Woher kommt der Strom? PV-Strom im Winterhalbjahr immer schwach

von Rüdiger Stobbe

Mit 145,6 Gigawattstunden (GWh) von insgesamt 3,622 Terawattstunden (TWh) regenerativ erzeugtem Strom in der 49. Woche war die Stromerzeugung per Photovoltaik (PV) sehr schwach (Gesamtstrombedarf 11,38 TWh). Auch eine angenommene Verdoppelung oder Verdreifachung der installierten Leistung PV hätte daran nichts geändert. Das Dilemma dieser Form der Stromerzeugung hat zwei Gründe. Zum einen wird immer nur an maximal zwölf Stunden pro Tag Strom erzeugt. Das gilt weltweit. Zum anderen scheint im Winterhalbjahr von Oktober bis März zumindest in Deutschland die Sonne nur wenig und schwach. Im Sommerhalbjahr ist es selbstverständlich anders. Wobei sich damit ein weiterer Problemkreis auftut. Bei der im Ampel-Koalitionsvertrag geplanten Erhöhung der installierten Leistung PV von aktuell 52 GW auf 200 GW im Jahr 2030 würde sich im Winter nicht so viel ändern, dass die Stromerzeugung PV als zufriedenstellend bezeichnet werden könnte. Im Sommer hingegen fiele über Tag sehr oft viel, viel mehr Strom an als benötigt wird. Wenn bis 2030 also nicht entsprechende Speicher vorhanden wären, die den überschüssigen Tagesstrom zumindest für die Nachtstromversorgung aufnehmen könnten, hätte das häufig einen enormen Preisverfall bis in den negativen Bereich zur Folge. Langzeitspeicher Power-Gas-Power sind nicht vorgesehen. Die geplanten 10 GW Elektrolyseure sind der Beginn einer Wasserstoffstrategie für die Industrie, die Unmengen des Gases benötigt, um fossile Prozesse durch grüne zu ersetzen. Einen Link zu einem Artikel, der sich mit dem Klimabereich des Koalitionsvertrags der Ampel beschäftigt, finden Sie unter Abbildung.
Die 49. Analysewoche (Abbildung 1) wartete mit hoher Volatilität auf. Die Schwankungen reichten von etwa 3,3 GW bis hin zu knapp 30 GW Stromerzeugung. Entsprechend anspruchsvoll war die Nachführarbeit der konventionellen Stromerzeugung (Abbildung 2).  Freitag und Samstag gelang das zum Teil nicht, obwohl bis zu 60 GW konventionell erzeugt wurden. Eine große Stromversorgungslücke war die Folge. Das Preisniveau (Abbildung 3) lag im Mittel bei 229 € und war damit recht hoch. Durchgehend verkaufte diese Woche praktisch nur Dänemark Strom nach Deutschland und verdiente knapp 60 Mio. Euro. Der Chart mit den diversen Handelsaktionen unserer europäischen Nachbarn ist diese Woche ebenfalls unter Abbildung 3 abgelegt. Man erkennt gut, wie der Preis sich nach Angebot und Nachfrage richtet. Verkauft Deutschland viel Strom, fällt der Preis. Muss das Land Strom importieren, steigt er. Insgesamt nimmt Deutschland in der 49. Analysewoche knapp 110 Mio. Euro ein. Für konventionell erzeugten Strom. Der regenerative Anteil an der Gesamtstromerzeugung der 49. Woche lag lediglich 30,3%. Das ist das drittschwächste Ergebnis nach 2016. Für das bisherige Jahr 2021 liegt der Anteil bei 40,2%.

Die Tabelle mit den Werten der Energy-Charts und der daraus generierte Chart liegen unter Abbildung 4 ab. Es handelt sich um Werte der Nettostromerzeugung, den „Strom, der aus der Steckdose kommt“, wie auf der Website der Energy-Charts ganz unten ausführlich erläutert wird. Der höchst empfehlenswerte virtuelle Energiewende-Rechner (Wie viele Windkraft- und PV-Anlagen braucht es, um Kohle- und/oder Kernkraftstrom zu ersetzen? Zumindest im Jahresdurchschnitt.) ist unter Abbildung 5 zu finden. Ebenso wie der bewährte Energierechner.

