Chinas Realismus: Keine Beteiligung an den Klimaschutz-Aktivitäten des Westens
Allen Politikern dieser Welt, die das angeblich vom Spurengas CO2 drohende Weltuntergangs-Szenario des UN-Weltklimrats IPCC als Gewissheit betrachten bzw. so tun und teure Dekarbonisierungs-Maßnahmen (gegen Kohle-, Mineralöl- und Erdgasnutzung) beschlossen haben, ist absolut klar, dass es entscheidend auf China – und ebenso auf Indien – ankommen wird, ob diese Ziele auch nur annähernd erreicht werden können.
von Günter Keil
Falls China nicht mitspielt, geht nach ihrer Befürchtung die Welt unter. Jedenfalls verhalten sie sich so – und viele glauben das auch. So zum Beispiel der britische Premier Boris Johnson, der den dramatischen Satz ausrief, es sei eine Minute vor Mitternacht.
Wenn man verstehen will, weshalb China, aber auch Indien und weitere Staaten auf der UN-COP26 – Konferenz in Glasgow hart dagegen hielten und diesem Druck seitens der westlichen Industriestaaten nicht nachgaben, muss man die Voraussetzungen, die Probleme und die Möglichkeiten vor allem des Riesenlandes China im Einzelnen herausfinden und bewerten. Ein paar Zahlen über CO2 –Emissions-Megatonnen reichen bei weitem nicht aus.
Die Fragen, zu denen man plausible Antworten braucht, sind beispielsweise:
– Wie sieht die Energieversorgung Chinas aus?
– Reicht die Eigenproduktion von Energieträgern in China aus oder werden Importe benötigt?
– In welcher Weise wird sich der Energiebedarf künftig verändern? Welche Trends gibt es schon jetzt?
– Welche Auswirkungen haben Energieversorgungs-Engpässe auf Bevölkerung und Wirtschaft?
– Gibt es Infrastrukturdefizite, die nur langfristig behoben werden könnten?
– Welche Maßnahmen hat die Regierung bereits beschlossen und wie werden sie wirken?
– Welche Bewertung der Klimawandel-Thematik dominiert in Chinas Regierung? Teilt sie überhaupt die Befürchtungen der westlichen Nationen?
Diese und evtl. weitere Fragen müssen beantwortet werden, wobei ein wichtiger Teil dieser Antworten nicht nur Einschätzungen blieben, sondern in Glasgow sehr deutlich beantwortet wurden. Chinas Führer sind zwar nicht sehr mitteilsam, was die tatsächliche Lage angeht, aber in Bezug auf ihre gegenwärtige und künftige Politik ließen sie keine Unklarheiten aufkommen.
Der hier präsentierte Versuch, auf diese Weise ein Gesamtbild der Hintergründe und damit des Verständnisses für die nun sehr deutlich sichtbar gewordene Politik zu erreichen, könnte die bisher von einer Mischung aus Ahnungslosigkeit und Arroganz gezeichnete Haltung des „Westens“ gegenüber China zwar erklären, aber wohl kaum nachvollziehen.
Chinas Energiewirtschaft meldete Anfang 2021 Rekorde
Die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) berichtete im Frühjahr 2021 über geradezu phantastische Fortschritte Chinas in nahezu sämtlichen Teilbereichen seiner Energiewirtschaft 10). Trotz Corona verzeichne man einen steigenden Stromverbrauch bei einem gleichzeitigen massiven Aufbau der Kohlegewinnungs- und der Stromerzeugungskapazitäten, aber ebenso bei den erneuerbaren Energien.
Dazu einige Kernsätze und Zahlenangaben aus dem Bericht. Anmerkungen in Klammern.
– Ein Zuwachs bei der Kohleförderung um 25% in den ersten 2 Monaten von 2021 gegenüber dem Vorjahr auf nun 618 Mio Tonnen.
– Die chinesischen Kohlenimporte hätten sich zwar durch das Importverbot für australische Kohle verringert, was im Januar und Februar zu einem Rückgang der Importe um fast 40% geführt habe. Aber: „Diese Mengen wurden durch inländische Förderung ersetzt !“.
– Bis Ende 2020 habe man rund 5.500 kleine und wenig produktive Kohlegruben geschlossen, wodurch sich die jährliche Förderkapazität um ca. 1 Mrd. Tonnen verringerte. Im gleichen Zeitraum eröffnete China aber auch etwa 1.200 große, moderne Kohlegruben, wodurch diese schließungsbedingte Verringerung mehr als wettgemacht wurde.
– Chinas Jahres-Kohleförderung soll bis zum Ende des Fünfjahresplans (2021-2025) auf max. 4,1 Mrd Tonnen begrenzt sein; die Anzahl der Kohlegruben soll bis dahin um ca. 700 auf 4000 abnehmen.
– Trotz einer Abnahme des Stromverbrauchs im 1.Quartal 2020 habe die „schnelle Erholung der Wirtschaft“ in der Gesamtjahresbilanz zu einem Wachstum des Stromverbrauchs um 3,1% gegenüber 2019 geführt.
– Die erneuerbaren Energieträger hätten 2020 stark zugenommen: Plus 4,1% Wasserkraft; plus 15,1% Wind; plus 16,6% Solarenergie. (Anmerkung: Eindrucksvolle prozentuale Zuwächse können von einer sehr geringen Basis ausgehen und bedeuten
ohne Absolutzahlen wenig.)
– Chinas neu installierte Stromerzeugungs-Kapazitäten beliefen sich 2020 auf 191 GW (1 Gigawatt=1000 MW). Das sei mehr als eine Verdoppelung gegenüber 2019 (86 GW).
(Anmerkung: Darin sind die Maximalleistungen der Windräder und Solaranlagen einbezogen, die mit ihrer kläglichen Durchschnittsleistung nichts zu tun haben.Der gleiche billige Trick, der auch in Deutschland gerne benutzt wird – also die sinnlose theoretische Maximalleistung statt real erreichbarer Jahres- Durchschnittsleistung – wird auch in der nächsten Erfolgsmeldung angewendet.)
– Die installierte Kapaziät (s.o.) der erneuerbaren Energien mit 980 GW macht einen Anteil von 44,8% am Kapazitätsmix aus. (Anm.: Wertlose Rechtfertigungs-Aussage.)
– 2020 wurden nach Angaben der chin. National Energy Administration 56 GW an Kohlekraftwerks-Kapazitäten zugebaut.
