Die Temperaturen im Dezember und wer ignoriert die Energiepreiskrise ?
von Fritz Vahrenholt
Die Strom- und Gaspreisexplosion verfestigt sich und die Verantwortlichen in der deutschen Politik tun so, als ob es sie nichts angeht.
Zunächst aber wie immer zur Temperaturkurve.
Die Abweichung der globalen Mitteltemperatur der satellitengestützten Messungen vom Durchschnitt der Jahre 1991-2020 stieg im Dezember leicht auf 0,21 Grad Celsius an. Der mittlere Temperaturanstieg seit Beginn der Satellitenmessungen betrug 0,14 Grad Celsius pro Jahrzehnt.
Das Jahr 2021 war im Vergleich zu den Jahren 2010 bis 2020 ein durchschnittliches Jahr mit 0,134 Grad Abweichung vom dreissigjährigen Mittel. Sechs Jahre seit 2010 waren wärmer und 5 Jahre waren kälter.
Das gilt auch für Deutschland. Aber der deutsche Wetterdienst erweckt einen anderen Eindruck :
„Die Durchschnittstemperatur lag im Jahr 2021 mit 9,1 Grad Celsius (°C) um 0,9 Grad über dem Wert der international gültigen Referenzperiode 1961 bis 1990. 2021 war damit das elfte zu warme Jahr in Folge.“
„Zur Erfassung des Klimas und seiner Änderungen werden Mittelwerte über einen Zeitraum von 30 Jahren gebildet…Mit Ende des Jahres 2020 wurde die Vergleichsperiode für aktuelle klimatologische Bewertungen durch die Periode 1991 bis 2020 ersetzt.“
Die Referenzperiode von 1991 bis 2020 unterscheidet sich von 1961 bis 1990 um 1,1 Grad. Der DWD hätte also schreiben müssen : ‚2021 war mit 9,1 Grad um 1,3 Grad deutlich kühler als 2020 und liegt sogar um -0,2 Grad Celsius unter dem Mittel von 1991 bis 2020. Seit 1991 gab es nur 9 Jahre, die kälter waren als 2021‘.
Aber 0,9 Grad mehr und das elfte zu warme Jahr in Folge (verglichen mit der kälteren Periode von 1961-1990) passt natürlich viel besser in den Zeitgeist.
„Einige Unternehmen haben Schwierigkeiten, für Januar oder Februar Gaslieferverträge zu bekommen, die eine kostendeckende Produktion ermöglichen. Das könnte in Einzelfällen die Produktion gefährden“,
Das Bundeswirtschaftsministerium gibt sich gelassen. Man beobachte das Thema Preise und Preisentwicklungen „sehr genau“, teilte eine Sprecherin auf Anfrage des Handelsblatts mit.
Wie dramatisch die Situation an den Strom- und Gasmärkten geworden ist, zeigt die Situation des Energiekonzerns UNIPER, einem der großen deutschen Strom- und Gasversorger. UNIPER hat sich nun mit Gas eingedeckt und musste – wie üblich – im Vorfeld Sicherungsleistungen an die Gasverkäufer leisten. Steigen die Rohstoffpreise, steigen auch die Sicherungsleistungen, die überwiesen werden müssen. Die Preise sind mittlerweile so extrem angestiegen, dass selbst ein Großkonzern wie UNIPER diese Anzahlung nicht mehr aus eigener Kraft stemmen kann. UNIPER rief die staatliche Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) um Hilfe, die mit einem 2-Milliardenkredit einsprang. Andere Energieunternehmen könnten womöglich bald ebenso auf staatliche Unterstützung angewiesen sein. Wie das Handelsblatt berichtete, hat der Branchenverband BDEW für andere Versorger ebenfalls eine Absicherung durch die KfW gefordert.
Nehmen wir die größten onshore Anlagen der 4-5 MW Klasse mit 10 Mio. kWh pro Jahr, so erzeugen 1000 Anlagen 10 TWh, 1500 Anlagen 15 TWh. Multipliziert mit 8 Jahren bis 2030 sind das 80 bis 120 TWh. Das Ziel der Bundesregierung ist 80 % Erneuerbaren Strom von 680-750 TWh (Koalitionsvereinbarung S.56) erzeugen zu lassen. Durch Offshore-Wind- und Solar sollen 310 TWh gedeckt werden (Koalitionsvereinbarung S. 57), durch Wasserkraft, Biomasse und onshore-Wind werden heute 174 TWH gedeckt. Abzuziehen sind dann noch die alten bis 2030 abgängigen Solaranlagen (-25 TWh) und Windkraftanlagen (-35 TWh). Die Differenz zwischen diesen Zahlen müssen neue On-shore-Windräder abdecken. Die Differenz ergibt aber 120-176 TWh, und nicht 80 bis 120 TWh, die Herr Habeck bauen will. Und was passiert an Flautetagen ?
Der gleichzeitige Ausstieg aus Kohle- und Kernenergie wird zur Strommangelwirtschaft führen. Schon der Ausstieg aus 20 000 MW Kohlekraft europaweit in den letzten drei Jahren hat mit dem Anspringen der Konjunktur nach der Lockdown-Coronazeit zu massiven Strompreiserhöhungen in Europa beigetragen.Im Verlaufe des Jahres 2021 wurden in Deutschland 11 Steinkohlekraftwerke stillgelegt oder in Kaltreserve überführt. Am Endes des Jahres kamen drei Kernkraftwerke mit rd. 4000 MW hinzu sowie die drei RWE-Braunkohlekraftwerke (Neurath B, Niederaussem C und Weisweiler mit jeweils 300 MW). Weitere 1600 MW Braunkohlekraftwerke von RWE kommen im Jahr 2022 hinzu. Da gibt es wenig Aussicht, dass die preistreibende Verknappung nicht weiter durchschlägt. Ende 2022 folgen dann nochmal 4000 MW Kernenergie. Das hat dann nicht nur Auswirkungen auf die Preise, sondern auch auf die Stromverfügbarkeit. Der EON-Chef Leo Birnbaum hat schon darauf hingewiesen, dass man alles tun wird, um einen blackout zu verhindern. Das glaube ich auch. Stattdessen stellt er allerdings in Aussicht, um dem Zusammenbruch des Netzes vorzubeugen , könne EON gezwungen sein, Verbraucher bewusst vom Netz zu trennen: „Bevor die Lichter überall ausgehen, schalten wir sie nur in einer Stadt aus.“
Dass der Jahreswechsel glimpflich verlief, ist dem Wetter zu verdanken. An Sylvester und Neujahr war die Stromnachfrage mit etwa 40 GW geringer, aber dafür blies ein starker Wind der 30 GW Windstrom erzeugte und die Strompreise auf Null purzeln liess. Doch schon an der ersten Werktagen des Jahres gingen die Preise wieder in Richtung 10 bis 15 Ect/kWh. Nun darf es nur nicht noch kälter werden.