Die Temperaturen im Juni und wieviel CO2 gelangt in die Ozeane
von Fritz Vahrenholt
In den letzten Rundbriefen hatte ich die Gerichtsbeschlüsse des Bundesverfassungsgerichtes und des Gerichts in Den Haag untersucht. Mittlerweile haben Sebastian Lüning und ich einen detaillierten Faktencheck des Verfassungsgerichtsbeschlusses vorgenommen. Die fehlerhaften Annahmen und irreführenden Schlussfolgerungen sind in Kürze in einem Buch nachzulesen : „Unanfechtbar ? Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes zum Klimaschutz im Faktencheck“. Das Buch erscheint im Langen- Müller Verlag und ist ab 15. Juli im Buchhandel erhältlich.
Zunächst aber wie immer zur Temperaturkurve.
Die Abweichung der globalen Mitteltemperatur der satellitengestützten Messungen vom Durchschnitt der Jahre 1991-2020 sank im Juni 2021 auf
– 0,01 Grad Celsius.
Der Durchschnitt der Temperaturerhöhung seit 1979 beträgt 0,14 Grad Celsius pro Jahrzehnt. Betrachtet man die letzten 20 Jahre, so sieht man die positiven Maxima in den El Nino-Jahren 1998, 2010, 2016 und 2020 und die Minima in den La Nina-Jahren 1999, 2008, 2011 und 2021.
Die Aufnahme des CO2 durch Ozeane hält sich nicht an den Verfassungsgerichtsbeschluß
In seinem Beschluss zum Klimaschutzgesetz kommt das Gericht zu einer für die Entscheidung zentralen Aussage über den Verbleib des von Menschen emittierten CO2:
„Nur kleine Teile der anthropogenen Emissionen werden von Meeren und der terrestrischen Biosphäre aufgenommen… Im Gegensatz zu anderen Treibhausgasen verlässt CO2 die Erdatmosphäre in einem für die Menschheit relevanten Zeitraum nicht mehr auf natürliche Weise. Jede weitere in die Erdatmosphäre gelangende und dieser nicht künstlich wieder entnommene CO2-Menge erhöht also bleibend die CO2-Konzentration und führt entsprechend zu einem weiteren Temperaturanstieg.“ (Randnummer Rn. 32)
Über die steigende Aufnahme der terrestrischen Biosphäre hatte ich bereits im newsletter vom Juli 2019 berichtet . Wie das Gobal carbon project ermittelte, wurden 2019 31 % des emittierten CO2 durch vornehmlich Pflanzen aufgenommen und 24 % durch die Ozeane, zusammen also 55 %. Soviel zu dem Satz „nur kleine Teile der anthropogenen Emissionen“.
Auch der folgende Satz des Gerichtes hält einer Nachprüfung nicht stand:
“ Im Gegensatz zu anderen Treibhausgasen verlässt CO2 die Erdatmosphäre in einem für die Menschheit relevanten Zeitraum nicht mehr auf natürliche Weise.“
Da diese Feststellungen die Ausgangsbasis für das für Deutschland vom Gericht festgelegte CO2-Restbudget ist, lohnt es sich, die Sachverhalte genauer zu untersuchen.
Denn im Pariser Klimaschutzabkommen wird in Artikel 4 als Ziel des Abkommens die Verringerung der Emissionen definiert, „um in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts ein Gleichgewicht zwischen den anthropogenen Emissionen von Treibhausgasen aus Quellen und dem Abbau solcher Gase durch Senken… herzustellen“ (Übersetzung BMU)
Dazu schauen wir uns zunächst die steigende CO2 -Aufnahme der Ozeane an, wie sie das Global Carbon Project, das u.a. von der World Meteorologial Organisation (WMO) und der UNEP getragen wird und als IPCC – nah bezeichnet werden kann. Die schwarze Linie führt zu einer Aufnahme von 9,6 GT CO2, einem Viertel der Emissionen. Doch neuere Forschungsergebnisse zeigen, dass die Aufnahme deutlich größer sein kann.
Neuere Forschungsergebnisse zur CO2-Aufnahme der Ozeane
Im September 2020 veröffentlichte Andrew Watson von der Universität Exeter mit anderen Wissenschaftlern, darunter Peter Landschützer vom Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg, in Nature Communications eine aufsehenerregende Neuberechnung der CO2-Aufnahme durch die Ozeane. Die Forscher stellten fest, dass die millimeterdicke Diffusionsschicht der Ozeanoberflächen, in der der Austausch der CO2-Moleküle mit der Atmosphäre stattfindet, deutlich kühler ist als bisherigen Berechnungen zugrundegelegt wurde. Bisher wurden die CO2-Konzentration im Meer auf Grund der Messungen im Ansaugstutzen von Schiffen oder durch Bojen gemessen. Watson und Kollegen stellten aber fest, dass die Temperaturen in den obersten Millimetern – also der Diffusionsschicht- der Ozeanoberfläche deutlich kühler sind, als die im Meterbereich gemessenen. Eine Ursache hierfür ist die „Verdunstungskälte“, die bei der Verdunstung des Wassers insbesondere in den Tropen freigesetzt wird und die oberen Millimeter abkühlt. Die Austauschzone kann daher deutlich mehr CO2 aufnehmen als bisher gedacht, da kühleres Wasser nach dem Henry- Gesetz mehr CO2 aufnehmen kann als wärmeres Wasser. Die Wissenschaftler berechnen, dass dadurch 3 GT ( Milliarden Tonnen) mehr CO2 aufgenommen wird, als bisher angenommen. Das sind immerhin rund 100 Gt mehr CO2 in den nächsten 30 Jahren.
