Stefan Kämpfe
Für den Frühling deuten sich sogar fallende Minimum-Temperaturen an
Die Erwärmung der letzten Jahrzehnte ist unstrittig, solange man nur die Tages-, Monats- und Jahresmitteltemperaturen betrachtet. Seit 1988 zeigt sich da im Jahresmittel für Deutschland eine merkliche Erwärmung von reichlich einem Kelvin (Grad). Doch die mittleren Minima scheinen sich – zumindest gebietsweise, weit weniger zu erwärmen. Im Folgenden soll dieser spannenden Frage nachgegangen werden.
Untersuchungszeitraum seit 1988 – warum?
Weil sich seit diesem Jahr ein großer Teil der langfristigen Erwärmung in Deutschland vollzog.
Nun lag es nahe, einmal zu prüfen, ob auch die mittleren Minima diesem Verhalten folgen.
Das DWD-Stationsnetz – viel Masse, wenig Klasse
Anders, als für die Temperaturmittelwerte, bietet der Deutsche Wetterdienst (DWD) keine Gebietsmittel für die mittleren Minima an. Man muss also die Einzelwerte, monatsweise für die Stationen vorliegend, mühevoll auswerten (das mittlere Monatsminimum ist nichts anderes als der arithmetische Mittelwert der täglichen Minima). Der DWD betreibt mit etwa 1.900 Stationen eines der dichtesten Messnetze der Welt, da sollte sich reichlich Datenmaterial finden lassen. Doch wer sich an die Datenprüfung seit 1988 wagt, erlebt eine Ernüchterung. Denn erstens wurden die meisten Stationen vor 1988 geschlossen, oder sie eröffneten/schlossen während des Untersuchungszeitraumes zeitlich so ungünstig, dass keine seriöse Auswertung möglich war. Zweitens wurden viele der dann noch übrigen Stationen im Untersuchungszeitraum örtlich verlagert, was oft einen wesentlichen Einfluss auf das Temperaturverhalten hat, nämlich dann, wenn sich Stationshöhe und die Koordinaten wesentlich ändern (mit zunehmender Höhe und bei Verlagerung aus bebauten Gebieten sinken die Temperaturen, umgekehrt steigen sie). Solche Stationen kamen also nur dann in Betracht, wenn sich entweder Höhenlage und Örtlichkeit nur geringfügig änderten, oder die Verlagerung erfolgte möglichst früh oder erst ganz am Ende des Untersuchungszeitraumes. Ein durchaus typisches Beispiel ist die Station Zeitz, deren Daten wegen häufiger Verlagerungen unbrauchbar sind; hier die Original-Metadaten des DWD:
5750; 202.00; 51.0461; 12.1349;19520901;19990418;Zeitz
5750; 170.00; 51.0676; 12.1390;19990419;20031231;Zeitz
5750; 170.00; 51.0676; 12.1390;20040101;20060228;Zeitz
5750; 264.00; 51.0314; 12.1495;20060301; ;Zeitz
Die erste Ziffer ist die DWD-Stations-ID, die zweite die Stationshöhe, es folgen die Koordinaten (Hoch- und Rechtswerte), dann der Betriebszeitraum und der Stationsname. Zeitz wurde also am 19. April 1999 an einen deutlich tieferen, etwas nördlicher und östlicher gelegenen Ort verlegt; es folgte eine unwesentliche Änderung mit Jahresbeginn 2004, dann aber am 1. März 2006 eine deutliche Höherlegung um 94 Meter nach Süden und Osten. Und drittens weisen die ganz wenigen, noch verbleibenden Stationen nicht selten mehr oder weniger große Datenlücken auf. Maximal 2 bis 3 Jahre ohne Daten sind gerade noch vertretbar und mitunter durch höhenangepasste Schätzung mit Daten benachbarter Stationen zu überbrücken; so etwa bei Tann/Rhön oder Bad Lobenstein in Thüringen; doch bei größeren Lücken, so etwa bei Quickborn, mussten die Daten ebenfalls verworfen werden. Zur Ehrenrettung des DWD sei aber gesagt, dass diese Probleme auch im Nachbarland Österreich auftreten; allerdings ist dort die Stationssuche und die Datenbereitstellung im Excel-Format deutlich benutzerfreundlicher.
Die bisherigen Ergebnisse
Bislang fanden sich 25 Stationen, welche die genannten Kriterien ganz oder mit vertretbaren Abstrichen erfüllten (folgende Tabelle). Neben 23 DWD-Stationen wurden eine Privatstation und eine Station aus Österreich, grenznah zu Deutschland, in die Untersuchung einbezogen.
Fett markiert sind negative Lineartrends (sich abkühlende mittlere Minima). Diese „Auswahl“ ist natürlich nicht repräsentativ für die Minima-Entwicklung Deutschlands; trotzdem gibt sie grobe Hinweise, wie sich diese entwickelt haben könnten. Überrepräsentiert sind mit Brocken, Kleinem Inselsberg und Zugspitze die sich stark erwärmenden Berggipfel, welche nur einen sehr kleinen Flächenanteil im Deutschland-Mittel einnehmen. Neben stark UHI-belasteten Stationen wie Berlin-Tempelhof, Erfurt/Weimar oder Jena-Sternwarte sind auch viele mehr oder weniger ländliche Stationen enthalten. Außer der starken Jahres-Erwärmung auf den Bergen fallen auch die hohen Erwärmungsraten in Potsdam und Lindenberg ins Auge; andererseits gibt es mit Amtsberg, Bad Lobenstein und Dachwig sogar drei Stationen mit einer geringen Jahresabkühlung. Durchweg wärmer wurden die mittl. Minima im Herbst, größtenteils auch im Sommer, während sich der Winter unterschiedlich verhielt und sich der Frühling größtenteils abkühlte. Bei monatsweiser Betrachtung kühlten sich Januar, Februar, März und Mai ab; am stärksten der März mit minus 1,13 K. Der September blieb fast ohne Trend; aller übrigen Monate erwärmten sich; am stärksten der November mit 2,05 K und der Juni mit 1,28 K. Im Jahresmittel zeigt sich mit nur 0,37 K nur ein gutes Drittel der Deutschland-Erwärmung von 1,03 K im Flächenmittel bei den normalen Temperaturmittelwerten. Über diese Besonderheiten und deren mögliche Ursachen wird im zweiten Teil ausführlicher berichtet.
