Stefan Kämpfe

Was beeinflusst unsere Januar-Temperaturen wirklich, und wie könnte der Februar verlaufen?

Für Winter-Freunde verlief dieser Januar enttäuschend. Andererseits konnte er mit den extrem milden Jännern der jüngsten Vergangenheit bei weitem nicht mithalten. Seit nunmehr 35 Jahren bleibt der ehemalige „Hartung“ konstant mild – bei stark steigenden CO2-Konzentrationen. Man ahnt es schon: Ganz andere Ursachen als CO2 dominieren das Temperaturverhalten im Hochwinter.

Schmuddel-Januar 2022 – warum?

Dieser Januar zeichnete sich meist durch eine relative Hochdruckzone über dem Ostatlantik aus, welche sich zeitweise nach Großbritannien und Mitteleuropa ausdehnte. Dabei herrschten drei Witterungstypen vor: Trocken-kühles Wetter mit Nachtfrösten besonders über Süd- und Südwestdeutschland (wenn dort das Hochzentrum oder der Hochkeil lag); trüb-graues, mildes besonders über Nord- und Mitteldeutschland; Rückseitenwetter mit Schneeschauern oder Schneefällen besonders über Süd- und Ostdeutschland, wenn sich das Hoch weit westwärts zurückzog. Man beachte, dass diese Konstellation im Sommerhalbjahr eine meist zu kühle Witterung bewirken würde!

Abbildungen 1a bis 1c: Drei typische Wetterkarten-Bilder für den Januar 2022. Oben am 13.01. ein von den Britischen Inseln nach Süddeutschland reichendes Hoch; in der Mitte (am 17.01.) lag ganz Deutschland im Zustrom der feucht-milden Nordseeluft, das Hoch befand sich etwas westlicher; unten am 20. 01. lag das Hochzentrum vorübergehend noch weiter westlich, Arktische Meeresluft (mA) führte zu einem kurzen Wintereinbruch bis ins Flachland. Bildquellen: wetterzentrale.de

Damit ähnelte dieser Januar, wenngleich nur in sehr groben Zügen, dem noch etwas milderen von 2020. Das Temperaturgefälle zwischen dem sehr milden Nordosten und dem nur etwas zu milden Südwesten blieb dann praktisch bis zum Monatsende erhalten.

Abbildung 2: Mittelwerte der Lufttemperaturen einiger DWD-Stationen vom 1. bis zum 25. Januar 2022. Nur im Norddeutschen Tiefland und im nördlichen Mittelgebirgsvorland verlief dieser Januar sehr mild, weil sie bevorzugt im Zustrom milder Nordseeluft lagen. Der Südwesten wies fast normale Temperaturverhältnisse auf. Bildquelle: bernd-hussing.de

Was lernen wir daraus? Die Großwetterlagen und Luftmassen lassen die Musik spielen – sie bestimmen das Temperaturniveau, nicht die CO2-Konzentration.

Das langfristige Temperaturverhalten – der Januar hat (vermutlich) die wärmsten Zeiten schon hinter sich

Ähnlich wie die meisten Monate, erwärmte sich der Januar im späten 19. und im frühen 20. Jahrhundert stark; danach folgte eine lange Stagnationsphase bis etwa in die 1980er Jahre, was nicht gut zur schon damals steigenden CO2-Konzentration passt. Ab 1988 folgte ein sprunghafter Anstieg auf das heutige, sehr milde Temperaturniveau, welches seit nunmehr 35 Jahren fast unverändert blieb. Seit Aufzeichnungsbeginn (1881) betrug die Erwärmung stattliche 2,2 Kelvin (°C). Dabei sind die DWD-Daten aber wärmeinselbelastet, und die DWD-Reihe startet in der letzten Phase der „Kleinen Eiszeit“ – um 1881 war es besonders kalt. Extrem milde Januare mit mind. 4°C im DWD-Mittel hatten Seltenheitswert (1921, 1975, 1983 und letztmalig 2007).

