Winter 2021/22 – Eher normal bis mild?

Stefan Kämpfe

Die nachfolgende Zusammenstellung ist keine sichere Prognose, denn seriöse Langfristprognosen gibt es nicht! Doch wie in den letzten Jahren, soll ein vorsichtiger Ausblick auf den kommenden Winter gewagt werden. Dabei werden die wesentlichen, bekannten Ursachen für den Charakter der Winterwitterung beleuchtet, wobei sich die Dominanz natürlicher Prozesse zeigt; anthropogene (menschliche) Einflüsse spielen höchstens eine Nebenrolle. Die überwiegende Mehrzahl der Prognosesignale weist in die eher zu milde Richtung; es bleibt aber noch Spielraum für gelegentliche Kälte. Alle „Prognosen“ beziehen sich auf den meteorologischen Winter (Dez. bis Feb.) und werden im März 2022 kritisch auf ihr Zutreffen geprüft.

1. Die Bauernregeln

welche trüb-mild war. „Elisabeth (19.11., diesmal trüb, zu mild) sagt an, was der Winter für ein Mann“. „Wie’s Wetter an Kathrein (25.11., diesmal fast temperaturnormal, trüb, meist trocken) so wird es auch im Januar sein.“ Solche Regeln haben nur einen sehr groben Wahrheitswert. Insgesamt widersprechen sich also die Bauernregeln, was Spielraum für milde und kalte Abschnitte in diesem Winter lässt.

3. Nachlassende Sonnenaktivität – Menetekel der Abkühlung

Der Winter 2021/22 ist der achte nach dem Maximum des SCHWABE-Zyklus. Die 12 Vergleichswinter seit 1881/82 liegen mit etwa -0,1°C merklich unter dem Wintermittel des gesamten Zeitraumes 1881/82 bis 2020/21, das etwa +0,3°C beträgt. Von diesen 12 Vergleichswintern waren die von 1890/91, 1900/01, 1944/45, 1954/55, 1986/87, 1996/97 und 2008/09 mehr oder weniger zu kalt, vier Winter waren mäßig mild, und nur 1924/25 war deutlich zu mild. Betrachtet man alle Winter nach ihrem Rang im SCHWABE-Zyklus, so verliefen der sechste und der neunte nach dem Zyklus-Maximum im DWD-Deutschlandmittel am mildesten, der fünfte und achte am kältesten; freilich ist der „Vorhersagewert“ wegen des geringen Stichprobenumfangs mit größter Vorsicht zu genießen:

Insgesamt lässt die geringe Sonnenaktivität 2021 eher einen normalen bis zu kalten Winter erwarten.

4. Die Zirkulationsverhältnisse: Zeitweise Winter?

Für längerfristige Vorhersagen muss man die Zirkulationsverhältnisse vorhersehen können, was kaum möglich ist. Im Herbst 2021 war die Zonalzirkulation überwiegend sehr schwach – eine Folge der negativen NAO-Werte. Ob die seit der Jahrtausendwende zu beobachtende leichte Abnahme der Westlagenhäufigkeit in diesem Jahr eine Rolle spielt, ist fraglich. Die seit 2018 gehäuften Zirkulationsstörungen, welche auch 2021 die Westdrift oft lange schwächten oder gar blockierten, machen gewisse Hoffnungen auf zeitweise winterliches Wetter. Wegen der aktuell begonnenen Ostwind-Phase der QBO (Erklärung siehe Punkt 7) muss eine besonders anfangs kältere Winterwitterung in Betracht gezogen werden.

5. Die mittelfristigen Modelle: Wechselhafter, eher milder Dezember?

Die verbesserte Kurzfrist- Vorhersagegüte (etwa 1 bis 4 Tage im Voraus) resultierte aus der Entwicklung und Verfeinerung numerischer Modelle, basierend auf Gleichungen der Thermodynamik, in Verbindung mit immer schnelleren Computern sowie mehr und besseren Mess- oder Beobachtungsdaten per Satelliten und Automaten. Für längerfristige Vorhersagen dienen sogenannte Ensemble-Modelle, bei denen man die Ergebnisse mehrerer Modell-Läufe (gerechnet mit leicht variierten Anfangsparametern) mittelt. Sie liefern keine detaillierten Vorhersagen, doch gute Abschätzungen der Luftdruckverhältnisse für etwa eine Woche im Voraus und vage für bis zu 15 Tagen. Die Ensemble- Vorhersagekarte des NOAA (USA- Wetterdienst) vom 25.11. für den 10.12.2021 zeigt eine schwache westliche Strömung über Deutschland, was tendenziell eher mildes Wetter bedeutet (Quelle: NOAA).

