Die Entwicklung der mittleren Minimum-Temperaturen in Deutschland seit 1988 – kaum Erwärmung? Teil 1 – die schwierige Suche nach Daten

Stefan Kämpfe

Für den Frühling deuten sich sogar fallende Minimum-Temperaturen an

Die Erwärmung der letzten Jahrzehnte ist unstrittig, solange man nur die Tages-, Monats- und Jahresmitteltemperaturen betrachtet. Seit 1988 zeigt sich da im Jahresmittel für Deutschland eine merkliche Erwärmung von reichlich einem Kelvin (Grad). Doch die mittleren Minima scheinen sich – zumindest gebietsweise, weit weniger zu erwärmen. Im Folgenden soll dieser spannenden Frage nachgegangen werden.

Untersuchungszeitraum seit 1988 – warum?

Weil sich seit diesem Jahr ein großer Teil der langfristigen Erwärmung in Deutschland vollzog.

Abbildung 1: Entwicklung der Jahresmitteltemperaturen in Deutschland für den Zeitraum 1881 bis 2020. Einer mäßigen, über mehr als 6 Jahrzehnte anhaltenden Erwärmung folgte ab der Mitte des 20. Jahrhunderts eine geringfügige Abkühlung, ehe, beginnend mit dem Jahr 1988, eine kräftige Erwärmung einsetzte, welche im Jahre 2018 ihren bisherigen Gipfelpunkt erreichte. Die gesamte Erwärmung seit 1881 betrug reichlich 2 Kelvin – aber gut die Hälfte davon fand in dem relativ kurzen Zeitraum seit 1988 statt (1,03 K). Die meisten Monate und die Jahreszeiten verhalten sich grob ähnlich.

Nun lag es nahe, einmal zu prüfen, ob auch die mittleren Minima diesem Verhalten folgen.

Das DWD-Stationsnetz – viel Masse, wenig Klasse

Anders, als für die Temperaturmittelwerte, bietet der Deutsche Wetterdienst (DWD) keine Gebietsmittel für die mittleren Minima an. Man muss also die Einzelwerte, monatsweise für die Stationen vorliegend, mühevoll auswerten (das mittlere Monatsminimum ist nichts anderes als der arithmetische Mittelwert der täglichen Minima). Der DWD betreibt mit etwa 1.900 Stationen eines der dichtesten Messnetze der Welt, da sollte sich reichlich Datenmaterial finden lassen. Doch wer sich an die Datenprüfung seit 1988 wagt, erlebt eine Ernüchterung. Denn erstens wurden die meisten Stationen vor 1988 geschlossen, oder sie eröffneten/schlossen während des Untersuchungszeitraumes zeitlich so ungünstig, dass keine seriöse Auswertung möglich war. Zweitens wurden viele der dann noch übrigen Stationen im Untersuchungszeitraum örtlich verlagert, was oft einen wesentlichen Einfluss auf das Temperaturverhalten hat, nämlich dann, wenn sich Stationshöhe und die Koordinaten wesentlich ändern (mit zunehmender Höhe und bei Verlagerung aus bebauten Gebieten sinken die Temperaturen, umgekehrt steigen sie). Solche Stationen kamen also nur dann in Betracht, wenn sich entweder Höhenlage und Örtlichkeit nur geringfügig änderten, oder die Verlagerung erfolgte möglichst früh oder erst ganz am Ende des Untersuchungszeitraumes. Ein durchaus typisches Beispiel ist die Station Zeitz, deren Daten wegen häufiger Verlagerungen unbrauchbar sind; hier die Original-Metadaten des DWD:

5750; 202.00; 51.0461; 12.1349;19520901;19990418;Zeitz

5750; 170.00; 51.0676; 12.1390;19990419;20031231;Zeitz

5750; 170.00; 51.0676; 12.1390;20040101;20060228;Zeitz

5750; 264.00; 51.0314; 12.1495;20060301; ;Zeitz

Die erste Ziffer ist die DWD-Stations-ID, die zweite die Stationshöhe, es folgen die Koordinaten (Hoch- und Rechtswerte), dann der Betriebszeitraum und der Stationsname. Zeitz wurde also am 19. April 1999 an einen deutlich tieferen, etwas nördlicher und östlicher gelegenen Ort verlegt; es folgte eine unwesentliche Änderung mit Jahresbeginn 2004, dann aber am 1. März 2006 eine deutliche Höherlegung um 94 Meter nach Süden und Osten. Und drittens weisen die ganz wenigen, noch verbleibenden Stationen nicht selten mehr oder weniger große Datenlücken auf. Maximal 2 bis 3 Jahre ohne Daten sind gerade noch vertretbar und mitunter durch höhenangepasste Schätzung mit Daten benachbarter Stationen zu überbrücken; so etwa bei Tann/Rhön oder Bad Lobenstein in Thüringen; doch bei größeren Lücken, so etwa bei Quickborn, mussten die Daten ebenfalls verworfen werden. Zur Ehrenrettung des DWD sei aber gesagt, dass diese Probleme auch im Nachbarland Österreich auftreten; allerdings ist dort die Stationssuche und die Datenbereitstellung im Excel-Format deutlich benutzerfreundlicher.

Die bisherigen Ergebnisse

Bislang fanden sich 25 Stationen, welche die genannten Kriterien ganz oder mit vertretbaren Abstrichen erfüllten (folgende Tabelle). Neben 23 DWD-Stationen wurden eine Privatstation und eine Station aus Österreich, grenznah zu Deutschland, in die Untersuchung einbezogen.

Fett markiert sind negative Lineartrends (sich abkühlende mittlere Minima). Diese „Auswahl“ ist natürlich nicht repräsentativ für die Minima-Entwicklung Deutschlands; trotzdem gibt sie grobe Hinweise, wie sich diese entwickelt haben könnten. Überrepräsentiert sind mit Brocken, Kleinem Inselsberg und Zugspitze die sich stark erwärmenden Berggipfel, welche nur einen sehr kleinen Flächenanteil im Deutschland-Mittel einnehmen. Neben stark UHI-belasteten Stationen wie Berlin-Tempelhof, Erfurt/Weimar oder Jena-Sternwarte sind auch viele mehr oder weniger ländliche Stationen enthalten. Außer der starken Jahres-Erwärmung auf den Bergen fallen auch die hohen Erwärmungsraten in Potsdam und Lindenberg ins Auge; andererseits gibt es mit Amtsberg, Bad Lobenstein und Dachwig sogar drei Stationen mit einer geringen Jahresabkühlung. Durchweg wärmer wurden die mittl. Minima im Herbst, größtenteils auch im Sommer, während sich der Winter unterschiedlich verhielt und sich der Frühling größtenteils abkühlte. Bei monatsweiser Betrachtung kühlten sich Januar, Februar, März und Mai ab; am stärksten der März mit minus 1,13 K. Der September blieb fast ohne Trend; aller übrigen Monate erwärmten sich; am stärksten der November mit 2,05 K und der Juni mit 1,28 K. Im Jahresmittel zeigt sich mit nur 0,37 K nur ein gutes Drittel der Deutschland-Erwärmung von 1,03 K im Flächenmittel bei den normalen Temperaturmittelwerten. Über diese Besonderheiten und deren mögliche Ursachen wird im zweiten Teil ausführlicher berichtet.

Stefan Kämpfe, Diplomagraringenieur, unabhängiger Natur- und Klimaforscher