Abbildung 3: Verlauf der Januartemperaturen im Deutschland-Mittel seit 1881 mit drei Entwicklungsphasen. Einer bis 1921 dauernden, starken Erwärmungsphase folgte eine unwesentliche Abkühlung bis in die 1980er und um 1988 der „Sprung“ auf das heurige, sehr milde Niveau. In den gesamten 142 Jahren der Reihe betrug der Temperaturanstieg etwa 2,2 Kelvin (°C) – bei enorm steigenden CO2-Konzentrationen. Mit WI-Bereinigung hätte es eine geringere Erwärmung um etwa 1,5 Kelvin gegeben. Der letzte, extrem milde Januar (2007) liegt nun schon 15 Jahre zurück. Zur Beachtung: Die Grafik zeigt KEINE Klimasensitivität der CO2-Konzentration; sie verdeutlicht lediglich, dass die von etwa 290 auf etwa 419 ppm steigende CO2-Konzentration über lange Zeiträume nicht zur Temperaturentwicklung passt.

Es lohnt sich, die letzten 35 Jahre genauer zu betrachten.

Abbildung 4: Keine Januar-Erwärmung mehr seit dreieinhalb Jahrzehnten in Deutschland – trotz stark steigender CO2-Konzentrationen.

Noch erstaunlicher ist die Entwicklung der Januar-Temperaturen in Zentralengland (Midlands), für das eine über 360ig-jährige Messreihe vorliegt; sie erfasst damit auch den Höhepunkt der „Kleinen Eiszeit“, das so genannte Maunder-Minimum als vermutlich kälteste Epoche in den mindestens letzten 2.000 Jahren. Seitdem sollte es doch eine kräftige Erwärmung um viele Grad gegeben haben – aber die Realität sieht ganz anders aus:

Abbildung 5: Mit etwa 1,8 Kelvin nur ein sehr mäßiger Temperaturanstieg seit über 360 Jahren in Zentralengland; auch diese Daten sind vermutlich WI-belastet.

Auch hier zeigt sich für die letzten dreieinhalb Jahrzehnte keinerlei Erwärmungstrend:

Abbildung 6: Keine Januar-Erwärmung mehr seit dreieinhalb Jahrzehnten auch in Zentralengland.

Leicht fallende Januar-Minima – Menetekel der Abkühlung?

Der Autor untersucht seit längerem Wärmeinseleffekte. Mittlerweile liegen die Werte der sehr ländlichen DWD-Station Dachwig im Thüringer Becken bis in die 1980er Jahre lückenlos vor; diese wurde seitdem nicht verlagert, befand sich also stets am selben Ort. Bei flüchtiger Betrachtung nur der Monatsmittel zeigt sich hier seit den späten 1980er Jahren das typische Bild einer Januar-Stagnation. Aber die erfolgte auf Kosten der Tagesmaxima – die Minima kühlten ein wenig ab, was ein weiteres Indiz gegen eine CO2-dominierte Klimaerwärmung ist.

Abbildung 7: In Dachwig/Thür. Becken stagnierten die Januar-Maxima; die Mittelwerte kühlten kaum, die Minima etwas ab; aber ohne Signifikanz. Januar-Werte für 2022 liegen noch nicht vor.

Dieses Verhalten blieb in Dachwig nicht auf den Januar beschränkt; im Jahresmittel betrug sie fast 0,5 K. Doch bei weitem nicht alle DWD-Stationen zeigen diesen Trend; es bedarf weiterer Untersuchungen, welche aber durch die häufigen Stationsverlagerungen stark erschwert werden.