Die Charts mit den Jahres- und Wochenexportzahlen liegen unter Abbildung 6 ab. Abbildung 7 beinhaltet die Charts, welche eine angenommene Verdopplung und Verdreifachung der Wind- und Solarstromversorgung visualisieren. Bitte unbedingt anschauen. Vor allem die Verdopplung. Abbildung 8 weist auf einen Artikel hin, der sich mit der regenerativen Stromerzeugung über einen Monatszeitraum befasst. Abbildung 9 zeigt einen Vortrag von Professor Brasseur von der TU Graz. Der Mann folgt nicht der Wissenschaft. Er betreibt Wissenschaft.

Beachten Sie bitte unbedingt die Stromdateninfo-Tagesvergleiche ab 2016 in den Tagesanalysen. Dort finden Sie die Belege für die im Analyse-Text angegebenen Durchschnittswerte und vieles mehr. Der Vergleich beinhaltet einen Schatz an Erkenntnismöglichkeiten. Überhaupt ist das Analysetool stromdaten.info ein sehr mächtiges Instrument, welches nochmals erweitert wurde:

  • Strom-Import/Export: Die Charts
  • Produktion als Anteil der installierten Leistung
  • Anteil der erneuerbaren und konventionellen Erzeugung am Bedarf
  • Niedrigster, höchster und mittlerer Strompreis im ausgewählten Zeitraum

sind Bestandteil der Tools „Stromerzeugung und Bedarf„, „Zeitraumanalyse“ sowie der Im- und ExportanalyseCharts & Tabellen. Schauen Sie mal rein und analysieren Sie mit wenigen Klicks. Die Ergebnisse sind sehr erhellend.

Abbildung 10 bringt einen Artikel der Schweizer WELTWOCHE, der sich mit dem Strombedarf der Schweiz befasst. Nach dem Lesen versteht man, warum die Schweiz seit einigen Wochen teuren Strom aus Deutschland importiert. Wir danken der WELTWOCHE und empfehlen sie ausdrücklich.

Tagesanalysen 

Montag, 6.12.2021: Anteil erneuerbare Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 30,93 Prozent, davon Windstrom 19,18 Prozent, PV-Strom 1,74 Prozent, Strom Biomasse/Wasserkraft 10,01 Prozent. Stromdateninfo Tagesvergleich ab 2016. Die Agora-Chartmatrix: Hier klicken.

Stromversorgung auf Kante genäht. Lediglich eine Mini-Strom-Versorgungslücke zum späten Nachmittag entsteht. Die Konventionellen führen gut nach. Fällt zum Jahresbeginn 2022 der Strom aus drei Kernkraftwerken weg, wir d der CO2-Ausstoß ansteigen. Das Preisniveau ist mittleren mit 265€/MWh und dem Höchstpreis der Woche insgesamt hoch. Vergleichen Sie die Preise mit den Vorjahren und Sie gewinnen einen Eindruck, was im kommenden Jahr auf Sie und alle anderen Stromkunden zukommt. Der Handelstag.

Dienstag, 7.12.2021: Anteil erneuerbare Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 41,19 Prozentdavon Windstrom 30,23 Prozent, PV-Strom 1,88 Prozent, Strom Biomasse/Wasserkraft 9,09 Prozent. Stromdateninfo Tagesvergleich ab 2016. Die Agora-Chartmatrix: Hier klicken.

Die Windstromerzeugung hat bereits gestern angezogen. Die Tagesdelle wird durch PV-Stromerzeugung ausgeglichen. Die konventionelle Stromerzeugung kann gut nachführen und die Stromversorgung sicherstellen. Der mittlere Preis sinkt auf 216 €/MWh. Die Preise verharren insgesamt auf hohem Niveau. Der Handelstag. Österreich importiert für nahezu 19 Mio. Euro Strom aus Deutschland. An einem Tag!

Mittwoch, 8.12.2021: Anteil erneuerbare Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 45,96 Prozent, davon Windstrom 36,55 Prozent, PV-Strom 0,98 Prozent, Strom Biomasse/Wasserkraft 9,43 Prozent. Stromdateninfo Tagesvergleich ab 2016. Die Agora-Chartmatrix: Hier klicken.