Diese von der BGR beschriebene (bzw. von offiziellen chinesischen Stellen übernommene) angeblich großartige Entwicklung einschließlich des völligen Ausgleichs negativer Einflüsse und insbesondere die noch großartigere Situation der Energiewirtschaft in den ersten zwei Monaten des Jahres 2021 ist erstaunlich. Sie beruht offenkundig vollkommen auf staatlichen Informationen, die China lieferte. Leider steht das in hartem Gegensatz zu der von unabhängigen Informationsquellen berichteten prekären Lage im 3. Quartal des gleichen Jahres. Siehe nächstes Kapitel.
2. Chinas ernste Energiekrise
Im völligen Gegensatz zum ersten Kapitel, in dem durchweg außerordentlich positive Nachrichten über Chinas Energieversorgungs-Situation versammelt sind, präsentieren unabhängige Beobachter ein ganz anderes Bild 6, 7).
China und auch Indien sind in ihrer Stromversorgung weitestgehend vom Brennstoff Kohle abhängig – China zu über 60%, Indien sogar zu mehr als 70%.
China leidet seit September 2021 unter einer dramatisch unzureichenden Stromversorgung und die Regierung hat sogar die Industrie in mehreren Provinzen aufgefordert, die Produktion einzustellen – und die Einwohner gebeten, so viel natürliches Licht wie möglich zu nutzen !
In China (und auch in Indien) herrscht ganz offensichtlich ein großer Mangel an Kohle für ihre Kraftwerke. Ian Williams vom Spectator 7) berichtet, dass die Hälfte der Provinzen den Strombezug rationiert, dass Fabriken geschlossen werden und dass es häufige Stromausfälle (blackouts) gebe.
Der Hauptgrund der Energiekrise – die schlimmste seit Dekaden – war diese zwangsläufig auch von einem enormen Preisanstieg begleitete Kohleknappheit. Ob Corona einen größeren Einfluss hatte, ist die Frage. Hinzu kam die Wirkung der regulierten starren Netztarife für die Energieversorger, die diese veranlassten, ihre Erzeugung zu drosseln, um Verluste einzudämmen.
Beobachter dieser Entwicklung erläuterten, dass es eine wohl kurzzeitige Realität sei, dass China „und viele andere Länder“ kaum eine andere Wahl hatten, als ihren Kohleverbrauch zu steigern, um den Strombedarf zu erfüllen. China habe letztes Jahr (2020) durch ökonomische Anreize den Ausbau seiner Infrastruktur beschleunigt. Dazu gehörten auch neue Siedlungsvorhaben. Derartige Projekte benötigten viel Stahl und Zement – das hätte einen großen Druck auf die Herstellung kohleintensiver Waren erzeugt.
Planwirtschaft statt Marktdynamik hat eben ihre Schattenseiten.
Danny Huang, der Direktor und Haupt-Analyst bei S&P Global Ratings kam zu dem Schluss, dass die Folge von COVID und der Energieknappheit darin bestünde, dass es in Zukunft zu einer weiter expandierenden Kohleverwendung im Energiesektor kommen werde. Dadurch werde der Fortschritt zur Erreichung der Energieverbrauchs- und Emissionsziele von der Notwendigkeit gestoppt, zur Kohlenutzung zurückzukehren. Diese Äußerung vermittelt den Eindruck, dass auch die Regierung diese Verzögerungen bedauert. Man kann es auch anders sehen.
Andere Analysten wie z.B. Wood Mackenzie und Citi Research erwarten Heizkohlen-Knappheit in diesem Winter und auch noch 2022. Es wird vermutet, dass die Regierung im 4. Quartal 2021 eine 12-prozentige Kürzung des industriellen Energieverbrauchs anordnen werde. Weitere Meldungen sagen, dass die Industrie mehr Dieselgeneratoren einsetze, um die Produktion am Laufen zu halten.
Die Energiekrise hat sich inzwischen auch zu einem Problem für Chinas weltweite Lieferketten entwickelt, weil seine verarbeitende Industrie gestört ist und es Monate dauern könnte, bis sie sich wieder erholt.
Die Kohleknappheit ist zum Teil von Peking selbst verschuldet, weil es den Import von Australiens (bitter benötigter) Kohle verboten hatte. Der Grund dafür ist für das Gebahren einer Diktatur typisch: Canberra hatte 2020 Chinas Regierung aufgefordert, eine unabhängige Prüfung zum Entstehen der Corona-Pandemie zu ermöglichen. Auch wenn das Peking sehr ärgerte, war es doch eine höchst ungewöhnliche, für eine Diktatur aber offenbar normale diplomatische Reaktion. Jetzt sah sich China jedoch zu einem blamablen Rückzieher gezwungen, indem der Importstopp rückgängig gemacht wurde. In chinesischen Häfen kam es zu geradezu skurrilen Aktionen, als chinesische und indische Bevollmächtigte versuchten, einigen während des Importstopps dort „gestrandeten“ Frachtschiffen ihre Kohleladung abzukaufen.6)
Den erwähnten Aufforderungen an die Industrie zur teilweisen Produktionseinstellung folgte auch noch eine Anweisung an die Stromerzeuger, die Energieversorgung „trotz aller Kosten“ zu sichern. Damit nicht genug, wurden die Kohlebergleute aufgefordert, die Förderung zu beschleunigen (man stelle sich das hierzulande vor). Premier Li Keqiang kündigte ferner industriebezogene Maßnahmen zur Steigerung der Kohleproduktion an, insbesondere eine schnellere Anlage und Bereitstellung neuer Kohlebergwerke sowie den Aufschub von Steuerzahlungen.
Während die Anweisungen zu einstweiligen Fabrikstillegungen und die rührende Bitte um eine längere Nutzung des Tageslichts einen Anflug von Verzweiflung bei der Regierung vermitteln, sind die Forderungen nach schnellerer Arbeit der Bergleute und nach dem Bau neuer Kohlebergwerke in mehreren Aspekten beängstigend – und vermutlich auch wenig effektiv . Im folgenden Kapitel werden die Gründe für diese Einschätzung behandelt.
Generell kann man sagen, dass die COVID-Pandemie wohl einen gewissen Einfluss auf die Energiekrise gehabt hat, dass jedoch die wesentlichen Ursachen „hausgemacht“ waren, wie Ian Williams vom Spectator erläuterte 7). Von Emissionen ist bei allen diesen Maßnahmen nicht die Rede; es geht um den bedrohten Zustand der Wirtschaft und um die Minimierung der harten Auswirkungen auf die Bevölkerung.
