Energie- und Klimapolitik: Ein „Weiter so“ wäre ein Irrweg
Angesichts der besorgniserregenden Gas- und Strompreisentwicklung kritisieren Energie- und Klimaexperten von SPD, CDU und FDP, Energiefachleute und Vertreter von Verbänden die deutschen Energie- und Klimapolitik.
Sie unterbreiten vor den Koalitionsverhandlungen 14 Vorschläge, die unverzichtbar seien, um künftig die Energieversorgung Deutschlands zu sichern. Die Maßnahmen der Experten basieren auf den Empfehlungen des IPCC. Epoch Times war mit einem Livestream vor Ort.
Im Winter sind Engpässe schon jetzt absehbar
Die gesicherte Leistung des deutschen Kraftwerkparks wird laut Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft schon bis 2023 von heute 90.000 MW auf 75.300 MW sinken. Im Winter und bei Höchstlast werden jedoch nach Prognose der Bundesnetzagentur 81.800 MW benötigt. Es ist schon jetzt abzusehen, dass Strom importiert werden muss.
Der Preis für die Kilowattstunde Strom hat sich an der Leipziger Börse auf 13 Eurocent nahezu verdreifacht. Für Industrie und Gewerbe wirkt sich die Verteuerung massiv auf die Produktionskosten aus. Auch die Haushaltskunden trifft es hart: Zahlte ein Haushaltskunde bisher den weltweit höchsten Strompreis in Höhe von 32 Eurocent/kWh, so sind es jetzt 40 Eurocent/kWh.
Die Fachleute warnen: Wenn die Klima- und Energiepolitik Deutschlands nicht unverzüglich geändert wird, steht eine extreme Stromknappheit mit temporären Stromabschaltungen bevor. Außerdem gäbe es unvorstellbar hohe Preiseffekte und großflächige Versorgungseinschränkungen. Die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie und unser Wohlstand wären akut gefährdet.
14 Maßnahmen unverzüglich einleiten
Für die Koalitionsverhandlungen und die zukünftige Klima- und Energiepolitik halten die Experten folgende Maßnahmen für unverzichtbar:
1. Kernkraftwerk-Moratorium: Die Fraktionen der die Bundesregierung tragenden Parteien bringen unverzüglich ein Vorschaltgesetz zum Atomgesetz in den Bundestag ein.
Ziel des Gesetzes ist es, die Regelungen des Atomgesetzes von 2011 zur Stilllegung von Kernkraftwerken für die verbliebenen sechs Kernkraftwerke aufzuheben und erst wieder in Kraft zu setzen, wenn die wegfallende Strommenge durch Ersatzneubauten von erneuerbaren Energien und Gaskraftwerken ersetzt worden ist.
Die mit der vorzeitigen Stilllegung verbundenen Entschädigungszahlungen entfallen. Die Bundesnetzagentur erklärt die Kernkraftwerke zu systemrelevanten Kraftwerken, sodass diese auch gegen den Willen der Eigentümer weiterbetrieben werden können.
2. Gaskraftwerke-Programm: Die Bundesregierung beschließt ein Sofortprogramm zum Bau von Gaskraftwerken. Entsprechenden Hinweisen aus dem Abschlussbericht der Kohlekommission im Januar 2019 ist sie bislang nicht gefolgt. Zur Bestimmung der Größe des Programms ermittelt die Bundesregierung unter Beteiligung externer Experten die bis 2030 entstehende Stromlücke unter besonderer Berücksichtigung unvorhersehbarer minimaler regenerativer Erzeugungsleistung und einer 15-tägigen Windflaute, wie sie vom 1. bis 15. September 2021 aufgetreten ist. Die Gaskraftwerke haben eine Abtrennung von CO2 vorzusehen.
3. Ermöglichung der CO2-Verpressung: Das Verbot der Sequestrierung von CO2 wird aufgehoben. Konventionelle Kraftwerke, die eine Abtrennung von mindestens 90 Prozent des CO2 aus den Abgasen aufweisen, werden von dem CO2-Zertifikatehandel befreit.
4. Ladeeinschränkungen für E-Autos: Nach dem englischen Vorbild wird das Aufladen von E-Autos an privaten Ladestationen in Zeiten von Strommangel (Dunkelflaute) von 11 – 22 Uhr untersagt.
5. Abschaffung der Stromsteuer
6. Aussetzung der Anhebung der CO2-Steuer: Die Anhebung der CO2-Abgabe, die am 1. Januar 2022 von 25 €/t CO2 auf 30 €/t CO2 ansteigen soll, wird ausgesetzt.
