Dreht Berlin jetzt Russland den Gashahn ab?
Heute berichtet der bekannte Geostratege, Gas Trading Experte und Regierungsberater Jakob Ihrig posthum über den strategischen Einsatz von Erdgas.
In Folge der politischen Spannungen in der Ukraine erleben wir derzeit eine fieberhafte Shuttlediplomatie. Die Schwergewichte des diplomatischen Corps – wie beispielsweise die aus dem Völkerrecht stammende deutsche Außenministerin – geben sich die Klinken in die Hand, um die Krise zu entspannen. Eine vorrangige Rolle spielen dabei natürlich Sanktionen. Dazu hat der erfolgreiche Kinderbuchautor und derzeit als Minister für Wirtschaft- und Klimaerwärmung eingesetzte Herr H. Beck eine interessante Idee ins Spiel gebracht: Was passiert, wenn Berlin den Gashahn zudreht?
Unter diesem Arbeitstitel wurde im Ministerium eine Kommission unter Leitung des für Energiefachfragen zuständigen Staatssekretärs Spaichen ins Leben gerufen. Experten der Opposition hatten zwar darauf hingewiesen, dass man sich aufgrund der vorherrschenden „flow“- Richtung, durch Abriegeln der Gaszufuhr an der deutschen Grenze eher ins eigene Fleisch schneiden würde, dies will H. Beck allerdings nicht gelten lassen. U.a. die von ihm aus verschiedenen Umweltverbänden zusammengestellten Fachexpert*Innengremien sehen dies durchaus differenzierter.
Gasflussrichtung unklar
In Gaspipelines sind unterschiedliche Flussrichtungen möglich, vermutlich nicht zeitgleich aber im zeitlichen Ablauf, so ein von Greenpeace abgeworbener Gasexperte in H.Becks Ministerium. Der Interconnector zwischen dem UK Bacton Hub und Zeebrugge ist ein gutes Beispiel dafür. Je nach Preisdifferenz könne die physiologische Flussrichtung zwischen UK und Kontinentaleuropa jederzeit von Forward auf Reverse Flow umgeschaltet werden. Location Swaps wurden liquide handelbar und beide Gasmärkte praktisch zu einem vereinigt. So etwas sei auch in Richtung Russland möglich. Eine Fachgruppe des Ministeriums hätte ermittelt, dass die Flussrichtung in modernen Gaspipelines im Wesentlichen durch Druckdifferenzen bestimmt wird. Diese Karte will man spielen. Heute wissen wir aber noch zu wenig darüber, in welcher Richtung das Gas an den Übergabepunkten wirklich fließt!
Gaspipelines sind mehr als ein Stück Rohr
Laien stellen sich unter einer Gaspipeline ein simples Rohr vor. Dies ist aber bei weitem zu stark vereinfacht. Gaspipelines sind komplexe Systeme mit Pumpen, Fittings, Reduzier- und Winkelstücken oder Druckerhöhungsstationen. Da gäbe es technische Zusammenhänge wie Rohrquerschnitte, Oberflächenrauhigkeiten, Druckgradienten und vor allem, die durch den Klimawandel zunehmende Corioliskraft in den Rohren selbst. Wir stehen da auch erst am Anfang, das System zu verstehen. Vielleicht gelingt uns das aber auch nie. Daher wolle man sich auch nicht voreilig auf eine bestimmte Flussrichtung festlegen. Erst müssen alle Fakten auf den Tisch, so der Ministeriumssprecher.
Strategisch ist Deutschland klar im Vorteil
Damit hat Deutschland -nach Meinung der Berliner Ampel- klar das strategisch bessere Blatt auf der Hand. Wenn wir den Gashahn in Waidhaus zudrehen, gehen auf den Jamalfeldern die Frackingfördertürme aus, dann fließt kein Kelvin Gas mehr Richtung Osten! Da ist sich die frisch gebackene Außenministerin sicher. Sie wolle Gas allerdings nicht als strategische Waffe einsetzen, aber wenn Russland sich weiterhin weigert, Panzer auf klimafreundlichen E-Antrieb oder Wasserstoff umzurüsten, führe kein Weg an Sanktionen vorbei. Das habe man Sergei Lawrow beim letzten Besuch in Moskau klar vermitteln können und sei dabei auf großes Verständnis gestoßen, wie ARD und ZDF übereinstimmend berichteten.
Opposition uneins
Derweil zeichnet sich in Kreisen der Opposition kein klares Bild ab. Wie das deutsche Redaktionsnetzwerk meldet, warte man unter führenden Unionspolitikern zunächst noch auf klare Vorgaben aus dem Konrad-Adenauer-Haus, bevor man mit eigenem Denken einsetzen wolle. Politiker anderer Parteien halten die Gas-Sache für ausgemachten Unsinn. Schon allein aufgrund der Tatsache, dass Geld von West nach Ost fließe, läge doch die Vermutung nahe, dass Gas genau in die entgegengesetzte Richtung fließen müsse, so ein unwirscher Politiker einer anderen Partei.
Deutsches Ökogas – ein Premiumprodukt mit internationaler Nachfrage
Diesen Thesen widerspricht der Leiter des klimanahen Berliner DIW. Am Beispiel des Stromes konnten wir sehen, wie Preispulleffekte wirken. Vor wenigen Jahrzehnten war Strom eine billige Ware, die für etwa 10 cent/kWh ohne Struktur aus der Steckdose quoll. Durch die ökologische Veredelung im Rahmen der Energiewende, konnten wir in Deutschland ein äußerst attraktives Produkt mit einer interessanten Signatur im Frequenzgang schaffen. Der Verbraucher fragt dieses Premiumprodukt heute bei Preisen deutlich über 30 cent/kWh in größerem Umfange nach, als den konstant 50Hz Billigstrom vor 20 Jahren. Ähnlich sei es auch beim Gas, das hier viel teurer sei, als in Russland. Aufgrund der ökologischen Veredelung durch Steuern und Abgaben, sei deutsches Gas in Russland zum Statussymbol einer neuen Schicht an klimabewussten Oligarchen geworden. Daher gehe man schon heute davon aus, dass beispielsweise am Übergabehub Frankfurt O. im wesentlichen Reverse Flow nach Osten stattfände.
Deutschland ist Energieexportland
Die deutsche Energiewende produziert einen Exportschlager nach dem anderen: Nach Negativstrom jetzt auch Premium-Gas. Herr Prof Klatschnik vom Berliner Institut für repräsentative Energieerwärmungssysteme ist sich da sicher und zugleich auch etwas stolz auf das Erreichte. Man darf nur den Glauben nicht verlieren. Wir haben schon viel erreicht, aber wir müssen das Tempo nochmals steigern und mehr sektorübergreifend innovative Systemkonzepte im Rahmen eines ganzheitlich veganen Klimawandels umsetzen. Dass wir Erdgas heute auch als strategisches Element der Außenpolitik einsetzen können, hätte von wenigen Jahren noch niemand für möglich gehalten. Auch heute würden aber noch viele der Ewiggestrigen die Chancen nicht sehen und stattdessen glauben, dass wir uns in eine katastrophale Abhängigkeit von russischen Energielieferungen manövriert hätten.