3. Chinas verdeckte Probleme: Unterirdische Kohlefeuer; weiterhin unsichere und
gefährliche Kohlebergwerke.
Die Anordnungen von Premier Li Keqiang in Bezug auf die Erschließung neuer Kohlebergwerke und zur Beschleunigung der Förderung in den bestehenden Gruben sollten eigentlich eine detaillierte Kenntnis der tatsächlichen Situation in Chinas Kohlebergbaugebieten voraussetzen. Diese Situation ist nicht durch irgendwelche Weisungen zu ändern und schon gar nicht zu verbessern.
Diese Gebiete befanden sich an der langen Nordgrenze zur Mongolei und es handelt sich zum großen Teil um Gebirgsregionen.
Die Anzahl der dortigen Kohlegruben ist hoch und viele davon wiesen ein unerwartetes Merkmal auf: Es waren Privatunternehmen. Und diese unterschieden sich beträchtlich von den staatlichen Betrieben: Ihre Sicherheitseinrichtungen waren zumeist deutlich sparsamer ausgebaut – es kostete halt Geld. Die Folgen waren sowohl zwangsläufig als auch erschreckend, denn schwere Unfälle, die im Grunde Katastrophen sind, geschahen keineswegs selten.
Diese Unfälle sind die bekannten Grubengasexplosionen, ausgelöst durch das Austreten von Methan aus dem angebrochenen Gestein bzw. der Kohle, die durch die verschiedensten Ursachen wie Funken an elektrischen Geräten gezündet werden können. Das wird in allen Bergwerken in dieser Welt durch ein ganzes Bündel von ausgefeilten Sicherheitsmaßnahmen verhindert. Es sei denn, der Bergwerksbesitzer will daran sparen.
Die bekannten Folgen sind zahlreiche Opfer unter den Bergleuten, was diese Arbeitsplätze zu den gefährlichsten in China macht. Die kaum bekannten weiteren Folgen waren oft Kohlebrände in den getroffenen Gruben – die dadurch für die weitere Förderung endgültig verloren gingen.
Denn diese unterirdischen Kohlefeuer brennen Jahrzehnte, bis das Vorkommen vollständig vernichtet ist.
Diese Unglücke mit einer derartigen Folge gab es früher (sehr viel früher) in allen Kohlebergbaugebieten der Erde. Ihre Ursachen waren nicht immer Grubengas-Explosionen, sondern auch eine gefährliche Eigenschaft einiger Kohlearten: Sie entzünden sich von selbst beim Kontakt mit Luft. Die Feuer wurden damals nicht nur bekämpft, sondern gelöscht. Und zwar auf die einzige erfolgreiche Methode: Mit großen Wassermengen.
Warum also nicht auch in China? Weil es in den nördlichen Bergbauregionen ganz einfach kaum oder auch gar kein Wasser gibt. Eine wirksame Bekämpfung ist nur bei offenen Feuern möglich, und sie besteht tatsächlich darin, dass die glühende Kohle mit Baggern aus der Feuerhölle herausgeholt wird….
Neben den Menschenopfern und dem vollständigen Verlust des betreffenden Bergwerks gibt es noch einen weiteres schwerwiegendes Problem an der Erdoberfläche über den brennenden Flözen: Durch Erdspalten, die sich das Feuer selbst schafft – indem z.B. die Erde über einem ausgebrannten Flöz einbricht – quillt der Qualm heraus und hüllt die gesamte Umgebung, in der die Bergleute mit ihren Familien leben, in einen Giftnebel.
Der Autor dieser Zeilen hat im Laufe der Arbeit im Bundesforschungsministerium eine wissenschaftliche Zusammenarbeit mit China zum Thema „Bekämpfung unterirdischer Kohlefeuer“ geleitet. Dabei arbeiteten deutsche Wissenschaftler sowie Industrieexperten aus dem Bergbau mehrere Jahre mit chinesischen Fachleuten zusammen. China hat bei diesem Thema auch mit modernsten Methoden gearbeitet: So wurde mit Satelliten die Temperatur der Erdoberfläche in den Bergbaugebieten gemessen – und an einer erhöhten Temperatur erkannte man bereits aktive Kohlefeuer. Damit vermeidet man wenigstens, am falschen Ort eine neue Kohlegrube zu errichten.
Wie sich bei meinen Gesprächen mit der Kohlebehörde herausstellte, gab es bei diesen Katastrophen noch ein Problem, an das man erst glaubt, wenn es einem erklärt wird.
Die Behörde hatte einen Spezialisten, einen Herrn Wu, der immer dann zum Einsatz geschickt wurde, wenn wieder einmal eine Grubengasexplosion in einer privat betriebenen Mine passiert war: Es war Herrn Wu’s Aufgabe, den (anscheinend in allen diesen Fällen) auf der Flucht befindlichen Direktor des Unglücksbetriebs zu fangen…
Dazu gab es noch eine weitere schlechte Nachricht, allerdings aus einer anderen (deutschen) Quelle: Wenn die Grube nicht brannte, also nach Reparaturen und Beerdigung der Opfer wieder betrieben werden konnte, war der neue Besitzer wiederum ein Privatmann. Die Voraussetzung dafür war die Schmierung der örtlichen Parteiführung.
Diese Existenz von sehr speziellen chinesischen Problemen im Kohlebergbau lässt gewisse Zweifel an einem größeren Erfolg der von Premier Li Keqiang angeordneten Maßnahmen zu.
Zwar wurde berichtet, dass ein großer Teil der privaten Minen geschlossen wurde. Wie groß er noch immer ist, das ist die Frage. Zahlreiche neue Gruben befinden sich allerdings sehr verteilt im übrigen China und die beschriebene Gefahr ist dort gewiss geringer, denn Wassermangel wird vermutlich eher selten auftreten.
Die Forderung nach einer noch höheren Arbeitsleistung der bedauernswerten Kumpel ist allerdings recht zynisch. Man kann wohl davon ausgehen, dass es ausgerechnet in diesem Beruf in China keine persönlich erschließbaren Leistungsreserven gibt. Eine Erhöhung der eigenen Kohleproduktion könnte daher vielleicht in einem Jahr möglich sein; eventuell dauert es noch länger.