(Quelle):

6. Die aktuelle Tendenz der Wintertemperaturen in Deutschland

Trends erlauben nie Rückschlüsse auf den Einzelfall und keine Extrapolation in die Zukunft. Die Wintertemperaturen entwickelten sich in den letzten gut 30 Jahren folgendermaßen:

Trotz der sehr milden Winter 2013/14, 2015/16, 2018/19 und 2019/20 sowie beschleunigt steigender CO2-Konzentration (obere, grüne Linie) stieg das Wintermittel seit 34 Jahren als einziges Jahreszeitenmittel kaum noch, weil die schon erwähnte nachlassende Sonnenaktivität und schwächere Zonalzirkulation bereits Wirkung zeigen. Und die DWD-Daten sind nicht wärmeinselbereinigt. Einen deutlich fallenden Trend zeigt die wärmeinselarme Station Amtsberg/Erzgebirge:

Aber die „richtige“ Kälte dürfte indes wegen der Trägheit des Klimasystems erst in wenigen Jahren bis Jahrzehnten zuschlagen („Kleine Eiszeit“). Die seit einigen Jahren wieder leicht steigende Zahl von Nebeltagen weist gleichfalls auf eine beginnende Abkühlung hin.

7. Die Nordatlantische Oszillation (NAO), die PDO, die AMO, die QBO und der Polarwirbel – noch vage Hoffnungen auf Winterwetter?

Der NAO-Index ist ein Maß für die Intensität der Westströmung über dem Ostatlantik im Vergleich zum Langjährigen Mittel. Positive NAO-Werte bedeuten häufigere und intensivere, im Winter eher milde Westwetterlagen. Bei negativen NAO-Werten schwächt sich die Intensität der Zonalströmung ab, bei stark negativen Werten kann sie gar in eine Ostströmung umschlagen oder meridional verlaufen. Nur Anfang August, Mitte September und Mitte November gab es positive, ansonsten über lange Zeit negative NAO-Werte bei merklichen Schwankungen (Quelle):

. Und die sogenannte QBO (Windverhältnisse in der Stratosphäre der Tropen, die etwa alle 2,2 Jahre zwischen West und Ost pendeln), wechselte 2021 fast in allen Schichten zur Ostwind-Phase, was eher für eine Schwächung der milden Westlagen spricht.

Polarwirbel, NAO, PDO, QBO und AMO lassen uns zumindest etwas Hoffnung auf Kälte.

8. Verursacht das angeblich verschwindende Arktische Meereis kältere Winter? Für die relativ kalten Winter 2009/10 und 2012/13 wurde das schwindende arktische Meereis, speziell im September, verantwortlich gemacht. Mit etwas über 4,9 Millionen Km² gab es im Septembermittel 2021 eine deutlich größere Eisfläche, als zum bisherigen Negativ-Rekordmittel von 3,57 Millionen Km² (Sept. 2012) und in den Jahren von 2015 bis 2020 (Daten: NSIDC, National Snow and Ice Data Center der USA). Bei AMO- und PDO-Warmphasen wird mehr Wärme in die Arktis eingetragen. Die minimale Eisausdehnung und die geringere Westlagenhäufigkeit der 2000er Jahre „passen“ gut zum AMO-Maximum. Genaueres Zahlenmaterial zur Eisausdehnung liegt leider erst seit 1979 vor (Einführung der flächendeckenden, satellitengestützten Überwachung). Zumindest in diesem relativ kurzen Zeitraum von gut 40 Jahren bestand ein signifikanter Zusammenhang zwischen der AMO und der Fläche des winterlichen Arktis-Meereises:

Insgesamt hat das komplizierte, wenig erforschte Zusammenspiel zwischen Meeresströmungen, AMO, Meereis und Großwetterlagen wahrscheinlich großen Einfluss auf die Witterungsverhältnisse. Die Ausdehnung der Schneebedeckung im Spätherbst (Okt/Nov) in Eurasien hat ebenfalls keine eindeutigen Auswirkungen auf die deutsche Winterwitterung. So bedeckte der Schnee in den Spätherbsten 1968, 70, 72, 76, 93, 2002, 09, 14,15 und 16 auf der größten zusammenhängenden Landmasse der Erde eine deutlich überdurchschnittliche Fläche, doch nur die 3 Winter 1968/69, 2002/03 und 2009/10 waren danach zu kalt, während die anderen 7 zu mild ausfielen; letztmalig der von 2016/17, trotz des kalten Januars. Eine große Überraschung bot dieser Analyseteil trotzdem. Im Herbst und Winter wächst nämlich die mit Schnee bedeckte Fläche Eurasiens; nur im Frühling und Sommer nimmt sie ab. Sollte es Dank des „Klimawandels“ nicht immer weniger Schneeflächen in allen Jahreszeiten geben?? Und die wahre Ursache für die Abnahme im Frühjahr/Sommer ist nicht das CO2, sondern vermutlich mehr Sonnenschein (siehe folgende Abbildung):

9. Analogfälle (ähnliche Witterung wie 2021)

2021, nur undeutlich und kurz (November 1988 und 1989). Das Witterungsverhalten im September/Oktober 2021 (Sept. zu trocken und zu warm, Oktober etwas zu mild und etwas zu trocken) deutet eher auf einen mehr oder weniger milden Winter hin.