Stefan Kämpfe, Diplomagraringenieur, unabhängiger Natur- und Klimaforscher
Eine kleine Korrektur: es ist nicht der Hoch- und Rechstwert, sondern die geografische Breite und Länge.
Weitere Stationen, die Ihren Kriterien enstsprechen sollten:
5426 Weinbiet
3287 Michelstadt-Vielbrunn
953 Deuselbach
1580 Geisenheim
2638 Klippeneck
Danke für Ihre aufwändigen Recherchen!
MfG
Ketterer
Hallo Herr Ketterer,
die Hoch- und Rechtswerte sind lediglich ein älterer Begriff und eine andere Angabe für die geograf. Breite und Länge (Hoch = Entfernung vom Äquator nach Norden, Rechts = Entfernung vom Nullmeridian nach Osten). Danke für die Stationen; wird geprüft, dauert aber.
Danke Herr Kämpfe, dass Sie mir zustimmen: Hoch- und Rechtswert sind Entfernungen, Breite und Länge sind Grad-Angaben. Und diese gibt der DWD für seine Wetterstationen heraus. Wenn Sie den Unterschied erfassen wollen, Wiki hilft.
Wenn Sie aber die DWD-Angaben als (Gauß-Krüger) Hoch- und Rechtswert interpretieren, dann viel Spaß -und Geduld- bei der Suche der Stationen.
Ein interessanter Ansatz! Wäre nur das anthropogene CO2 für den Temperaturanstieg seit 1988 verantwortlich, so wie es der IPCC behauptet, dann müssten die Temperaturanstiege bei Tag und Nacht gleich ausfallen. Denn die behauptete Verzögerung der Wärmeabstrahlung durch CO2 ist Tag und Nacht dieselbe. Und wäre die Ursache alleine die längere Sonnenscheindauer, dann dürften sich Nachts die Minimaltemperaturen nicht bzw. wegen des Wärmespeichervermögens allenfalls nur wenig erhöhen. Kann man aus dem deutlich geringeren Anstieg der Nachttemperaturen (um nur etwa 1/3 des Anstiegs der Tagtemperaturen) schließen, dass das anthropogene CO2 praktisch keine Rolle spielt?
Hallo Herr Dr. Ullrich,
man kann aus diesem Verhalten, aber auch aus dem Verhalten der Großwetterlagen, schließen, dass CO2 keine oder zumindest keine wesentliche klimatische Rolle spielt – es herrscht längst Sättigung. Und wenn, wie in diesem empfindlich kühlen August 2021, der Strömungsanteil der westlichen und nordwestlichen Wetterlagen etwas höher ist und viel mehr tiefe Wolken da sind, fehlt gleich die angeblich so „katastrophale“ Erwärmung; das wird, wenn die Modelle Recht behalten, wohl der kühlste August seit 2014, und auch das Jahr 2021 fällt gegenüber seinen sehr warmen Vorgängern immer weiter zurück.
Herr Ullrich, zu Ihrer Schlußfrage, im ersten Moment würde ich ja sagen, aber wir sind im Team noch nicht fertig. In Hof, einer wärmeinselstarken Station werden die Tmin im Winter stärker steigen als die Tmax. Das könnte beweisen, dass die kalten Winternächte aufgrund des wachsenden Gewerbegebietes einfach rausgeheizt werden. Hat also schon gar nichts mit CO2 zu tun. Das Team besteht aus dem Ungar Jozsef Balint, der auch die Idee hatte, Herrn Baritz, mir und Herrn Kämpfe. Jeder von uns hält Kontakt, tauscht sich aus, aber untersucht noch in eigene Richtungen. Herr Kämpfe war am schnellsten und veröffentlicht nun mal seine ersten sehr interessanten Ergebnisse. Wir sind eben auch auf die Kommentare gespannt. Zu Herrn Ketterer mit dem Vorschlag Geisenheim. Das ist für mich eine WI-intensive Station, da sie an einem Weinberghang zum Rhein liegt und der Rhein wurde in den letzten Jahrzehnten immer wärmer. Einst war er ein kalter Gebirgsfluss, heute ist er ein warmer Golfstrom, der auch den Bodensee nicht mehr zugefrieren läßt.
Naja, was soll sich denn am Rhein in den 30 vergangenen Jahren geändert haben außer dass stromaufwärts von Geisenheim 6 AKW, die den Fluss haben, abgeschaltet wurden.
Es geht um die letzten 30 Jahre und da war der Rhein sicherlich nie ein kälter Gebirgsfluss.
MfG
Ketterer
Herr Ketterer, da geb ich Ihnen recht. Intern habe ich das mit Herrn Baritz so auch diskutiert, und wir sind uns einig, dass bei diesem Ansatz der Steigungsgeradenbetrachtung zwischen Tmin und Tmax bei derselben Station eine Standortverlagerung eh unbedeutend wäre.