Die NAO als wesentlicher Treiber der Januar-Temperaturen

Wie wir schon in den vorherigen Abschnitten sahen, waren die stark steigenden CO2-Konzentrationen nicht ursächlich für die Entwicklung der Januar-Temperaturen. Bei allen Winter-Monaten, kommt es nämlich darauf an, ob die Luft über den in dieser Jahreszeit relativ warmen Atlantik und die Nordsee oder über das sehr kalte Festland zu uns weht – mit leichten Variationen. Es bedarf einer bestimmten Luftdruckverteilung, welche entweder milde westliche oder kalte östliche Strömungen fördert (im Januar nur mäßig kaltes Nordwetter tritt selten über längere Zeiträume auf). Diese Verhältnisse beschreibt die NAO. Unter der Nordatlantischen Oszillation (NAO) versteht man die Schwankung des Luftdruckverhältnisses zwischen dem Islandtief im Norden und dem Azorenhoch im Süden. Die NAO wird als dimensionsloser Index nach leicht unterschiedlichen Ermittlungsmethoden ausgewiesen; deshalb finden sich im Internet verschiedene Datensätze, aber stets bedeuten hoch positive NAO-Werte eine intensive Westströmung über dem Ostatlantik. Bei stark negativen Werten kann dort sogar eine Ostströmung herrschen; dann gelangt die milde Atlantikluft nicht nach Deutschland (möglich bleiben nördliche, östliche und südliche Lagen). Zwei Wetterkarten-Beispiele verdeutlichen das:

Abbildungen 8a und 8b: Oben eine Lage bei stark positiver NAO im extrem milden Januar 1983. Es herrschte an jenem 10. Januar 1983 zwischen hohem Luftdruck über SW-Europa und tiefem über dem Nordatlantik/Nordmeer/Skandinavien eine rege Westströmung über West- und Mitteleuropa. Unten spiegelbildliche Verhältnisse am 14.01.1987 bei stark negativer NAO mit hohem Luftdruck von Island über Skandinavien bis ins nördliche Osteuropa und tiefem über dem Mittelmeer; selbst im sonst wintermilden Britannien und in Irland zitterte man vor Kälte. Bildquellen: wetterzentrale.de

Für den Januar 2022 liegen noch keine Monatsmittel der NAO-Indizes vor; nach den bisherigen Tagesdaten sind aber leicht positive Werte zu erwarten:

Abbildung 9: NAO-Tageswerte von Oktober 2021 bis zum 26. Januar 2022. Überwiegend leicht positive NAO-Werte seit Anfang Januar 2022. Bildquelle: NOAA

Aber wie verhielt sich nun die NAO im Januar langfristig? Da sie von Januar zu Januar erheblich schwankt, wurde, um die Schwankungen etwas zu glätten, ein 11-jähriges, zentriertes Gleitmittel unter Verwendung der NAO-Werte des Britischen Metoffice erstellt; Selbiges geschah auch mit den Januar-Flächenmitteln der DWD-Deutschlandtemperaturen und der AMO:

Abbildung 10: Merkliche zeitliche Übereinstimmung der NAO nach Metoffice (violett) und der Januar-Temperaturen in Deutschland. Die in der Abb. 3 besprochenen Entwicklungsphasen der Januar-Temperaturen (schwarz) gingen grob mit einem entsprechenden Verhalten der NAO-Werte einher: Merklicher Anstieg bis in die 1920er, dann wieder ein Rückgang bis in die 1940er, dann mäßige Schwankungen, besonders 1988 und kurz danach wieder sehr hohe Werte, abschließend ein Verharren bei nur noch geringen Schwankungen auf einem hohen Niveau. Man beachte, dass NAO und Temperaturen seit den 1990er Jahren nur noch geringe Schwankungen aufwiesen – ein gänzlich anderes Verhalten, als in den gut einhundert Jahren zuvor. Bei jährlicher Korrelation von 1881 bis 2021 wurden stattliche 42,5% der Temperaturvariabilität von der NAO verursacht, das ist deutlich signifikant. Ob auch die Atlantische Mehrzehnjährige Oszillation, ein Index für die Wassertemperaturen im zentralen Nordatlantik (grün) hierbei eine Rolle spielte? Sie hat zwar nur einen geringen, nicht signifikant positiven Einfluss auf die Januar-Temperaturen, könnte aber in Einzelfällen das hohe Temperaturniveau der Gegenwart doch gefördert haben.

