Europaweiter Blackout: Nur noch eine Frage der Zeit?

Von Tim Sumpf

Knapp ein Euro pro Kilowattstunde müssen Neukunden mancher Energieversorger zahlen, wenn sie überhaupt einen neuen Anbieter finden. Steigende Preise für Gas und Strom sind jedoch ein hausgemachtes Problem. Und nicht die schlimmsten Folgen.

Die deutsche Energieversorgung steht an einem Wendepunkt: Die drei letzten deutschen Kernkraftwerke sollen Ende dieses Jahres vom Netz gehen. Zusammen mit weiteren, bereits stillgelegten Kraftwerken hinterlassen sie eine große Lücke.

Diese Lücke möchte die Regierung vor allem mit Windkraftanlagen und Solarstrom schließen. In Dunkelflauten, also wenn weder Sonne scheint noch Wind weht, sollen später Speicher die Stromversorgung sichern. Bis diese erforscht, gebaut und einsatzbereit sind, müssen Gaskraftwerke einspringen, doch die sind bereits ausgelastet. Entsprechend hoch sind Nachfrage und Preise.

Angesichts dessen warnen verschiedene Akteure – mehr oder weniger ernst – vor Versorgungslücken und dem daraus resultierenden Blackout. Darunter ist jedoch nicht der kleine Stromausfall nach einem Gewitter zu verstehen, sondern ein flächendeckender, deutschland- oder sogar europaweiter Stromausfall, der mindestens eine Woche andauert.

Brownout: Stromausfall mit Ansage

Der Auslöser für einen Stromausfall ist in der Regel ein Leitungsdefekt, ein kaputter Trafo oder ein Blitzeinschlag. Der Auslöser für den Blackout ist ein instabiles Stromnetz, welches nicht mehr in der Lage ist, die Netzfrequenz von 50 Hertz stabil zu halten. Die Folge ist dann eine automatische Abschaltung der Kraftwerke, um größere Schäden zu verhindern.

Eine Möglichkeit, die Frequenz zu regulieren, ist, die Strommenge im Netz zu regulieren und entweder durch Zu- oder Abschaltung von Kraftwerken oder Verbrauchern Angebot und Nachfrage zu steuern. Die zunehmende Elektrifizierung von Alltag und Wirtschaft schränkt die Möglichkeiten jedoch ein. Um den nötigen Strom zu liefern, sind praktisch alle Kraftwerke schon zugeschaltet, sodass bei weiterem Regelbedarf Stromverbraucher abgeschaltet werden müssen. Diese gezielte Abschaltung heißt Brownout.

Bisher blieb diese Art Stromausfall deutschen Privathaushalten erspart. Gänzlich von den Auswirkungen verschont bleiben sie allerdings nicht. Wenn besonders energieintensive Industriebetriebe wie Aluminiumhütten ihre Produktion wegen Strommangel drosseln oder einstellen müssen, erhalten sie eine Entschädigung, die letztendlich die anderen Stromkunden zahlen. Werden hingegen Kraftwerke abgeschaltet, weil zu viel Strom im Netz ist, bekommen die Kraftwerksbetreiber eine Entschädigung.

In Zukunft ist jedoch damit zu rechnen, dass Stromrationierungen auch für Privathaushalte zum Alltag werden. Die von der Politik favorisierten Smartmeter werden dem gleichen Zweck dienen, sobald sie flächendeckend eingeführt sind. Sie sollen steuern, welches Gerät wann wie viel Strom bekommt. Mit anderen Worten, sie steuern Brownouts auf Geräte-Ebene: Der Fernseher bekommt Strom, die Waschmaschine jedoch nicht oder erst nachts, wenn alles schläft.

Der Vorteil eines Brownouts liegt darin, dass Betroffene idealerweise vorher informiert werden können, um beispielsweise ihre Arbeit zu speichern oder im industriellen Maßstab, um Produktionsmaschinen sicher herunterfahren zu können.

