Woher kommt der Strom? Aus Versorgungssicherheit wird Versorgungswahrscheinlichkeit 

Zunächst die Betrachtung der 15. Analysewoche (Abbildung 1). Das Wichtigste vorweg. Die konventionellen Stromerzeuger (Abbildung 2) konnten die insgesamt schwache regenerative Stromerzeugung bis auf wenige Ausnahmen gut nachführen. Die Strompreise (Abbildung 3), die Deutschland erzielte, waren auskömmlich (Abbildung 4). Stromversorgung ist sehr komplex. Auch, weil sie ein Gleichzeitigkeitsgeschäft ist. In dem Moment, wenn Energie per Strom benötigt wird, muss der Strom erzeugt werden. Deshalb kommt es bei der stundenscharfen Betrachtung des Im- und Exports sehr häufig zu Im- und Exporten in der gleichen Stunde (Abbildung 5). Was denn auch die hohen Importkosten in Abbildung 4 erklärt. Die 6 Stunden Import ist die Netto-Importstundenzahl. Genau wie die Exportstunden.

In dieser Woche gab es also nur 2 Zeiträume, in denen Deutschland per Saldo Strom importieren musste. Am 14. April von 18:00 bis 23 Uhr sowie am 15. April um 18:00 Uhr. Da fielen in der Spitze 100,- bzw. 118,-€/MWh an, die Deutschland bezahlen musste. Den Spitzenpreis der Woche allerdings kassierte Deutschland. Am 14. April um 8:00 Uhr waren es 125€/MWh, die Deutschland für 4,08 GW Strom erhielt. Mit 510.000 € ein feines Sümmchen.

Werten der Energy-Charts  und der daraus generierte Chart erlauben eine Betrachtung der Woche aus einer zusätzlichen Perspektive. Die Dominanz der konventionellen Energieträger wird im Detail offensichtlich.

Womit wir beim virtuellen Energiewender wären (Abbildung 7) wären. Schalten Sie den ein oder anderen konventionellen Energieträger ab und sehen Sie, welche Auswirkungen das auf die Stromversorgung hat. Der Energierechner, der unter Abbildung 7 ebenfalls aufgerufen werden kann, hilft bei der Substitution des wegfallenden Stroms. Eine weitere Möglichkeit den Aufwand zu berechnen, der zwecks immer stärker werdender regenerativer Stromversorgung notwendig wird, bietet das Simulationstool. Diverse vorbereitete Szenarien finden Sie hier.

Bleibt zum Abschluss dieses Analyseteils die Betrachtung der Stromversorgung, wenn die Stromversorgung mittels Windkraft und Photovoltaik in einem angenommenen zwei- beziehungsweise dreifachen Umfang erfolgt wäre. Von 108 Tage hätte der Strom bei einer Verdreifachung immerhin an 54 Tagen zumindest im Durchschnitt ausgereicht, um die Stromversorgung Deutschlands sicher zu stellen. Bei einer Verdoppelung wären es nur 27 Tage gewesen (Abbildung 8). Die an den ausreichenden Tagen überschüssige Strommenge hätte in beiden Fällen nicht ausgereicht, um die Stromlücken an den nicht ausreichenden Tagen zu schließen. Auch nicht mit einer funktionierenden Wasserstoffwirtschaft nicht. Warum das so ist, und warum der Bundesrechnungshof die Energiewendepolitik der Bundesregierung im Speziellen des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWi) massiv kritisiert, erfahren Sie im Zusammenhang mit der Antwort der Bundesnetzagentur auf Peter Hagers Anfrage bei der Bundesnetzagentur nach den Tagesanalysen.

Tagesanalysen

Montag, 12.4.2021: Anteil erneuerbare Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 40,07 Prozent, davon Windstrom 20,02 Prozent, Solarstrom 8,83 Prozent, Strom Biomasse/Wasserkraft 11,21 Prozent. Die Agora-Chartmatrix: Hier klicken.

Montag, Wochenanfang, Windstromerzeugung schwächelt (die ganze Woche), Solar ist auch nicht dolle. Die Konventionellen müssen ganz schön Strom zubuttern, damit die Lichter an bleiben. Das gelingt erstaunlich gut. Nicht eine Stromlücke geht auf. Die Strompreise sind auskömmlich.