der insgesamt recht milde Herbst 2021 deutet also eher auf einen milden Winter hin. Bei Betrachtung des Deutschland-Temperaturmittels aus den meteorologischen Jahreszeiten Sommer und Herbst zusammen ergibt sich ein bemerkenswerter Zusammenhang; besonders, wenn man nur diejenigen Fälle betrachtet, in denen das zu hohe Temperaturmittel von Juni bis November die einfache Standardabweichung von 1881 bis 2020 erreicht oder überschreitet:

hier:

10. Die Hurrikan-Aktivität (Nordatlantik) und Zyklonen- Aktivität (nördlicher Indik)

2020 eine leicht negative Korrelation (tendenziell kältere Winter, wenn dort viele Zyklone auftraten). Im Mittel von 1851 bis 2017 sind gut 5 Hurrikane pro Jahr (die Saison beginnt meist erst zwischen Mai und Juli, doch 2016 gab es schon im Januar einen Hurrikan, und endet spätestens Anfang Dezember) aufgetreten. Erreichte ihre Zahl mindestens 10 (1870, 1878, 1886, 1887, 1893, 1916, 1933, 1950, 1969, 1995, 1998, 2005, 2012, 2017 und 2020), so waren von den 15 Folgewintern 11 zu kalt oder normal, und nur 4 (1950/51, 1998/99, 2017/18, da aber kalter Februar, und 2020/21, da aber zeitweise Kälte im Januar/Februar) zu mild. Bei fast all diesen Fällen brachte allerdings schon der Spätherbst markante Kältewellen; selbst vor zwei der milden Wintern waren diese zu beobachten; besonders markant 1998, und 2017 war der September zu kalt. Bei deutlich übernormaler Hurrikan-Anzahl besteht eine erhöhte Neigung zur Bildung winterlicher Hochdruckgebiete zwischen Grönland und Skandinavien. In diesem Jahr gab es bislang 7 Hurrikane und damit zwar etwas zu viele, aber weniger als zehn, was keine eindeutigen Aussagen erlaubt. Im Indischen Ozean war die Zyklonen- Aktivität 2021 etwas unterdurchschnittlich, was aber nur vage auf einen Mildwinter hindeutet. Die Wirbelsturm-Aktivität gibt auch diesmal also keine eindeutigen Winter-Hinweise.

11. Die Langfrist- Vorhersagen einiger Institute, Wetterdienste und Privatpersonen

UKMO-Metoffice (Großbritannien): Stand 11.11.2021 Winter (D, J, F) mit erhöhter Wahrscheinlichkeit in ganz Deutschland zu mild (folgende Karte):

Anmerkung: Hier wird nur die Metoffice-Karte mit der Wahrscheinlichkeit des Abweichens vom Median gezeigt. Es gibt zwei weitere. Diese Median-bezogene Wahrscheinlichkeitsaussage zeigt, wie die anderen Karten auch, eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für über dem Median liegende Wintertemperaturen besonders über der südlichen Arktis, der nördlichen Ostsee und Teilen des Mittelmeeres:

Die aktuellen Karten jederzeit hier.

Donnerwetter.de Stand 11. November 2021: Die „Prognosen“ liegen dekadenweise ab der zweiten Dezemberdekade vor. Fast alle Dekaden sollen mehr oder weniger zu kalt ausfallen, so dass ein insgesamt um etwa 3K zu kalter Winter in Berlin zu erwarten wäre:

hier).

IRI (folgende Abbildung), Vorhersage vom Nov. 2021: Besonders in Mittel- und Norddeutschland erhöhte Wahrscheinlichkeit für übernormale Wintertemperaturen:

DWD (Offenbach): In Deutschland etwa 0,5 bis 1°C zu mild, bezogen auf den Klimamittelwert der Jahre 1990 bis 2019, der ca. knappe 1,4°C beträgt (Stand 8. Nov. 2021):

NASA (US-Weltraumbehörde) Karten vom November 2021: Dezember in Nordwestdeutschland etwas zu kühl, sonst normal, Januar und Februar insgesamt um etwa 0,5 bis 1 K zu mild:

http://www.cpc.ncep.noaa.gov/products/people/wwang/cfsv2fcst/ (Europe T2m, ganz unten in der Menütabelle; E3 ist der aktuellste Eingabezeitraum):

Die Mehrzahl dieser experimentellen, nicht verlässlichen Langfristprognosen deutet also einen eher normalen bis deutlich zu milden Winter an.

Dieses Fazit wurde aus 15% der Tendenz der Bauern- Regeln, 10% Sonnenaktivität, 20% Zirkulationsverhältnisse, 15% Mittelfrist- Modelle, 10% NAO, AMO,QBO, Polarwirbel, 15% Analogfälle, und 15% der vorwiegenden Tendenz der Langfristprognosen gewichtet. Aktualisierung voraussichtlich Ende Dezember.

Zusammengestellt von Stefan Kämpfe, unabhängiger Klimaforscher, am 25.11. 2021