Warum findet die Klimapolitik so viele Unterstützer? Ist sie eine Umverteilungsstrategie?

Schlechte Zeiten erzeugen starke Männer, starke Männer erzeugen gute Zeiten, gute Zeiten erzeugen schwache Männer, schwache Männer erzeugen schlechte Zeiten“ – Der Sinnspruch geht seit einigen Monaten in den sozialen Medien herum. Ist die Zyklik ein Naturgesetz? Welchen Hintergrund haben die einzelnen Phasen, welche Strategien stehen dahinter? Kann man dem Zyklus entkommen? Der Autor und Youtuber Philipp Anton Mende analysiert anhand biologischer und historischer Theorien.

Lieber Herr Mende,

Sie sind ja Sozialismus-Kritiker. Sehen Sie die Klimapolitik, die ja eher physikalisch argumentiert, als sozialistische Strategie?

Ja. Sozialismus (und als Ableger davon auch die gegenwärtige Demokratie in Deutschland) ist ein System des Machterhalts, basierend auf Umverteilung, finanziert durch Besteuerung und Verschuldung. Am ehrlichsten wäre es für Sozialisten, geradeheraus zu sagen: „Wir wollen mehr Geld von euch für die Umsetzung unserer Gesellschaftsklempner-Phantasien.“ Da hierbei allerdings das Risiko höher läge, Unverständnis in den Reihen der Steuerzahler hervorzurufen, bedurfte es schon immer einer wie auch immer gearteten, exorbitanten „Gefahr“, welche das Wohlergehen oder sogar das Leben der Untertanen angeblich unmittelbar bedrohe. Menschen lassen sich bereitwillig(er) enteignen, sofern sie Angst haben. Die Mechanismen, die Gustave Le Bon bereits 1895 so treffend in seinem Werk „Psychologie der Massen“ beschrieb, greifen dabei nach wie vor.

Klassenfeind“, „Rassenfeind“ – allesamt Kopfgeburten sozialistischer Panikverbreitung. Auch etwas wie der katholische Ablaßhandel wäre ohne Angst und irrationaler Schreckensszenarien nicht möglich gewesen. Die aktuelle Klima- und CO2-Politik ist meines Erachtens nichts anderes als eine postmodernistische Version des mittelalterlichen Ablaßhandels, getreu dem Tetzel’schen Motto:

Sobald der Carbon Credit im Becken klingt, im huy die Seel im Himmel springt.“

Dabei wurde ursprüngliches Schulwissen um den lebensnotwendigen Nutzen von CO2 auf fast schon diabolische Weise ins Gegenteil verkehrt, um vor allem junge Menschen in einem Klima der permanenten Bedrohung, Katastrophe und Angst gefangen zu halten und für ihre zukünftigen „Abgaben“ einzustimmen, ohne nennenswerten Widerstand befürchten zu müssen.

In Ihrem neuen Buch „Widerstand. Warum zwischen linker und rechter Politik eine Schlacht der Gene wütet“ zeigen Sie, daß wohlhabender werdende Gesellschaften allmählich im Schnitt eher linke Ansichten in den Zeitgeist übernehmen, wohingegen arme eher rechts sind. Ist das nicht paradox? Arme Menschen dürften doch an Umverteilung und Hilfe von anderen interessiert sein, also an sozialistischen Ideen.

Vorsicht, hier muß man aufpassen. Ich würde nicht sagen, daß arme Menschen grundsätzlich „eher rechts“ sind. Eine wichtige Frage lautet dabei: Sind sie arm, weil sie arbeitslos sind oder weil sie eher bodenständigen, doch nicht allzu gut bezahlten Erwerbstätigkeiten nachgehen? Letztere neigen zwar dazu, „eher rechts“ zu sein, aber nicht so sehr an Umverteilung interessiert zu sein, da „Rechte“ im Allgemeinen weniger Probleme mit einer natürlichen Ungleichheit haben sowie eher dazu neigen, die Ärmel hochzukrempeln und in den Wettbewerb mit anderen zu treten. Auf der anderen Seite werden tendenziell eher linke, arme Leute vor Wettbewerb und Konkurrenz zurückschrecken und allerlei Gründe ins Feld führen, warum man stattdessen beispielsweise „die Reichen“ stärker besteuern sollte.

Das Phänomen, wonach wohlhabendere Gesellschaften dazu neigen, schrittweise „linke Ansichten“ zu übernehmen, scheint nur auf den ersten Blick paradox. Die biologische r/K-Selektionstheorie bietet einen wissenschaftlichen Ansatz, viele, wenn nicht gar die meisten politisch konnotierten Verhaltensweisen unter Menschen und Tieren (besser) nachvollziehen beziehungsweise verstehen zu können. Sie erlaubt uns, sowohl zivilisatorische als auch kulturelle Entwicklungen – Krieg, Frieden, politisches Gebaren etc. – vor dem Hintergrund natürlich entstandener Fortpflanzungs- beziehungsweise Reproduktionsstrategien zu begreifen, genauer: sie aus einer biologischen, hormonellen, epigenetischen und genetischen Perspektive nachzuvollziehen, die das Potenzial in sich trägt, Gesellschaftsentwicklungen auf völlig neue Art und Weise verstehen zu können.

