Frank Schätzing will das Klima retten – mit Kernkraft

Frank Schätzing gehört seit den 90er Jahren zu den wichtigsten Bestseller-Autoren des deutschsprachigen Raums. Allein sein Thriller Der Schwarm verkaufte sich weltweit rund 4,5 Millionen mal. In Feuilletons war einmal zu lesen, daß seine Bücher nicht dafür konzipiert seien, Literaturpreise zu gewinnen, weil sie nicht auf die Ansprüche der Intellektuellen zielen, sondern auf alle Bürger. Völlig zu Recht – Thema, Plot, Spannung, das kann der Mann wirklich.Vielleicht hat das aber einen gewissen Til-Schweiger-Effekt zur Folge – Schätzing ist wie sein Kollege aus den darstellenden Künsten reich, populär und bei Frauen begehrt. Nur die Anerkennung des kleinen Spitzenzirkels von Feuilleton-Journalisten, Philosophen und Edel-Literaten, das bleibt ihm verwehrt.

Schätzing ist nicht so ungeschickt wie Schweiger und läßt seiner Enttäuschung freien Lauf, so er sie denn bewußt empfindet. Das typische virtue signalling, also die zeitgeistige „Tugend-Signalisierung“ im Stil eines George Clooney, die läßt er aber schon erkennen. In seinem letzten Roman Die Tyrannei des Schmetterlings schießt der Autor – völlig unnötig für die Geschichte – gegen Präsident Trump und gibt damit dem Feuilleton seine „richtige“ Gesinnung zu erkennen. Nützte nichts – das Buch wurde verrissen. (Kleine Rezension von uns: Der Schmetterling war tatsächlich kein Höhepunkt, ob mit oder ohne Trump. Aber ganz ok. Limit, Schwarm oder Breaking News, das sollten Sie unbedingt lesen.)

Nun legt Schätzing nach und veröffentlicht nach Nachrichten aus einem unbekannten Universum ein weiteres Sachbuch – nun ja, es geht ums Klima, ist also eher ein polit-aktivistisches Werk. Ganz fremd ist ihm der Themenkomplex der „menschgemachten“ Katastrophen ja auch nicht: Schon im „Schwarm“ ging es um den Angriff einer Mikrobenzivilisation vom Meeresboden, die uns Menschen als planetare Krankheit betrachtet und daher ausradieren will. In anderen Büchern wie Limit versuchen böse Ölmanager, ihren Konkurrenten das zukunftsträchtige Geschäft der Kernfusion mit Helium-3 vom Mond zu entreißen, um selber absahnen zu können. Man sieht, das grün-sozialistische Framing des naturfeindlichen Kapitalismus war in Schätzings Werk stets präsent.

Ob es dem Autor mit Was, wenn wir einfach die Welt retten? gelingt, sowohl hohe Verkaufszahlen wie auch die Anerkennung der Zeitgeist-Generatoren zu erreichen? Vermutlich wird beides nicht gelingen. Sein buntgemischtes Publikum legt Wert auf eine gute Geschichte und Spannung, und wird aktivistisches Weltrettungs-Gedröhne nach den entnervenden Greta- und Coronajahren 2019 und 20 wohl nicht bezahlen und konsumieren wollen. Bei den Intellektuellen wird das Buch wahrscheinlich auch nicht besonders hoch im Kurs stehen, weil Schätzing ähnlich wie Bill Gates einen Rest Realismus bewahrt und Kernkraft befürwortet. Bei titel thesen temperamente in der ARD bemühte er sich zwar redlich, den Journalisten seinen Abscheu vor der Atomkraft, gegen die er als Junge auf die Straße ging, glaubhaft zu machen; letztlich spricht er sich aber doch für sie aus.

… Aber wofür ich plädiere, vor allem in einer Krise, wie der, in der wir stecken; in einer existenziellen Krise – uns bleiben vielleicht noch zehn Jahre Zeit, die Weichen zu stellen – darf es keine Denkverbote geben. Und ich muß eine Technologie, auch wenn sie vor einigen Jahrzehnten einmal katastrophal versagt hat…ich muß sie immer wieder aufs neue darauf überprüfen, ob sie sich in einer Weise weiterentwickelt hat, daß ihre Vorzüge die Risiken übersteigen.

Warum fühlen sich Musiker, Schriftsteller, Kultur-/Sozialwissenschaftler und Schauspieler eigentlich so oft berufen, uns die Welt erklären, und sie zu retten? Das können Naturwissenschaftler, Ärzte und Ingenieure viel besser, aber die haben meist wenig Zeit und Motivation, sich in der Öffentlichkeit zu produzieren. Die Persönlichkeiten, die einfache, aber einträgliche Jobs wählen, sind meist viel „priesterlicher“ eingestellt und wollen im Sinne der Selbstoptimierung als Sinngeber wahrgenommen werden. Mit verheerenden Folgen, wie die jüngere Geschichte lehrt.

Was außer Eitelkeit und Kernkraft-Fürsprache finden wir noch in Schätzings neuem Buch?

Nicht viel – nur olle Kamellen (rheinisch für Bonbons) wie „der Mensch verbraucht die Ressourcen des Planeten, bis nichts mehr da ist“ und Behauptungen, daß der Klimaschutz nicht nur Verzicht bedeutet:

„Unterm Strich wird das Leben sogar schöner“

Für Multimillionäre wie Schätzing und den Reemtsma-Clan vielleicht, weil Krethi und Plethi dann nicht mehr in den Urlaub fliegen und Auto fahren können und fließend warmes Wasser im Haus haben. Da steigt die soziale Distinktion der Privilegierten deutlich an.

Ansonsten wiederholt er die Thesen von PIK-Leuten und anderen, nachdem das Corona-Sars2-Virus mit dem Klimawandel zu tun habe und es sogenannte Kipp-Punkte gäbe, nach denen es nicht mehr möglich sei, etwas zu retten (die berühmten „x Jahre, die wir noch Zeit haben“).

Fazit: Der ansonsten begnadete Erzähler und Rechercheur Frank Schätzing hat mit diesem Buch lediglich die bekannten alarmistischen Erzählungen von umstrittenen Wissenschaftlern und Investoren wie Schellnhuber und Gates aufbereitet. Er hält sich dabei weitgehend an die Vorgaben der Interessensvertreter, was erlaubt ist zu sagen und was nicht. Im Interview treibt er seinen politischen Aktivismus auf die Spitze, als er meint:

Vielen ist zuletzt klar geworden, dass etwas grundlegend schiefläuft: Klima, Pandemie, Massentierhaltung, Armut, häusliche Gewalt, Sexismus, Rassismus, alles hängt zusammen. Die Bereitschaft, sich zu ändern, wächst. Vielfach noch unterschwellig, aber es geschieht. Ich glaube, 2021 wird ein Klimajahr.

„Kapitalismus“ hat er noch vergessen. Denn der ist für viele der Intellektuellen sogar der Ausgangspunkt der anderen „Katastrophen“, die er benennt.