4. Alte Versäumnisse zwingen zu Reparaturmaßnahmen: Elektroautos für die
Millionenstädte
Die westliche Klimaschutz-Gemeinde hat die Berichte über Chinas Aktivitäten, Elektroautos in großer Zahl in seine rasant gewachsenen Großstädte hineinzubringen, mit großer Befriedigung registriert. Beweist das doch offensichtlich, dass China dem westlichen Beispiel folgt, alles nur Denkbare zu elektrifizieren, auch wenn das leider und daher unausgesprochen nur mehr Kohle- und Kernkraftstrom erfordert. Für Peking ist diese Einschätzung ein propagandistischer Vorteil, der offenbar belegt, dass es China tatsächlich darum geht, alle noch so merkwürdigen Maßnahmen der westlichen Klimahysteriker – zum Beispiel eine wetterabhängige Stromerzeugung für ihre Industrieländer einzurichten – getreulich zu adaptieren.
Der Hintergrund dieser Aktion ist jedoch ein recht altes und schwerwiegendes Umweltproblem, das das dynamische und stests beispielhaft schnell handelnde Land China lange ignoriert und – deutlich gesagt – „verpennt hat“. Es handelt sich um die geradezu notorische Luftverschmutzung in den Millionenstädten, die von zahllosen Emittenten verursacht wird – früher die Industrie in den Städten, heute immer noch Hausheizungen und Autos – und die sehr oft zu einem geradezu kriminellen Smog führt. Bei Inversionswetterlagen, wenn unterschiedlich warme Luftschichten wie ein Kochtopfdeckel den Luftaustausch über einer Stadt verhindern, was dann noch besonders schlimm im Winter eintritt, laufen die Menschen mit Stoffmasken durch den Aerosol- und rußgeschwängerten Smognebel und das nicht erst seit Corona, sondern seit über 25 Jahren.
Das führt unweigerlich zu der Frage, ob diese Städte denn nicht seit Langem ein leistungsfähiges System des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) eingerichtet haben, und zwar gleichzeitig mit dem wirklich atemberaubend rasanten Ausbau der Städte – was aber nur Verkehrswege und Hochhäuser angeht. Jetzt sind die Straßen mit langsam dahinkriechenden Autos überfüllt, zwischen denen die ÖPNV-Busse hängen. Ja, es gibt breite Radwege, die den Benutzern die etwa gleiche langsame Transportgeschwindigkeit wie den Autofahrern erlauben, aber vergebens sucht man ebenerdige, abgetrennte Trassen für Schienenfahrzeuge oder auch Busse – und auch die in manchen europäischen Metropolen vor beinahe 100 Jahren eingerichteten Hochbahnstrecken sucht man vergeblich. Obwohl die breiten Ausfallstraßen dafür bestens geeignet wären.
Inzwischen gibt es einige U-Bahn-Linien, aber viel zu wenige. Beispielhaft ist bei diesem Thema die damals für Berlin gefundene geniale Lösung: Die U-Bahn fährt unter der City im Tunnel, erscheint dann im Außenbereich aus dem Untergrund und wird zur Hochbahn – um noch weiter draußen als offene Einschnittsbahn unter dem Straßenniveau weiterzulaufen. Von dem zusätzlichen, stets als Hochbahn angelegten S-Bahn-Netz nicht zu reden. Und dann gibt es noch die Straßenbahnen – oft auch auf eigenen Trassen…
Das haben Stadtplaner damals weitsichtig realisiert, obwohl sich damals wahrlich nicht jeder ein eigenes Auto leisten konnte. Aber der Trend war unübersehbar.
Ein sehr originelles und leistungsfähigen ÖPNV-System gibt es aber auch schon seit 1904 in China ! In Hongkong: Die beliebte Doppelstock-Straßenbahn. 218 Kilometer Schiene und 159 Stationen. Hätte man nur zu kopieren brauchen…
Die Riesenstadt Chongquing hat immerhin ein für eine Hochbahn sehr gut geeignetes Beispiel verwirklicht: Zwei Einschienenbahn-Linien („Monorail-System“), die ohne die enormen Kosten der Tunnelkonstruktion für U-Bahn-Strecken zu errichten wären.
Wenn es die chinesischen Stadtplaner heute nicht mehr wagen wollten, in die Straßen Hochbahnen hineinzubauen – auch nicht das o.e. Monorailsystem – da bleiben nur U-Bahn-Strecken. Das dauert und ist teuer.
Damit erklärt sich die große Elektroauto-Initiative als eine Notmaßnahme. Die zahllosen Alt-PKW werden jedoch deshalb nicht verschwinden. Diese zu verbieten, traut sich selbst Peking nicht. Nur Nordkoreas Führung würde es vielleicht wagen.
Mit Klimaschutz hat das alles nicht das Geringste zu tun, denn der Strom für die E-Autos kommt aus Kohlekraftwerken. Die Industriefabriken sind inzwischen aus den Kernbereichen der Großstädte verschwunden, aber bei der Hausheizung kann sich wenig getan haben. Bleibt der Autoverkehr. Aber wenn es dennoch auf Dauer in den Großstädten weniger Atemwegserkrankungen gibt, haben E-Autos als vorläufige Maßnahme durchaus Sinn. Das Verkehrsproblem wird aber noch lange bestehen bleiben.