Dienstag, 13.4.2021: Anteil erneuerbare Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 45,99 Prozentdavon Windstrom 22,65 Prozent, Solarstrom 12,76 Prozent, Strom Biomasse/Wasserkraft 10,59 Prozent. Die Agora-Chartmatrix: Hier klicken.

Ein optimaler Stromexporttag für Deutschland. Die Konventionellen produzieren so über Bedarf, dass genau der richtige Anteil Strom im Markt ist, um Gewinne zu erzielen. Das wird möglich, weil Wind und Solar kaum volatil sind und damit gut kalkulierbar Strom produzieren. Auf niedrigem Niveau. Die Preise sind entsprechend. Der Handelstag im Detail.

Mittwoch, 14.4.2021: Anteil erneuerbare Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 36,96 Prozentdavon Windstrom 11,65 Prozent, Solarstrom 13,24 Prozent, Strom Biomasse/Wasserkraft 11,08 Prozent. Die Agora-Chartmatrix: Hier klicken.

Weiter abnehmender Windstrom in Verbindung mit dem Sonnenuntergang führt zur ersten Stromlücke der Woche. Auch starker Pumpspeicherstrom kann sie nicht verhindern. Heute erzielt Deutschland um 8:00 Uhr den Spitzen-Exportpreis der Woche. Ein schönes Trostpflaster. Der Handelstag.

Donnerstag, 15.4.2021: Anteil erneuerbare Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 36,39 Prozent, davon Windstrom 12,29 Prozent, Solarstrom 13,26 Prozent, Strom Biomasse/Wasserkraft 10,84 Prozent. Die Agora-Chartmatrix: Hier klicken.

Heute um 6:00 Uhr noch eine kleine Stromlücke. Massiver Pumpspeichereinsatz und anziehende Windstromerzeugung verhindern die Vorabendlücke. Das Preisniveau ist hoch. Deutschland muss zum Schließen der Lücke nicht so viel bezahlen, wie es 2 Stunden später einnimmt. Der Handelstag im Einzelnen.

Freitag, 16.4.2021: Anteil erneuerbare Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 37,47 Prozent, davon Windstrom 14,78 Prozent, Solarstrom 11,75 Prozent, Strom Biomasse/Wasserkraft 10,94 Prozent. Die Agora-Chartmatrix: Hier klicken.

Heute ist ein ausgesprochener ausgeglichener Tag. Die Konventionellen führen optimal nach. Ein Tag, an dem Deutschland gutes Geld verdient. Der Handelstag stundenscharf

Samstag, 17.4.2021: Anteil Erneuerbare an der Gesamtstromerzeugung 38,37 Prozent, davon Windstrom 13,36 Prozent, Solarstrom 12,30 Prozent, Strom Biomasse/Wasserkraft 12,71 Prozent. Die Agora-Chartmatrix: Hier klicken.

Einstieg ins Wochenende. Weniger bedarf. Ein Tag, der dem gestrigen ähnelt. Gute Nachführung der Konventionellen. Die Sonnenstromerzeugung wird ausgeglichen. Und: Wieder gelingt es, die Stromlücke am Vorabend zu verhindern. Wieder wird Geld verdient. Der Handelstag.

Sonntag, 18.4.2021: Anteil erneuerbare Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 31,07 Prozent, davon Windstrom 6,73 Prozent, Solarstrom 10,76 Prozent, Strom Biomasse/Wasserkraft 13,58 Prozent. Die Agora-Chartmatrix: Hier klicken.

Die Windstromerzeugung kommt heute über Tag fast zum Erliegen. Auch die Sonnenstromerzeugung ist nicht sonderlich stark. Die Konventionellen führen wieder optimal nach, so dass wieder gute Erträge erzielt werden. Besonders auch am Vorabend. Der Handelstag.

 Die Bundesnetzagentur antwortet

Sie klingt etwas ungehalten, die ´endgültige` Antwort der Bundesnetzagentur auf Peter Hagers Frage, wo denn Januar, Februar 2023 die 4,3 TWh Strom herkommen sollen, wenn das letzte Kernkraftwerk Deutschlands Ende 2022 abgeschaltet wurde, und die vorgesehenen Ausbauten Wind- und Photovoltaikkraftwerke vorgenommen wurden (Abbildung):

Sehr geehrter Herr Hager,

Zudem ist neben der reinen nationalen Leistungsbilanz auch die Importkapazität aus dem Ausland zu berücksichtigen. Auch hier verweisen wir nochmal auf die bereits übersandten verlinkten Dokumente.