Energiewende treibt Strompreise

Dabei gilt es eine Besonderheit des Stromnetzes zu verstehen und zu beachten: Da wir kaum über Stromspeicher verfügen, – sie reichen für etwa 30 bis 60 Minuten – muss immer gerade so viel Strom erzeugt werden, wie verbraucht wird. Das ist kein Hexenwerk, weil die Netzbetreiber einerseits die Leistungsfähigkeit des Stromnetzes kennen, andererseits sehr gut wissen, wie sich der Stromverbrauch entwickelt. Darüber hinaus haben große Kraftwerke die Fähigkeit, kurzfristige Lastspitzen wie beim Einschalten eines zusätzlichen Verbrauchers auszugleichen.

Um größere Schwankungen auszugleichen, gibt es verschiedene Kraftwerkstypen, die im Stromnetz unterschiedliche Aufgaben erfüllen: Kohle- und Kernkraftwerke sind/waren zuständig für die Grundversorgung mit Strom. Sie brauchen erhebliche Zeit, um angefahren zu werden. Daher laufen sie in der Regel im Dauerbetrieb, sodass etwa 90 Prozent der installierten Leistung zu jedem Zeitpunkt zur Verfügung stehen, die sogenannte gesicherte Leistung. Zum Vergleich, der Anteil gesicherter Leistung bei Wind und Solar beträgt jeweils unter fünf Prozent. Nachts und bei Windstille sind es genau null. Sie können daher nicht zur Grundversorgung dienen, egal wie groß die installierte Leistung ist.

Gaskraftwerke haben ebenfalls einen hohen Anteil gesicherter Leistung. Sie sind zuständig für die Spitzenlast. Das geht deshalb, weil sie schnell hochgefahren und auch schnell wieder abgeschaltet werden können. Das Gleiche gilt für Wasserkraftwerke. Durch das Abschalten von Kohlekraftwerken muss der erforderliche Strom nun jedoch mit den Gaskraftwerken erzeugt werden. Das bedeutet, sie laufen nicht nur für die Spitzenlast, sondern auch für die Grundlast.

Das hat zur Folge, dass der Strom teurer ist, weil Gas teurer ist als Kohle. Gleichzeitig erhöht sich die Nachfrage nach Gas, was den Gaspreis in die Höhe schnellen lässt, der dann wiederum zu weiteren Preissteigerungen beim Strom führt. Hinzu kommen politisch gewollte Preissteigerungen, beispielsweise durch den CO2-Preis.

Gleichzeitig wirken sich steigende Energiepreise auch auf andere Bereiche aus. Jedes produzierende Unternehmen benötigt Energie, die Mehrkosten werden auf die Endpreise aufgeschlagen. Für den Einzelnen vermutlich deutlicher machen sich die Preissteigerungen bei Lebensmitteln bemerkbar. In der Vergangenheit hat sich der Nahrungsmittelpreis immer entlang der Energiepreise entwickelt.

Warnung vor dem großen Knall

In den vergangenen Jahren häufen sich zudem auf nationaler und europäischer Ebene die Regeleingriffe. Netzbetreiber müssen immer öfter umverteilen, „redispatchen“, um das Stromnetz stabil zu halten. 2021 erfolgten insgesamt 8.635 Regeleingriffe allein im Dezember 2021 waren es 1.036. Damit steht das Netz nach Angaben der Stromnetzbetreiber kurz vor dem Kollaps. Zum Vergleich, 2014 waren es 3.456 Eingriffe, im Jahr 2000 waren es sechs – jeweils im ganzen Jahr.

Goldman Sachs warnte bereits im September 2021 davor, dass Gas in Europa im Winter knapp und teuer werden würde. Der Energieversorger RWE hat seinerseits im Dezember vor Kraftwerksausfällen wegen Gasmangel gewarnt. Mit Wahrsagen oder Spekulation hat das wenig zu tun, ebenso wenig mit vermeintlichen Minderlieferungen aus Russland.

Mit dem Wegfall der Hälfte der noch laufenden Kern- sowie mehreren Kohlekraftwerken muss der Strom aus anderen Quellen kommen. Ohne Sonne und Wind bleiben jedoch nur wenige, die für abgeschaltete Kraftwerke einspringen können – das sind Gaskraftwerke. Entsprechend teuer ist der daraus produzierte Strom. Das Problem ist also ein politisches und heißt Energiewende.