7. Wiederaufnahme der Kernkraftwerksforschung: Das faktische Forschungsverbot für neue, inhärent sichere Kernkraftwerkstechnologien wird aufgehoben. Im Energieforschungsprogramm der Bundesregierung wird hierzu ein neuer Schwerpunkt geschaffen. Die Forschungszentren in Jülich und Karlsruhe erhalten entsprechende Abteilungen. Die Länder werden aufgerufen, die in den vergangenen Jahren abgeschafften Lehrstühle wieder einzurichten.
8. Kernenergie wird als erneuerbar anerkannt: Deutschland unterstützt die Bemühungen Frankreichs und Polens, in der Taxonomie-Verordnung die Kernenergie als CO2-freie Technologie mit den erneuerbaren Energien gleichzustellen.
9. Überprüfung des Konzepts der Endlagersuche: Die Endlagersuche für hoch radioaktive Reststoffe ist aus Kostengründen einzustellen. Da mit der Einlagerung erst Mitte des Jahrhunderts begonnen werden könnte und der Kostenumfang mehr als hundert Milliarden Euro beträgt, sind Alternativen zu prüfen.
Darunter sind die Aufarbeitung des Materials und Verkauf an Länder, die weiter Kernkraftwerke betreiben, die Mitnutzung der in den nächsten Jahren entstehenden Endlager (Finnland/Schweden) und die Forschung zu neuen Methoden kerntechnischer Verfahren zur Umwandlung der radioaktiven Reststoffe (Beteiligung am belgischen Projekt „Myrrha“). Alle genannten Punkte sind preiswerter als die Vorbereitung und Errichtung eines eigenen Endlagers gegen den zu erwartenden Widerstand der Bevölkerung.
10. Neubestimmung des Windkraft-Flächenverbrauchs: Die Bundesregierung wird die bestehenden Flächen für Windkraftwerke, die angeblich nur 0,9 Prozent der Landesfläche betragen, weil sie lediglich die Bebauungsplanflächen umfassen, unter Berücksichtigung eines Abstandes von 1.000 Metern zu den nächsten Wohnbebauungen neu bestimmen. Dies ermöglicht die realitätsbezogenere Angabe des Flächenverbrauchs für eine Verdopplung der Windkraftkapazität bis 2030.
11. Wind und Sonne können Kernkraft und Kohle nicht ersetzen: Nach Angaben des Umweltbundesamts sind auf der heute planerisch ausgewiesenen Fläche für Windkraftanlagen bundesweit bei einem Abstand zur Wohnbebauung von 1.000 Metern allenfalls 60 Gigawatt (GW) möglich. Das entspricht nahezu der bereits heute bestehenden Windenergiekapazität von 55 GW an Land.
Eine Verdoppelung der fluktuierenden Windenergieerzeugung an Land von 105 auf 210 TWh und ein Ausbau der Offshore-Windenergiekapazität von 8 GM auf 20 GW (was mit einem Anstieg auf 70 TWh verbunden wäre), würde bedeuten, dass 2030 mit 280 TWh aus Windenergie zu rechnen wäre.
Vor dem Hintergrund des Zubaus von weiteren 50 TWh Solarenergie auf dann 100 TWh könnte zwar die wegfallende Kernkraftwerksleistung und Kohlekraftwerksleistung summenmäßig gerade eben ersetzt werden, in Ermangelung großtechnisch verfügbarer Speichertechnologien bis mindestens 2030 wären die mehrtägigen Stromlücken bei Windflauten und Dunkelheit jedoch nicht auszugleichen.
12. Grüner Strom für Industrie, Wärme und E-Mobilität ist nicht vorhanden: Darüber hinaus wäre selbst bei diesem optimalen Szenario keine zusätzlich CO2-freie Stromerzeugung für die Industrie, die Wärmeerzeugung, die Elektromobilität vorhanden.
13. Kein Strom für grünen Wasserstoff: Daher gibt es auch keinen Spielraum für eine Wasserstoffstrategie, die ausschließlich auf Ökostrom beruhen soll. Bei der Erzeugung einer Kilowattstunde Strom auf dem Weg Wind-/Solarstrom-Speicherung-Wiederverstromung gehen 75 Prozent des eingesetzten Stroms verloren. Anders ausgedrückt: Man braucht viermal so viel Strom, um eine Kilowattstunde zwischenzuspeichern. Die Kosten des zwischengespeicherten Stroms steigen auf das Sechsfache, da auch die Anlagen zur Erzeugung, Speicherung und Wiederverstromung finanziert werden müssen.
14. Überarbeitung des Klimaschutzgesetzes: Demzufolge ist das Klimaschutzgesetz zu überarbeiten. Die dort planwirtschaftlich für das Jahr 2030 festgelegten CO2-Minderungen der Energiewirtschaft von 280 auf 108 Millionen Tonnen, der Industrie von 186 auf 118 Millionen Tonnen, der Gebäude von 118 auf 67 Millionen Tonnen, des Verkehrs von 150 auf 85 Millionen Tonnen und der Landwirtschaft von 70 auf 56 Millionen Tonnen können nicht erreicht werden.