Mit freundlichen Grüßen

Ihr SMARD-Anfragenteam

Solch eine Antwort erstaunt. Von allen Zufällen und errechneten Wahrscheinlichkeiten, von denen das SMARD-Anfragenteam spricht, ist eines Fakt. Am 1.1.2023 fehlen insgesamt 8 GW installierte Leistung Kernkraft gegenüber heute. Das sind in etwa 60 TWh Strom pro Jahr, in zwei Monaten sind es 5 TWh. Um diesen Strom auch nur im Durchschnitt per Windkraft zu erzeugen, müssten in gut 1 1/2 Jahren 6.400 Windkraftanlagen mit einer Nennleistung von 5 MW (Abbildung 9) beantragt, genehmigt und gebaut werden. Wenn, wie in diesem Jahr zufälligerweise kaum Wind weht, nutzen die neuen Anlagen auch nicht viel. Der Verweis auf die Importmöglichkeiten aus dem benachbarten Ausland ist Ausdruck von Hilflosigkeit. Der (noch) größte Industriestaat verlässt sich auf seine Nachbarn, die vor allem Strom aus Kernkraft, Kohle und Gas erzeugen. Wie ärmlich-dumm ist das denn? Lesen Sie im WELT-Artikel unter Abbildung 10, was bereits 2018 der BDEW zu den Importmöglichkeiten von fehlendem Strom nach Deutschland gemeint hat: Der Bundesverband der Elektrizitäts- und Wasserwirtschaft (BDEW) hat eine alarmierende Studie veröffentlicht. Demnach schätzt die Bundesregierung die Stromversorgung nach dem Kohleausstieg falsch ein.

Die Tatsache, dass mit den letzten deutschen Kernkraftwerken eine sichere, praktisch CO2-freie und verlässliche Form der Stromerzeugung wegfällt, nimmt die Bundesnetzagentur offensichtlich nicht zur Kenntnis. Man versteckt sich hinter irgendwelcher Stochastik und Probabilität. Das ist wie das Verhalten eines Kindes, das sich die Augen zuhält und glaubt nicht gesehen zu werden. Versorgungssicherheit wird zur Versorgungswahrscheinlichkeit, die wie selbstverständlich eine am Stromangebot orientierte Stromversorgung nach sich ziehen wird. Strom-Mangelwirtschaft ist in Sicht.

In diesem Sinn rügt auch der Bundesrechnungshof die Bundesregierung. Der Artikel, den Sie unter Abbildung 11 aufrufen können, beschäftigt sich ausführlich mit diesem Sachverhalt. Sie finden dort auch relevante Ausführungen zur Wasserstoffwirtschaft, die aktuell in erheblichem Umfang vom Bundeswirtschaftsministerium promotet und finanziell gefördert wird. Das Urteil des Bundesrechnungshofes ist vernichtend. Doch die Politik ist damit schnell fertig. Schnell durchgeblättert und ab in die unterste Schublade mit dem „Konvolut“. Verantwortungslosigkeit in Reinkultur. Wenn das so weitergeht, dann sind werden sichere Stromversorgungszeiten, eine Stromversorgung, die sich am Bedarf orientiert. Bald der Vergangenheit angehören. Deshalb: Schicken Sie ihrem Abgeordneten die Mail unter Abbildung. Damit am Ende niemand sagen kann, das hätte man aber nicht gewollt und schon gar nicht gewusst.

Noch Fragen? Ergänzungen? Fehler entdeckt? Bitte Leserpost schreiben! Oder direkt an mich persönlich: stromwoher@mediagnose.de. Alle Berechnungen und Schätzungen durch Rüdiger Stobbe nach bestem Wissen und Gewissen, aber ohne Gewähr. 

Die bisherigen Artikel der Kolumne Woher kommt der Strom? mit jeweils einer kurzen Inhaltserläuterung finden Sie hier.

Rüdiger Stobbe betreibt seit über fünf Jahren den Politikblog www.mediagnose.de.