5. Peking setzt auf die Kernkraft
Peking ist ein Vorreiter auf einem Gebiet, das eigenartigerweise so gut wie niemals mit China in Verbindung gebracht wird: Seine eindrucksvolle Kerntechnik. Der Chefredakteur der deutschen Fachzeitschrift atw, Christopher Weßelmann, hat anstelle des krampfhaften Wegschauens unserer Medien im November d.J. Klartext geschrieben 4):
„China hat binnen zwei Jahrzehnten eine leistungsfähige Nuklearindustrie aufgebaut. 50 leistungsstarke Kernkraftwerke (!) sind ohne Berührungsängste mit Erneuerbaren ein wichtiger Teil der Stromversorgung und in den kommenden Jahren können vier bis acht Blöcke hinzukommen – jedes Jahr (!). Zudem ist China offen für neue Reaktorkonzepte. Sowohl die aus Deutschland stammende Hochtemperatur-Reaktortechnologie mit Kugelbrennelementen als auch Natriumgekühlte Reaktoren und jetzt sogar „Salzschmelzereaktoren“werden konzipiert, errichtet und in Betrieb genommen. Darüber hinaus drängt China langsam auch in den weltweiten Export seiner Anlagen.“
6. China und die „Erneuerbaren“
China erzeugt angeblich mehr Solarstrom als jedes andere Land. Aber es bleibt vollkommen abhängig von der Kohle: 85% der verbrauchten Enrgie stammt aus fossilen Brennstoffen; davon hat die Kohle 57%. China und Indien haben als einen Beitrag zu dem Pariser Klimaabkommen einige der weltweit größten Solarstromprojekte im Werte von einigen (nicht bekannten) Milliarden an US-Dollars in Angriff genommen. China begann auch mit dem Bau von Windkraftanlagen. Deren grundsätzliche, weil von der Physik vorgegebenen Probleme – die drastischen Leistungsschwankungen – hat man jedoch bereits schmerzlich erlebt:
China hat gezeigt, dass es die prinzipielle wetterbedingte Unzuverlässigkeit der errichteten Windstromanlagen nicht wie z.B. in Deutschland als unvermeidlich und ganz bestimmt klimanützlich hinzunehmen bereit war, als es im vorigen Jahre mit einem Abschaltbefehl die Stilllegung einer großen Anzahl von Windparks wegen Netzstörung veranlasste.
Wir versuchen dagegen, diese Netzstörungen durch das An- und Abschalten von „Reserve“-Kohle(!)kraftwerken auszuregeln: Die für den Zustand der Anlagen schädlichste Betriebsweise und auch keine „erneuerbare“ Methode.
War dieser offenbar massive Einstieg in die „Erneuerbaren“ nun der Beginn des Kampfes gegen die angeblich drohende Klimakatastrophe? Oder ist es vielmehr eine Besänftigungsgeste gegenüber dem „Westen“? Die veröffentlichten Ausbau-Daten kann man vielleicht glauben.
Dieses Problem hat die westliche Öffentlichkeit mit allen Wirtschaftsdaten, die von autoritären Regierungen, von Diktaturen und ähnlichen Staatsgebilden veröffentlicht werden, ob das nun Russland, Nordkorea, Kuba, Venezuela oder eben auch China ist. Der Wahrheits- und Propaganda-Anteil ist undurchschaubar.
7. China und Indien bescherten der UN-Klimakonferenz COP26 in Glasgow eine schwere Pleite
Die beiden Länder benutzten die Glasgow-Konferenz, um diese Versammlung kräftig zu schocken: China wünscht, dass der Westen für das Erreichen von „NetZero“ zahlt. Indien nannte auch die Summe: Eine Billion (1000 Milliarden) US-$.
Nachdem Präsident Biden China und Russland dafür kritisiert hatte, dass ihre politischen Führer sowohl die G20-Runde als auch den COP26-Gipfel in Glasgow „brüskiert“ hätten, durfte immerhin Präsident Xi Jinping eine schriftliche Erklärung vorlegen, mit der Pekings Klima-Agenda vorgestellt wurde. Deren Inhalt deprimierte die Versammlung: Mr. Xi kündigte keinerlei neue Verpflichtungen an. Er erneuerte jedoch erneut die 2009 erhobene Forderung nach Unterstützung der Entwicklungsländer für die Net Zero Transition – und nannte auch den Preis: 100 Mrd. US-$ jährlich. Selbstverständlich nur von Seiten der „fortgeschrittenen Wirtschaften“. Xi sagt weiterhin: Die Länder sollten für sich „pragmatische Lösungen“ wählen, und zwar „unter Berücksichtigung nationaler Bedingungen“ – und fügte hinzu, dass die entwickelten Länder (also der Westen) nicht nur mehr für sich selbst tun sollten, sondern auch Unterstützung für Entwicklungsländer bereitstellen. Mr. Xi betonte, dass China hohen Energieverbrauch und Projekte mit hohen Emissionen „entschlossen drosseln“ werde. (Anm.: Siehe oben die Gründe der eigenen Energiekrise: Stahl, Zement, Infrastruktur…).
China hat bislang mehrfach eine zweideutige Klimapolitik gezeigt. Es hat durchaus Anstrengungen sowohl zu CO2-Reduzierungen als auch zur Anlage von Windparks und Solarstromerzeugern unternommen. In Bezug auf künftige Maßnahmen und deren Zeithorizonte hat man sich mehrfach geäußert, wobei ein Beobachter allerdings kaum eine konsequente Strategie feststellen konnte; eher von Änderungen gekennzeichnete Absichtserklärungen und Informationsblocks.
Nach außen gibt es Bekenntnisse zu den Klimazielen des Westens, wenn auch mit extrem in der Zukunft liegenden Zeithorizonten ; nach innen besteht der Zwang zur Überwindung der Energiekrise, der Stabilisierung der Wirtschaft und vor allem die Verbesserung des Lebensstandards der Bevölkerung.
Weiterhin betrachtet China ganz gewiss die drastische Selbstschwächung der westlichen Industriestaaten durch deren extreme Investitionen in die Dekarbonisierung ihrer Wirtschaft sowie die harten finanziellen „Klimaschutz-Belastungen“ der Bevölkerung als eine großartige Chance für seine weitere Eroberung von Auslandsmärkten.
Eine Zusammenstellung, die gewiss nicht vollständig ist: Was die westlichen Staaten in den vergangenen Jahren stets beunruhigt hat, war der durchgehend starke Ausbau der chinesischen Kohlekraftwerke – mit der geradezu atemberaubenden Geschwindigkeit von einem Neubau pro Woche! Damit stiegen die CO2-Emissionen in einem Ausmaß, das sämtliche Einsparungsbemühungen der übrigen Staaten mengenmäßig weit übertraf. China hatte bei den Pariser Klimaschutz-Verhandlungen darauf bestanden, dass es in dieser Weise weiterhin agieren werde, ansonsten es das Abkommen nicht unterzeichnen werde. Man ließ es zu, weil sonst das ganze Abkommen gegenstandslos geworden wäre. Eine politische Folge dieser Kapitulation der UN-Veranstalter war die Kündigung dieses Abkommens durch die Trump-Administration, die keineswegs willkürlich war, sondern die nach einer entsprechenden nachdrücklichen Empfehlung von über 300 US-Wissenschaftlern an Präsident Trump erfolgte. China konnte allerdings nicht anders handeln, weil der geradezu ungeheure Nachholbedarf dieses Riesenlandes an seiner Elektrifizierung diese Ausbaupolitik schlicht erzwang.
