April und Frühling 2021 in Deutsch­land mit Startpro­blemen – wie ist die Kälte einzuordnen?

Aprilkälte 2021, ein Festival der Nordlagen – die meteorologischen Hintergründe

Das Aprilgedicht des Mecklenburger Schriftstellers HEINRICH SEIDEL (1842 bis 1906) zeigt, was schon unsere Vorfahren über den April dachten, und wie sehr doch der 2021er April denen vor etwa 120 Jahren ähnelte. Aus Platzgründen ist hier die dritte Strophe weggelassen:

April! April!
Der weiß nicht, was er will.
Bald lacht der Himmel klar und rein,
Bald schau’n die Wolken düster drein,
Bald Regen und bald Sonnenschein!
Was sind mir das für Sachen,
Mit Weinen und mit Lachen
Ein solch‘ Gesaus‘ zu machen!
April! April!
Der weiß nicht, was er will.

O weh! O weh!
Nun kommt er gar mit Schnee!
Und schneit mir in den Blütenbaum,
In all den Frühlingswiegentraum!
Ganz greulich ist’s, man glaubt es kaum:
Heut‘ Frost und gestern Hitze,
Heut‘ Reif und morgen Blitze;
Das sind so seine Witze.
O weh! O weh!
Nun kommt er gar mit Schnee
!

hier. Und im April 2021 waren die sonst gar nicht so seltenen Süd- und HM-Lagen – aus welchen Gründen auch immer – sehr selten, es dominierten nördliche; ein paar Wetterkarten-Beispiele verdeutlichen das:

Abbildungen 1a bis 1d: Kräftiger Kaltluft-Vorstoß aus Nord nach Mitteleuropa am Ostermontag (5. April 2021, oben, 1a) zwischen einem Sturmtief über Skandinavien und hohem Luftdruck über dem Nordatlantik/Grönland. Ein über Mitteleuropa nordwärts ziehendes Tief (Mitte oben, 1b) bescherte nur der Südosthälfte Deutschlands am 11. April „Frühling für einen Tag“, weil an seiner Vorderseite kurzzeitig subtropische Warmluft herangeführt wurde. Die an diesem Tage herrschenden Temperaturkontraste ähnelten denen der Luftmassengrenze vom Februar; während im Süden und Osten 20 bis 22 Grad erreicht wurden, fror man im Emsland bei 5 bis 6 Grad (Mitte, unten, 1c). Nur einen Tag später bibberte man bei launischem Aprilwetter unter dem Einfluss eines Hochs über Westeuropa/Island/Grönland bei kalter Nordwestströmung wieder bundesweit (unten, 1d). Bildquellen wetterzentrale.de

Abbildung 2: Dicke Minuszeichen. Temperaturmittelwerte repräsentativer, deutscher DWD-Stationen für die erste Aprilhälfte 2021. Die farbig hinterlegten Zahlen sind die bis dahin aufgelaufenen Abweichungen zum Klimamittel 1991 bis 2020 in Kelvin (1 Kelvin = 1°C). Das von HUSSING errechnete Gesamtmittel von 4,46°C kommt dem realen DWD-Flächenmittel sehr nahe. Auch wenn das Temperaturdefizit sicherlich in der zweiten Aprilhälfte abnehmen dürfte – dieser April wird merklich zu kalt enden. Bildquelle bernd-hussing.de, ergänzt

Erwärmte Kohlendioxid (CO2) den April langfristig?

Abbildung 3: Nach einer im Vergleich zu den meisten anderen Monaten ungewöhnlich langen Erwärmungsphase, die bis 1961 dauerte, fehlten für gut 30 Jahre sehr milde Aprilmonate (solche deutlich über 9°C); erst ab 1993 traten sie plötzlich ungewöhnlich oft auf und gipfelten im Rekord-April von 2018. Aber auch während der Abkühlungsphase um 1970 stieg die CO2-Konzentration schon deutlich an.

Der April als „Sunny Boy“ unter den Monaten – wie lange noch?