Die schwarze Linie im folgenden Diagramm zeigt die deutliche Absenkung gegenüber den bisherigen, gestrichelt gezeigten, Berechnungen, aber auch den rapiden Abfall seit 2005. Es ist bislang nicht geklärt, warum in der Zeit von 1995 bis 2005 die Ozeanaufnahme trotz steigender CO2– Konzentration in der Atmosphäre nahezu konstant blieb (rote Linie). Beachten Sie : die Angaben sind in GT Kohlenstoff. Die y-Achse muss daher mit 3,667 multipliziert werden, um die Zahlen auf GT CO2 umzurechnen und mit dem oben gezeigten Diagramm vergleichen zu können. Weiter ist zu beachten, dass die Aufnahme hier negativ angegeben wird. Im obigen Diagramm des Global Carbon Project ist die Aufnahme als positive Zahl angegeben.
Mit steigender Konzentration des CO2 in der Luft steigt die CO2-Aufnahme durch die Ozeane
In der 9. Klasse lernt man üblicherweise die Wirkungsweise des Henry-Gesetzes kennen. Es besagt, dass die Konzentration eines Gases über einer Flüssigkeit direkt proportional zur Konzentration des Gases in der Flüssigkeit ist. Das kennen wir von der Mineralwasserflasche. Erhöht man den Druck bzw. die Konzentration des CO2 in der Luft, so erhöht sich entsprechend die Konzentration im Wasser.
Die Klimawissenschaft nimmt an, dass sich um 1860 das CO2 in der Atmosphäre und in den Ozeanen im Gleichgewicht befand. Die Konzentration betrug 280 ppm in der Atmosphäre. Um 1960 hatte die Konzentration auf Grund der Emissionen durch den Menschen schon 314 ppm, also 34 ppm mehr als im Gleichgewichtszustand erreicht. Und heute sind es 410 ppm, also 130 ppm mehr als 1860.
Dadurch stieg nach dem Henry-Gesetz natürlich auch die Aufnahme des CO2 durch die Ozeane, Die Aufnahme steigt seit einigen Jahrzehnten stärker als die Emissionen, so dass heute schon 55 % der jährlichen Emissionen von Ozeanen und Pflanzen aufgenommen werden. Anders ausgedrückt : etwa 5 ppm werden vom Menschen jährlich ausgestossen, 2,7 ppm werden insgesamt aufgenommen (alle Zahlen aus Global carbon project). 2,3 ppm verbleiben in der Atmosphäre. Bei konstanter, nicht weiter steigender Emission nimmt die Aufnahme von Ozeanen und Pflanzen weiter zu und immer weniger CO2 verbleibt in der Luft. Bei 450 ppm CO2 werden bereits zwei Drittel (3,4 ppm) durch Ozeane und Pflanzen aufgenommen und nur noch 1,6 ppm CO2 verbleibt in der Luft.
Würde es der Weltgemeinschaft bis 2050 bei einer dann vorliegenden Konzentration von 450 ppm gelingen, die Emission im Verlaufe der nächsten Jahrzehnte zu halbieren auf etwa 2,5 ppm , so wäre demnach ein unmittelbarer Rückgang der CO2 – Konzentration in der Atmosphäre die Folge – und zwar jährlich um (3,4 -2,5 ppm = 0,9 ppm). Die Katastrophenszenarien könnten ad acta gelegt werden. Und wir wären im Einklang mit dem Pariser Abkommen, dass ja fordert, dass Quellen und Senken von CO2 ins Gleichgewicht zu bringen seien. Eine Nullemission -die ohnehin nicht erreicht wird, solange China und die sich entwickelnde Welt wachsende CO2-Emissionen austossen – ist nicht erforderlich.
Verfassungsklage : die nächste rollt an
Die Deutsche Umwelthilfe hat am 5.Juli bekanntgegeben, dass die Organisation ( die u.a. vom Bundesumweltministerium gefördert wird) zusammen mit einigen Kindern vor dem Bundesverfassungsgericht Klage gegen die Länder Bayern, Nordrhein-Westfalen und Brandenburg eingereicht hat. Die Umwelthilfe will erreichen, dass auch die beklagten Ländern Bayern, NRW und Brandenburg verbindliche Emissionminderungsgesetze erlassen. Die Organisation kündigte weiter an, dass sie auch gegen deutsche Unternehmen vor das Bundesverfassungsgericht ziehen werde.
Da kann man nur hoffen, dass die Berichterstatterin des Gerichts, Frau Prof. Gabriele Britz sich zwischenzeitlich einen breiteren Überblick über die klimawissenschaftlichen Grundlagen für folgenschwere Urteile verschafft hat. Denn schon der letzte Beschluss wird als das größte Fehlurteil eines deutschen Gerichts in die Geschichte eingehen.