Chinas Botschaft an die in Glasgow versammelte globale Klimaschutz-Gemeinde bestand in seiner Erklärung, dass es die Kohlenstoff-Neutralität um 2060 erreichen will. Ferner werde es bereits um 2030 eine 65-prozentige Verringerung in der Emissionsintensität seiner Wirtschaft erreichen. Präsident Xi Jinping hatte zudem festgelegt, dass zur Erreichung dieses Kohlenstoff-Neutralitätsziels das Maximum des Kohleverbrauchs in 4 Jahren – also 2025 – erreicht werden soll.
Xi genehmigte allerdings den Bau neuer Kohlekraftwerke – und zwar in der gleichen Zubauintensität wie zuvor: Jede Woche ein neues Kraftwerk ans Netz! Dabei machte er klar, dass China es nicht dulden werde, wenn seine Maßnahmen vom Westen diktiert werden sollen. Zugleich lehnte er eine Teilnahme in Glasgow ab.
Einige Zahlen zum Vergleich: Im vergangenen Jahr 2020 wurden global Kohlekraftwerke mit einer Gesamtleistung von 37,8 GW stillgelegt. Mehr als die Hälfte davon in den USA und der EU. Im Falle der USA war das jedoch kein Tribut an die Klimapanik, sondern die Folge der stark gesunkenen Erdgaspreise durch die modernen Gewinnungsmethoden (Fracking), die den Kohlekraftwerken harte Konkurrenz bescherten. Im gleichen Zeitraum gingen in China neue Kohlekraftwerke mit 38,4 GW ans Netz. Derzeit werden dort an 60 Orten quer durch China neue Kohlekraftwerke gebaut.
Vor der Glasgow-Konferenz hatten die Führer der Gruppe „G20“, das betrifft die 20 Staaten mit größter Wirtschaftskraft, über einen Kohleausstieg und über die Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius beraten – und waren uneins geblieben.
Schließlich schockte Indiens amtierender Premierminister Narendra Modi die COP26-Delegierten mit der Erklärung, dass Indien darauf abziele, das Net Zero-Ziel im Jahre 2070 (!) zu erreichen. Das bisherige Ziel 2060 würde für Indien schwierig sein..
Dazu muss man feststellen, dass diese Zieljahre 2060 und 2070 ohnehin völliger Unsinn sind, weil jegliche Planungen für eine dermaßen entfernte Zukunft schlicht unmöglich sind. Der ehrliche Inhalt beider Angaben lautet: „Niemals“.
Die Sunday Times 9) berichtete am 7.11.21, dass der britische Präsident der Glasgower Zusammenkunft, Alok Sharma, den Delegierten und den Medien am Ende der Konferenz mitgeteilt hat, dass als Ergebnis des von ihm verhandelten Übereinkommens „das Ende der Kohle in Sicht“ wäre. Die Sunday Times fügte dieser Meldung hinzu: „Und nun die Tatsachen“. Dann folgte: „Nicht nur wurde die Erklärung über die Beendigung der Kohlen-Nutzung in den 2040er Jahren von den größten drei Verbraucherstaaten (China, Indien und Amerika) – die zusammen für über 70% der globalen CO2-Emissionen verantwortlich sind – gar nicht unterzeichnet. Außerdem sei das oben von Mr. Sharma verkündete Versprechen sogar noch „kastriert“ worden – und zwar durch das Hinzufügen der Aussage über den Ausstiegs-Zeitpunkt „…oder so bald wie es später möglich ist“.
The Spectator beschrieb in einem Artikel von Philip Patrick 13) die Verzweiflung von Alok Sharma nach der vernichtenden Änderung seiner Formulierung für die Endfassung des Konferenzergebnisses, in der er das Bekenntnis zum Ausstieg aus der Kohle („phaseout“) durchsetzen wollte. In einem harten Ringen um diese Aussage in den letzten Minuten von COP26 setzten sich Indien, China, Südafrika und Iran damit durch, nur den Begriff „phase down“ zuzulassen – also künftig „etwas weniger Kohlennutzung“ zu versprechen. Patrick weiter:
„Absolut nichts war erfolgreich, die schlimmsten Emittenten der Welt zu beschwatzen oder einzuschüchtern, denn diese hatten berechtigte Gründe für ihre Haltung, den Drohungen und der Angstmacher-Taktik nicht nachzugeben: Ihr Volk aus der Armut zu befreien.“
Der Leiter der Internationalen Energieagentur IEA, Fatih Birol, stellte fest, dass die Abwesenheit sowohl der größten Kohleproduzenten als auch der Verbraucher (Australien weigerte sich ebenfalls, zu unterschreiben) bedeute, dass die Chancen, das verkündete und mysteriös präzise Ziel, die globalen Temperaturen bei nicht mehr als 1,5 oC über dem vorindustriellen Wert zu realisieren, „nahe bei Null“ liegen. Zu diesem Zeitpunkt, so die Sunday Times, hatten aber alle Regierungs-Chefs, die sich die Mühe gemacht hatten, in Glasgow aufzutreten, bereits den Konferenzort in ihren Privat-Jets verlassen… Und Steve Hilton bemerkte in seinem Artikel in der Mail on Sunday vom 7.11.21, Titel:
„COP26 ist ein riesenhafter hohler Schlamassel“ 11); „Wie schlimm muss das Gipfeltreffen für den US-Präsidenten Joe Biden gewesen sein, dass er seine 85 Fahrzeuge umfassende, benzinsaufende Automasse sowie die 4 Flugzeuge umfassende Luftflotte über den Atlantik zurückreisen ließ, damit er schnell wieder nach Hause kam“.
Chinas Führung kann angesichts der ziemlich kläglichen COP26-Resultate in Glasgow eigentlich recht zufrieden sein. Es war nicht allein in seiner Ablehnung überzogener Forderungen und der Widerstand der großen Akteure war beachtlich. Peking hat erneut Zeit gewonnen und zudem auch noch Unterstützung von weiteren Staaten. Einen exzellenten Artikel zu diesem Thema hat Prof. Richard Lindzen kürzlich veröffentlicht: „China Warming“ 14).