Abbildung 4: Enge „Verzahnung“ zwischen Sonnenscheindauer und Lufttemperaturen im April (Potsdam); aber auch zur AMO bestehen enge Beziehungen. Zur besseren Visualisierung in einer Grafik mussten Sonnenscheindauer (pro Apriltag) und AMO in Indexwerte umgerechnet werden; das zeitliche Verhalten ändert sich dadurch nicht

.Näheres zu den Hintergründen der stärkeren April-Besonnung hier. Den sehr engen Zusammenhang zwischen Sonnenscheindauer und Temperaturen im April verdeutlicht die folgende Grafik:

Abbildung 5: Mehr als ein Drittel der Gesamtvariabilität der April-Temperaturen Potsdams lässt sich mit der Sonnenscheindauer erklären; in Gesamtdeutschland herrschen ähnliche Verhältnisse.

Abbildung 6: Auch im United Kingdom (Vereinigtes Königreich – Großbritannien) ist der April in den AMO-Warmphasen tendenziell sonniger. Zur besseren Visualisierung in einer Grafik mussten Sonnenscheindauer (pro Aprilmonat) und AMO in Indexwerte umgerechnet werden; das zeitliche Verhalten ändert sich dadurch nicht.

Auch wenn solche Prognosen mit Vorsicht zu genießen sind – die sonnigsten Zeiten liegen, zumindest im April, vielleicht schon hinter uns.

Verhaltener, eher kühler Jahresrest nach der Aprilkälte 2021?

hier und hier schon hingewiesen. Aber wie sieht es aus, wenn ein wenigstens mäßig-kalter oder sehr kalter April einem Januar mit deutlich zu geringer Geopotentialhöhe folgte? In diesen fünf Fällen seit 1948 (erst ab da sind verlässliche Daten über die Geopotentialhöhe verfügbar), nämlich 1954, 1965, 1979, 1984 und 1986, war die Folge-Witterung stets sehr durchwachsen – neben kürzeren Hitzewellen überwogen zwischen Mai und September meist kühle Phasen. Auch wenn nur fünf Fälle für eine sichere Bewertung natürlich nicht ausreichen, deutet sich immer mehr ein höchstens mäßig-warmes Jahr 2021 an. Vielleicht lassen aber die (noch) andauernde AMO-Warmphase sowie die infolge der geringen Sonnenaktivität sehr markanten Zirkulationsstörungen noch etwas Hoffnung auf längere, warme Schönwetterperioden, zumal der Luftdruck des Aprils auffallend hoch war, was aber nur im August und November merkliche, aber nicht signifikant positive Auswirkungen auf deren Temperaturen hatte. Außerdem könnte ein Übergang der QBO in die Ostwind-Phase Extremwetter-Ereignisse im weiteren Jahresverlauf begünstigen.

Langfristig wieder kühlerer April in Deutschland?

Abbildung 7: In der aktuellen Warmphase um (2010) gibt es mit 2007 und 2011 nur zwei herausragend warme Aprilmonate, ansonsten unterscheidet sich diese nicht von früheren Warmphasen. Die Langfrist-Erwärmung beträgt seit 1659, also über mehr als 360 Jahre, nur 1 Kelvin – das ist alles andere als beunruhigend. Das mögliche Ende der aktuellen Warmphase deutet sich an; und der auch in England recht kühle 2021er April ist noch gar nicht in der Grafik enthalten.

Diese Erkenntnisse lassen sich im Großen und Ganzen auch auf Deutschland übertragen – in naher Zukunft sind Stagnation oder gar Abkühlung viel wahrscheinlicher, als eine weitere Erwärmung. Einen möglichen Hinweis dafür liefert auch das Häufigkeitsverhalten der Großwetterlagen, welches für Mitteleuropa seit 1881 vorliegt.

Abbildung 8: Seit Aufzeichnungsbeginn (1881) überwogen im April meist Nordwetterlagen (blau), im sehr kalten April 1938 gar an allen 30 Apriltagen. Die Dominanz warmer Südlagen seit dem späten 20. Jahrhundert gipfelte im sehr warmen April 2009 mit 27 Tagen und scheint aktuell zu enden – beide Kurven nähern sich wieder an, und der an Nordwetter reiche April 2021 ist noch gar nicht in der Grafik enthalten.

Kalter, trüber April 2021 – hat er auch gute Seiten?