Während 2021 in Deutschland Kraftwerke mit einer installierten Gesamtleistung von 8,9 Gigawatt abgebaut wurden, kamen nur 2,56 GW Kraftwerksleistung hinzu. Auf das Jahr hochgerechnet und aufgrund der unterschiedlichen Kraftwerkstypen – gesicherte Leistung aus Kernkraft und Kohle versus unstete Leistung aus Wind und Solar – fehlen 61 Terawattstunden (TWh).

Die fehlende Energie entspricht etwa einem Zehntel des gesamtdeutschen Stromverbrauchs 2021. Wenn 2038 die letzten Kohlekraftwerke vom Netz gehen, fehlen in Deutschland 45 GW gesicherte Leistung oder etwa die Hälfte des Stroms.

„Kurz vor der Angst“: Extrem kritische Situation im Januar 2022

In den letzten drei Jahren wurden in Europa 23 Kohlekraftwerke abgeschaltet, die zusammen für eine Leistung von etwa 20 GW stehen. Zunächst fielen diese Abschaltungen nicht auf. Bedingt durch die Coronakrise und die damit verbunden Maßnahmen und Einschränkungen sank der Stromverbrauch in der Wirtschaft und im privaten Sektor. Zum Sommer 2021 lief die Wirtschaft wieder an und mit ihr stieg der Stromverbrauch.

Anfang Januar verschärfte sich die Situation nach Angaben von Prof. Harald Schwarz von der BTU Cottbus dramatisch. Wie der Energie-Experte erklärte, konnten zu diesem Zeitpunkt weder Deutschland noch Frankreich ausreichend Strom erzeugen. Die dringend benötigten Reserven fand man in bulgarischen und rumänischen Kohlekraftwerken. Ein „kleiner Defekt“ in Kroatien führte schließlich zur Auftrennung des europäischen Netzes, wobei es in Mitteleuropa zu einer Unterdeckung kam. Abschaltungen diverser Verbraucher konnten Schlimmeres verhindern. Gleichzeitig mussten in Südosteuropa Kraftwerke „in Größenordnungen“ wegen einer Überspeisung abgeschaltet werden.

Die Ursache für den Strommangel war, dass in Deutschland weder Wind noch Sonne arbeiteten. Hinzu kommt, dass Frankreich mehrere Kernkraftwerke zu Wartungszwecken vom Netz genommen hat. Polen wiederum nutzt derzeit hauptsächlich Kohlestrom aus eher älteren Kraftwerken. Störungen sind an der Tagesordnung, sodass zuletzt andere europäische Länder immer wieder aushelfen mussten. Norwegische Kraftwerksbetreiber verkaufen ihren Strom indes lieber teuer nach Deutschland als im eigenen Land oder an direkte Nachbarn. Im Kosovo führten die hohen Importpreise für Strom bereits zu Brownouts.

Blackout-Folgen: weniger entspannt, mehr tödlich

Ganz so „entspannt“, wie es der WDR in einem Instagram-Beitrag auf dem Kanal „klima.neutral“ beschreibt, dürfte es dabei weder im Brown- noch Blackout werden. So betrachtet der WDR Kerzen und Powerbanks durchaus als romantisch und gebe „ganz konkrete Tipps, wie man sich bei einem Stromausfall verhalten soll.“

Andere sehen die Situation wortwörtlich düsterer. Der Sicherheitsexperte Christian Endress (41), Chef der „Allianz für Sicherheit in der Wirtschaft“, erklärte gegenüber der „Bild-Zeitung“: „Die direkten Auswirkungen werden im Verlust von Heizung im Winter, Kühlung im Sommer, elektrischem Licht, Telefon, Internet, Rundfunk-/TV-Empfang, der Lebensmittelbevorratung durch Kühlen oder Gefrieren sowie auch im möglichen Verlust der Trinkwasserversorgung liegen. Dann wäre unter anderem auch die Entsorgung von Fäkalien durch die Toilettenspülung nicht mehr gewährleistet.“

Prof. Fritz Vahrenholt, ehemaliger Umweltsenator von Hamburg und mehrere Jahre in der Windenergiebranche tätig, ergänzte: „Ampeln fallen aus, Aufzüge, Tankstellen, Geldautomaten, Ladestationen für E-Autos, Computer stürzen ab. Es wird auch Menschenleben kosten.“ Lediglich die Deutsche Bahn werde noch fahren: „Sie hat ein eigenes Stromnetz, das im Wesentlichen aus dem Kohlekraftwerk Datteln gespeist wird“, so Prof. Vahrenholt zu „Bild“.