Die nächste geplante UN-Klimakonferenz in Sharm El Sheik (Ägypten) dürfte nach diesen Erfahrungen ein noch größerer Alptraum für die Klimakatastrophengemeinde als der von Glasgow werden. Falls sie noch stattfindet.
8. China, die Kohlenstoff-Neutralität und eine geplante Zusammenarbeit mit den USA.
Die beiden Weltmächte China und die USA waren bei der gerade beendeten Klimakonferenz in Glasgow kaum sichtbar. Aber zur allgemeinen Überraschung gaben sie als Ergebnis ihrer gerade beendeten Gespräche eine „Gemeinsame Glasgow-Deklaration zur Stärkung von Klimaschutz-Maßnahmen in der 2020ern“ heraus. Diese Erklärung hatten die beiden Verhandlungsführer John Kerry, der Klimaschutzbeauftragte der US-Regierung, und der chinesische Chefunterhändler Xie Zhenhua in den Tagen zuvor ausgearbeitet. Die darin angekündigte intensive Zusammenarbeit werten die sog. Beobachter als ein Zeichen dafür, dass beide Staaten in Glasgow einen positiven Eindruck hinterlassen wollten; allerdings auch als ein deutliches Signal dafür, dass sie damit keinem Druck von dritter Seite nachgegeben haben, sondern dass ein beiderseitiges Interesse die Grundlage sei.
Das Dokument enthält allerdings keine harten, konkreten Ziele, sondern eher allgemeine Zusagen wie die Absicht, dem in Paris 2015 beschlossenen Plan zu folgen. Die Unterzeichner wollten demnach ihre CO2-Reduzierungsmaßnahmen sowohl überprüfen (das allerdings ist in Bezug auf China wohl eher eine schöne Hoffnung) als sie auch verstärken. Das klingt jedenfalls gut, aber erst die kommenden Jahre werden zeigen, ob es außer symbolischen Projekten auch die enormen Anstrengungen in der Dekarbonisierung geben wird, die erforderlich wären, wenn die Warnungen des IPCC der Wahrheit entsprechen würden. Sowohl die wirtschaftlichen als auch die sozialen Folgekosten würden im Falle der Erfüllung der Versprechungen gerade in China unvorstellbar hoch ausfallen, was zur Skepsis Anlass gibt. Chinas Regierung und ihre Partei sehen jedenfalls bisher nicht wie ein Selbstmordkommando aus.
Im Pariser Klimaabkommen hatte China folgende Ziele festgeschrieben: Eine weitere Steigerung seiner Emissionen bis zum Jahre 2030 und das Erreichen der Klimaneutralität erst 2060. Im September 2020 hatte China allerdings angekündigt, das Maximum seiner Emissionen bereits vor 2030 zu erreichen und auch die Klimaneutralität vor 2060 zu schaffen. Präziser wollte man das aber nicht sagen.
In der Glasgower Erklärung beider Regierungen steht nun, dass China gemeinsam mit den USA beschleunigt dafür sorgt, dass das bisherige Verfehlen der Pariser Versprechungen zum Erreichen des 1,5-Grad-Begrenzungsziels des globalen Temperaturanstiegs nicht akzeptiert wird, sondern dass diese Ziele erreicht werden müssen.
Diese gemeinsamen Anstrengungen können sich allerdings ausschließlich auf die Verbesserung und Neuentwicklung technischer Verfahren beziehen, was mit vielen mit gut klingenden Projektbezeichnungen versehene lange Themenlisten zu schaffen ist, aber hauptsächlich nur längst erprobte und aus guten Gründen wieder aufgegebene Vorhaben umfassen kann. Schließlich sind die zunächst vielversprechenden Entwicklungen schon seit vielen Jahrzehnten das tägliche Brot unzähliger Institutionen und Industrielabors.
Wer auf neue, durchschlagende Verbesserungen hofft, wird – außerhalb der IT-Branche – wohl nichts finden, was die extremen Zielsetzungen zu erfüllen hilft.
Wie die beiden Staaten allerdings mit den wirtschaftlichen und sozialen Anforderungen in ihren Ländern fertig werden wollen, entzieht sich zwangsläufig einer Zusammenarbeit, da es wohl kaum unterschiedlichere Regierungssysteme als die Chinas und der USA gibt.
9. Schlussfolgerung
Aus den gesammelten Absichtserklärungen, Propagandameldungen, tatsächlichen Ereignissen, Zahlen, Kommentaren sowie den zwischen den Zeilen deutlich sichtbaren Fakten kann man Chinas grundlegenden Plan durchaus erkennen.
Es verfolgt eine Doppelstrategie:
– Priorität hat immer Chinas Bestreben, seine Wirtschaftsleistung maximal zu steigern – und damit zugleich auch den Lebensstandard seiner Bevölkerung. Die Eroberung des Weltmarktes sowie die weitgehende Einflussnahme auf möglichst viele Länder, die als Abnehmer von Waren und auch als Rohstoffquelle für Chinas Industrie gewonnen werden
können, wird konsequent verfolgt.
– Die von den westlichen Industrieländern nach Pekings Einschätzung unbegründete Furcht vor einer durch Kohlendioxid-Emissionen in der näheren Zukunft drohenden Klimakatastrophe bietet China unerwartete und außerordentliche Chancen, das oben
genannte Ziel sogar noch schneller zu erreichen. Der Westen zerstört dabei wichtige Sektoren seiner Industrie und verliert deutlich an internationaler Wettbewerbsfähigkeit – ein unerwarteter und geradezu geschenkter Vorteil für das Reich der Mitte, den es entschlossen auszunutzen beabsichtigt.
– Um diese Chance für einen längeren Zeitraum abzusichern, muss China als auch weiterhin größter Emittent des vermeintlich an der kommenden Katastrophe ausschlaggebenden Treibhausgases CO2 unbedingt den Eindruck erwecken, dass es entschieden und massiv diese Emissionen reduziert und die Klimaziele einer Begrenzung des Globaltemperatur- Anstiegs auf plus 1,5 Grad Celsius sowie die spätere völlige Neutralisierung dieser Emissionen („Net Zero“) zuverlässig erreichen wird. Dafür muss China glaubwürdige Beweise liefern, auf die der Westen Wert legt: Eine drastische Absenkung der Nutzung fossiler Energieträger (Kohle, Mineralöl, Erdgas) bei der Energieerzeugung sowie eine eindrucksvolle Errichtung von Windparks und Photovoltaik-Anlagen.