Die Windstromerzeugung geht zurück. Die Konventionellen gleichen gut aus und nehmen den Höchstpreis des Tages von knapp 300 € mit. Insgesamt exportiert Deutschland Strom für 31 Mio. Euro. Importiert aber auch für 14 Mio., so dass 17 Mio unter dem Strich übrigbleiben. Weil Strom immer den kürzesten Weg vom Erzeuger zum Verbraucher nimmt, kann es eben zu Ungleichgewichten räumlicher und/oder zeitlicher Natur kommen, die ausgeglichen werden müssen. Das erklärt den Import und den Export zu gleichen Stunden des Tages. Der mittlere Preis liegt heute bei 184 €/MWh und damit im mittleren Bereich.

Donnerstag, 9.12.2021: Anteil erneuerbare Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 26,10 Prozentdavon Windstrom 15,16 Prozent, PV-Strom 0,87 Prozent, Strom Biomasse/Wasserkraft 10,07 Prozent. Stromdateninfo Tagesvergleich ab 2016. Die Agora-Chartmatrix: Hier klicken.

Die regenerative ist über den ganzen Tag äußerst schwach. Die Konventionellen müssen kräftig bullern, um die Versorgungssicherheit sicher zu stellen. Etliche Stunden müssen über Tag mehr als 60 GW erzeugt werden. Das Preisniveau ist hoch. Der mittlere Preis beträgt 277 €/MWh. Der Handelstag.

Freitag, 10.12.2021: Anteil erneuerbare Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 25,47 Prozent, davon Windstrom 13,07 Prozent, PV-Strom 1,66 Prozent, Strom Biomasse/Wasserkraft 10,74 Prozent. Stromdateninfo Tagesvergleich ab 2016. Die Agora-Chartmatrix: Hier klicken.

Gab es in den vergangenen Tagen einige geringe Strom-Versorgungslücken, tut sich heute von 12:00 bis 5:00 Uhr des Folgetages eine doch recht große auf. Die Konventionellen können sie offensichtlich nicht in einem wirtschaftlich vernünftigen Rahmen schließen. Der mittlere Preis – 239 €/MWh – sinkt etwas, bleibt aber auf hohem Niveau. Der Handelstag.

Samstag, 11.12.2021: Anteil Erneuerbare an der Gesamtstromerzeugung 26,73 Prozent, davon Windstrom 13,96 Prozent, PV-Strom 1,51 Prozent, Strom Biomasse/Wasserkraft 11,26 Prozent. Stromdateninfo Tagesvergleich ab 2016. Die Agora-Chartmatrix: Hier klicken.

Um 5:00 Uhr endet die Strom-Versorgungslücke. Die Windstromversorgung zieht etwas an. Die Konventionellen führen über Tag wieder gut nach. Der mittlere Preis liegt bei 237€/MWh. Somit verharren die Preise auf Vortagesniveau. Der Handelstag. Norwegen, die Batterie Deutschlands, erzielt mit seinen Stromexporten nach Deutschland heute knapp 7 Mio. Euro. Dänemark sogar das Doppelte. Österreich hingegen muss ´bluten`: Gut 17 Mio. Euro kostet der aus Deutschland importierte Strom.

Sonntag, 12.12.2021: Anteil erneuerbare Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 44,52 Prozent, davon Windstrom 32,76 Prozent, PV-Strom 1,29 Prozent, Strom Biomasse/Wasserkraft 10,47 Prozent. Stromdateninfo Tagesvergleich ab 2016. Die Agora-Chartmatrix: Hier klicken.

Der Sonntag war im Gegensatz zu den meisten anderen Tagen der Woche recht stark im Bereich Windstrom. Folge: mit 183 €/MWh liegt der mittlere Preis eher im aktuell niedrigem Bereich. Die Konventionellen drosseln zwar die Erzeugung, doch Montag ist wieder Flaute angesagt. Der Handelstag.

Noch Fragen? Ergänzungen? Fehler entdeckt? Bitte Leserpost schreiben! Oder direkt an mich persönlich: stromwoher@mediagnose.de. Alle Berechnungen und Schätzungen durch Rüdiger Stobbe und Peter Hager nach bestem Wissen und Gewissen, aber ohne Gewähr. Die bisherigen Artikel der Kolumne Woher kommt der Strom? mit jeweils einer kurzen Inhaltserläuterung finden Sie hier.

Rüdiger Stobbe betreibt seit über fünf Jahren den Politikblog www.mediagnose.de.