Dabei sei es keine Frage, ob der Blackout kommt, sondern lediglich wann, warnteunter anderem die österreichische Verteidigungsministerin Klaudia Tanner. „Wir müssen in nächster Zeit mit einem Blackout rechnen. […] Ein einsatzrealistisches Szenario wie ein europaweiter Stromausfall kann immer möglich sein“, zitiert die „Welt“. Entsprechend bereitet man sich in der Alpenrepublik auf den Ernstfall vor. Dazu gehören auch autarke Kasernen, die bei einem Stromausfall monatelange weiter betrieben werden können und Anlaufpunkt für Helfer sind.

Kein Plan Blackout im Land der Energiewende

Und in Deutschland? Das Büro für Technikfolgenabschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB) attestierte bereits 2010 enorme Defizite bei der Blackout-Krisenvorsorge: Die Folgen eines längeren, bundesweiten Stromausfalls kämen einer nationalen Katastrophe gleich. „Diese wäre selbst durch eine Mobilisierung aller internen und externen Kräfte und Ressourcen nicht ‚beherrschbar‘, allenfalls zu mildern“, schlussfolgerten die Experten bereits 2010.¹

Weiter hieß es beim TAB: „Bereits nach wenigen Tagen [ist] im betroffenen Gebiet die flächendeckende und bedarfsgerechte Versorgung der Bevölkerung mit (lebens)notwendigen Gütern und Dienstleistungen nicht mehr sicherzustellen ist. Die öffentliche Sicherheit ist gefährdet, der grundgesetzlich verankerten Schutzpflicht für Leib und Leben seiner Bürger kann der Staat nicht mehr gerecht werden.“

Im Klartext, nach wenigen Tagen könne man weder Plünderungen vermeiden, noch die Menschen mit dem Nötigsten versorgen.

Ideologie vor Technik

Die deutsche Politik hat nach Fukushima einseitig beschlossen, alle Kernkraftwerke abzuschalten, obwohl diese praktisch CO2-freien Strom liefern können. Kurze Zeit später wurde eine Energiewende beschlossen, weg von CO2-emittierenden Kraftwerken hin zu den regenerativen Energien Wind und Sonne. Bis 2030 sollen 80 Prozent der Strombedarfs aus erneuerbaren Quellen stammen – auch, wenn die Sonne zeitweise nicht scheint und der Wind nicht weht.

Energieerzeuger sind letztendlich jedoch auch nur Wirtschaftsunternehmen. Sie sind nicht für die Versorgungssicherheit zuständig. Diese obliegt dem Staat, er muss mit seinen Entscheidungen einen Rahmen schaffen, in dem Kraftwerks- und Netzbetreiber agieren können und wollen.

Die Androhung, dass neue Gaskraftwerke bereits in wenigen Jahren überflüssig würden und abgeschaltet oder teuer umgerüstet werden müssen, lässt wenig Zuspruch von Investoren erwarten. Wer investiert schließlich in Kraftwerke, die frühestens 2028 fertig sind, aber spätestens 2040 abgeschaltet werden sollen?

(Mit Material und freundlicher Genehmigung von Robert Jungnischke)

Robert Jungnischke gilt als Experte für die Blackout-Vorsorge. Mit seinem Sachverständigen-Büro und Blog „blackout-vorsorge-beratung.de“ berät er kleine und mittelständische Unternehmen, wie sie mit der zunehmenden Versorgungsunsicherheit umgehen und die Folgen eines Blackouts oder Brownouts so weit wie möglich vermeiden können.

Quellen

(1) Petermann et al (2010); doi.org/10.5445/IR/1000103291

Der Beitrag erschien zuerst bei EPOCH TIMES hier