Weil sich die meisten NAO-Indizes auf den östlichen Nordatlantik beziehen, haben sie nicht immer einen Einfluss auf die mitteleuropäische Januar-Witterung. Der Autor hat deshalb einmal aus den seit 1948 vorliegenden Aerologischen NOAA-Daten einen einfachen Index für den 10. Längengrad Ost unter Verwendung der Luftdruck-Daten (Meeresspiegel-Niveau) zweier Koordinaten als Differenz berechnet – es ergab sich ein noch etwas engerer Zusammenhang:

Abbildung 11: Berechnete Luftdruck-Differenzen in Hektopascal zwischen den zwei Punkten 10°E, 40°N und 10°E, 65°N; diese liegen im nordwestlichen Mittelmeer b.z.w. bei Nordnorwegen. Der tendenzielle Anstieg erklärt, warum es im Januar seit 1948 wärmer wurde, der jährliche Korrelationskoeffizient ist mit r=0,783 (B=61%) enorm hoch, solch enge Zusammenhänge „schafft“ sonst nur die Sonnenscheindauer zu den Sommertemperaturen! Man kann außerdem folgende Regeln erkennen: War die Luftdruckdifferenz sehr stark positiv (>25 hPa), so fielen alle diese Januare (rote Jahreszahlen) extrem mild aus; ab etwa Null oder gar negativen Werten waren die Januare deutlich zu kalt, besonders ab minus 5 hPa.

Aber halt – sollte sich angesichts des seit etwa 1980 stark schrumpfenden Arktischen Meereises die Zirkulation nicht merklich abschwächen, was zu fallenden Luftdruckdifferenzen und kälteren Januaren mit immer mehr Witterungsextremen führen müsste? Aber auch der 2022er Januar verlief ja recht unspektakulär. Denn vermutlich wird der Einfluss der Meereis-Bedeckung auf die Zirkulationsverhältnisse stark überschätzt. Die Variabilität der Deutschen Januar-Temperaturen wurde seit 1979 aber nur zu kümmerlichen 4% von der Größe der arkt. Meereisbedeckung beeinflusst – meilenweit von jeglicher Signifikanz entfernt. Auch sind angesichts der starken NAO-Schwankungen mit den bisherigen Maxima im frühen 20. Jahrhundert und um 1990 wesentliche Einflüsse der CO2-Konzentration wenig plausibel. Was genau die NAO antreibt, ist bis heute ungeklärt; es besteht noch erheblicher Forschungsbedarf; doch dürften Sonnenaktivität und Meeresströmungen hierbei eine gewisse Rolle spielen.

Milder Januar – milder Restwinter?

Wie bei manch anderen Monaten, gibt wegen der Erhaltungsneigung der Hochwinterwitterung die Witterungstendenz zum Monatswechsel Januar/Februar oft grobe Hinweise auf den Witterungsverlauf der kommenden Wochen. Auch hier ist die Luftdruckverteilung zwischen Süd- und Nordeuropa zu beachten. Zwar kündigt sich um den 30. Januar ein kurzer Vorstoß von Meereskaltluft an; das Grundschema des sehr hohen Luftdrucks über West- und SW-Europa bleibt aber bestehen, so dass keine dauerhafte Einwinterung bis ins Flachland erfolgen kann. Auch der Februar dürfte also eher mäßig-mild verlaufen; einzelne winterliche Phasen sind natürlich nicht gänzlich ausgeschlossen. Einem milden Januar folgen, freilich nur sehr grob und tendenziell, ein milder März und ein eher warmer „Jahresrest“ – für sichere Prognosen sind diese Zusammenhänge aber viel zu unsicher.

Stefan Kämpfe, Diplomagraringenieur, unabhängiger Natur- und Klimaforscher

 

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