Stilllegung der letzten Kernkraftwerke unverantwortlich
„Explodierende Energiepreise und Versorgungsengpässe sind vor allem ein Zeichen des Mangels und vor diesem Hintergrund ist die Stilllegung der letzten sechs Kernkraftwerke in den nächsten 14 Monaten unverantwortlich“, erklärt der frühere Umweltsenator von Hamburg, Prof. Dr. Fritz Vahrenholt (SPD). „Vielmehr sollte den Empfehlungen des IPCC gefolgt werden, d.h. die Nutzung von Kernkraft und CCS-Technologien“, so Vahrenholt weiter. Es sollte endlich eine realistische Politik gemacht werden, fordert Vahrenholt.
Scharfe Kritik an der deutschen Energiewende übt auch der frühere Wirtschaftsminister von Sachsen-Anhalt, Dr. Horst Rehberger (FDP). Sie habe eine dramatische Deindustrialisierung eingeleitet. „Preiswerte und sichere Energie ist für eine wettbewerbsfähige Industrie unverzichtbar. Teure und unsichere Energieversorgung nötigt Unternehmen, in andere Länder abzuwandern, die mit Kohle und Kernenergie wettbewerbsfähige Produktionen ermöglichen.“
Industrieunternehmen folgen einer sicheren Energieerzeugung, wie Rehberger am Beispiel des Unternehmens Südzucker erläuterte. Das Unternehmen siedelte sich 1991 in Zeitz (Sachsen-Anhalt) an. Als Grund für die Standortwahl gab das Management an, dass mit der Braunkohle eine sichere Stromerzeugung gesichert sei.
„Wer diese Politik betreibt, wird Deutschland in eine deutliche Krise bringen“, warnt der frühere Wirtschaftsminister. Erste Großbetriebe wie die BASF (Leuna) kündigten bereits an, abzuwandern. Die aktuelle Energiepolitik führe zum Infragestellen des gesamten politischen Systems. Wenn der Lebensstandard absinkt, dann sei auch die Demokratie massiv gefährdet.
Rettung des Weltklimas durch Deutschland ist eine Illusion
Dass Windräder auch ökologisch höchst problematisch sind, erläutert der Agrarwissenschaftler Prof. Dr. Wolfgang Merbach (CDU). Zudem betont er, dass die Rettung des Weltklimas von deutschem Boden aus illusorisch ist und dem deutschen Alleingang in der Klima- und Energiepolitik keine Nation folgen werde. Wichtig sei zudem eine Beschleunigung der technologieoffenen Forschung.
„Ein Weiter so ist ein Irrweg. Denn wenn nicht entgegengesteuert wird, werden unvorstellbar hohe Preiseffekte und großflächige Versorgungseinschränkungen die Folge sein“, führt der Kraftwerksingenieur und Buchautor Frank Hennig aus.
Es gebe zwar Abschalttermine für Kraftwerke, aber keine Einschalttermine. Vorfälle wie am 14. August, als nur die Abschaltung von vier Aluminiumerzeugern das Land vor größeren Stromabschaltungen bewahrte, wirken auf Investoren nicht anziehend. Die Entschädigungszahlungen für die vier betroffenen Betriebe müssen letztendlich ebenfalls die Energiekunden übernehmen.
„Dass die Klima- und Energiepolitik der Bundesregierung scheitern muss – an den Gesetzen der Physik, an den Gesetzen der Ökonomie und an den Gesetzen der mathematischen Statistik“, erklärte der Sprecher von über 1.000 Bürgerinitiativen gegen Windkraftanlagen in der Bundesrepublik, Dr. Ing. Detlef Ahlborn. Deutschland stünde vor einer „Zufallsstromversorgung“, mit zufälligen Energien aus Wind und Solar lasse sich keine stabile Industrie betreiben.
An realistischen Zielen ausrichten
Das Fazit der Experten ist: Die Energiepolitik Deutschlands muss sich an realistischen Zielen ausrichten. Sie sollte die Empfehlungen des Weltklimarates (IPCC) aufgreifen, der als Instrumente gegen den Klimawandel die Kernkraft und die CCS-Technologie ausdrücklich empfiehlt.
Die „Rettung“ des Weltklimas von deutschem Boden aus durch die Vermeidung deutscher Treibhausgasemissionen ist illusorisch. Dem damit verbundenen Absturz von Wohlstand, Arbeitsplätzen und industrieller Wertschöpfung wird keine Nation folgen.
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