Eine Gesellschaft wird grundsätzlich nur dann wohlhabend, wenn typische K-selektierte Verhaltensweisen greifen (dürfen), die im Allgemeinen eher dem „rechten“, also „konservativen“ Spektrum zugeordnet werden, z.B. der Glaube an die Sinnhaftigkeit eines relativ freien und vom Staat nicht verzerrten Wettbewerbs, Konkurrenzdenken, stabile Familien mit zwei Elternteilen, die viel Aufwand beim Aufziehen des Nachwuchses betreiben, eine relativ spät einsetzende Sexualität und einiges mehr. (Eine ausführlichere Einführung gibt es hier.)

Nun neigen Gesellschaften jedoch dazu, ab einem bestimmten Grad der „Sättigung“ bzw. einem bestimmten Level an Wohlstand fauler und auch großzügiger zu werden und im Zuge dessen mehr und mehr Organismen anzuziehen, die diesen Wohlstand lediglich konsumieren (wollen). Ich muß dabei oft an den Spruch denken, wonach sich der Esel aufs Glatteis begibt, wenn es ihm „zu gut“ geht. Wohlstand bedeutet vereinfacht gesagt, dass ausreichend Ressourcen geschaffen wurden. Es kann dann der trügerische Eindruck entstehen, dass ein „Überschuß“ an Ressourcen der natürliche Ist- und Dauerzustand sei, weshalb es „kalt“ und „irrational“ sei, diese irgendwem vorzuenthalten. Eine Kapazitätsgrenze existiere nicht. So argumentieren tendenziell „Linke“.

Das ist auch der Grund, warum sich (r-selektierte) linke Politiker zum vermeintlichen Helfer „des kleinen Mannes“ aufschwingen, was nicht sonderlich schwer ist, wenn es letztlich lediglich bedeutet, fremde „Überfluß-Ressourcen“ umzuverteilen. Interessanterweise wurde bewiesen, dass Linke“ weniger wohltätig sind, aber höhere Steuern für andere fordern, um vermeintlich mitfühlenden und hehren Zwecken zu dienen. In der Tat ist der Umstand, daß „Rechte“ wesentlich mehr Geld für wohltätige Zwecke spenden, gut dokumentiert, was sich unter anderem logisch aus der Tatsache ableiten lässt, dass für sie soziale Unterstützung und Wohlfahrt unabhängig von der Regierung erfolgen beziehungsweise nicht untrennbar mit Staatsinterventionismus verbunden sind.

Schlechte Zeiten erzeugen starke Männer, starke Männer erzeugen gute Zeiten….“

Wenn Armut rechts macht, rechte Überzeugungen (zum Beispiel Kapitalismus) Wohlstand erzeugen, Wohlstand zu linken Überzeugungen führen, die in der sozialistischen Ausprägung zu Armut führen – sind wir in einem ewigen Teufelskreis gefangen, und man kann einfach nur froh sein, wenn die eigene Lebenszeit in eine Aufwärtsphase fällt? Oder gibt es Ansatzpunkte für die Vermeidung kollektivistischer Verwirrungen, die eine Gesellschaft verarmen lassen?

Es ist in der Tat so, dass sich bei genauem Hinsehen immer wieder dieselben Aufwärts- und Abwärtsspiralen im Westen erkennen lassen, die bisher nicht durchbrochen werden konnten.

Zwei amerikanische Autoren vergleichen vier menschliche Generationen mit den vier Jahreszeiten und sprechen in diesem Zusammenhang von „Drehungen“, was bedeutet, dass sich nach jeder „Jahreszeit“ (ca. alle 20 Jahre) eine mehr oder weniger einschneidende, generationenbedingte Veränderung ergibt, die immer wieder zu denselben Hochs, Tiefs und Übergangsstufen führ(t)en. (Hier gehe ich genauer darauf ein.)

Dieser Zyklus deckt sich meines Erachtens gut mit den evolutionspsychologischen Erkenntnissen, wie ich sie in „Widerstand“ beschreibe. Es gibt die Theorie, wonach schwache Männer harte Zeiten schaffen, diese harten Zeiten daraufhin starke Männer hervorbringen, welche wiederum gute Zeiten schaffen. Die guten Zeiten schaffen schließlich wieder schwache Männer usw. Demnach befinden wir uns gegenwärtig (noch) in der vierten Drehung, d.h. im „Winter“ oder der Krise, die in etwa noch bis 2025 anhalten könnte.

