde, bewirkt das Urteil nunmehr, dass in Zukunft noch viel mehr Wasser als bisher nötig abgepumpt werden muss.

Den Zonk hat in jedem Fall das bergbautreibende Unternehmen in der Hand, denn die gerichtlich unterlegene Seite ist es nicht selbst, sondern das LBGR. Ob dieses nun beim Oberverwaltungsgericht Beschwerde einlegt, ist noch offen. Das Gehalt der Beamten ändert sich nicht, ob sie es nun tun oder auch nicht. LEAG warnt vor Engpässen bei der Versorgung mit Strom und Wärme, worauf der Behördenvorgesetzte, Brandenburgs Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD), sinngemäß darauf hinweist, dass die Heizperiode ja bald vorbei sei. Mehr hat er offenbar dazu nicht zu sagen.

Die Wirkungen reichen noch weiter. Zwei Blöcke des Kraftwerks Jänschwalde stehen in der sogenannten Sicherheitsbereitschaft und sind in den Aussagen zur Versorgungssicherheit von Klimaminister Habeck schon benannt worden. Sollten sie tatsächlich aufgerufen werden, ist absehbar, dass die zur Verfügung stehenden Kohlemengen aus dem südbrandenburgischen und sächsischen Raum nicht ausreichen werden. Ehrlicherweise müsste LEAG diese Reserven aufkündigen, sollte das Urteil bestehen bleiben. Der nächste Tiefschlag für das Unternehmen ist die Verschuldung bei der KfW, um die Sicherheitsleistungen für die künftigen Stromverkäufe zu erbringen. Das musste Uniper auch tun, aber LEAG kann den vertraglich vereinbarten Stromlieferungen wahrscheinlich nicht in vollem Umfang nachkommen und könnte damit die KfW-Verbindlichkeiten nicht zurückzahlen.

Somit drohen sogar Insolvenz, dazu ein riesiger so nicht renaturierbarer Graben in der Landschaft und sinkende Versorgungssicherheit bei Strom und Wärme. Das ist der DUH egal. Für eine außergerichtliche Einigung war sie nicht zu haben, aber sie kann auf die heutige Richterschaft vertrauen. Vielleicht hätte LEAG nach dem Vorbild der Kanzlerin mit der zuständigen Kammer vor der Urteilsverkündung speisen sollen.

Das Urteil wirft ein bezeichnendes Bild auf die heutige Richterschaft. Muss man neben der Aktenlage nicht auch die Folgen eines Urteils bedenken? Das bisher zu viel geförderte Wasser ist nicht rückholbar; dass künftig noch viel mehr Wasser als im Genehmigungsbescheid zugelassen gefördert werden muss und welche weiter reichenden Folgen dies hat, interessiert die Roben nicht. Aber es passt zum Gesamtbild. Das Vertrauen in den deutschen Rechtsstaat bröckelt ohnehin. Viele Lausitzer erinnern sich an Pfingsten 2016, als „Ende Gelände“ und Konsorten den Tagebau Welzow und das Kraftwerk Schwarze Pumpe stürmten und trotz erheblicher Vandalismusschäden die strafrechtliche Verfolgung vor freundlichen Richtern im Wesentlichen im Sande verlief.

Übrigens wurde das abgepumpte Grundwasser nicht verbraucht, sondern es stabilisierte überwiegend den Wasserhaushalt der Spree, die ansonsten im Sommer zeitweise rückwärts fließen würde. Grund ist der immer noch große Grundwassertrichter der Lausitz, der sich nach 120 Jahren gezielter Grundwasserabsenkung noch nicht wieder aufgefüllt hat. Ein Zurückfahren der Wasserhebung kann nur schrittweise erfolgen, so wie sich dieser Trichter füllt. Das Denken in größeren Zusammenhängen ist allerdings NGOs, Politikern und Richtern nur mangelhaft gegeben.

Der Beitrag erschien zuerst bei TE hier

 

 

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