– China hat auf diese Forderungen und Erwartungen professionell reagiert: Eindrucksvolle Wind- und Solarstromanlagen wurden errichtet – das ist gewissermaßen der Preis dafür, dass sich die Kritik an China in Grenzen hält.
– Aus der bisherigen Klimapolitik dieses Landes ist jedoch klar zu erkennen, dass überhaupt nicht daran gedacht wird, sich z.B. von der dominierenden Kohleverwendung zu verabschieden. Vor Kurzem haben China und Russland die Lieferung großer Erdgasmengen nach China vereinbart. Auch die Kohleimporte werden weitergehen. Conrad Black sagt in seinem knallharten Artikel 12) zu allem, was China zur COP26 erklärt hat:
„Selbstverständlich sind das keine ernsthaften Absichten und sie bedeuten nichts.“ Und weiter: „China demonstrierte, wie vollständig seine Verachtung für das Ganze ist.“
– Chinas Drohpotenzial – bekannt und gefürchtet, aber nicht offiziell angesprochen – besteht darin, dass sich die Regierung an den Pranger gestellt sieht und sich daraufhin aus der scheinbaren Bedienung der westlichen Forderungen empört verabschiedet. Präsident Xi hat zu „diktatorischen Forderungen des Westens“ bereits sehr deutliche Worte gefunden.
– Manche Leser werden die Frage stellen, ob denn die Regierung Chinas mit ihrer offensichtlichen Politik nicht den von den Klimawarnern angekündigten Weltuntergang bewusst in Kauf nimmt. Das ist gewiss nicht der Fall. Vielmehr zeigt Chinas Politik sehr klar, dass seine führenden Politiker die westliche Klimapanik für unsinnig halten – und die ganze CO2-Erwärmungstheorie für falsch. Unbewiesen ist sie ja bis heute in der Tat und die chinesischen Wissenschaftler haben selbstverständlich die gesamte kritische Fachliteratur – vor allem aus den USA – ausgewertet und daraus ihre Schlussfolgerungen gezogen. Chinas Regierung besteht in dieser Sache nicht aus verantwortungslosen Hasardeuren. Es sind Realisten.
Die westlichen Regierungen, so sie tatsächlich an die vorhergesagte Klimakatastrophe glauben, sollten alle Hoffnung fahren lassen. China will die Welt nicht retten. Und niemand kann daran etwas ändern. Auch Deutschland nicht, indem es seinen 2-Prozent-CO2 Anteil an der globalen Emission mit einer Selbstzerstörungspolitik auf vielleicht 1,6 Prozent verringert.
Vielleicht liegt ein Teil der heutigen Haltung Chinas zu der Debatte um das Weltklima auch ein wenig an der langen Geschichte des chinesischen Kaiserreichs. In Veröffentlichungen von Astrophysikern wurde im Zusammenhang mit der Dynamik, die von der Sonne in ihrer Periodizität ihrer Sonnenflecken gezeigt wird, auch erwähnt, dass es im antiken China zum normalen Studium kosmischer Ereignisse gehörte, dieses Phänomen der Sonnenflecken zu beobachten und zu dokumentieren. Vielleicht ist es dieses historische Interesse an dem, was die Sonne an eindrucksvollen Besonderheiten zeigt, das eine grundlegende Bewunderung dieser ewigen Licht- und Wärmequelle zur Folge hat.
Dass sich Langnasen (so nennen uns Chinesen) stattdessen vor einem mickrigen Spurengas fürchten, das angeblich die Macht der Sonne begrenzt, hält man in diesem Land vermutlich für recht seltsam.
Quellen
1. BGR-Energiestudie 2018 „Steigender globaler Energieverbrauch – Zuwächse vor allem bei erneuerbaren Energien und Erdgas“, (Pressemitteilung),
2. BGR Energiedaten 2019 – Daten zu Entwicklungen der deutschen und globalen Energieversorgung. (Publikation). 16.12.2020
Datei: energiedaten_2019.xlsx
http://www.bgr.bund.de/DE/Themen/Energie/Downloads/energiedaten_2019.html
3. BGR-Energiestudie 2014 „Reserven, Ressourcen und Verfügbarkeit von Energierohstoffen“,
(Publikation):
http://www.bgr.bund.de/energiestudie2014
4. Christopher Weßelmann: „Kernenergie: Ein Weg der Vernunft“, (Editorial), atw Vol.66 (2021), Ausgabe 6, November.
5. BGR: „China Kohle 2003. Rohstoffwirtschaftliche Länderstudie Band XXVl.
6. Vijay Raj Jayarai; M.Sc. Environmental Science, New Delhi, Researcher of Univ. Of East Anglia, GB.: “Ein verrückter Wettlauf um Kohle, nachdem China und Indien ihre Klima-Korrektheit aufgaben“;
https://www.cfact.org/2021/10/14/a-mad-rush-for-coal-as-china-and-india-suspend-climate-correctness/
7. Ian Williams: „Chinas Energy Crisis”; The Spectator”; 30.10.2021;
8. The Australien: “China wants the World to pay for Net Zero as India demands $ US 1 trillion”; (Anm.: 1 Billion US-Dollar); 2.11.2021
9. Dominic Lawson: “Presidents Xi and Putin are laughing at us”; The Sunday Times, 7.11.2021
10. BGR-Meldung: “Trotz Corona: Steigender Stromverbrauch und massiver Kapazitätsausbau in China“; (Pressemitteilung 21117-CL); März 2021;
Datei: 210331_Kapazitaetsausbau_bei_Kohle_und_erneuerbaren_Energien_China(1).pdf
11. Steve Hilton: „Cop26 is a gigantic flatulent mess…“; Mail on Sunday 7.11.2021
12. Conrad Black: “The ghostly charade in Glasgow and the West’s self-flagellation over the climate”; National Post 21.11.2021;
https://nationalpost.com/opinion/conrad-black-the-ghostly-charade-in-glasgow-and-the-wests-self-flagellation-over-the-climate?mc_cid=fe943a3217&mc_eid=fb1e21f5eb
13. Philip Patrick: “Why COP26 flopped”; The Spectator 16.11.2021
14. Richard S. Lindzen: “China Warming. The CCP is by far the biggest emitter of greenhouse gases on the planet. Is that a problem?”; Tabletmag May 2021;
ISBN: 9781950665792; https://www.tabletmag.com/selections/science/articles/china-warming-richard-lindzen