Wenn man die oben kurz und im Buch lang beschriebenen, evolutionspsychologischen Ansätze akzeptiert (selbstverständlich nicht als alleinigen Faktor), ergibt sich in der Gesamtschau ein meines Erachtens ziemlich schlüssiges und nachvollziehbares Bild, warum wir gegenwärtig erleben, was wir erleben. Selbst wenn man am Großen und Ganzen vielleicht nicht allzu viel verändern mag – man bedenke beispielsweise nur, seit wie vielen Generationen schlaue Köpfe weitestgehend ungehört vor den Gefahren sozialistischer Planwirtschaft und Gesellschaftsklempnerei warnen –, kann man sich jedoch zumindest so gut es geht wappnen, beispielsweise durch den Ausbau persönlicher Beziehungen, Diversifikation etc.

Würden Sie sich als Rechtslibertären bezeichnen?

Das ist eine gute Frage. Zunächst einmal bin ich kein Gegner (mehr) von Begrifflichkeiten wie „libertär“, „rechts“ oder „links“, da sie letztlich nur die Kommunikation vereinfachen (sollen). So wie wir Vornamen haben, um die Kommunikation zu vereinfachen, koppeln wir auch bestimmte (politische) Positionen oder Verhaltensweise an Begriffe. Wichtig ist es, klar zu definieren, was man unter diesen versteht. „Rechts“ und „links“ verstehe ich nicht in dem Sinne, grundsätzlich ein aktuell vorherrschendes politisches System erhalten (konservieren), reformieren oder abschaffen zu wollen, sondern – am Beispiel „rechts“ – traditionelle Normen und Werte, die sich über Jahrhunderte bewährt haben, z.B. starke Familien, ein größeres Maß an individueller Freiheit etc.
Auf den ersten Blick wirkt die Bezeichnung „rechtslibertär“ erst einmal widersprüchlich, da „rechts“ eine politische Philosophie repräsentiert, welche die Notwendigkeit eines staatlichen Gewaltmonopols postuliert, wenn auch nicht im selben Ausmaß wie „linke“ Philosophie. In Teilen des libertären Spektrums, dem ich grundsätzlich zustimme, ist dem nicht so. Von daher handelt es sich bei dem Begriff an und für sich um einen Widerspruch. Nun ist es aber so, dass es eine – wie ich in „Widerstand“ aufzuzeigen versuche – evolutionspsychologisch gewachsene Realität fernab von libertärem Wunschdenken gibt, auch wenn letzteres auf noch so viel Logik und Vernunft basieren mag. Viele Libertäre – so auch ich für lange Zeit – unterschätzen den Einfluss biologischer Prozesse und evolutionär über Jahrhunderte gewachsener Entwicklungskapazitäten und wundern sich dann jahrzehntelang, warum die meisten Menschen um sie herum einfach nicht begreifen „wollen“, dass kein Zweck Zwang und Gewalt heiligt.

Sehr viele Menschen sehen heute beim Begriff „rechts“ sogleich imaginäre Nazi-Aufmärsche vor dem geistigen Auge sowie Panzer durchs Bild rollen, allesamt voll von Fremdenhass etc. Ein Grund hierfür ist meines Erachtens der, da es dem sich in den vergangenen Jahrzehnten stetig gewachsenen „linken“ Spektrum gelungen ist (und zwingenderweise ein Bedürfnis sein muss), nach dem 2. Weltkrieg sukzessive alles „Rechte“ in die Nazi-Ecke zu schieben. Da nützt es auch wenig, wenn man darauf hinweist, dass sich tatsächliche Nationalsozialisten als „links“ bezeichneten (z.B. Goebbels und Eichmann) bzw. – meines Wissens – nicht eine zeitgenössische Quelle während des Hitler-Regimes eben dieses als „rechts“ bezeichnete.

In meinem Buch versuche ich, die Begriffe „rechts“ und „links“ vor einem natürlich gewachsenen, evolutionspsychologischen Hintergrund zu erklären, was sich unter anderem darin äußert, dass sich Politik (im Westen) im Wesentlichen immer wieder um dieselben Kernthemen dreht und dabei im Großen und Ganzen immer wieder dieselben, gegensätzlichen und unvereinbaren Positionen aufeinanderprallen. Bei diesen Positionen spielen nach meinem Verständnis Dinge wie Erziehung, Bildung gewiss eine Rolle, allerdings eine geringere als weithin angenommen.

Um die eingangs gestellte Frage abschließend zu beantworten: Wenn Libertarismus so etwas wie den philosophischen „Leitstern“ verkörpert und die politisch „Rechte“ – realistisch betrachtet – das Maximum unter den gegebenen Umständen darstellt, dann kann ich damit leben, so bezeichnet zu werden.

Widerstand – Warum zwischen linker und rechter Politik eine Schlacht der Gene wütet

Philipp Anton Mende – Geschosse wider den Einheitsbrei